Année politique Suisse 2003 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen
Wahlen in kantonale Parlamente
2003 bestellten die Wahlberechtigten von sieben Kantonen (AI, AR, BL, GR, LU, TI, ZH)
[45] ihre Parlamente neu.
Gewinnerinnen der diesjährigen Wahlen waren bei den Bundesratsparteien die
SP (+15 Sitze) und die
SVP (+14): Die Sozialdemokraten eroberten in Zürich zehn und in Luzern vier zusätzliche Sitze, im Tessin gewannen sie ein Mandat hinzu. Die SVP erzielte sechs Gewinne in Basel-Land, vier in Luzern, drei im Tessin und einen zusätzlichen Sitz in Zürich. Die CVP musste insgesamt 2 Verluste hinnehmen: Sie gewann zwar drei Sitze in Graubünden und einen Sitz im Tessin, verlor aber in Luzern vier Mandate und in Zürich sowie in Basel-Land je eines. Grosse
Verliererin der diesjährigen Wahlen war die
FDP, welche insgesamt 16 Mandate einbüsste: sechs in Zürich, fünf in Graubünden sowie je drei in Luzern und in Basel-Land. Einzig im Tessin konnte sie einen Sitz gutmachen. Bei den kleineren Parteien gehörten die Grünen mit insgesamt 5 zusätzlichen Mandaten zu den Siegern (je drei zusätzliche Sitze in Zürich und Basel-Land, ein Verlust in Luzern). Im Tessin musste die Lega 5 Mandate und damit mehr als einen Drittel ihrer Sitze abtreten, wovon insbesondere die SVP profitierte. Der LdU trat in Zürich nach seiner Auflösung nicht mehr zu den Wahlen an.
Von den insgesamt 714 in den sieben Kantonen zu vergebenden Parlamentssitzen gingen deren 175 (24,5%) an
Frauen. In den beiden Appenzell und in Luzern gehören weniger Frauen der Legislative an als 1999 (AI: -1, trotz Vergrösserung des Parlaments von 46 auf 49 Personen; AR: -5; LU: -4). In Graubünden und in Zürich (je +7) sowie in Basel-Land und im Tessin (je +1) hat der Frauenanteil zugenommen. Am meisten Parlamentarierinnen delegierte Basel-Land (33,3%), am wenigsten das Tessin (11,1%). Gesamtschweizerisch stieg der Frauenanteil in den kantonalen Parlamenten auf Ende 2003 leicht auf 24,2% an (2002: 23,9%)
[46].
Die Grösse des Innerrhoder Parlaments hängt von der Bevölkerungszahl ab. Im Berichtsjahr wurde die Anzahl Sitze aufgrund der Ergebnisse der Volkszählung 2000 von 46 auf 49 erhöht. Der Grosse Rat kennt immer noch keine Fraktionen; deshalb ist es schwierig, zuverlässige Angaben über die parteipolitische Zusammensetzung zu machen. Die Kandidierenden werden traditionsgemäss von Vereinigungen und Interessengruppen portiert. Bei den diesjährigen Wahlen kandidierten mehr Personen als 1999. Gemäss NZZ konnten die
Gewerbler ihre starke Stellung behaupten und verfügen über gut die Hälfte der 49 Sitze. Der Frauenanteil sank auf 16,3% (1999: 19,6%)
[47].
Mitte Mai beschloss der Ausserrhoder Kantonsrat die Einführung von Fraktionen, die sich durch den Einzug der SVP und der damit einhergehenden Aufsplitterung des Parteiensystems aufgedrängt hatte. Bei den Wahlen in den 65-köpfigen Kantonsrat im April
verloren die Freisinnigen ihre absolute Mehrheit; sie stellen noch 31 Mitglieder. Die Parteilosen bilden mit 16 Personen (-1) die zweitgrösste Gruppierung. Die SVP konnte zwei Sitze hinzugewinnen und delegiert 10 Abgeordnete. Die SP gewann ebenfalls ein Mandat hinzu und verfügt über 5 Kantonsrätinnen und -räte. Die CVP konnte ihre 3 Sitze halten. Mit Ausnahme von Herisau werden alle Parlamentsmandate nach dem Majorzsystem vergeben; in zwei Gemeinden kam es zu Stichwahlen. Der Frauenanteil im ausserrhodischen Parlament sank auf 24,6% (1999: 32,3%)
[48].
