Année politique Suisse 1996 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
Direkte Steuern
Trotz des letztjährigen Antrags des Bundesrates, auf eine allgemeine
Steueramnestie zu verzichten und damit eine parlamentarische Initiative Delalay (cvp, VS) abzuschreiben, setzte die Rechtskommission des Ständerates eine Subkommission ein. Diese soll Vorschläge für eine Steueramnestie ausarbeiten und auf die Herbstsession 1997 hin dem Plenum Antrag stellen
[1].
In der Frühjahrssession kam die vom Schweizerischen Gewerbeverband getragene Volksinitiative "
zur Abschaffung der direkten Bundessteuer", die der Bundesrat bereits 1994 kategorisch abgelehnt hatte, in den Ständerat. Sie verlangt die Abschaffung der direkten Bundessteuer auf Ende 2002, eine Kompensation der Steuerausfälle von gegen 9 Mia Fr. durch die Mehrwertsteuer, die damit auf rund 12% erhöht werden müsste, und die Aufrechterhaltung des interkantonalen Finanzausgleichs. Die Initiative hatte auch im Ständerat, der geltend machte, dass deren Annahme eine unsoziale Lastenverschiebung auf 90% der Einkommen zugunsten von 10% Steuerpflichtigen mit hohem Einkommen zur Folge hätte, keine Chance. Mit 40:0 erhielt sie eine deutliche Abfuhr. In der Sommersession empfahl mit 140:31 Stimmen aus den selben Gründen auch der Nationalrat die Initiative zur Ablehnung. Nur gerade eine Mehrheit der SVP und Liberalen sowie eine Minderheit der FDP verteidigten das Volksbegehren. Angesichts dieser schwachen Unterstützung zog das Komitee die Initiative im Dezember zurück
[2].
Während die Volksinitiative des Gewerbeverbandes vom Parlament klar abgelehnt wurde, stiess der
indirekte Gegenentwurf der ständerätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) auf Interesse. Die Kommissionsinitiative sieht eine
Verlagerung von der direkten Bundessteuer hin zur Mehrwertsteuer vor und möchte die steile Progression im mittleren Einkommensbereich mildern sowie die fiskalische Benachteiligung der Ehepaare gegenüber den Konkubinatspaaren eliminieren. Zur Kompensation der Einnahmenausfälle bei der direkten Bundessteuer von 1,65 Mia Fr. sieht die WAK eine Erhöhung der MWSt von 1% beim Normalsatz und 0,3% beim reduzierten Satz vor. Der Bundesrat bestritt in seiner Stellungnahme nicht, dass die Progressionskurve und die Nachteile von verheirateten Doppelverdienern gegenüber Konkubinatspaaren mit zwei Einkommen diskussionswürdig seien. Er warnte aber davor, dass die Empfänger niedriger und mittlerer Einkommen auf Grund des Vorschlags per saldo mehr Steuern bezahlen müssten als heute. Entlastet, teilweise sogar massiv, würden verheiratete Steuerpflichtige ab einem Jahresbruttoeinkommen von 150 000 Fr. Der Versuch, den Konkubinatseffekt zu entschärfen, führe zudem zu einer überproportionalen Mehrbelastung der Alleinstehenden. Der Bundesrat empfahl, das Revisionsvorhaben so lange hinauszuschieben, bis der Bundeshaushalt wieder einigermassen im Gleichgewicht sei, was frühestens in der nächsten Legislaturperiode der Fall sein dürfte. In der Frühlingssession beurteilte auch der Ständerat den Zeitpunkt als ungünstig. Er trat mit 19:15 Stimmen zwar auf die Kommissionsinitiative ein, folgte mit 22:4 Stimmen aber einem "Vermittlungsantrag" Spoerry (fdp, ZH), das Geschäft erst dann wieder aufzugreifen, wenn es im Rahmen des finanzpolitischen Gesamtkonzepts des Bundesrates beurteilt werden kann
[3].
