Année politique Suisse 2001 : Allgemeine Chronik
Öffentliche Finanzen
Anfangs Jahr präsentierte der Bundesrat seine Botschaft zum Steuerpaket 2001. Im Herbst nahm der Nationalrat die Beratungen zur Familienbesteuerung in Angriff und beschloss gegen den Willen des Bundesrates auch Entlastungen für Unternehmen. – Der Bundesrat verzichtete vorläufig darauf, eine Vorlage für eine Steueramnestie auszuarbeiten. – Im Herbst gab die Regierung einen Entwurf für die neue Finanzordnung in die Vernehmlassung. – Volk und Stände lehnten die SGB-Initiative zur Einführung einer Kapitalgewinnsteuer ab und hiessen die Einführung der Schuldenbremse gut. – Der Bundesrat legte seine Botschaft zum Neuen Finanzausgleich vor. Dieser beruht nicht mehr auf der kantonalen Finanzkraft sondern auf dem Ressourcenindex, welcher vom fiskalisch ausschöpfbaren Steuerpotential der Kantone ausgeht. – Die Staatsrechnung 2001 schoss mit einem Defizit von1,3 Mia Fr. – Die Swissair-Krise führte dazu, dass das vom Parlament verabschiedete Budget 2002 einen Ausgabenüberschuss von 294 Mio Fr. vorsah.
Direkte Steuern
Zu den kantonalen Steuervorlagen siehe unten, Teil II, 2b.
Im Februar präsentierte der Bundesrat seine Botschaft zum Steuerpaket 2001. Dieses umfasst drei Vorlagen: Die Reform der Ehepaar- und Familienbesteuerung (Teilsplitting ohne Wahlrecht) sieht Entlastungen von 910 Mio Fr. (Kantone: zusätzliche 400 Mio) für Ehepaare und Familien vor, die Neuregelung der Wohneigentumsbesteuerung soll einen Systemwechsel beim Eigenmietwert ermöglichen (Kosten Bund: 85 Mio, Kantone: 35 Mio), und bei der Umsatzabgabe will der Bundesrat die dringlichen Massnahmen ins ordentliche Recht überführen (Kosten Bund: 310 Mio) 1 BBl, 2001, S. 2983 ff.; Presse vom 1.3.01; vgl. SPJ 2000, S. 117. Ausführlicher zur Familienbesteuerung und zur Umsatzabgabe siehe unten; zur Wohneigentumsbesteuerung siehe unten, Teil I, 6c (Wohnungsbau und -eigentum).1.
Im Herbst legte die vorberatende WAK dem Nationalrat in Abänderung des Bundesratsvorschlags nur zwei Vorlagen vor: Die erste beinhaltete neben der Familien- und Ehepaarbesteuerung auch die Unternehmensbesteuerung und die Stempelabgaben, die zweite die Wohneigentumsbesteuerung. Obschon Bundesrat Villiger zur Mässigung aufrief, beschloss der Nationalrat zusätzliche Steuersenkungen von 800 Mio Fr. bei den Bundeseinnahmen, die vor allem den Unternehmen und den Wohneigentümerinnen und -eigentümern zugute kommen sollen 2 AB NR, 2001, S. 1165 ff.; Presse vom 25.-27.9.01.2.
Nationalrat Zanetti (sp, SO) wollte vom Bundesrat wissen, wie sich diese Beschlüsse auf die Kantone auswirkten. Laut dem Bundesrat können die Mindereinnahmen nur für die Kantonsanteile an der direkten Bundessteuer angegeben werden. Während die Entscheide bei der Ehepaar- und Familienbesteuerung kaum ins Gewicht fielen (-10 Mio Fr.), ergäben sich massive Mindereinnahmen bei der Unternehmensbesteuerung (-90 Mio Fr.) sowie bei der Wohneigentumsbesteuerung und dem Bausparabzug (-60 Mio Fr. und -5 Mio Fr.). Total müssten die Kantone mit zusätzlichen Mindereinnahmen von 165 Mio Fr. bei der direkten Bundessteuer rechnen; der Vorschlag des Bundesrates war von einem Betrag von 425 Mio Fr. ausgegangen, den der Nationalrat auf 590 Mio Fr. erhöht hatte. Zahlen über die Mindererträge bei den Staats- und Gemeindesteuern lägen zum Zeitpunkt keine vor, es sei jedoch mit erheblichen Ausfällen zu rechnen 3 AB NR, 2001, IV, Beilagen, S. 412 ff.; NZZ, 27.09.01; NLZ, 15.10.01.3.
Der WAK-SR gingen diese zusätzlichen Entlastungen zu weit. Sie strich im Oktober im Einverständnis mit den Interessenvertretern der Wirtschaft die vom Nationalrat beschlossene Senkung der Gewinnsteuer für Unternehmen (-300 Mio Fr.). Auch bei der Wohneigentumsbesteuerung zeigte sie sich weniger grosszügig 4 Presse vom 27.10.01.4.
Im Sommer überwies der Ständerat eine Motion der CVP-Fraktion aus dem Nationalrat, welche ein Gesamtkonzept für die Erneuerung der Bundesfinanzen forderte, als Postulat 5 AB SR, 2001, S. 259; vgl. SPJ 2000, S. 118.5. Da die Kompetenz des Bundes, eine Mehrwertsteuer (MWSt) und eine direkte Bundessteuer zu erheben (die beiden Steuern machen 60% der Bundeseinnahmen aus) bis Ende 2006 befristet ist, gab der Bundesrat bereits im September einen Entwurf für eine neue Finanzordnung in die Vernehmlassung. Ziel ist es, die wichtigsten Einnahmenquellen des Bundes ohne Steuererhöhungen sicherzustellen, die Verfassung aufgrund verschiedener Entscheide der eidgenössischen Räte nachzuführen und das Steuersystem zu verbessern. Unter anderem soll der 1996 eingeführte MWSt-Sondersatz für den Tourismus von 3,6% auf den Normalsatz von 7,6 % angehoben und die Verbilligung der Krankenkassenprämien aus Mitteln der MWSt dauerhaft in der Verfassung verankert werden. Nach der Abstimmungsniederlage bei den Energievorlagen im September 2000 verzichtete der Bundesrat jedoch auf eine Steuerreform mit ökologischen Anreizen 6 BBl, 2001, S. 5669 f.; Presse vom 22.9.01; BaZ, 28.9.01. NR Strahm (sp, BE) verlangte mit einem Postulat ebenfalls die Streichung des Sondersatzes für die Hotellerie. Der BR erklärte sich bereit, die Aufhebung auf Ende 2003 zu prüfen. Der Vorstoss wurde von Cina (cvp, VS) bekämpft und der Entscheid verschoben (AB NR, 2001, S. 938 und III, Beilagen, S. 180 f.; BüZ, 24.4.01).6.
Nationalrätin Vallender (fdp, AR) mahnte einen Bericht über die kumulierte Abgabebelastung an, den sie 1998 gefordert hatte. Dieser sollte die Entwicklung der Steuern, der Sozialversicherungsbeiträge und -entgelte darlegen. Der Bundesrat stellte den Bericht auf Ende Jahr in Aussicht 7 AB NR, 2001, I, Beilagen, S. 114; vgl. SJP 1999, S. 154.7. Mit der Überweisung eines Postulats von Jacqueline Fehr (sp, ZH) beauftragte der Nationalrat den Bundesrat, einen Bericht über die Wohlstandsverhältnisse und die Verteilung der Konsumkraft in der Schweiz zu erstellen. Besonders interessiere, wie sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse nach Abzug aller Steuern und Abgaben in den letzten zehn Jahren entwickelt hätten 8 AB NR, 2001, S. 1440. Zur ähnlich gelagerten Anfrage Fässler (sp, SG) vgl. AB NR, 2001, VI, Beilagen, S. 110.8.
