Année politique Suisse 1993 : Allgemeine Chronik / Landesverteidigung
Rüstung
Für Beschaffungen verschiedenster Art beantragte der Bundesrat dem Parlament
1,947 Mia Fr. Die grössten Brocken waren 205 Radschützenpanzer Piranha (305 Mio Fr.), 200 Militärlieferwagen Duro (288 Mio Fr.), 16 Artilleriegeschütze Bison plus Munition (189 Mio Fr.) sowie 1200 geländegängige Personenwagen (89 Mio Fr.). Mit 286 Mio Fr. soll die Ausrüstung aller Armeeangehöriger mit der neuen Kampfbekleidung weitergeführt werden. 114 Mio Fr. wurden für eine erste Tranche von neuen Ausgangsuniformen vorgesehen. Sie waren ins Rüstungsprogramm aufgenommen worden, um dem Parlament einen Grundsatzentscheid zu ermöglichen. Die Arbeitsgruppe Armeereform hatte einen Verzicht empfohlen. Wie Bundesrat Villiger ausführte, soll mit diesen Beschaffungen die persönliche Ausrüstung der Armeeangehörigen erneuert, die Mobilität und Flexibilität der Armee vergrössert und mit der Beschaffung von Simulatoren die Ausbildung von Infanterie und Fliegerabwehr verbessert und umweltschonender gestaltet werden. Das Rüstungsprogramm 93 sei mit einem Inlandanteil von 80% ausgesprochen beschäftigungswirksam, führte der Chef des EMD aus, und im Rahmen der real um rund 25% gekürzten Rüstungsausgaben finanzierbar. Als Folge der Beschaffung von 34 F/A-18-Kampfflugzeugen werde zudem 1994 kein Rüstungsprogramm vorgelegt
[37].
Der Nationalrat stimmte dem Rüstungsprogramm integral und mit deutlichem Mehr zu. Streichungsanträge Maurer (svp, ZH), Hollenstein (gp, SG) und Haering Binder (sp, ZH) bezüglich der Kredite für die Ausgangsuniformen, die Beschaffung von Simulatoren für die Gefechtsausbildung am Sturmgewehr 90 sowie die Einführung des Waffensystems Bison hatten keine Chance. Der Ständerat nahm das Rüstungsprogramm 93 einstimmig an
[38].
Im Anschluss an seine Debatte über das Rüstungsprogramm 93 behandelte der Nationalrat eine Motion der SP-Fraktion, die einen dringlichen Bundesbeschluss zur
Umstellung der Rüstungsbetriebe auf eine zugleich zivile, soziale und ökologische Produktion forderte. In seiner Antwort lehnte der Bundesrat aus ordnungspolitischen Gründen eine interventionistische grossflächige Rüstungskonversionspolitik ab, sagte aber seine Bereitschaft zu, die mit dem unvermeidlichen Stellenabbau in den Bundesbetrieben verbundenen Härten wo immer möglich zu mildern. Auf seinen Antrag wurde die Motion lediglich als Postulat überwiesen
[39].
Ende Jahr orientierte das EMD über die Neustrukturierung der eidgenössischen
Munitionsbetriebe. Thun wird demnach Sitz des Managements einer neuen eidgenössischen Munitionsfirma, deren Produktionsstätten sich in Thun, Wimmis, Altdorf und Aubonne befinden. Mit dieser Restrukturierung ist ein weiterer Arbeitsplatzabbau von 300 Stellen in Thun und Altdorf verbunden
[40].
Gleich wie der Nationalrat im Vorjahr
lehnte auch die kleine Kammer die GSoAInitiative "für eine Schweiz ohne neue Kampfflugzeuge" deutlich mit 36 zu 2 Stimmen ab. In Übereinstimmung mit Bundesrat Villiger gelangte die Ratsmehrheit zur Ansicht, es gehe hier nicht eigentlich um die Verhinderung des bereits beschlossenen Kaufes von 34 Kampfflugzeugen vom Typ F/A-18, sondern — über das im Initiativtext enthaltene Flugzeugbeschaffungsmoratorium bis ins Jahr 2000 — um eine eigentliche Selbstentwaffnung der Schweizer Armee. Auch ein Gegenvorschlag Weber (ldu, ZH), die Beschaffung des F/A-18 separat einer Volksabstimmung zu unterstellen, wurde als verkapptes Rüstungsreferendum klar verworfen. Weber hatte ihren Antrag eingebracht, damit das Volk unterscheiden könne zwischen einer Zustimmung oder Ablehnung zum Flugzeugkauf und dem von den Initianten geforderten Moratorium
[41].
