Année politique Suisse 1995 : Wirtschaft / Geld, Währung und Kredit
Geld- und Währungspolitik
Die saisonbereinigte Notenbankgeldmenge stieg im Berichtsjahr etwas stärker an als im Vorjahr. Sie lag im 4. Quartal um 1,4% über dem Vorjahresstand (1994: 0,6%); damit konnte jedoch das Ende 1994 formulierte Wachstumsziel von 2% nicht ganz erreicht werden
[1]. Die Nationalbank gab bekannt, dass sie auch 1996 eine
leicht gelockerte Geldpolitik verfolgen wolle, um wieder auf den langfristig als optimal angesehenen Wachstumspfad von +1% zu gelangen. Sie strebe deshalb wie 1995 eine Ausweitung der saisonbereinigten Notenbankgeldmenge um etwas mehr als 1% an
[2].
Das Berichtsjahr war durch einen weiteren
Wertverlust des amerikanischen Dollars gegenüber den Währungen Deutschlands (-9,1% von Januar bis Dezember) und der Schweiz (-14,2%) gekennzeichnet. Der japanische Yen, der zuerst ebenfalls stark an Wert gegenüber dem Dollar gewonnen hatte, geriet in eine Krise und wurde zu Jahresende sogar um 1,6% tiefer bewertet als der US-Dollar. Innerhalb des Europäischen Währungssystems (EWS) vermochten sich die Währungen Spaniens und Portugals nicht zu behaupten und mussten anfangs März abgewertet werden. Mühe bekundete auch der Französische Franken der nur mit Stützungsmassnahmen der Nationalbank (Erhöhung der Leitzinsen) auf Kurs gehalten werden konnte. Wertverluste gegenüber der D-Mark verzeichneten auch die ausserhalb des EWS stehenden Währungen Italiens und Grossbritanniens
[3].
Der
Schweizer Franken steigerte 1995 seinen Wert erneut gegenüber den meisten anderen Währungen. Im Jahresendvergleich (Mittelwert Dezember, nominal) war der Anstieg vor allem gegenüber dem japanischen Yen (16,1%) und dem US-Dollar (14,2%), aber auch gegenüber den ausserhalb des EWS stehenden Währungen Grossbritanniens (15,6%) und Italiens (11,4%) ausgeprägt. Schwächer war die Aufwertung gegenüber der D-Mark und dem französischen Franken (4,6% resp 4,7%). Der mit den Währungen der wichtigsten Handelspartner exportgewichtete nominelle Kurs lag im Dezember um 6,9% höher als vor Jahresfrist, im Jahresmittel betrug der Anstieg 5,7%. In realen Werten fiel infolge der niedrigeren schweizerischen Inflationsrate die Zunahme mit 7,6% resp. 5,9% sogar noch etwas stärker aus
[4].
Wie bereits im Vorjahr veranlasste der Kursanstieg des Schweizer Frankens die Gewerkschaften, von der Nationalbank eine
Lockerung der Geldpolitik und eine
Ausrichtung auf währungspolitische Ziele zu verlangen. Auch der Vorort sprach sich phasenweise für eine vorsichtige Lockerung aus. Die Währungsbehörden steuerten zwar einen weniger restriktiven Kurs und senkten den Diskontsatz in vier Schritten auf den tiefsten Satz seit 1979 (1,5%). Sie lehnten es jedoch weiterhin ab, die Geldpolitik in den Dienst der Kurspflege für den Schweizer Franken zu stellen und verwiesen auf die langfristigen Vorteile der Geldwertstabilität
[5].
Als Zweitrat stimmte auch der Ständerat der Verlängerung des 1995 auslaufenden Bundesbeschlusses über die
Beteiligung der Schweiz an internationalen Währungsmassnahmen aus dem Jahre 1975 zu
[6].
Die Zinssätze auf dem schweizerischen
Geldmarkt bildeten sich im Jahresverlauf kontinuierlich zurück. Der Satz für dreimonatige Eurofrankenanlagen reduzierte sich im Jahresmittel von 4,0% auf 2,9%; Ende Dezember betrug er noch 1,7%
[7].
Die
langfristigen Zinssätze sanken ebenfalls deutlich. Die Durchschnittsrendite für eidgenössische Obligationen lag im Dezember mit 3,7% um 2,5 Prozentpunkte unter dem Vorjahreswert. Die sozialpolitisch bedeutsamen Hypothekarzinsen blieben in den drei ersten Quartalen weitgehend stabil bei rund 5,5%; dann sanken die Sätze für Neuhypotheken auf 5,1%, während diejenigen für Althypotheken sich nur auf 5,4% zurückbildeten
[8].
Die
Ausgabe von Aktien und Anleihen auf dem schweizerischen Kapitalmarkt erreichte mit 63,2 Mia Fr. nicht ganz das Vorjahresniveau. Der leichte Abbau bei den Inländern konnte durch das wachsende Interesse von ausländischen Schuldnern beinahe ausgeglichen werden. Auf den 1. Februar ersetzte die Nationalbank die bisherige Bewilligungspflicht für Frankenanleihen ausländischer Schuldner durch eine Meldepflicht. Der Hauptanteil dieser Anleihen entfiel nach wie vor auf die westeuropäischen Länder (57%), Japan (15%) sowie die USA und Kanada (15%)
[9].