Der Ständerat überwies eine im Vorjahr vom Nationalrat gebilligte Motion Raggenbass (cvp, TG) zur Milderung der Progression bei der direkten Bundessteuer als Postulat 9 AB SR, 2001, S. 259; vgl. SPJ 2000, S. 119.9.
Ende Juni gab Finanzminister Villiger bekannt, dass der Bundesrat entgegen seiner Ankündigung vorläufig darauf verzichte, eine Vorlage zur Steueramnestie auszuarbeiten, da er sich nicht auf eines der drei zur Auswahl stehenden Modelle hätte einigen können: Bei der umfassenden Amnestie hätten die Steuersünder für offengelegte Kapitalien Nach-, aber keine Strafsteuern zahlen müssen; bei der Amnestie auf Selbstanzeige hätten alle Betroffenen einmal im Leben nicht versteuertes Kapital ohne Strafsteuer offen legen können; und beim im Tessin praktizierten Modell der Amnestie im Erbfall hätten Erben von Verstorbenen nicht versteuerte Kapitalien ohne Straf- und Nachsteuer deklarieren können. Die Bedenken vor allem gegenüber einer allgemeinen straflosen Amnestie hätten derart zugenommen, dass eine Steueramnestie nicht mehr dringlich erscheine 10 Presse vom 28.6.01; NZZ, 29.6.01; vgl. SPJ 2000, S. 119. 10.
Ende Februar präsentierte der Bundesrat im Rahmen der Botschaft zum Steuerpaket 2001 die Reformen zur Familienbesteuerung. Diese bestätigten die Grundsatzentscheide vom Oktober 2000 zugunsten des Teilsplittings ohne Wahlrecht. Die Einsparungen sollten eine Erhöhung des Kinderabzugs bei der direkten Bundessteuer von 5600 auf 9000 Fr. erlauben. Damit könne den Familienlasten – auch bei Konkubinatspaaren – vermehrt Rechnung getragen werden. Des weiteren ist ein berufsbedingter Abzug für die Fremdbetreuung von Kindern unter 16 Jahren von höchstens 4400 Fr. sowie ein Abzug der Prämien für die obligatorische Kranken- und Unfallversicherung geplant. Letzterer würde in Form einer Pauschale für jeden Kanton separat festgelegt, entsprechend der kantonalen Durchschnittsprämie. Die Kantone müssten ebenfalls ein Splitting-Verfahren für Verheiratete und einen Abzug der Fremdbetreuungskosten einführen, doch wären sie frei in der Ausgestaltung. Auch der Pauschalabzug für die obligatorischen Kranken- und Unfallversicherungsprämien wäre obligatorisch 11 BBl, 2001, S. 2983 ff., insbesondere S. 2992 ff.; NZZ, 11.9.01; SPJ 2000, S. 120. 11.
Auf die einfache Anfrage Fehr (sp, ZH) betreffend alternative Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Stärkung von Familien hielt der Bundesrat fest, dass sich die Reform auf die Ehepaar- und Familienbesteuerung beschränke. Eine Ausweitung dieses Themas auf aussersteuerliche Bereiche würde den für das Steuerpaket 2001 massgeblichen Rahmen sprengen. So lehnte der Bundesrat die Abschaffung der Krankenkassenprämien für Kinder und Jugendliche in Ausbildung ab, desgleichen Sozialabzüge vom Steuerbetrag anstatt vom steuerpflichtigen Einkommen, weil dies die Steuerprogression verschärfen würde. Gegenüber einer bundesrechtlichen Regelung der Familienzulagen sei er hingegen grundsätzlich positiv eingestellt 12 AB NR, 2001, S. 369. 12.
Im Herbst nahm der Nationalrat die Beratungen in Angriff. Um alle Familien gleichzustellen, beantragte Meier-Schatz (cvp, SG) namens der Kommission, das Teilsplitting auch auf Konkubinatspaare mit Kindern auszudehnen, ausserdem, die Kinderabzüge auf 11 000 Fr. zu erhöhen und einen Kinderbetreuungsabzug von 7000 Fr. sowie einen zusätzlichen Ausbildungsabzug von 3000 Fr. einzuführen. Rückweisungsanträge von linker und grüner Seite, die eine Individualbesteuerung (Fehr, sp ZH), ein Familiensplitting (Fässler, sp SG) oder eine gezielte Unterstützung von Familien in Form einer Rente (Genner, gp ZH) forderten, blieben chancenlos. Auch ein Antrag Fässler (sp, SG), Abzüge statt vom steuerbaren Einkommen vom steuerbaren Betrag zu gewähren, um kleinere und mittlere Einkommen zu entlasten, wurde abgelehnt. Mit 84:81 Stimmen beschloss der Rat jedoch auf Antrag Rechsteiner (sp, SG) beim Gesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden eine Steuerbefreiung des Existenzminimums bei den Kantons- und Gemeindesteuern 13 AB NR, 2001, S. 1165 ff. Abgeschrieben wurden die pa. Initiativen der CVP zur steuerlichen Entlastung der Familien durch höhere Kinder- und Ausbildungskostenabzüge und von Vallender (fdp, AR) zur zivilstandsunabhängigen Besteuerung; vgl. SPJ 2000, S. 120 f. bzw. 1999, S. 154 f. 13.
Im September beauftragte der Bundesrat das Finanzdepartement, eine Vernehmlassungsvorlage für die Reform der Unternehmensbesteuerung auszuarbeiten, welche die strukturellen Schwächen im Steuersystem beseitigen und ertragsneutral ausfallen sollte. Eine generelle Entlastung der Unternehmen lehnte der Bundesrat angesichts der im internationalen Vergleich niedrigen schweizerischen Unternehmenssteuern ab. Grundlage bildeten die Vorschläge der Expertenkommission für rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung. Diese hatte u.a. empfohlen, alle Firmen unabhängig von ihrer Rechtsform (Kapitalgesellschaft, Genossenschaft, Personengesellschaft oder Einzelfirma) gleich zu behandeln. Eine vollständige Gleichbehandlung erachtete der Bundesrat zwar als wünschbar, aber zur Zeit nicht realisierbar. Erträge aus Unternehmensbeteiligungen und Gewinne aus dem Verkauf von massgeblichen Beteiligungen sollten zudem der Steuer unterliegen 14 NZZ, 22.9.01; zur Studie vgl. Presse vom 13.7.01. 14.
Auf Antrag seiner WAK beschloss der Nationalrat in der Herbstsession, auch Entlastungen für Unternehmen ins Steuerpaket aufzunehmen. Vergeblich hatte der Bundesrat um etwas Geduld gebeten, bis er seine Reformvorschläge ausgearbeitet habe. Die grosse Kammer senkte den Steuersatz von 8,5% auf 8% des Reingewinnes – economiesuisse hatte eine Verringerung auf 7,5% gefordert. Einen Antrag Fehr (sp, ZH), der die KMU mittels Abzug der Ausbildungskosten für Lehrtöchter und Lehrlinge entlasten wollte, lehnte der Rat ab 15 AB NR, 2001, S. 1165 ff., insbesondere S. 1193 ff.; Presse vom 25.4.01 (WAK-Beratungen) und 3.5.01 (economiesuisse). 15. Hingegen überwies er im Einverständnis mit dem Bundesrat eine Motion seiner WAK, welche die Beseitigung steuerlicher Ungerechtigkeiten für die KMU verlangte, und stimmte der ständerätlichen Motion Schweiger (fdp, ZG) mit 71:52 Stimmen zu, welche ebenfalls Steuerleichterungen für die KMU verlangte. In seiner Antwort auf eine Interpellation der SVP-Fraktion betonte der Bundesrat, Massnahmen zugunsten der Unternehmungen müssten mit einer nachhaltigen Finanzpolitik vereinbar sein. Im Anschluss an die Swissair-Krise erklärte sich die Wirtschaft bereit, für ein paar Jahre auf die vom Nationalrat beschlossene Steuersatzsenkung zu verzichten 16 AB NR, 2001, S. 1215 (Mo. WAK); S. 2008 und IV, Beilagen, S. 273 ff. (Ip. SVP) sowie 856 ff. (Mo. Schweiger:); vgl. SPJ 2000, S. 123. Verzichtserklärung der Wirtschaft: BaZ, 16.10.01 und Presse vom 27.10.01. Zur Belastung schweizerischer Unternehmen im Vergleich zu deutschen und französischen Nachbarregionen vgl. EA Strahm (sp, BE), AB NR, 2001, I, Beilagen, S. 143; NZZ und Lib., 11.9.01; Gutekunst, Gerd / Schwager, Robert, Die Steuerbelastung von Unternehmen in ausgewählten Regionen des erweiterten Alpenraumes: Ermittlung und vergleichende Analyse, Mannheim (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung) 2001. 16.