Für die 90 Landratssitze kandidierten 530 Personen. Das
links-grüne Lager ging
gestärkt aus den Wahlen hervor: Die SP blieb mit unverändert 25 Mandaten die stärkste Partei; die Grünen, welche von der Kandidatur Maya Grafs für den Regierungsrat profitierten, konnten ihre Vertretung von 5 auf 8 Sitze ausbauen. Die bürgerlichen Parteien verfügen jedoch weiterhin über die Mehrheit im Landrat: Neu stellt die SVP, welche gleich sechs zusätzliche Mandate erobern konnte, mit 20 Mitgliedern die zweitstärkste Fraktion. Die FDP (19) und die CVP (11) mussten wie bereits vor vier Jahren drei resp. einen Sitz abgeben. Bei den kleinen Parteien konnte die EVP ihre 3 Sitze verteidigen, während die Schweizer Demokraten (4) mit fünf Verlusten mehr als die Hälfte ihrer Mandate einbüssten. Der Frauenanteil im Baselbieter Parlament stieg leicht an und beträgt nun genau einen Drittel (1999: 32,2%)
[49].
Bündnerinnen und Bündner bestellen ihr 120-köpfiges Parlament alle drei Jahre neu und zwar nach wie vor im Majorzverfahren. Bei den diesjährigen Wahlen konnte die
CVP auf Kosten der FDP
Gewinne verbuchen, die Christlichdemokraten verfügen nun über 40 Sitze (+3), während die Freisinnigen mit 29 Abgeordneten nur noch die drittstärkste Fraktion stellen – vor drei Jahren konnten sie sieben Mandate hinzugewinnen, nun mussten sie fünf wieder abgeben. Die SVP delegiert unverändert 33 Mitglieder, die SP 13. In der Bündner Legislative sind zudem 4 Parteilose (+2) und ein Mitglied der Demokratisch-sozialen Partei vertreten. Damit blieb das Kräfteverhältnis zwischen den Bürgerlichen und der Linken praktisch unverändert. Der Frauenanteil im Parlament beträgt 20% (2000: 14,2%)
[50].
485 Personen, davon 145 Frauen, bewarben sich auf 16 Listen für die 120 Sitze des Luzerner Kantonsrats. Die
SP (16) und die
SVP (26) gehörten mit je vier zusätzlichen Mandaten zu den
Gewinnerinnen der Wahlen und konnten ihre Vertretungen auf Kosten der politischen Mitte ausbauen. Die CVP (44) musste vier Sitze abtreten; am meisten Wähleranteile verlor sie im Luzerner Hinterland und im Entlebuch. Die FDP (28), welche drei Sitze einbüsste, verlor Wähleranteile in der Stadt. Das Grüne Bündnis (6) verlor einen Sitz. Ein Stadt-Land Gefälle zeigte sich auch bei der SVP (stark auf dem Land), der SP und dem Grünen Bündnis (beide stark in der Stadt Luzern und ihren Vororten). Der Frauenanteil sank im Vergleich zu den letzten Wahlen um 3,4 Prozentpunkte auf 25,8% (1999: 29,2%); hauptverantwortlich dafür ist die SVP, deren Fraktion wie bis anhin nur aus Männern besteht
[51].
Für das 90-köpfige Tessiner Parlament kandidierten 667 Personen auf 14 Listen. Die SVP und die Lega verzichteten dieses Mal auf eine Listenverbindung. Um sich als „Saubermannpartei“ zu profilieren, hatte die SVP von der Lega verlangt, auf die Kandidatur Flavio Maspolis, der wegen Vermögens- und Konkursdelikten verurteilt worden war, zu verzichten – ein Ansinnen, das die Lega kategorisch zurückgewiesen hatte. In der Folge
verlor die
Lega fünf Sitze und
mehr als einen Drittel ihrer Wählerschaft; sie fiel mit 11,8% unter den Stand, den sie 1991 (12,8%) bei ihrem ersten Auftritt auf Anhieb erreicht hatte, und stellt nur noch 11 Abgeordnete. Von den Verlusten der Lega profitierte vor allem die SVP, welche ihren Wähleranteil mit 5,8% mehr als verdoppeln konnte und mit 6 Mitgliedern (+3) Fraktionsstärke erreichte. Die Freisinnigen konnten ihre Vertretung trotz stagnierendem Wähleranteil auf 30 Abgeordnete ausbauen (+1). Die Christlichdemokraten sind mit 24 Grossrätinnen und Grossräten vertreten. Sie profitierten von der neu lancierten Liste ihrer Jungpartei „Generazione Giovani“, die den Wählerrückgang bei der Mutterpartei ausgleichen konnte und der Partei zu einem zusätzlichen Mandat verhalf. Die Linke konnte ihren Wähleranteil leicht vergrössern: Die SP verfügt über 16 Abgeordnete (+1), die Grünen wie bisher über 2 und die PdA neu über 1 Sitz. Der Partito liberalsocialista ticinese, der bei den letzten Wahlen zwei Mandate erringen konnte, musste diese wieder abgeben. Der Anteil der Frauen stieg leicht auf 11,1% an (1999: 10,0%); neu ist nicht mehr das Tessin, sondern Glarus mit 10,0% der Kanton mit dem geringsten Frauenanteil
[52].