Die anhaltend schlechte Lage der Bundesfinanzen weckte Begierden gegenüber der Nationalbank. Die Finanzkommission des Nationalrats verlangte mit einer Motion die Heraufsetzung der seit 1992 auf jährlich maximal 600 Mio Fr. festgelegten Grenze für die
Gewinnausschüttung an den Bund und die Kantone. Der Bundesrat sprach sich dagegen aus. Um inflationäre Auswirkungen zu neutralisieren, müsste die Notenbank gleichzeitig Devisen verkaufen, was ihren währungspolitischen Spielraum einengen würde. Da Oehler (cvp, SG) mit der Umwandlung in ein Postulat nicht einverstanden war, wurde der Entscheid über den Vorstoss verschoben
[10].
Ebenfalls weitgehend finanzpolitisch motiviert waren zwei Vorstösse, welche eine Veräusserung resp. Neubewertung der
Goldbestände der Nationalbank verlangten. Die EVP/LdU-Fraktion regte mit einem Postulat den sukzessiven Verkauf eines Teils der Goldreserven (rund die Hälfte der 2600 Tonnen) zugunsten ertragbringender Wertpapiere an, wobei die anfallenden Einnahmen an die öffentliche Hand ausgeschüttet werden sollten. Der Bundesrat sprach sich gegen dieses Ansinnen aus. Erstens hätten Goldreserven als Zahlungsmittel in Kriegssituationen immer noch eine grosse Bedeutung und zweitens würden Verkaufsaktionen das internationale Vertrauen in den Schweizer Franken erschüttern und zu höheren Zinssätzen führen. Der Nationalrat folgte diesen Argumenten und lehnte das Postulat mit 82:23 Stimmen ab. Spielmann (pda, GE) ging etwas weniger weit und forderte mit seiner Motion bloss eine Neubewertung der Aktiven (namentlich der Goldreserven) zu deren Marktwert. Damit würde seiner Ansicht nach der ausgewiesene Gewinn der Nationalbank und die an die Kantone und den Bund auszuschüttenden Anteile erhöht. Der Nationalrat lehnte diesen von Bundesrat Stich ebenfalls bekämpften Vorschlag mit 77:19 Stimmen ab
[11].
Der Bundesrat regelte die Nachfolge für die im Frühjahr 1996 zurücktretenden Mitglieder des
Direktoriums der Nationalbank, Markus Lusser und Jean Zwahlen. Er wählte die von der Nationalbank vorgeschlagenen Bruno Gehrig und Jean-Pierre Roth und bestimmte das dritte Direktoriumsmitglied, Hans Meyer, zum neuen Direktor
[12].
[1] SNB,
Geschäftsbericht 1995, 88/1995, S. 8 ff. und 38 ff.; Presse vom 16.12.95. Die Geldmengenaggregate (mit Ausnahme der bereinigten Notenbankgeldmenge) wurden 1995 neu definiert: SNB,
Quartalsheft, 1995, Nr. 1, S. 51 ff. und 76 ff.;
NZZ, 24.4.95.1
[2] SNB,
Quartalsheft, 1995, Nr. 4, S. 299 f.; SNB,
Geschäftsbericht 1995, 88/1995, S. 11.2
[3] SNB,
Geschäftsbericht 1995, 88/1995, S. 16 ff.3
[4] SNB,
Geschäftsbericht 1995, 88/1995, S. 42 f.4
[5] SGB:
TA, 15.3.95;
Ww, 23.3.95; Presse vom 24.11.95. Vorort: Presse vom 12.12.95. SNB:
NZZ, 10.3. und 23.6.95; Presse vom 16.12.95. Siehe auch die Position des BR, welcher die Haltung der SNB im Parlament mehrmals verteidigte, in
Amtl. Bull. NR, 1995, S. 517 ff., 972 ff. und 992 ff. Leitzinssenkung: Presse vom 15.12.95.5
[6]
Amtl. Bull. StR, 1995, S. 158 und 440;
Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1014;
BBl, 1995, II, S. 458. Vgl.
SPJ 1994, S. 105 sowie oben, Teil I, 2 (Organisations internationales).6
[7] SNB,
Geschäftsbericht 1995, 88/1995, S. 41 f.7
[8] SNB,
Geschäftsbericht 1995, 88/1995, S. 43 f.8
[9] SNB,
Geschäftsbericht 1995, 88/1995, S. 44 ff. Zur Abschaffung der Bewilligungspflicht siehe
NQ, 12.1.95.9
[10]
Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1595 f. Infolge höherem Rückstellungsbedarf für die Abdeckung von Währungsrisiken ging 1995 der Gewinn der SNB so stark zurück, dass nur 142 Mio Fr. ausgeschüttet werden konnten (SNB,
Geschäftsbericht 1995, 88/1995, S. 79 f.).10
[11]
Amtl. Bull. NR, 1995, S. 561 ff. (EVP/LdU) und 564 ff. (Spielmann).11
[12] Presse vom 19.9. und 27.10.95.12
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