Im Winter überwies der Nationalrat diskussionslos eine Motion Bader (cvp, SO), die einen Steueraufschub bei einem Generationenwechsel in einem Unternehmen verlangte, als Postulat und schrieb auf Antrag seiner WAK eine parlamentarische Initiative Gros (lp, GE) betreffend Besteuerung von Hilfsgesellschaften ab. Für vorübergehend in der Schweiz weilende ausländische Führungskräfte hatte das EFD eine Verordnung erlassen, die den Abzug besonderer Berufskosten (Reise, Unterkunft, Umzug) erlaubt 17 AB NR, 2001, S. 1991 und 1985; vgl. SPJ 1997, S. 148. 17.
Gegen die Stimmen der Linken lehnte das Parlament die Volksinitiative „für eine Kapitalgewinnsteuer“ ab (der Nationalrat mit 120:65, der Ständerat mit 35:6 Stimmen). Die bürgerliche Mehrheit räumte zwar ein, dass das Begehren dem Anliegen der Steuergerechtigkeit entspreche, betonte aber, dass die direkte Bundessteuer mit ihrer starken Progression bereits den Charakter einer Reichtumssteuer habe. Die Kapitalgewinnsteuer stelle eine isolierte Einzelmassnahme dar, die nicht in das bestehende Steuersystem integriert sei und die alle sieben Kantone, welche eine solche Steuer kannten, aus Gründen der Konkurrenzfähigkeit wieder abgeschafft hätten. Mit 96:78 Stimmen verwarf der Nationalrat einen Antrag Fetz (sp, BS), das Geschäft an die WAK zurückzuweisen mit dem Auftrag, konkrete Massnahmen zur Schliessung der Steuerlücken auf Kapitalgewinnen auszuarbeiten, um dem Volk einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative vorlegen zu können. Bundesrat Villiger wies darauf hin, dass es an Zeit fehle, in dieser komplexen Materie rasch zu Ergebnissen zu kommen, insbesondere, da noch kein Konsens bestehe 18 BBl, 2001, S. 2880 ff.; AB NR, 2001, S. 121 ff. und 954; AB SR, 2001, S. 249 ff. und 474; Presse vom 13.3. und 9.6.01; SPJ 2000, S. 122. 18.
Volksinitiative "für eine Kapitalgewinnsteuer"
Abstimmung vom 2. Dezember 2001
Beteiligung: 37,8%
Ja: 594 927 (34,1%) / 0 Stände
Nein: 1 149 182 (65,9%) / 20 6/2 Stände
Parolen:
– Ja: SP, GP, CSP, EVP, PdA; SGB, CNG.
– Nein: FDP, CVP, SVP, LP, FP, EDU, SD, Lega; SGV, Arbeitgeberverband, economiesuisse.
Am 2. Dezember stimmten Volk und Stände über die Volksinitiative „für eine Kapitalgewinnsteuer“ ab. Unterstützung erhielt das vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund eingereichte Begehren von der SP und den Grünen, der CSP, der EVP und dem CNG. Die bürgerlichen Parteien sowie Gewerbe-, Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände gaben die Nein-Parole heraus. Einzig die CVP des Kantons Jura empfahl ein Ja. Nach einem flauen Abstimmungskampf, der einzig von einem vorrübergehenden Stopp eines SGB-Inserates in der Edipresse kurzfristig belebt wurde, verwarfen Volk und Stände die Vorlage mit 66% Nein-Stimmen bei einer Stimmbeteiligung von nur 37%. Kein einziger Kanton unterstützte das Begehren. Am stärksten war die Ablehnung in Schwyz (81%), Nidwalden (78%) und Appenzell Innerrhoden (77%), am meisten Ja-Stimmen erzielte die Initiative in den Kantonen Jura (45%), Neuenburg und Bern (je 41,5%). Wie bereits in der Parlamentsdebatte zeigte sich auch bei der Abstimmung ein klarer Links-Rechts-Gegensatz. Gemäss Vox-Analyse waren die Stimmenden aus Kantonen mit hoher Steuerbelastung der Vorlage stärker gewogen als die Stimmenden in Kantonen mit niedriger Belastung 19 Zum Abstimmungskampf: Presse vom 23.10.-30.11.01 (Inseratestopp: 24.-27.10.01); zum Ausgang der Abstimmung: BBl, 2002, S. 1209 ff.; Presse vom 3.12.01; Zürcher, Lukas e.a., Vox. Analyse der eidgenössischen Abstimmungen vom 2. Dezember 2001, Zürich 2001. 19.
Im Herbst unterbreitete der Bundesrat in Antwort auf eine Motion der WAK-NR seinen Bericht über eine einheitliche und kohärente Behandlung von selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit im Steuer- und im Sozialversicherungsabgaberecht. Laut Bericht wendeten Gerichts- und Verwaltungsbehörden weitgehend einheitliche Kriterien für die Qualifikation der beiden Erwerbsarten an. Doch verfolgten die betroffenen Rechtsgebiete unterschiedliche Ziele: Während das Sozialversicherungsrecht dem Versicherungsschutz diene, ginge es im Steuerrecht darum, dem Gemeinwesen die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen und den Finanzausgleich mitzusteuern; das Obligationenrecht schliesslich regle in den Bestimmungen zum Arbeitsvertrag den Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Das Bundesgericht hätte in seiner Stellungnahme von einer einheitlichen Begriffsbestimmung von Selbständigkeit und Unselbständigkeit abgeraten, da diese neue Ungleichheiten nach sich zöge. Auf Anregung des „KMU Forums“ schlug der Bundesrat deshalb die Einrichtung einer Ombudsstelle vor, an die sich Betroffene bei unterschiedlicher Einstufung wenden könnten 20 BBl, 2002, S. 1126 ff.; SPJ 1999, S. 156. 20.
Gegen den Willen des Bundesrats überwies der Nationalrat ein Postulat seiner WAK, das die Prüfung von Steuerabzügen für Aufwendungen verlangt, die durch die Ausübung gemeinnütziger Arbeit verursacht werden 21 AB NR, 2001, S. 868 und III, Beilagen, S. 285 f.; AZ, 8.10.01. Eine weitergehende Pa.Iv. Zisyadis (pda, VD) hatte der Rat zuvor abgelehnt (AB NR, 2001, S. 864 ff.). 21.
Mit 19:13 Stimmen lehnte der Ständerat eine parlamentarischen Initiative Dettling (fdp, SZ) ab, die eine Harmonisierung des Zugangs zu den Steuerdaten verlangt hatte. Es sei Sache der Kantone, die Einsicht ins Steuerregister zu regeln. Dass die Öffentlichkeit überhaupt Zugang zu diesen Daten habe, sei wichtiger als die Frage, wie dieser erfolge 22 AB SR, 2001, S. 525 ff.; AZ, 20.9.01. 22.
Indirekte Steuern
Zum Demographie-Prozent bei der 11. AHV-Revision siehe unten, Teil I, 7c (AHV).