Auch die WAK des Nationalrates wollte das Thema nicht ganz fallen lassen. Per Motion forderte sie den Bundesrat mit 61:35 Stimmen auf, einen Entwurf vorzulegen, der die
strukturellen Mängel der direkten Bundessteuer behebt und dabei namentlich auch auf die Frage der steuerlichen Ungleichbehandlung von Ehe- und Konkubinatspaaren eingeht. Im November setzte der Bundesrat eine Expertenkommission ein, die bis Mitte 1998 insbesondere die Familienbesteuerung prüfen und Vorschläge für eine Neukonzeption machen soll
[4].
Gestützt auf eine parlamentarische Initiative Reimann (svp, AG) von 1993 und im Auftrag des Ratsplenums hatte die WAK des Nationalrats verschiedene Varianten zur marktkonformen
Verzinsung des Rückerstattungsanspruchs der Verrechnungssteuer für natürliche und juristische Personen ausgearbeitet und dabei insbesondere auch eine pauschale Verzinsung geprüft. Danach wäre den im Inland wohnhaften natürlichen Personen nicht bloss die Verrechnungssteuer von 35%, sondern ein auf 35,5% oder 36% erhöhter Betrag zu erstatten. Eine Kommissionsmehrheit hatte die Kosten für den Bund auf 180 Mio Fr. beziffert und deshalb im November 1995 mit Rücksicht auf die Finanzlage des Bundes Nichteintreten empfohlen. In der Frühjahrssession versuchte die von Georg Stucky (fdp, ZG) angeführte Kommissionsminderheit vergebens, den Nationalrat dazu zu bewegen, von der WAK eine ausgearbeitete Vorlage zu verlangen. Der Nationalrat korrigierte seinen vor drei Jahren gefassten Beschluss und trat mit 124:40 Stimmen nicht auf die Verzinsungsvorlage ein. Er folgte damit dem Bundesrat, der sich vehement gegen diese Einnahmereduktion gewehrt hatte
[5].
Nachdem im Vorjahr zwei parlamentarische Vorstösse die Zulassung der grenzüberschreitenden Restrukturierung sowie die Gewinn- und Verlustverrechnung im Konzernverbund gefordert hatten, wurden im Berichtsjahr weitergehende
Reformen in der Unternehmensbesteuerung verlangt. In der Frühjahrssession überwies der Nationalrat mit 72:51 Stimmen eine Motion der CVP-Fraktion, die eine steuerliche Entlastung der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die Einführung der renditeunabhängigen proportionalen Besteuerung, die Prüfung der Abschaffung der Kapitalsteuer, die Möglichkeit der steuerneutralen grenzüberschreitenden Umstrukturierung von schweizerischen Unternehmen, die Zulassung der Gewinn- und Verlustverrechnung im Konzernverbund und die Herabsetzung der Emissionsabgaben auf Eigenkapital auf EU-Niveau forderte. Weiter verlangt die Motion, die steuerliche Doppelbelastung von Gesellschaft und Aktionären bei der Gewinnausschüttung zu mildern, bestehende Steuererleichterungen zugunsten von Jungunternehmern auszubauen und den Generationenwechsel in einem Familienbetrieb durch fiskalische Vorkehrungen zu vereinfachen. Vergeblich beantragte Bundesrat Kaspar Villiger die Umwandlung in ein Postulat. Er bezweifelte, dass das gesamte Unternehmenssteuerrecht in kurzer Zeit reformiert werden könne, stellte aber die rasche Ausarbeitung eines kleineren Pakets mit den dringlichsten Anliegen in Aussicht
[6].