Im Vorfeld der Kantonsratswahlen verlangten die Grünen vergeblich eine Verschiebung des Urnengangs, weil die Zürcher Wahlkreise verfassungswidrig klein sind und so die kleinen Parteien benachteiligen. Obschon sich noch nie so viele Kandidierende für die 180 Parlamentssitze beworben hatten (1969 Personen – davon 703 Frauen – auf 47 Listen, darunter 10 so genannte junge Listen), führten die Wahlen insgesamt nicht zu einer Verzettelung, sondern zu einer Konzentration der Kräfte: Die
SP übertraf ihr Wahlziel von mindestens fünf zusätzlichen Mandaten um das Doppelte und stellt 53 Abgeordnete – so viele, wie seit über 50 Jahren nicht mehr. Die Grünen (+3) sind mit 14 Mitgliedern vertreten und etablierten sich vor der CVP wieder als viertstärkste Kraft. Im bürgerlichen Lager verloren SVP und FDP die absolute Mehrheit, verfügen aber zusammen immer noch über genau die Hälfte der Parlamentsmandate: Die SVP gewann einen Sitz (61) hinzu, büsste aber als Fraktion zwei Mandate ein, welche die Aktiven Senioren (-2) bisher besetzt hatten, die bei der SVP untergekommen waren. Die traditionellen Listenverbindungspartner FDP und CVP hatten der SVP in vielen Wahlkreisen die kalte Schulter gezeigt; FDP und SVP traten nur in vier Wahlkreisen mit Listenverbindungen an, vor vier Jahren hatten sie noch in 10 von 18 Wahlkreisen zusammengespannt. Die FDP musste sechs Mandate abgeben und ist mit lediglich 29 Sitzen auf einem historischen Tiefpunkt angelangt. Abgewählt wurden bekannte Politiker wie Kantonalpräsident Markus Hess und Balz Hösli, Kantonsrats-Fraktionschef und Leiter der Exportförderungsstelle OSEC, welcher seine Wiederwahl um lediglich eine Stimme verpasste. Die CVP büsste einen Sitz ein und stellt noch 12 Mitglieder des Kantonsrats. Bei den kleinen Parteien konnten die EVP ihre 9 Sitze und die EDU ihr einziges Mandat verteidigen; die Schweizer Demokraten stellen noch einen Abgeordneten (-1). Nicht mehr im Parlament vertreten sind neben den Aktiven Senioren (-2) der LdU (-2), der sich im Januar 2001 aufgelöst hatte, und die linke Alternative Liste (-1). Die Wahlen wurden zu einem Erfolg für die Frauen, sie belegen 31,1% der Sitze (1999: 26,1%)
[53].
[45] In AI ist die Zuteilung der Mandate auf Parteien nicht möglich, in AR beschloss der Kantonsrat die Einführung von Fraktionen erst nach den Wahlen; vgl. unten. In GR wird nach dem Majorzsystem gewählt. Daher ist ein Vergleich der Stimmenanteile mit den letzten Wahlen nicht möglich.
[46] Die Vergleiche basieren auf den kantonalen Wahlen 1999 resp. 2000 (GR). Später ins Parlament nachgerückte resp. zurückgetretene Frauen wurden nicht berücksichtigt. Zu den Parteien siehe auch unten, Teil IIIa.
[47] Wahlen vom 4.5.03:
NZZ, 6.5.03.
[48] Wahlen vom 6.4.03: Presse vom 7.4.03;
SGT, 11.4. und 18.5.03;
NZZ, 15.5.03.
[49] Wahlen vom 30.3.03: Presse vom 31.3.03;
BaZ und
NZZ, 1.4.03. Wahlkampf:
BaZ, 17.1.-24.3.03.
[50] Wahlen vom 4.5. und 18.5.03 (2. Wahlgang in Poschiavo und Ramosch): Presse vom 5.5.03;
BüZ, 6.5. und 19.5.03. Wahlkampf:
BüZ, 4.-26.4.03. Das Bündner Stimmvolk lehnte die teilweise Einführung des Proporzes im September ab; siehe auch unten, Teil II, 1a.
[51] Wahlen vom 6.4.03: Presse vom 7.4.03. Wahlanalyse:
NLZ und
NZZ, 8.4.03;
NLZ, 10.4.03. Wahlkampf:
NLZ, 7.1.-31.3.03.
[52] Wahlen vom 6.4.03: Presse vom 7.4. und 8.4.03;
CdT, 9.4.03. Wahlkampf:
CdT, 8.1.-27.3.03. Zur Lega siehe
SPJ 1991, S. 65 und 355 f.
[53] Wahlen vom 6.4.03: Presse vom 7.4.03. Wahlanalyse:
NZZ, 8.4.03. Wahlkampf:
NZZ und
TA, 15.1.-31.3.03. Zu den Wahlkreisen siehe auch unten, Teil II, 1a.
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