Die dritte Vorlage des Steuerpakets 2001 betrifft die Umsatzabgabe und bezweckt, die beiden dringlichen Revisionen vom 19. März 1999 und vom 15. Dezember 2000 ins ordentliche Recht überzuführen, da sie Ende 2002 auslaufen. In der Herbstsession hiess der Nationalrat die Vorlage gut. Gegen den Bundesrat folgte er dabei den Anträgen Kaufmann (svp, ZH), auch Pensionskassen und Lebensversicherungen und deren im Ausland domizilierte Kunden von der Stempelsteuer zu befreien. Im Einverständnis mit dem Bundesrat beschloss der Rat zudem eine Steuerbefreiung der AHV- und Arbeitslosenkassen 23 BBl 2001, S. 2983 ff., insbesondere S. 3087 ff.; AB NR, 2001, S. 1165 ff., insbesondere S. 1205 ff. Vgl. SPJ 1999, S. 157 und 2000, S. 123 f. 23.
Im Februar gab der Bundesrat einen Vorentwurf zum neuen Zollgesetz in die Vernehmlassung, welcher das Zollgesetz von 1925 den geänderten wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen anpasst. Der Entwurf lehnt sich an das Zollrecht der EU an. Die weitgehende Übereinstimmung vereinfache den grenzüberschreitenden Warenverkehr und diene somit vor allem der Wirtschaft 24 BaZ, 2.2.01; NZZ, 6.2.01. 24.
Die EU will die effiziente Besteuerung von Zinserträgen sicherstellen und beabsichtigt, zu diesem Zweck einen automatischen Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten einzuführen. Um Umgehungen des künftigen EU-Rechts zu vermeiden, ist sie daran interessiert, dass Drittstaaten gleichwertige Massnahmen anwenden. Diese Massnahmen bilden Gegenstand der zweiten Runde bilateraler Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU. Mit der Verrechnungssteuer kennt die Schweiz ein System der Quellenbesteuerung, das zusammen mit einer moderaten Einkommenssteuer eine effektive Besteuerung von Zinserträgen sicherstellt. In den Vorgesprächen widersetzte sich der Bundesrat, sekundiert von der Schweizerischen Bankiervereinigung, wegen des Bankgeheimnisses vehement einem automatischen Meldeverfahren, wie es die EU vorsah. Stattdessen schlug er eine Zahlstellensteuer auf ausländischen Zinserträgen vor und forderte, dass die EU-Lösung auch für die abhängigen und assoziierten Gebiete der EU-Mitgliedstaaten, insbesondere für die britischen Kanalinseln, gelte 25 NZZ, 30.3.01; BZ, 15.12.01. Siehe auch oben, Teil I, 2 (Europe: UE) und SPJ 2000, S. 103. 25.
Das Parlament beschloss, Dienstleistungen der AHV- und Familienausgleichskassen 26 BBl, 2001, S. 1472 ff. (Bericht WAK) und 1479 ff. (BR); AB NR, 2001, S. 53 f.; AB SR, 2001, S. 240 f.; BBl, 2001, S. 2926 f.; NZZ, 7.3.01; vgl. SPJ 2000, S. 125. 26 sowie Prüfungen und Dienstleistungen Dritter im Bildungsbereich von der Mehrwertsteuer zu befreien 27 Den Anstoss zur Änderung gab die Pa.Iv. (00.452) Tschäppät (sp, BE). Da Einigkeit zur Materie herrschte, reichte die WAK-NR selber eine Pa.Iv. (01.418) ein, während der Initiant seinen Vorstoss zurückzog (BBl, 2001, S. 3171 ff. (Bericht WAK) und 5982 ff. (BR); AB NR, 2001, S. 863 f., 955, 1654 f. und 2013; AB SR, 2001, S. 475, 603 ff., 931 und 1044); vgl. SPJ 2000, S. 125. 27.
Der Ständerat überwies eine Motion Lustenberger (cvp, LU) aus dem Nationalrat, die für KMU eine jährliche statt vierteljährliche Abrechnung der MWSt verlangte. Bundesrat Villiger teilte mit, dass die Botschaft bereits in Bearbeitung sei 28 AB SR, 2001, S. 241 f.; SPJ 2000, S. 124. 28.
Nationalrätin Vallender (fdp, AR) wollte vom Bundesrat wissen, ob er nach der Ablehnung der Energielenkungsabgabe im Herbst 2000 die Einführung einer ökologischen Steuerreform beispielsweise im Rahmen der Revision der Bundesfinanzordnung 2006 weiterverfolge. Finanzminister Villiger wies darauf hin, dass er es aus staatspolitischen Gründen ablehne, in der laufenden Legislatur einen neuen Verfassungsartikel für eine Verlagerung der Steuerbelastung von der Arbeit zur Energie zu unterbreiten. Er wolle jedoch am Ende der laufenden Legislaturperiode eine Neubeurteilung der Lage vornehmen und den Räten bis Ende 2003 einen Bericht über die geplanten Massnahmen vorlegen 29 AB NR, 2001, I, Beilagen, S. 264 f. 29.
Nationalrätin Lalive d’Epinay (fdp, SZ) fragte den Bundesrat in einer Interpellation, ob er im Hinblick auf die Transformation von der Industrie- zur Informations- oder Wissensgesellschaft beabsichtige, das bestehende Steuersystem grundsätzlich zu überdenken. Der Bundesrat verwies auf das Finanzleitbild 1999. Dieses hätte eine Finanzordnung mit ökologischen Anreizen vorgesehen, doch hätten Volk und Stände die Basis für die neue Finanzordnung verworfen. Immerhin beabsichtige das Steuerpaket 2001, Ehepaare und Familien zu entlasten und die indirekten Steuern stärker zu gewichten, so dass die direkten Steuern möglichst tief gehalten werden könnten 30 AB NR, 2001, S. 362. 30.
Finanzkontrolle
In ihrem jährlichen Bericht an die parlamentarischen Finanzkommissionen kam die Finanzdelegation zum Schluss, dass der Bund bald ein neues Rechnungslegungsmodell wird einführen müssen, das dem der Privatwirtschaft gleicht. Sie erinnerte daran, dass das Parlament als Vertreter der Steuerzahlerinnen und -zahler die Verwendung öffentlicher Steuergelder überprüfen können muss. Neu sollte neben der Ordnungs- und der Gesetzmässigkeit der Ausgaben auch deren Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit geprüft werden 31 BBl, 2001, S. 2049 ff.; zum neuen Rechnungsmodell vgl. NZZ, 29.11.01. 31.
Ausgabenordnung
Mit einer Motion forderte Ständerat Pfisterer (fdp, AG) den Bundesrat auf, institutionelle Hilfen für die bessere Verknüpfung der Sach- und der Finanzpolitik im politischen Alltag bereit zu stellen, um den Einfluss des Parlaments zu verbessern. Mit der vorgesehenen Unterstützung sollte jedes Parlamentsmitglied die Chance haben, gesamtheitlich in die finanz- und sachpolitische Diskussion eingreifen zu können. Bundesrat Villiger hielt das Anliegen für berechtigt, aber eine Gesetzesänderung nicht für notwendig. Der Ständerat überwies den Vorstoss als Postulat 32 AB SR, 2001, S. 65 f. 32.
Anlässlich der Vorberatungen des Budgets 2002 äusserte die Finanzkommission des Ständerates Unbehagen, dass die nur sechs Personen umfassende Finanzdelegation im Namen des gesamten Parlaments dem Bundesrat grünes Licht geben könne für einen milliardenschweren Kredit für die Luftfahrt. Trotz der gebotenen Eile scheine ihr dies sehr problematisch. Sie beabsichtige deshalb, der staatspolitischen Kommission die Einführung einer Obergrenze für Beträge vorzuschlagen, über welche die Finanzdelegation entscheiden könne, beispielsweise 100 Mio Fr. Bei höheren Beträgen müsste eine Sondersession einberufen oder das Geschäft zumindest der Finanzkommission oder der WAK übergeben werden. Nationalrätin Vallender (fdp, AR) reichte eine Motion ein, welche solche ausserordentlichen Ausgabenentscheide des Bundesrats mit Absegnung durch die Finanzdelegation auf Beträge von 100 Mio Fr. (resp. 500 Mio Fr. bei einstimmiger Zustimmung durch die Finanzdelegation) limitieren will 33 Finanzkommission SR: 24h, 7.11.01; LT, 20.11.01; NZZ, 12.12.01; Vallender: Mo 01.3662; BZ, 19.11.01. Zur Swissair siehe unten, Teil I, 6b (Trafic aérien). 33.