Im Juli schickte der Bundesrat einen Entwurf für eine Reform der Unternehmensbesteuerung auf Bundesebene in die Vernehmlassung, die Steuererleichterungen für Holdinggesellschaften und KMU vorsieht. Von seinem ursprünglichen Ziel, die Reform haushaltsneutral durchzuführen, rückte er ab und präsentierte stattdessen zwei Varianten, die geschätzte Steuerausfälle von 90 bzw. 210 Mio Fr. zur Folge hätten. In beiden Paketen sind die Einführung der proportionalen Gewinnsteuer, die Verlustverrechnung im Konzern, eine höhere Freigrenze bei den Emissionsabgaben und eine Neuregelung beim Erwerb eigener Aktien enthalten. Der heutige renditeabhängige Dreistufentarif, den die Schweiz noch als einziger OECD-Staat kennt, führt dazu, dass Firmen je nach Kapitalstruktur bei gleichem Produkt, Gewinn und Umsatz unterschiedlich hohe Steuern bezahlen. Als wichtigste Neuerung wird deshalb der Übergang zur proportionalen Gewinnsteuer vorgeschlagen. Die Einführung der proportionalen Besteuerung hatte (bei einem Satz von 9,8%) bereits Bundesrat Otto Stich gefordert, war damit im Parlament im Rahmen der Sanierungsmassnahmen 1994 aber gescheitert. Die Variante A sieht einen Satz von 8,9%, Variante B einen solchen von 9,5% vor. Diese hätten zunächst Mehreinnahmen von jährlich 230 (A) bzw. 410 Mio Fr. (B) zur Folge. Da aber eigenkapitalstarke Unternehmen wie Banken und Versicherungen, die vom heutigen System profitieren, wenig Freude an einem Systemwechsel haben dürften, soll der Übergang zur Proportionalsteuer mit der Anrechnung der Kapitalsteuer an die Gewinnsteuer abgefedert werden, wodurch ein Einnahmenausfall von 260 Mio Fr. entstünde.
Den Übergang zur Proportionalsteuer will der Bundesrat mit einer weiteren Massnahme verbinden, wonach der Verlust einer Konzernrechnung immer dann unverzüglich zur Verrechnung gebracht werden kann, wenn andere Konzerngesellschaften einen entsprechenden Gewinn ausweisen. Dies würde Steuerausfälle von 50 Mio Fr. nach sich ziehen. Im weiteren soll die bisherige Freigrenze bei Emissionsabgaben von 250 000 Fr. auf eine Million heraufgesetzt werden, wodurch die Gründungskosten von KMU vermindert würden. Die damit verbundenen Steuerausfälle werden auf 5 bis 10 Mio Fr. geschätzt. Im Paket A ist überdies der Steueraufschub bei grenzüberschreitenden Beteiligungsumstrukturierungen enthalten, eine Massnahme, die den Beteiligungstransfer über die Grenze hinweg erleichtern würde, ohne dass damit Steuerausfälle verbunden wären. Das Paket B sieht dagegen zusätzlich vor, dass Holdings Beteiligungsgewinne nicht mehr versteuern müssen. Sie könnten somit Beteiligungen ins Ausland verlagern, ohne dass sie die stillen Reserven zu versteuern hätten, eine Massnahme, die dem Bund jährlich Steuerausfälle von 300 Mio Fr. bescheren würde. Der Bundesrat sprach sich für das mit weniger Steuerausfällen verbundene Paket A aus.
Die
Vernehmlassung fiel jedoch
kontrovers aus. Während SP und Gewerkschaften Widerstand gegen jegliche Abweichung vom Postulat der Ertragsneutralität anmeldeten, ging den Wirtschaftsverbänden und den bürgerlichen Parteien die Reform zuwenig weit. Beide Seiten befürworteten zwar den Übergang zur proportionalen Gewinnsteuer, die Linke forderte aber einen Höchstsatz von 9,8%, während die bürgerliche Seite einen Satz von näher bei 8% als bei 9% verlangte. Als Begleitmassnahme forderte sie u.a. eine völlige Abschaffung der Kapitalsteuer. Gegensätzliche Stellungnahmen gaben auch die Kantone ab, deren Interessenlage sehr unterschiedlich ist
[7].
Bundesrat Villiger setzte eine Expertengruppe ein, die bis Ende 1997 Vorschläge zur Behebung von
Steuerschlupflöchern für Grossverdiener unterbreiten soll. Dabei sollen insbesondere die steuerliche Freistellung privater Kapitalgewinne, die Steuerfreiheit für gewisse Vermögenserträge und der unbeschränkte Schuldzinsenabzug unter die Lupe genommen werden
[8].
In der Sommersession reichte Ursula Hafner (sp, SH) eine von 66 Parlamentariern mitunterzeichnete Motion ein, die die Einführung einer eidgenössischen
Erbschafts- und Schenkungssteuer verlangt. Bei einem durchschnittlichen Steuersatz von 6% ergäbe sich ein Ertrag von rund 1,5 Mia Fr., den die Motionärin hauptsächlich für die AHV einsetzen möchte
[9].
