Année politique Suisse 1999 : Wirtschaft / Geld, Währung und Kredit
Banken
Der Nationalrat stimmte als Zweitrat den neuen Regeln für die
grenzüberschreitende Aufsicht über Banken, Börsen und Effektenhändler ebenfalls zu. Er verschärfte die Bedingungen, unter denen eine Vor-Ort-Kontrolle von ausländischen Banken in der Schweiz durch ausländische Organe zugelassen ist, um die Bestimmung, dass diese nur Staaten gewährleistet wird, welche Gegenrecht halten. Bundesrat Villiger bekämpfte diese Restriktion vergeblich mit dem Argument, dass diese Gegenrechtsforderung nicht im Interesse der Schweiz liege, welcher es in diesem Zusammenhang primär um eine gute Kontrolle der Vertrauenswürdigkeit der in der Schweiz tätigen ausländischen Banken gehe. Der Nationalrat beschloss zudem, dass diese Vor-Ort-Kontrollen obligatorisch durch die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) begleitet werden müssen. In der Differenzbereinigung strich die kleine Kammer die Gegenrechtsforderung wieder; bezüglich der Begleitung durch die EBK sprach sie sich gegen ein Obligatorium und für einen fakultativen Beizug aus, wenn dies von der betroffenen Bank mit guten Gründen gewünscht wird. Der Nationalrat übernahm in der Folge diese Beschlüsse. In der Schlussabstimmung verabschiedete der Ständerat die Revision einstimmig, der Nationalrat gegen den Widerstand der SP, welcher sich allerdings nicht gegen diese Bestimmungen an sich richtete, sondern gegen die im selben Paket enthaltenen Beschlüsse zu den Kantonalbanken (siehe dazu unten)
[17].
Der Nationalrat befasste sich als Zweitrat mit der Revision des Bundesgesetzes über Banken und Sparkassen und der dabei vorgesehenen
Neudefinition der Kantonalbanken. Eintreten war unbestritten. In der Detailberatung beantragten die Sozialdemokraten dann allerdings eine Beibehaltung des Obligatoriums der Staatsgarantie für Kantonalbanken, und sie wollten zudem auch die minimale Kapitalbeteiligung des Kantons von 33% auf 50% erhöhen. Beide, auch von den Grünen unterstützten Forderungen wurden abgelehnt. Nicht besser erging es dem Antrag der SP, die vorgeschriebenen Eigenmittel für international tätige Grossbanken gesetzlich über die international empfohlenen Mindeststandards hinaus festzulegen
[18]. Der Nationalrat beschloss, dass auch Kantonalbanken mit voller Staatsgarantie in Zukunft keine Sonderstellung mehr zukommen soll. Damit würden sie nicht nur wie vom Ständerat beschlossen der Aufsicht, sondern ebenfalls der Bewilligungspflicht durch die EBK unterstellt. Konsequenterweise siedelte der Rat auch den Entscheid über eine Liquidation bei der EBK an. Der ursprünglich vorgesehene Rabatt auf den Eigenmitteln für Kantonalbanken mit voller Staatsgarantie wurde aus dem Gesetz gestrichen, soll aber vom Bundesrat auf dem Verordnungsweg gewährt werden können. In der Differenzbereinigung übernahm der Ständerat diese Entscheide und in der Schlussabstimmung verabschiedete er die Revision einstimmig; im Nationalrat erfolgte die Gutheissung gegen den Widerstand der SP
[19].
Rund sechs Monate nach dem grundsätzlichen
Vergleich der beiden Schweizer Grossbanken Crédit Suisse und UBS mit den jüdischen Klägern regelten die beiden Seiten auch die Details des Übereinkommens. Die 1,25 Mia US$ sollen an folgende, nicht auf Juden beschränkte Personenkategorien verteilt werden: Anspruchsberechtigte für nachrichtenlose Konten – Personen, deren Vermögenswerte von den Nazis beschlagnahmt worden und zu schweizerischen Institutionen gelangt sind – Zwangsarbeiter in Firmen mit Geschäftbeziehungen zu Schweizer Banken – Zwangsarbeiter in Firmen mit Schweizer Hauptsitz – an der Schweizer Grenze zurückgewiesene und später in Konzentrationslager deportierte Personen. Im Sommer wurde weltweit in Zeitungsinseraten die eventuell Berechtigten aufgerufen, ihre Ansprüche anzumelden. Gleichzeitig wurden auch Personen, die mit dem Vergleich nicht einverstanden sind, und die privatrechtlich gegen Schweizer Institutionen klagen wollen, aufgefordert, sich beim New Yorker Richter Korman zu melden. Knapp 300 Personen machten von dieser „opting out-Klausel“ Gebrauch, während rund 450 000 Forderungen anmeldeten. Kormann erteilte Ende November den Auftrag, einen Verteilplan zu entwerfen
[20].
