Année politique Suisse 2004 : Bildung, Kultur und Medien
Kultur, Sprache, Kirchen
Nach dem Ständerat genehmigte auch der Nationalrat die Ratifizierung des Zusatzprotokolls zum Haager Abkommen über den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten. – Im Media-Vertrag der Bilateralen II wurde die volle Teilnahme der Schweiz an den Filmförderungsprogrammen der EU vereinbart. – Das Parlament beschloss, die Herbstsession 2006 im romanischsprachigen Raum durchzuführen. – Die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan wurden normalisiert.
 
Kulturpolitik
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Allgemeine Kulturpolitik des Bundes
Im Einverständnis mit dem Bundesrat überwies der Ständerat ein Postulat Bieri (cvp, ZG), welches verschiedene Vorgaben zur Ausgestaltung des geplanten Kulturförderungsgesetzes, insbesondere zur Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden sowie zur Unterstützung der Musikausbildung formulierte und für die Kulturpolitik moderne Strukturen, eine klare Basis für die Förderung und einen effizienten Einsatz der knappen Mittel verlangte [1]. Mitte Jahr gab der Direktor des BAK bekannt, dass sich die Eröffnung der Vernehmlassung zum Kulturförderungsgesetz um mindestens ein Jahr verzögert, da verschiedene Aspekte des Gesetzeswerks noch vertieft abzuklären seien; zudem zwängen Finanzdruck und Strukturprobleme zur Definition einer neuen internen Strategie [2].
Spätestens seit dem Filmfestival von Locarno, als Couchepin das BAK in einem Interview mit einer welschen Wochenzeitung hart angriff und von „Kolonialisierung der offiziellen Kultur durch die Linke“ und von „Vetternwirtschaft“ im BAK sprach, war klar, dass das Verhältnis zwischen Departementschef und Amtsvorsteher einer Klärung bedurfte. David Streiff, 1994 von Bundesrätin Dreifuss als BAK-Direktor eingesetzt, zog die Konsequenzen aus der verfahrenen Situation und demissionierte per Ende März 2005. Als ausgewiesener Kunsthistoriker und -vermittler hatte er in seiner bisherigen Berufslaufbahn – unter anderem als langjähriger Direktor des Filmfestivals von Locarno – ein dichtes Beziehungsnetz zu ganz unterschiedlichen Kulturinstitutionen knüpfen und deren Vertrauen gewinnen können. Sein Rücktritt wurde denn auch weit über den Kreis der eigentlichen Kunstschaffenden hinaus bedauert. Zu Streiffs Nachfolger ernannte der Bundesrat Jean-Frédéric Jauslin, bisher Direktor der Schweizerischen Landesbibliothek; der neue BAK-Chef ist von Haus aus Informatiker und gilt als versierter Verwaltungsexperte [3].
Diskussionslos und einstimmig genehmigte auch der Nationalrat die Ratifikation des Zusatzprotokolls zum Haager Abkommen über den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten. Die Zustimmung des Ständerates war bereits im Vorjahr erfolgt [4].
Mit einer Motion der WBK des Nationalrates wurde der Bundesrat beauftragt, für die Sicherung, Erschliessung und Vermittlung der audiovisuellen Quellen in allen seinen Zuständigkeitsbereichen entsprechende gesetzliche Grundlagen zu erarbeiten. Die Regierung verwies auf das Engagement des Bundes in der Stiftung Schweizerisches Filmarchiv, dem der Bund neben jährlichen Finanzhilfen von knapp 2 Mio Fr. das Archivgebäude in Penthaz (VD) unentgeltlich zur Verfügung stellt, sowie im Verein Memoriav, der für die Periode 2002-2006 mit jährlich 3 Mio Fr. aus den Budgets der Bundesämter für Kultur und Kommunikation sowie des Schweizerischen Bundesarchivs unterstützt wird. Ihrer Ansicht nach bilden das Bundesgesetz über die Landesbibliothek und das Filmgesetz eine ausreichende rechtliche Grundlagen für die Gewährung von Finanzhilfen; in der laufenden Totalrevision des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen werde zudem auch die Erhaltung von audiovisuellen Programmen geregelt. Weil sich der Bundesrat vorbehalten wollte, das Thema allenfalls umfassender bei der gesetzlichen Umsetzung des Kulturartikels der Bundesverfassung zu regeln, beantragte er erfolglos Umwandlung in ein Postulat. Der Nationalrat war der Auffassung, dass gerade der Verein Memoriav eine klarere gesetzliche Grundlage brauche, um seine Finanzierung über das Jahr 2006 hinaus sicherzustellen, und nahm den Vorstoss mit deutlichem Mehr an. Der Ständerat teilte diese Auffassung und überwies die Motion ebenfalls [5].
Im Einvernehmen mit dem Bundesrat stimmten beide Kammern einer Motion Zisyadis (pda, VD) zu, welche die Regierung aufordert, jene Massnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, damit die Weinberge des Lavaux (VD) in die Unesco-Liste des Natur- und Kulturerbes der Welt aufgenommen werden können [6].