Sanierungsmassnahmen
Der vom Bundesrat im Herbst vorgestellte Finanzplan 2003-2005 geht von roten Zahlen in den Jahren 2003 und 2004 und einem Überschuss im Jahr 2005 aus. Über die ganze Periode sei mit einem kumulierten Defizit von knapp 200 Mio Fr. zu rechnen, angesichts der negativen Wirtschaftsentwicklung könnten die Einnahmen allerdings auch geringer ausfallen. Die schlechten Ergebnisse des Finanzplanes seien insbesondere eine Folge des nationalrätlichen Entscheides vom Mai, den Anteil des Bundes am Mehrwertsteuerprozent für die AHV zu streichen. Um die Sanierung der Bundesfinanzen weiterzuführen, werde der Bundesrat deshalb dem Parlament beantragen, auf diesen Beschluss der grossen Kammer zurückzukommen 34 Bericht des Bundesrates zum Finanzplan 2003-2005, Bern 2001. 34.
Das Parlament nahm den Finanzplan zur Kenntnis – gegen den Widerstand der SVP, die einen Hinweis auf das Swissair-Engagement des Bundes vermisste. Aufgrund der zunehmenden Staats- und Steuerquote und der sich abschwächenden Konjunktur diagnostizierte die SVP in einer Interpellation einen dringenden Handlungsbedarf bei den Budget- und Finanzplanvorlagen des Bundes. Der Bundesrat war anderer Meinung: Da die Schuldenbremse noch nicht eingeführt sei, bestünden keine konkreten Pläne für ein weiteres Sparpaket. Mit 93:75 Stimmen überwies der Nationalrat gegen den Willen des Bundesrates eine Motion der Finanzkommission, die das Ausgabenwachstum im Finanzplan 2003-2005 von nominell 4,1% auf 3,3% senken will, um die Ausgaben zu stabilisieren. Die Anregung des Ständerats, künftig bereits in der Herbstsession über die Finanzplanung zu diskutieren, um die Sensibilität für die Budgetdebatte im Winter zu wecken, stiess bei Bundesrat Villiger auf Skepsis. Es sei unsicher, ob die Finanzplanung bis im Herbst fertig sei 35 AB NR, 2001, S. 1725 ff. und 2008 (Ip. SVP); AB SR, 2001, S. 792 ff. 35.
Im Januar veröffentlichte der Bundesrat seinen Zusatzbericht zur Botschaft zur Schuldenbremse, den er anlässlich der Budgetdebatte des Nationalrats im November des Vorjahres angekündigt hatte. Der Bericht zeigte nebst einer Lageanalyse die Folgen verschiedener Szenarien auf die längerfristige Finanzpolitik auf. Obschon das Parlament im Winter 2000 weitgehend den Vorschlägen des Bundesrats gefolgt war, liesse nach Ansicht des Bundesrats die Ausgabendisziplin tendenziell nach, und es würden vermehrt wieder Forderungen nach umfassenden Steuererleichterungen laut. Trotz des guten Rechnungsabschlusses 2000 sei deshalb weiterhin eine konsequente Finanzpolitik angesagt, um die Anforderungen der Schuldenbremse zu erfüllen und die strukturellen Defizite zu beseitigen 36 BBl, 2001, S. 2387 ff.; Presse vom 11.1.01; vgl. SJP 2000, S. 128. 36.
Im Frühling behandelte der Ständerat als Erstrat den Bundesbeschuss zur Schuldenbremse und die damit verbundene Revision des Finanzhaushaltsgesetzes. In der Eintretensdebatte betonte Kommissionssprecher Inderkum (cvp, UR) die Notwendigkeit des Instruments und beantragte dem Rat, dass ordentliche Einnahmenüberschüsse explizit auch für die Schuldentilgung eingesetzt werden können 37 Vgl. auch die in die gleiche Richtung zielende Motion Walker (cvp, SG), die von den Räten im Einverständnis mit dem BR überwiesen wurde (AB NR, 2001, S. 352; AB SR, 2001, S. 599 ff.). 37. Obschon er der Idee einer Schuldenbremse an sich positiv gegenüberstehe, verlangte der Basler Sozialdemokrat Plattner Rückweisung an die Kommission, weil unklar sei, wie sich das Instrument in einer Rezession auswirke, wie es die Beschäftigungslage, die Volkswirtschaft, die soziale Wohlfahrt oder den Finanzausgleich beeinflusse. Er erhielt Sukkurs vom Freisinnigen Marty (TI), der sich dagegen wehrte, politische Entscheide an die Technokratie zu delegieren; dies käme einem Harakiri des Parlaments gleich. Der Ständerat lehnte den Rückweisungsantrag Plattner mit 30:3 Stimmen ab. In der Detailberatung folgte die Kammer dem Kommissionsvorschlag. Eine von der Staatspolitischen Kommission unterstützte Minderheit sprach sich gegen die im Finanzhaushaltsgesetz vorgesehene Möglichkeit des Bundesrates aus, die Sparvorhaben bestimmen zu können. Dies verstosse gegen das Prinzip der Gewaltenteilung. Der Ständerat hielt jedoch mit 22:15 Stimmen an dieser Bestimmung fest 38 AB SR, 2001, S. 71 ff.; Presse vom 7.2. (Kommissionsberatungen) und 15.3.01. 38.
In der Debatte des Nationalrats kritisierte die SP die Schuldenbremse als technokratische Entmachtung des Parlaments und plädierte vergeblich dafür, das Schuldenloch mit neuen Einnahmen zu stopfen. Auch der Antrag Hofmann (sp, AG), dass das Parlament in Anlehnung an die Ausgabenbremse eine Neuverschuldung mit absoluter Mehrheit solle bewilligen können, fand bei der bürgerlichen Mehrheit kein Gehör 39 AB NR, 2001, S. 769 ff.; Presse vom 19.6.01. 39.
Nachdem der Ständerat diskussionslos zwei kleine Differenzen bereinigt hatte, verabschiedete er die Vorlage mit 34:6 Stimmen (Schuldenbremse) bzw. 35:5 Stimmen (Finanzhaushaltsgesetz). Der Nationalrat stimmte dem Bundesbeschluss über die Schuldenbremse mit 127:64 und der Änderung des Finanzhaushaltsgesetzes mit 130:62 Stimmen zu 40 AB SR, 2001, S. 405 f. und 474; AB NR, 2001, S. 954; BBl, 2001, S. 2878 f. (Schuldenbremse); BBl, 2002, S. 1206 ff. (Finanzhaushaltsgesetz). 40.
Bundesbeschluss über eine Schuldenbremse
Abstimmung vom 2. Dezember 2001
Beteiligung: 37,8%
Ja: 1 472 259 (84,7%) / 20 6/2 Stände
Nein: 265 090 (15,3%) / 0 Stände
Parolen:
– Ja: FDP, CVP, SVP, LP, CSP, EVP, FP, EDU, SD; SGV, Arbeitgeberverband, economiesuisse.