Der mit der Suche nach nachrichtenlosen Konten bei Schweizer Banken beauftragte „
Volcker-Ausschuss“ konnte die von internationalen Treuhandfirmen durchgeführte kostspielige Durchforstung der Archive und Kontenlisten abschliessen
[21]. Aufgrund von Indiskretionen entstand vor der auf November angekündigten Publikation des Schlussberichts eine Kontroverse in den Medien. Während eine internationale Agentur verbreitete, dass 48 000 nachrichtenlose Konten von Holocaustopfern gefunden worden seien, präzisierten Schweizer Medien, dass in dieser Zahl auch 34 000 geschlossene, also nicht nachrichtenlose Konten enthalten sind. Von den verbleibenden 14 000 habe sich bei 2800 eine Übereinstimmung mit Namen auf der Liste der Holocaustopfer ergeben
[22]. Am 6. Dezember präsentierte die Volcker-Kommission in Zürich ihren
Schlussbericht. Die Zahlen sahen darin nochmals etwas anders aus. In einem Eliminationsverfahren war die Kommission – d.h. die von ihr beauftragten rund 650 Spezialisten – auf 53 886 Konten mit ungeklärtem Schicksal gestossen, bei welchen ein Zusammenhang mit Holocaust-Opfern nicht ausgeschlossen werden kann
[23]. Rund 3200 davon stimmen mit Namen der Holocaustopferliste der Yad Vashem Gedenkstätte in Jerusalem überein und waren bis mindestens 1955 nachrichtenlos. Bei weiteren 7000 stehen zwar die Namen nicht in der Liste, andere Charakteristika (Wohnort in einem Staat der Achsenmächte oder besetzten Gebiet und zehn Jahre Nachrichtenlosigkeit nach Kriegsende) lassen jedoch die Vermutung zu, dass es sich um Holocaustopfer gehandelt haben könnte. Die restlichen 43 000 Konti sind solche, die zwischen 1933 und 1945 von Bewohnern der Staaten der Achsenmächte oder von ihnen besetzten Gebieten eröffnet und seither wieder geschlossen worden sind. Rund 31 000 davon lauteten auf Namen, die auch in der Liste der Holocaustopfer erscheinen; davon war bei rund der Hälfte die Übereinstimmung exakt, bei der anderen Hälfte ungefähr. Die übrigen 12 000 Konti wurden zwischen 1933 und 1945 von Ausländern eröffnet, bei denen sich nicht nachweisen lässt, dass sie aus einem der Staaten der Achsenmächte oder einem besetzten Gebiet stammen und deren Namen nicht mit solchen der Holocaustopferliste übereinstimmen. Über den Wert der Konten der verschiedenen Kategorien machte der Bericht keine konkreten Angaben. Aus den Schätzungen war aber ersichtlich, dass er – auch bei einer Anpassung an heutige Geldwerte und Verzinsung – die von Kritikern der Banken genannten Milliardensummen bei weitem nicht erreicht.
Von den gut 53 000 Konti waren zum Zeitpunkt der Untersuchung nur 2726 noch offen und damit nachrichtenlos; bei den geschlossenen Konti liessen sich grösstenteils (36 000) die Gründe für die Aufhebung nicht mehr rekonstruieren. Im weiteren befinden sich rund 12 000 darunter, bei welchen die Gebühren die Erträge überstiegen haben, und die deshalb in gebührenfreie Sammelkonti überwiesen wurden. Weiterer Abklärung bedürfen diejenigen geschlossenen Konti, welche auf Anweisung der Inhaber an die Behörden anderer Staaten ausbezahlt worden sind, und die 980 Konten, die zugunsten der Bank aufgelöst wurden, ohne dass ersichtlich ist, ob die Bank das Geld in die eigene Tasche gesteckt oder später sich meldenden Berechtigten oder karitativen Organisationen übergeben hat.