Eine Umfrage des BFS bei 7500 Betrieben für das Jahr 2001 ergab, dass die Schweizer Unternehmen die Kultur durch Sponsoring und Mäzenatentum mit jährlich rund 320 Mio Fr. unterstützen. Der Löwenanteil dieser privaten Kulturfinanzierung geht auf das Konto der Grossunternehmen, insbesondere Banken und Versicherungen, doch erweisen sich die kleinen Betriebe hinsichtlich Beitragshöhe pro Mitarbeitenden am grosszügigsten [7].
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Pro Helvetia
Ab dem Jahr 2005 überträgt die Pro Helvetia dem in Bundesbesitz befindlichen Istituto Svizzero in Rom (ISR) per Leistungsauftrag die gesamte kulturvermittelnde Tätigkeit in Italien. Das bisher von der Pro Helvetia betriebene Centro Culturale Svizzero (CCS) in Mailand wird, wie dies bereits heute für den Kulturraum in Venedig der Fall ist, zu einem Ableger des ISR [8]. Bis Ende 2005 will die Pro Helvetia ihre Aussenstellen in Budapest, Prag und Bratislava schliessen. Die Unterstützung von Projekten in diesen Ländern erfolgt künftig direkt aus der Schweiz. Die Rolle als Brückenkopf nach Osteuropa übernimmt die Aussenstelle in Krakau, die nach Warschau überführt werden soll. Das Desengagement der Pro Helvetia in Italien und Osteuropa wurde mit dem Wunsch nach Kostensenkungen begründet. Dafür will die Kulturstiftung mittelfristig vermehrt ausserhalb Europas aktiv werden. Geplant ist der Aufbau von Verbindungsbüros, wie sie bereits in Kairo und Kapstadt bestehen, in China, Indien und Lateinamerika [9].
Mitten in den parlamentarischen Beratungen über den Voranschlag 2005 erschienen Medienberichte zu einer von der Pro Helvetia unterstützten Ausstellung im Centre Culturel Suisse in Paris, über deren Aussagekraft resp. Geschmacklosigkeit die Meinungen weit auseinander gingen. In der Installation „Swiss-Swiss Democracy“ provozierte der Künstler mit kritischen Aussagen zum politischen System der Schweiz. Noch bevor auch nur ein einziger Parlamentarier die Ausstellung in Augenschein genommen hatte, sorgte diese für helle Aufregung im Bundeshaus. Im Ständerat befand Bieri (cvp, ZG), diese Entgleisung verdiene eine Strafaktion, weshalb er beantragte, das Budget 2005 der Pro Helvetia um eine Million Franken (von 34 auf 33 Mio) zu kürzen. Die Vertreter der SP plädierten vergeblich dafür, nicht anhand des Budgets eine kulturpolitische Debatte vom Zaun zu reissen, eine Haltung, die in der Folge auch Finanzminister Merz übernahm. Der Antrag Bieri wurde mit 24 zu 13 Stimmen angenommen. In der Differenzbereinigung hielt die kleine Kammer zweimal gegen die Beschlüsse des Nationalrats an der Budgetkürzung fest, zuletzt sogar mit 23 zu 10 Stimmen.
Der Nationalrat nahm die Angelegenheit gelassener. Vorerst mit 97 zu 85, dann etwas zaghafter mit 89 zu 84 Stimmen widersetzte er sich einem Antrag aus der SVP, dem Ständerat zu folgen. Für eine umfassende Kulturfreiheit und das entsprechende Mass an Toleranz sprachen sich die Grünen, die SP und die FDP aus, wobei die freisinnigen Abgeordneten zum Teil dennoch für die Budgetkürzung stimmten. Die CVP plädierte in der Debatte für die Strafaktion, doch war auch hier die Haltung der Fraktion bei der Abstimmung nicht einheitlich. In der Einigungskonferenz setzte sich ein Kompromissantrag durch, die Mittel der Pro Helvetia zwar zu beschneiden, aber lediglich um jene 180 000 Fr., welche die Stiftung für die Ausstellung aufgewendet hatte. Der Nationalrat stimmte mit 98 zu 82 Stimmen zu, der Ständerat lehnte mit 25 zu 18 Stimmen ab, womit es gemäss neuem Parlamentsgesetz nicht beim ursprünglichen Antrag des Bundesrates, sondern bei der ständerätlichen Kürzung um 1 Mio Fr. blieb [10].
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Filmförderung
Im Media-Vertrag der Bilateralen II wurde die volle Teilnahme der Schweiz an den Filmförderungsprogrammen der EU vereinbart. Schweizer Filmschaffende sowie Produzenten und Verleiher erhalten dieselben Rechte wie ihre europäischen Kollegen. Sie können Unterstützung bei der Produktion und beim Verleih beantragen und erhalten gleichberechtigten Zugang zu allen europäischen Filmschulen. Die Schweiz zahlt pro Jahr 3,75 Mio Fr. an die Kosten der Förderungsprogramme; sie verspricht sich davon mehr Beachtung für das Schweizer Filmschaffen [11].