– Nein: SP, GP (1*), Lega, PdA; SGB.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Mitten im Endspurt um das Swissair-Milliardenpaket lancierte der Bundesrat Ende Oktober seine Kampagne für die Volksabstimmung über die Schuldenbremse. Bürgerliche Parteien, Wirtschaft, Gewerbe und Arbeitgeberverbände folgten ihm und gaben die Ja-Parole heraus. Lediglich die SP, die Grünen, die PdA und die Lega sowie der Schweizerische Gewerkschaftsbund empfahlen ein Nein. Am 2. Dezember 2001 hiessen die Stimmberechtigten geschlossen mit 85% Ja-Stimmen die Einführung der Schuldenbremse gut. Am meisten Unterstützung erhielt die Vorlage in den Kantonen Nidwalden (90%), Appenzell Innerrhoden und St. Gallen (je 89%), am wenigsten im Tessin und in den Westschweizer Kantonen Genf und Jura (je 75%). Gemäss der Vox-Analyse hatten sogar die Sympathisanten der SP mit Zweidrittelmehrheit zugestimmt 41 Kampagne: Presse vom 23.10. und 5.11.-28.11.01; Ergebnis: BBl, 2002, 1209 ff.; Presse vom 3.12.01; Zürcher, Lukas e.a., Vox. Analyse der eidgenössischen Abstimmungen vom 2. Dezember 2001, Zürich 2001. 41.
Staatsrechnung 2001
Die Staatsrechnung 2001 schloss anstelle des geplanten Überschusses von 18 Mio Fr. mit einem Defizit von 1,3 Mia Fr. ab (ohne UMTS-Lizenzeinnahmen von 205 Mio) und damit seit 1996 zum ersten Mal wieder schlechter als budgetiert. Hauptursache für die negative Bilanz bildeten unvorhergesehene Kredite für die zivile Luftfahrt und die Expo.02 sowie Einnahmenausfälle bei der Verrechnungssteuer. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Einnahmen um rund 2,8 Mia Fr. oder -5,4% gesunken, erreichten aber nahezu die budgetierten Werte. Mehreinnahmen erzielten insbesondere die direkte Bundessteuer mit rund 1,5 Mia Fr. und die MWSt (+439 Mio). Hingegen sind die Erträge aus der Verrechnungssteuer um 85,6% massiv zurückgegangen (-5,3 Mia). Zu einem eigentlichen Einnahmeneinbruch führten neben der Börsenentwicklung vor allem die Aktiendividenden, bei denen das neu eingeführte Meldeverfahren für Bardividenden konzerninterne Bilanzbereinigungen nach sich zog. Die Ausgaben sind im Vergleich zum Vorjahr um 3,1 Mia Fr. oder 6,5% gestiegen. Mit 1,5 Mia Fr. wies der Verkehr das stärkste Ausgabenwachstum auf, das sich im Engagement des Bundes zugunsten der Swissair und der neuen Fluggesellschaft Swiss (1,1 Mia) niederschlug. Die Beziehungen zum Ausland wuchsen um 0,4 Mia Fr. Ohne Berücksichtigung der Überbrückungskredite von 0,4 Mia Fr. an Jugoslawien und Tadschikistan, die innerhalb einer Woche zurückbezahlt wurden, sanken diese Ausgaben um 0,8%. Sowohl bei der sozialen Wohlfahrt (+254 Mio) als auch in der Landwirtschaft (+235 Mio wegen vermehrten Direktzahlungen) und der allgemeinen Verwaltung (+270 Mio) wuchsen die Ausgaben. Bei den sonstigen Ausgaben schlugen zusätzliche Expo-Kredite mit 300 Mio Fr. zu Buche. Einzig bei der Landesverteidigung konnte der Bund aufgrund der Kürzungen, die durch das Stabilisierungsprogramm 1998 bedingt waren, 48 Mio Fr. einsparen. Damit waren die Ausgaben um 1,3 Mia Fr. höher als budgetiert.
Nach der leichten Besserung im Vorjahr fiel das Ergebnis der Erfolgsrechnung mit -5,8 Mia Fr. stark negativ aus. Zu Buche schlugen insbesondere die Deckungslücken bei den Pensionskassen des Bundes sowie Darlehensrückzahlungen. Die Verschuldung des Bundes nahm leicht um 1,3 Mia auf einen Betrag von 107 Mia Fr. ab. Die Erklärung findet sich in Bilanztransaktionen, vor allem in der Abnahme des Finanzvermögens, von dem ein Teil für die Schuldenrückzahlung verwendet wurde. Die Schuldenquote betrug 26,7% des BIP. Der Bilanzfehlbetrag stieg im Vergleich zum Vorjahr von 70,4 Mia Fr. wieder auf 76,1 Mia Fr. an 42 Eidg. Finanzverwaltung, Botschaft zur Staatsrechnung 2001, Bern 2002. Bundesrat, Zusatzbericht zur Botschaft zur Staatsrechnung 2001, Bern 2002. Zum Nachtrag I zum Voranschlag 2001 vgl. AB NR, 2001, S. 703 ff.; AB SR, 2001, S. 220 ff.; BBl, 2001, S. 2947 f.; zum Nachtrag II zum Voranschlag 2001 vgl. AB NR, 2001, S. 1662 ff. und 1724 ff.; AB SR, 2001, S. 761 ff.; BBl, 2001, S. 6544 f. 42.
Voranschlag 2002
Ende August präsentierte Finanzminister Villiger den Voranschlag für das Jahr 2002, welcher von einem Einnahmenüberschuss von 356 Mio Fr. ausging. Dies sei zwar erfreulich, doch reiche der Betrag nicht aus, um den Anforderungen einer nachhaltigen Haushaltspolitik gerecht zu werden. Die Swissair-Krise im Herbst führte dazu, dass das vom Parlament im Dezember verabschiedete Budget 2002 bei veranschlagten Ausgaben von 51 249 Mio Fr. und Einnahmen von 50 955 Mio Fr. einen Ausgabenüberschuss von 294 Mio Fr. vorsah. Damit überschritten die veranschlagten Ausgaben erstmals die 50-Mia-Grenze und übertrafen das Budget des Vorjahres um 2,3 Mia Fr. oder 4,8%. Am meisten zusätzliche Mittel benötigte der Verkehr mit rund 1,3 Mia Fr. oder 18,6% mehr als im Vorjahr, wobei vor allem die Bewältigung der Swissair-Krise zu Buche schlug. Der Bereich Finanzen und Steuern wies ebenfalls ein überdurchschnittliches Ausgabenwachstum auf (+550 Mio), da für den Schuldendienst und die Anteile Dritter an den Bundeseinnahmen mehr Geld zur Verfügung stehen musste. Entlastungen ergaben sich hingegen bei der sozialen Wohlfahrt (-67 Mio). Bei den Einnahmen ging der Voranschlag von einem Zuwachs von rund 2 Mia Fr. oder 4,2% aus. Mehreinnahmen sollten vor allem die Mehrwertsteuer, die direkte Bundessteuer und die Verrechnungssteuer einbringen (total +2,5 Mia). Bei den Vermögenserträgen und den Einfuhrzöllen sei jedoch mit weniger Einnahmen zu rechnen 43 Eidg. Finanzverwaltung, Botschaft zum Voranschlag 2002, Bern 2001; Eidg. Finanzverwaltung, Bundesbeschlüsse über den Voranschlag 2002, Bern 2002; BBl, 2001, S. 6546 ff.; Presse vom 31.8.01; Lit. Schwaller. 43.
Am umstrittensten waren in den Parlamentsdebatten neben den Kürzungen beim VBS vor allem die Investitionskredite für die SBB und die Beitragserhöhungen für die Filmförderung und für die Schweizer Schulen im Ausland: Mit Einverständnis des Bundesrates erhöhte der Ständerat den Kredit an die kantonalen Hochschulen um 32 Mio Fr. und stockte, diesmal gegen den Willen der Regierung, den Zahlungsrahmen für die Universitätsförderung 2001-2003 um 101,2 Mio Fr. auf – Plattner (sp, BS) hatte eine noch höheren Betrag verlangt. Ausserdem machte die kleine Kammer die vom Bundesrat beschlossenen Kürzungen der Infrastrukturbeiträge an die SBB von 42 Mio Fr. rückgängig. Ohne Auswirkungen auf den Haushalt blieb die Erhöhung der vom Bundesrat beantragten Beihilfen für die Milchwirtschaft um 20 Mio Fr. zulasten von Investitionsgütern und Betriebshilfen. Diskussionslos kürzte der Ständerat schliesslich das Budget des Finanzdepartements um 150 Mio Fr.; aufgrund der tieferen Teuerung sei mit einer geringeren Zunahme der Lohnausgaben zu rechnen 44 AB SR, 2001, S. 761 ff. 44.