Die Volcker-Kommission empfahl der Eidgenössischen Bankenkommission, die
Namen von gut 25 000 Kontoinhabern zu publizieren, da sich darunter Holocaustopfer befinden könnten. Es handelt sich dabei um die Konten der beiden ersten oben erwähnten Kategorien und die rund 15 000 inzwischen aufgelösten Konti, bei denen der Name des Inhabers genau mit einem Namen in der Opferliste übereinstimmt. Grundsätzlich stellte die Volcker-Kommission den Banken ein gutes Zeugnis aus. Es hätten sich keine Hinweise auf systematische Veruntreuung von Guthaben von Holocaustopfern, Vernichtung von Akten oder Diskriminierung ihrer Erbberechtigter finden lassen. In Einzelfällen habe es allerdings bei gewissen Banken fragwürdige und unlautere Praktiken gegeben. Insbesondere sei sie auf 49 Fälle gestossen, in denen die Banken den Erben von Opfern ungenügende oder falsche Informationen gegeben hätten
[24].
Da auch
in Zukunft Probleme mit nachrichtenlosen Konten entstehen können, machte die Bankiervereinigung Vorschläge für eine
gesetzliche Regelung mit zusätzlichen brancheninternen Vorschriften. Auf Gesetzesebene soll eine Ablieferung an den Staat oder an eine gemeinnützige Institution nach einer nachrichtenlosen Frist von 30 bis 40 Jahren eingeführt werden. Als nachrichtenlos soll eine Anlage bereits dann gelten, wenn die Inhaber nicht mehr kontaktiert werden können. Derartige Konten sollen von den Banken weiterhin bewirtschaftet werden und alle Akten müssten über die gesetzliche Frist von zehn Jahren hinaus aufbewahrt werden
[25].
Aufgrund eines Ersuchens der
nigerianischen Behörden veranlasste das Bundesamt für Polizeiwesen im Oktober die vorsorgliche Blockierung von Konten des 1998 verstorbenen Diktators Sani
Abacha und seiner Entourage. Betroffen waren davon Hunderte von Millionen Franken. Die Einreichung eines formellen Rechtshilfegesuchs wurde von den nigerianischen Behörden für Anfang 2000 in Aussicht gestellt. Da aufgrund der Geldwäschereirichtlinien aus dem Jahr 1993 die fahrlässige oder wissentliche Annahme von aus Korruption stammenden Geldern untersagt ist, leitete die Genfer Staatsanwaltschaft auch eine Ermittlung gegen Banken wegen Verdachts auf Geldwäscherei ein
[26].
[17]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 203 ff., 425 ff. und 771;
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 214 ff., 355 und 366;
BBl, 1999, S. 3126 ff. Siehe
SPJ 1998, S. 122 f.17
[18] Der NR überwies aber ein Postulat seiner WAK, das vom BR Einflussnahme zugunsten einer Erhöhung dieser internationalen Sätze infolge des angestiegenen Risikos auf den Finanzmärkten verlangt, sowie ein Postualt Raggenbass (cvp, TG), welches vom BR einen Expertenbericht über die gestiegenen Risiken und notwendige Massnahmen fordert (
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 223 f. resp. 504). Das für die Festlegung dieser Empfehlungen verantwortliche Gremium, der „Basler Ausschuss für Bankenüberwachung“ der BIZ, veröffentlichte erste Vorschläge für eine Reform des seit 1988 geltenden Regimes (
NZZ, 4.6.99).18
[19]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 203 ff. und 771;
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 214 ff., 355 und 366;
BBl, 1999, S. 3126 ff. Siehe
SPJ 1998, S. 123.19
[20] Abschluss: Presse vom 23.1.99;
24h, 28.1. und 11.2.99;
NZZ, 3.4.99. Inserate:
NZZ, 22.6. und 30.6.99. Opting out:
LT, 6.11.99;
NZZ, 30.11.99;
24h, 29.12.99. Vgl.
SPJ 1998, S. 123 ff. Zum Ablauf und den Hintergründen der Affäre siehe
Lit. Weill.20
[21] Die den Banken entstandenen Kosten wurden auf rund 800 Mio Fr. geschätzt (davon 300 Mio Fr. für die externen Revisoren):
Bund, 7.12.99.21
[22]
LT, 4.9.99;
NZZ, 6.9., 7.9. und 10.9.99 (Abdruck der Agenturmeldung);
TA, 10.9.99. Kommissionspräsident Volcker wies die Agenturmeldung als unzutreffend zurück (
TA, 11.9.99).22
[23] Die früher ermittelten nachrichtenlosen Konti von Holocaustopfern (rund 3000 vor 1970 an Behörden der Schweiz, Ungarns oder Polens überwiesene und knapp 7000 in den neunziger Jahren von den Banken publizierte) sind in diesen Zahlen nicht enthalten.23
[24] Presse vom 7.12.99.24
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