Année politique Suisse 1993 : Infrastruktur und Lebensraum / Erhaltung der Umwelt
Umweltschutzgesetzgebung
Mit einiger Verspätung bezüglich der Legislaturplanung 1991-95 verabschiedete der Bundesrat im Juni des Berichtsjahres die
Botschaft zum revidierten Bundesgesetz über den Umweltschutz (USG). Schwerpunkte der Revision betrafen die Bereiche Umweltinformation, umweltgefährdende, auf natürliche oder gentechnische Art veränderte Organismen, Abfallbewirtschaftung, Lenkungsabgaben und Haftpflicht. Im grossen und ganzen übernahm der Bundesrat die bestehenden USG-Revisionsvorschläge, welche am 6. Dezember 1992 im Rahmen der Eurolex-Vorlage in der EWR-Abstimmung gescheitert waren. Unter anderem schlug der Bundesrat in seiner Botschaft vor, als wichtigste Massnahme Lenkungsabgaben auf Stoffen mit flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) wie Farben und Lacke sowie auf Heizöl extraleicht zu erheben. Als staatsquotenneutrales Instrument sollten die Abgaben mittels einer Verbilligung der Krankenkassenprämien zurückerstattet werden
[15].
Parteien und Umweltschutzorganisationen reagierten auf die Vorlage allgemein positiv. Die SP und die Grüne Partei hätten es allerdings vorgezogen, wenn die Landwirtschaft mit Lenkungsabgaben auf Dünger und Pflanzenschutzmitteln zwingend in die Vorlage miteinbezogen worden wäre; der Entwurf sieht nur vor, dass der Bundesrat bei Bedarf die landwirtschaftlichen Hilfsstoffe in die Lenkungsabgaben miteinbeziehen kann. Von den Wirtschaftsverbänden befürwortete der Vorort die Abgaben auf VOC-haltigen Stoffen, insbesondere weil die Vorlage die Möglichkeit offerierte, Investitionen der entsprechenden Branchen zur Verringerung der VOC-Emissionen mit der Abgabebelastung zu verrechnen und somit als Anreiz zum Nachrüsten bei gleichzeitigem Spareffekt zu dienen. Hingegen sprach sich der Vorort gegen Abgaben auf Heizöl aus, da die Immissionen, im speziellen Schwefeldioxyd, schon während den achziger Jahren massiv reduziert worden waren und heute kein Problem mehr für die Luftreinhaltung darstellten
[16].
Die Kommission für Umwelt, Energie und Raumplanung des Ständerats nahm die Beratung der Revision des USG auf
[17].
Eine Motion Bundi (sp, GR), welche die Einführung der Umweltverträglichkeitsprüfung bei der Bewilligung von Golfplätzen forderte, wurde als Postulat überwiesen. Auf Antrag des Bundesrates wurden allerdings zwei Forderungen betreffend die kantonalen Kompetenzen bis zur Inkraftsetzung einer erweiterten Verordnung zur Umweltverträglichkeitsprüfung sowie die Bestimmung betreffend überregionale Raumverträglichkeit herausgestrichen
[18]. Eine Motion Baumann (gp, BE), welche vom Bundesrat eine "Umweltverträglichkeitsprüfung" der gesamten schwer überblickbaren Agrargesetzgebung verlangte, wurde — auf Antrag des Bundesrats — als Postulat überwiesen
[19]. Der Nationalrat nahm hingegen eine Motion Cavadini (fdp, TI) für ein
beschleunigtes und verbessertes Verfahren bei der Umweltverträglichkeitsprüfung mit 57 zu 33 Stimmen an. Der Vorstoss verlangte insbesondere die explizite Regelung der Koordinationspflicht im Gesetz, die Vorgabe von Zielen resp. Grenzwerten für die Prüfung von Projekten sowie die Pflicht für die Interessenten oder potentiellen Beschwerdeführer, sich von Anfang an am Verfahren zu beteiligen. Letzterer Aspekt des Begehrens wurde nur als Postulat überwiesen
[20].
Der Bereich Gentechnologie soll
gemäss dem Willen des Bundesrates in einzelnen Spezialgesetzgebungen geregelt werden, so beispielsweise im Epidemiengesetz, im Lebensmittelgesetz oder im Umweltschutzgesetz (USG). Die gescheiterte Eurolex-Vorlage des revidierten USG hatte nur ein Minimum an Regelungen vorgesehen, insbesondere was gentechnisch veränderte Organismen betrifft. Das vom Bundesrat in der Botschaft vorgelegte revidierte USG sieht vor, auch den Umgang mit natürlicherweise pathogenen Organismen zu regeln, Vorschriften über den Transport von Organismen zu erlassen sowie die finanzielle Sicherstellung der Behebung nachteiliger Einwirkungen durch umweltgefährdende Organismen zu regeln
[21].
Der Nationalrat überwies eine, auf Antrag des Bundesrates in ein Postulat umgewandelte, Motion Bundi (sp, GR), welche von der Regierung Vorschriften über die Einschränkung von Forschung und Anwendung der Gentechnologie bei Tieren und Pflanzen verlangte. In seiner Antwort wies der Bundesrat auf die laufende Revision des Umweltschutzgesetzes hin, welche im dritten Kapitel die Problematik der Gentechnologie in bezug auf umweltgefährdende Organismen regelt
[22].
Die eidgenössische
Volksinitiative "Zum Schutz von Leben und Umwelt vor Genmanipulation" (Genschutzinitiative) ist mit über 115 000 Unterschriften eingereicht worden. Die Initiative verlangt ein Patentierungsverbot für Tiere und Pflanzen, ein Verbot für Genmanipulationen an Tieren sowie ein Verbot der Freisetzung genmanipulierter Organismen in die Umwelt
[23].
[15] BBl, 1993, II, S. 1445 ff. Siehe auch Umweltschutz (BUWAL),1993, Nr. 3, S. 4 ff. und SPJ 1992, S. 185. Vgl dazu auch Lit. Barthe, Roch und Wallimann.
[16] BBl, 1993, II, S. 1445 ff.; Presse vom 8.6.93; Ww, 10.6.93; DP, 21.10.93. Siehe auch das Interview mit den Geschäftsführern des Vororts und Greenpeace in SHZ, 9.9.93 zu Perspektiven der schweizerischen Umweltpolitik.
[18] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 1379 f.
[19] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 1383 f.
[20] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 2120 ff.; NZZ, 1.12.93.
[21] BBl, 1993, II, S. 1445 ff.; Presse vom 8.6.93; WoZ, 18.6.93. Siehe auch unten, Teil I, 7b (Gesundheitspolitik). Vgl. auch Umweltschutz (BUWAL), 1993, Nr. 3, S. 10 f. sowie Umweltschutz (SGU), 1993 Nr. 3, S. 4 ff.
[22] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 564.
[23] Presse vom 26.10.93. Vgl. auch SPJ 1992, S. 215 und unten, Teil I, 7b (Gesundheitspolitik).
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