Im Nationalrat verlangte Müller (fdp, ZH) namens der Finanzdelegation, dass der Bundesrat die nötigen Kreditvorlagen für die Expo rechtzeitig dem Parlament unterbreite. Die Finanzdelegation sei nicht bereit, diese Kredite im Schnellverfahren am Parlament vorbeizuschleusen. Namens der SVP-Fraktion beantragte Zuppiger (ZH) Rückweisung des Budgets an den Bundesrat mit dem Auftrag, die Ausgaben um 800 Mio Fr. zu reduzieren. Rechsteiner (sp, BS) wollte den Voranschlag ebenfalls zurückweisen: Die Verteidigungsmassnahmen seien zu kürzen und auf die neue Bedrohungslage nach den Terroranschlägen vom 11. September in den USA auszurichten. Beide Anträge wurden verworfen. Im Einklang mit dem Bundesrat und der Finanzkommission lehnte der Nationalrat alle Aufstockungsanträge von Seiten der SP und der Grünen bei der Entwicklungszusammenarbeit ab, ebenso eine Erhöhung des Kredits für Massnahmen zur Integration von Ausländerinnen und Ausländern. Keine Chancen hatten auch die Kürzungsanträge der SVP im Flüchtlingsbereich und beim Bundespersonal sowie die Forderung, Aufstockungen beim Budget von „Präsenz Schweiz“ wieder rückgängig zu machen. Bei der Presseförderung folgte der Rat der Kommissionsminderheit und verzichtete auf eine Kürzung von 30 Mio Fr. für die Verbilligung der Posttaxen für Zeitungen. Auch die Personalbezüge des UVEK-Generalsekretariats blieben unangetastet. Gegen den Willen des Bundesrates stockte der Rat die Mittel zur Förderung erneuerbarer Energien um 4 Mio Fr. auf. Ausserdem gewährte er 200 000 Fr. für die Durchführung des europäischen Jugendfestivals und zusätzliche 4,3 Mio Fr. für die Schweizer Schulen im Ausland bzw. 3,5 Mio Fr. für die Filmförderung. Der parteiübergreifende Antrag, die Bundesbeiträge an die Universitäten zusätzlich zu erhöhen, wurde hingegen abgelehnt, die vom Ständerat gewährten Erhöhungen jedoch gebilligt. Auch bei den Beihilfen für die Milchwirtschaft und bei der Erhöhung des Nationalstrassenbudgets um 88 Mio Fr. schloss sich die grosse Kammer dem Ständerat an, beim Bahnverkehr machte er aber die von der kleinen Kammer vorgenommene Aufstockung wieder rückgängig 45 AB NR, 2001, S. 1662 ff.; Presse vom 14.9. (Kommissionsverhandlungen), 11.11., 28.-29.11., 4.-6.12. und 12.-13.12.01. 45.
Nach und nach einigten sich die Räte schliesslich im Einklang mit dem Bundesrat auf Kürzungen beim VBS von 37 Mio Fr., beschlossen, die Kredite für die Schweizer Schulen um 2 Mio Fr. und für die Filmförderung um 1,75 Mio Fr. aufzustocken und die vom Bundesrat bei der SBB gestrichenen Investitionen von 42 Mio Fr. rückgängig zu machen. Im zweiten Anlauf stimmte der Nationalrat auch einem Verpflichtungskredit des VBS zur Materialbeschaffung bei, der das Quorum der Ausgabenbremse zunächst nicht erreicht hatte, da SVP, Grüne und Teile der SP ihm die Unterstützung versagt hatten 46 BBl, 2001, S. 6546 ff.; AB SR, 2001, S. 761 ff., 932 ff. und 970 f.; AB NR, 2001, S. 1662 ff., 1847 ff. und 1876 ff.; VBS: LT, 6.12.01. Bereits im Juni hatten die Räte den Voranschlag der Eidg. Alkoholverwaltung für das Geschäftsjahr 2001/2002 genehmigt (BBl, 2001, S. 2955; AB SR, 2001; S. 237 f.; AB NR 2001, S. 768). Im November hiess das Parlament auch die Rechnung und den Geschäftsbericht der Eidg. Alkoholverwaltung für das Geschäftsjahr 2000/2001 gut (BBl, 2001, S. 6554; AB SR, 2001, S. 794 f.; AB NR, 2001, S. 1732). 46.
Bund, Kantone und Gemeinden budgetierten für das Jahr 2002 ein Defizit von insgesamt knapp 2,4 Mia Fr. Das sind rund 1 Mia mehr als im Vorjahr. Der Fehlbetrag des Bundes beläuft sich auf 1394 Mio, bei den Kantonen auf 600 Mio und bei den Gemeinden auf 400 Mio Fr. Er erhöhte sich im Vergleich zum Vorjahr beim Bund um 0,5 Mia, während er bei den Kantonen gleich blieb. Trotz dieser unerfreulichen Entwicklung genügen die Budgets der öffentlichen Hand weiterhin den EU-Budgetkriterien von höchstens 3% für das Defizit des öffentlichen Sektors und 60% des BIP für die öffentliche Verschuldung. Denn 2002 erreicht die Defizitquote der Schweiz (inkl. Sozialversicherungen) nach den budgetierten Zahlen 0,2%, während die Verschuldungsquote die 50%-Marke erreicht (Vorjahr: 0,3% bzw. 49%) 47 Lit. Schwaller. 47.
Finanzausgleich
Die Vorbereitungsarbeiten für den Neuen Finanzausgleich (NFA) konnten im Berichtsjahr abgeschlossen werden; gegen Jahresende legte der Bundesrat seine Botschaft vor. Ende April gab die NFA-Delegation bekannt, mit einem „Härteausgleich“ in der Höhe von 525 Mio Fr. jährlich (Bund: 350 Mio, Kantone: 175 Mio) die politische Akzeptanz des Vorhabens sicherstellen zu wollen. Damit sollten die beim Übergang vom geltenden zum neuen System schlechter gestellten Kantone entlastet werden. Profitieren würden die finanzschwachen Kantone Obwalden, Freiburg, Appenzell Ausserrhoden, Neuenburg und Jura sowie die Waadt und die finanzstarken Kantone Zürich und Nidwalden. Der Härteausgleich führe dazu, dass alle Kantone mit einem unterdurchschnittlichen Steuerpotenzial beim NFA als Gewinner hervorgingen. Die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren (FDK) erklärte sich grundsätzlich einverstanden, senkte aber den Betrag für Härtefälle auf 430 Mio Fr.; Ende Juni fand das Projekt auch die Billigung der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK). Nein sagten Zug und Genf, der Stimme enthielten sich Neuenburg, Aargau, Jura und Zürich. Zug befürchtete einen Zwang zu Steuererhöhungen und als Folge die Abwanderung von Firmen ins Ausland, während Genf grundsätzliche Vorbehalte äusserte. Die Rhonestadt sei zwar bereit, ärmere Kantone zu unterstützen, aus Genfer Sicht benachteilige das neue System diese jedoch weiterhin, wie das Beispiel des Jura zeige. Ende August wurde auf Antrag Zugs eine ausserordentliche FDK einberufen. Diese entschied mit 22:2 Stimmen gegen den Antrag der Zuger Regierung, den NFA mit einer Belastungsobergrenze für finanzstarke Kantone zu ergänzen. Ein Gutachten der Universität St. Gallen hatte die Abwanderungsgefahr von juristischen Personen ins Ausland bei einer jährlichen Zusatzbelastung für Zug in der Höhe von 110 bis 120 Mio Fr. verneint 48 Presse vom 27.4., 22.6. und 26.6.01; NLZ; 25.8. und 20.9.01. 48.