Diskussionslos überwies der Nationalrat eine Motion Vallender (fdp, AR), die den Bundesrat beauftragt, die steuerrechtliche Behandlung des Kaufs eigener Aktien durch die Aktiengesellschaft auf Gesetzesstufe zu regeln. Im Gesetz über die direkte Bundessteuer (
DBG) fehlt eine entsprechende Regelung. Eine Motion Cavadini (fdp, TI), die im DBG bedeutende Mängel bezüglich den Bestimmungen über die Verjährung ausmachte und Korrekturen sowie eine Fristenverkürzung forderte, wurde vom Nationalrat als Postulat überwiesen
[10].
Zur Volksinitiative "Wohneigentum für alle", die Steuerausfälle von 1,5 bis 2 Mia Fr. für Bund und Kantone zur Folge hätte, siehe unten, Teil I, 6c (Wohnungsbau). Zur parlamentarischen Initiative Carobbio (sp, TI), welche die steuerliche Nichtanerkennung von Schmiergeldern fordert, siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht).
[1]
NZZ und
SGT, 11.5.96. Vgl.
SPJ 1995, S. 140 f.1
[2]
BBl, 1996, V, S. 1023;
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 109 ff. und 588;
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1106 ff., 1130 ff. und 1278; Presse vom 14.3., 21.6. und 6.12.96. Vgl.
SPJ 1994, S. 126.2
[3]
BBl, 1996, II, S. 943 ff.;
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 120 ff.; Presse vom 29.2. und 14.3.96. Vgl.
SPJ 1995, S. 141.3
[4]
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1158; Presse vom 21.6.96;
NZZ, 12.11.96.4
[5]
BBl, 1996, II, S. 244 ff.;
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 203 ff.;
NZZ, 29.2.96; Presse vom 12.3.96. Vgl.
SPJ 1993, S. 134 und
1995, S. 141.5
[6]
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 214 ff. Vgl.
SPJ 1995, S. 142. Beide Räte überwiesen ausserdem zwei nationalrätliche Kommissionsmotionen, die vom BR verlangen, der Förderung der KMU eine höhere Priorität einzuräumen (
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 764;
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 399) und Reformen bei der Besteuerung von Aktien- und Holdinggesellschaften und verbesserte fiskalische Rahmenbedingungen für Schweizer Unternehmen vorzulegen (
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 446;
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 811).6
[7] Presse vom 2.7. und 3.10.96;
NZZ vom 23.7., 13.9., 25.9. und 7.10.96;
SHZ, 19.9., 26.9. und 19.12.96;
Lit. Zarin-Nejadan. Vgl.
SPJ 1995, S. 151. Einen Vorschlag von Vororts-Präsident A. Leuenberger, die Unternehmen zwischen der Proportionalsteuer und der renditeorientierten Besteuerung wählen zu lassen, lehnte BR Villiger wegen den hohen Einnahmenausfällen ab (
SHZ, 21.3.96).7
[8]
Blick, 17.12.96; Presse vom 21.12.96. Hintergrund dafür waren Medienberichte, wonach das Ehepaar Kopp keine Steuern bezahlt, obwohl die frühere Bundesrätin Elisabeth Kopp vom Bund monatlich mehr als 16 000 Fr. Rente erhält. Eine Motion Jans (sp, ZG), die im Rahmen der Legislaturplanung 95-99 eine wirksamere Bekämpfung der Steuerhinterziehung forderte, wurde vom NR als Postulat überwiesen (
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 816). Im Rahmen einer Anfrage Rechsteiner (sp, SG) lehnte Villiger die Einführung einer generellen Kapitalgewinnsteuer ab und warnte davor, dass die Erfassung der Kapitalgewinne mit einem sehr grossen Aufwand verbunden sei. Da gleichzeitig auch Verluste für steuerlich abzugsfähig erklärt werden müssten, bestehe die Gefahr, dass eine solche Steuer unter dem Strich weniger einbringe als verlorengehe (
NZZ, 17.9.96).8
[9]
Verhandl. B.vers., 1996, II, S. 92;
TA, 5.6.96.9
[10]
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1854 (Vallender) und 224 ff. (Cavadini).10
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