An einemgemeinsamen Medienauftritt begründeten die Bundesräte Ogi, Villiger und Delamuraz ihre Ablehnung der Volksinitiative mit der internationalen Glaubhaftigkeit der Schweiz sowie mit volkswirtschaftlichen Argumenten. Bundespräsident Ogi bezeichnete die Beschaffung der Flugzeuge als "
europäische Pflicht", weil ein Schweizer Luftloch das Vertrauen der Nachbarn in die schweizerische Verteidungsfähigkeit erschüttern würde. Bundesrat Villiger betonte, es gebe keine sinnvolle und günstigere Alternative zum Kauf der F/A-18. Und EVD-Chef Delamuraz wies darauf hin, dass die Schweizer Montage und die mit den USA für die Beschaffung der F/A-18 ausgehandelten Kompensationsgeschäfte 20 000 Mann-Jahre Arbeit in technologisch interessanten Bereichen bringen würden
[42].
Neben dem bereits oben erwähnten plebiszitären Schlagwort der "Armeeabschaffung auf Raten" waren die Auswirkungen der Kompensationsgeschäfte auf den krisengeschüttelten Schweizer
Arbeitsmarkt denn auch jenes Thema, das von den Gegnern der Initiative ganz besonders hervorgehoben wurde. Auch der Bundesrat, der 1986 in Beantwortung eines Postulates Jaggi (sp, VD) den Kompensationshandel als unzeitgemäss bezeichnet und dessen schrittweisen Abbau befürwortet hatte, schwenkte voll auf diese Linie ein. Das Schweizer Büro der F/A-18-Hersteller organisierte zusammen mit der Gruppe für Rüstungsdienste und den kantonalen Amtern für Wirtschaftsförderung Informationsveranstaltungen über die Auswirkungen der Kompensationsgeschäfte auf den Arbeitsmarkt, was die Initianten als versteckte Abstimmungspropaganda werteten
[43].
Von der Kampagne der Gegner immer weiter in die Armeeabschaffer-Ecke gedrängt, bekundeten die gemässigten Befürworter zusehends Mühe, ihr militärpolitisches Anliegen überzeugend vorzutragen. Stimmen von Experten aus Kreisen, die nicht als armeefeindlich bezeichnet werden konnten, welche die Flugzeugbeschaffung aber aus technischen oder finanzpolitischen Motiven oder aus Gründen der fehlenden Eurokompatibilität ablehnten, verhallten ziemlich ungehört. Auch ein überparteiliches Komitee "Ja zur Armee — Ja zu einer Schweiz ohne neue Kampfflugzeuge" unter dem Präsidium von Ständerat Plattner (sp, BS), den Nationalräten Meier (gp, ZH) und Rebeaud (gp, GE) sowie alt Ständerätin Bührer (sp, SH), welches die für den Flugzeugkauf vorgesehenen 3,5 Mia Fr. lieber in eine andere Art der Luftraumüberwachung und eine moderne bodengestützte Luftabwehr investieren wollte, vermochte kaum in den Abstimmungskampf einzugreifen
[44].
Volksinitiative "für eine Schweiz ohne neue Kampfflugzeuge". Abstimmung vom 6. Juni 1993
Beteiligung: 55,6%
Nein: 1 435 744 (57,2%) / 17 4/2 Stände
Ja: 1 074 661 (42,8%) / 3 2/2 Stände
Parolen:
— Nein: FDP, CVP (1*), SVP, LP, EVP (2*), APS, SD, EDU; Vorort, SGV, SBV, VSA; Auns
— Ja: SPS, GP, LdU (3*), PdA, Lega; SGB
Stimmfreigabe: CNG, Smuv
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Dabei hätte gerade das finanzpolitische Argument ein grosses Mobilisierungspotential gehabt, wie die im Anschluss an die Abstimmung durchgeführte Vox-Analyse nachwies. 55% der Stimmberechtigten, 65% der Nicht-Urnengänger und 91% der Ja-Stimmenden unterstützen die Aussage, angesichts der leeren Bundeskasse könnten die rund 3,5 Mia Fr. für die Beschaffung von 34 Flugzeugen für dringlichere Aufgaben gebraucht werden. Dass dieses Argument sich im Abstimmungskampf nicht stärker durchzusetzen vermochte, wurde auch darauf zurückgeführt, dass die Initiativgegner und vor allem Bundesrat Villiger offenbar erfolgreich mit der Feststellung konterten, die 34 Kampfflieger würden aus dem regulären Budget des EMD bezahlt, weshalb auch bei einer Ablehnung keine Möglichkeit bestehe, die 3,5 Mia Fr. anderen Aufgaben – etwa im Sozialbereich – zuzuführen
[45].
Ein Jahr früher als vorgesehen sollen die Hunter-Flugzeuge Ende 1994 stillgelegt und mehrheitlich verschrottet werden. Das EMD begründete die vorzeitige Ausmusterung mit dem nur noch äusserst geringen Kampfwert der Hunter sowie mit finanziellen Überlegungen
[46].