Mitten im Sommerloch verkündete die SP, sie erwäge, mit einer Volksinitiative die Steuern landesweit anzugleichen – dies als Ergänzung zum NFA oder an dessen Stelle. Sie befürworte zwar den Ressourcenausgleich, doch gehe dieser mit einer Reduzierung der Steuerbelastungsunterschiede um 10% bis 20% zu wenig weit. Der Finanzausgleich müsse mit einer materiellen Steuerharmonisierung verknüpft werden. Mit der Initiative, über die der Parteitag 2002 entscheiden soll, will die SP Druck machen auf die Parlamentsberatungen 49 Presse vom 25.7.01. Zum Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen und seinen Folgen vgl. NZZ, 27.1.01; QJ, 2.2.01. 49.
Anfangs November legte der Bundesrat die Finanzkraft der Kantone für die Jahre 2002 und 2003 neu fest. Dieser Index gilt bis zur Inkraftsetzung des NFA und beruht auf den vier Kriterien Volkseinkommen, Steuerkraft, Steuerbelastung und Anteil des Berggebiets. Verschiebungen ergaben sich in drei Fällen: Die beiden Appenzell stiegen in die Gruppe der mittelstarken Kantone auf, derweil Bern neu zu den finanzschwachen Kantonen zählt 50 Presse vom 8.11.01. 50.
Im gleichen Monat veröffentlichte der Bundesrat auch seine Botschaft zur „Neuausgestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen“ (NFA). Es geht dabei um Aufgaben, in welchen bisher beide Staatsebenen über Kompetenzen verfügten und bei denen der Verlauf der Finanzströme aus den unterschiedlichen Quellen oft wenig übersichtlich ist. Neu soll der Bund für sieben dieser Bereiche abschliessend zuständig sein (z.B. für den Betrieb und den Unterhalt der Nationalstrassen oder die Landesverteidigung); in dreizehn Bereichen tragen hingegen die Kantone künftig allein die Verantwortung (z.B. bei den Sonderschulen, den Lehrmitteln für Turnen und Sport oder der Verbesserung der Wohnverhältnisse in Berggebieten). In neun Bereichen (mit Bundesbeteiligung) werden die Kantone gesetzlich zur Zusammenarbeit und zum Lastenausgleich verpflichtet (z.B. Straf- und Massnahmenvollzug oder Hoch- und Fachhochschulen). Zwölf Bereiche bleiben Verbundaufgaben, wobei der Bund die Kantone mit Pauschalen für Mehrjahresprogramme anstatt mit Subventionen für Einzelprojekte unterstützen will (z.B. öffentlicher Regionalverkehr oder Prämienverbilligung in der Krankenversicherung).
Kernelement der Vorlage bildet das neue Ausgleichssystem, das nicht mehr auf der kantonalen Finanzkraft, sondern auf dem sogenannten Ressourcenindex beruht, welcher vom fiskalisch ausschöpfbaren Steuerpotential der Kantone ausgeht. Dieser aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse von 1999 revidierte Ressourcenindex enthält keine Lastenelemente. Doch will der Bund übermässige und unbeeinflussbare Lasten der Kantone, die sich aus ihren geographisch-topographischen Gegebenheiten oder ihrer Bevölkerungsstruktur ergeben, gezielt ausgleichen. Da das Parlament sowohl die Eckwerte des Ressourcenausgleichs als auch den Umfang des Lastenausgleichs festlegen kann, soll der Finanzausgleich, der die Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit und damit auch in der Steuerbelastung der Kantone verringern soll, politisch steuerbar werden. Um den Übergang von der heutigen Regelung zur NFA abzufedern und Härtefälle zu vermeiden, gewähren Bund und Kantone ressourcenschwachen Kantonen gezielte Übergangshilfen. Die Botschaft enthielt auch eine Wirkungsanalyse der vorgeschlagenen Instrumente. Diese ergab, dass wertmässig rund 40% der heutigen Aufgaben entflochten würden. Damit vergrössere sich der Handlungsspielraum von Bund und Kantonen und steigere ihre Effizienz. Die Vorlage erfordert eine Reihe von Verfassungsänderungen, welche im Rahmen der Botschaft beantragt wurden. Die nötigen Gesetzesanpassungen sollen im Anschluss an die Verabschiedung der NFA in einer zweiten Botschaft vorgeschlagen werden 51 BBl, 2002, S. 2291 ff.; Presse vom 15.11.01. 51.
Finanzhaushalt der Kantone
Die 26 Kantone erzielten im Berichtsjahr bei konsolidierten Gesamtausgaben von 62,1 Mia Fr. einen Finanzierungsüberschuss von 1,2 Mia Fr. Gegenüber den Voranschlägen wurde eine Verbesserung von 1,7 Mia Fr. erreicht. 19 Kantone schlossen mit einem Finanzierungsüberschuss ab; sie konnten einen Teil ihrer Schulden abtragen (Selbstfinanzierungsgrad über 100%). Sieben Kantone (GL, SO, BS, BL, VS, NE, JU) wiesen einen Finanzierungsfehlbetrag aus; sie mussten sich zur Finanzierung der Nettoinvestitionen neu verschulden. Für Glarus betrug der Selbstfinanzierungsgrad 51,7%, für den Jura 52,2%, für Basel-Land 58,6%, für Solothurn 61,8%, für Neuenburg 85,4%, für Basel-Stadt 93,5% und fürs Wallis 94% 52 Auswertungen der Rechnungen 2001 der Fachgruppe für kantonale Finanzfragen vom 5.7.02. 52.
Für das Jahr 2002 budgetierten die Kantone Ausgaben von 64,4 Mia Fr., das sind 5,2% (3,2 Mia) mehr als im Vorjahr. Die veranschlagten Einnahmen wuchsen um denselben Betrag und waren mit 63,8 Mia Fr. um 5,3% höher als 2001. 15 Kantone erwarteten einen schlechteren Abschluss als im Vorjahr. Mit schwarzen Zahlen rechneten Zürich, Bern, Luzern, Nidwalden, Basel-Stadt und Genf. Die grössten Defizite sahen die Budgets der Waadt (198 Mio), des Tessin (151 Mio), von Freiburg (60 Mio) und von Schwyz (59 Mio) vor 53 Lit. Schwaller. 53.
Weiterführende Literatur
Bundesamt für Statistik, Öffentliche Finanzen der Schweiz 1999 / Finances publiques en Suisse, 1999, Neuenburg 2001.
Feld, Lars / Kirchgässner, Gebhard, „The political economy of direct legislation: direct democracy and local decision-making“, in Economic policy, 2001, S. 329-67.
Raffelhüschen, Bernd / Borgmann, Christoph, Zur Nachhaltigkeit der schweizerischen Fiskal- und Sozialpolitik: eine Generationenbilanz. Studie im Auftrag des seco, Bern 2001.
Soziale Sicherheit, Nr. 4, 2001 (Schwerpunkt: Neuordnung des Ausgleichs der Familienlasten).
Beljean, Tobias, „Schuldenbremse – konjunkturverträgliche Konsolidierung des Bundeshaushalts", in Die Volkswirtschaft, 2001, Nr. 11, S. 34-37.
Chardonnens, Pierre / Saurer, Peter, „Fiskal-, Steuer- und Staatsquoten – eine Auslegeordnung", in Die Volkswirtschaft, 2002, Nr. 2, S. 20-25.
Schwaller, André, „Die Voranschläge von Bund, Kantonen und Gemeinden für das Jahr 2002", in Die Volkswirtschaft, 2002, Nr. 2, S. 31-34.
Die Volkswirtschaft, Nr. 12, 2001, S. 4-25 (Monatsthema: Der neue Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen).
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