Ende März wurde der letzte der 345 in der Schweiz in Lizenz hergestellten
Panzern 87 Leopard termingerecht und billiger als ursprünglich erwartet in Thun dem EMD übergeben. Bei der Abnahme betonte Bundesrat Villiger, damit habe sich der 1984 heftig umstrittene Entscheid für die Lizenzproduktion als richtig herausgestellt. Mit Gesamtkosten von 3,58 Mia Fr. ist das bisher grösste Rüstungsvorhaben der Schweiz rund 800 Mio Fr. günstiger zu stehen gekommen als 1984 budgetiert. Das EMD führte dies auf die mässige Teuerung sowie auf Einsparungen beim Material und beim Risikozuschlag zurück. Bei einem Inlandanteil von 65% arbeiteten über 800 Schweizer Firmen aus allen Landesteilen am Panzer und ungefähr 200 Betriebe am Nachbau der Munition mit. Durch den Lizenzbau und die Kompensationsgeschäfte waren während acht Jahren insgesamt 2000 Arbeitsplätze ausgelastet, wobei die Kompensationsgeschäfte einen Anteil von 600 Stellen hatten
[47].
Im Sommer konnte die Gruppe für Rüstungsdienste (GRD) dem Kommando der Flieger- und Fliegerabwehrtruppen den letzten
Super-Puma übergeben. Damit ist die Flotte der grossen
Transporthelikopter der Armee vollzählig. Insgesamt stehen jetzt 15 der französischen Maschinen im Einsatz. Sie dienen vorab der Kampfunterstützung, der Versorgung und der Rettung
[48].
Bei der Beschaffung eines neuen
Militärlieferwagens entschied sich Bundesrat Villiger für das Fahrzeug
Duro der Schweizer Firma Bucher-Guyer und beantragte dem Parlament die Beschaffung von 2000 Lieferwagen für einen Gesamtbetrag von 290 Mio Fr. In der Schlussevaluation für die Nachfolge der seit rund 30 Jahren im Einsatz stehenden Fahrzeuge vom Typ Mowag und Unimog S standen sich der für 28 Mio Fr. aus dem EMD-Budget entwickelte Duro und der deutsche Unimog 140 L von Mercedes-Benz gegenüber. Gemäss EMD hätten aus militärischer, technischer und kommerzieller Sicht beide Produkte gewählt werden können. Für den Duro sprach laut Villiger das günstige Preis-/ Leistungsverhältnis, die moderne Konstruktion und die gute Miliztauglichkeit. Der Mehrpreis von 20 Mio Fr. (7,2%) gegenüber dem deutschen Modell sei vertretbar, da der Duro eine um zehn Prozent höhere Nutzlast habe und praktisch wie ein Personenwagen zu fahren sei. Dank den Exportchancen bestehe die Möglichkeit, dass bis zu 15 Mio Fr. der vom Bund aufgebrachten Entwicklungskosten zurückfliessen könnten. Durch den Entscheid für das inländische Produkt können während fünf Jahren 300 bis 400 Arbeitsplätze in allen Landesteilen gesichert werden. Aufgrund der versprochenen Kompensationsgeschäfte wäre der Unimog beschäftigungspolitisch mindestens ebenso interessant gewesen, doch wollte Villiger mit dem Duro-Entscheid bewusst ein Signal für die verunsicherte Schweizer Industrie setzen
[49].
[37] BBl, 1993, III, S. 1 ff.; Presse vom 24.6.93.
[38] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 1509 ff.; Amtl. Bull. StR, 1993, S. 866 ff.; BBl, 1993, IV, S. 602 ff.
[39] Amtl. Bull NR, 1993, S. 1531 ff. und 2610 f.; SHZ, 2.9.93; siehe auch Lit. Hug.
[41] Amtl. Bull. StR, 1993, S. 40 ff., 48 ff. und 233; Amtl. Bull. NR, 1993, S. 640 (Schlussabstimmung). Zu Vorgeschichte und Stossrichtung der Initiative siehe SPJ 1992, S. 97 ff.
[43] Presse vom 5.2.93; LZ, 28.4.93; NZZ, 30.4.93, Suisse, 4.5.93; SHZ, 6.5.93; BaZ und CdT, 13.5.93; WoZ, 14.5.93; TA, 17.5. und 1.6.93; BZ und NQ, 18.5.93. Für die Abstimmungskampagne siehe auch oben, Grundsatzfragen.
[44] BaZ, 25.3. und 11.5.93; JdG, 31.3.93; NZZ, 1.4. und 6.5.93. Der offizielle Besuch von Elisabeth Rehn, Verteidigungsministerin in der finnischen Regierung, welche 1992 ebenfalls den Kauf von F/A-18-Kampffliegern beschlossen hatte, bot dem BR wertvolle Schützenhilfe im Kampf gegen das Argument, die F/A-18 seien nicht eurokompatibel (Presse vom 31.3.93).
[45] Bund, 5.5., 6.5. und 1.6.93. Als kurz vor der Abstimmung Sparpläne von Bund und Kantonen bei den Sozialversicherungen publik würden, verneinte auch die Vorsteherin des EDI die Möglichkeit, die F/A-18-Kredite direkt zugunsten anderer Bundesaufgaben umzuleiten (TA, 3.6.93).
[46] BaZ, 4.8.93; NZZ, 23.8. und 6.10.93.
[47] Presse vom 20.3.94. Siehe SPJ 1984, S. 56 ff.
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