Zu Jahresbeginn schlossen sich das Schweizer Filmzentrum, die Sektion Film der Pro Helvetia und die schweizerische Kurzfilmagentur zu „Swiss Films“ zusammen. Mit einem Budget von 3 Mio Fr. soll in den nächsten drei Jahren gezielt der Schweizer Film, insbesondere der Kurzfilm im Ausland gefördert werden; danach wird entschieden, ob „Swiss Films“ unabhängig bleibt oder in die Pro Helvetia integriert wird [12].
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Urheberrecht
Die digitale Revolution hat auch die Massennutzung urheberrechtlich geschützter Güter nachhaltig verändert. Weil die Qualität perfekt, die Handhabung simpel und die Kosten minimal sind, hat die Herstellung selbst gefertigter Kopien quantitativ massiv zugenommen, wodurch die Interessen der Inhaber und Inhaberinnen von Rechten an geistigem Eigentum in zuvor nie gekanntem Ausmass beeinträchtigt sind. Diese Entwicklung veranlasste Thanei (sp, ZH), mit einer Motion zu verlangen, das gesetzliche Vergütungssystem sei den technischen Entwicklungen und den gemachten Erfahrungen anzupassen sowie zugunsten der Rechtsinhaber zu verbessern. Das soll durch die Einführung der so genannten Gerätevergütung erreicht werden. Schuldner dieser Vergütung wären die Hersteller und Importeure von zur privaten Herstellung geeigneten Geräten (Fotokopierer, Computer, Drucker, CD-Brenner, Scanner usw.). Im Bereich des schulischen und betriebsinternen Gebrauchs soll die Gerätevergütung den bisherigen Einzug bei jedem Nutzer (Betreibervergütung) nicht notwendigerweise ersetzen, sondern ergänzen. Im Einverständnis mit dem Bundesrat überwies der Nationalrat die Motion diskussionslos [13].
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Kulturpolitik der Kantone und Städte
Im Streit zwischen den Kantonen Zürich und St. Gallen um Kulturgüter, die im Zweiten Villmergerkrieg 1712 von Berner und Zürcher Truppen aus der Stiftsbibliothek St. Gallen nach Zürich gebracht worden sind, wurde ein erster Schritt hin auf eine gütliche Einigung getan. Unter Federführung des EDI vereinbarten die beteiligten Parteien ein Verfahren zur Beilegung der Auseinandersetzung. Konkrete Lösungen sollen bis Ende 2005 vorliegen. Es ist das erste Mal, dass der Bund bei einer rechtlichen Auseinandersetzung zwischen Kantonen als Vermittler tätig ist; er übernimmt allerdings keine Entscheids- oder Schiedsfunktion [14].
Die Kulturinstitute mit überregionaler Ausstrahlung in Zürich und Luzern sollen von den Nachbarkantonen eine finanzielle Abgeltung erhalten. Eine von Zürich, Luzern, Zug und Schwyz erarbeitete Vereinbarung will dafür eine gesetzliche Grundlage schaffen. Einbezogen werden in Zürich das Opernhaus, die Tonhalle und das Schauspielhaus, in Luzern das KKL, das Theater und das Sinfonieorchester. Diese Liste kann mit Zustimmung der beteiligten Kantone abgeändert werden. Die Kantone zahlen die Beiträge an die Standortkantone und nicht mehr, wie bisher der Kanton Zug, an einzelne Institute [15].
Die 2003 im Grundsatz beschlossene Zürcher Filmstiftung nahm im Berichtsjahr wesentliche politische Hürden. Im Mai stimmte das Kantonsparlament dem Vorhaben der Regierung zu, das Stiftungskapital von 20 Mio Fr. aus dem Fonds für gemeinnützige Zwecke einzuschiessen, worauf auch der Gemeinderat der Stadt Zürich die von der Exekutive beantragte Vervierfachung des jährlichen Filmkredits auf 4 Mio Fr. guthiess. Ende September nahm die Stimmbevölkerung der Stadt gegen die Nein-Parolen der SVP und der FDP den Kredit mit 54% Ja an [16].
Im März hiess der Berner Stadtrat mit deutlichem Mehr den Leistungsvertrag mit dem frisch sanierten alternativen Kulturraum Reitschule gut. Damit soll der Betrieb definitiv in ruhigere Bahnen geleitet werden. Ein rechtsbürgerliches Komitee lancierte daraufhin erfolgreich eine Initiative mit dem Ziel, die Vereinbarung rückgängig zu machen resp. mit einer Reihe von Auflagen zu verschärfen [17].
 
Sprachen
Ende April löste die Ankündigung des Bundesrates, vorab aus finanzpolitischen Gründen auf das seit Jahren angestrebte Sprachengesetz zu verzichten, in den mehrsprachigen Kantonen, aber auch im Bundeshaus heftige Reaktionen aus. Im Nationalrat wurden dazu umgehend mehrere Vorstösse eingereicht, welche allerdings im Berichtsjahr vom Plenum noch nicht behandelt wurden. Eine Motion der Grünen sowie eine Motion von Abate (fdp, TI) wollen den Bundesrat verpflichten, auf seinen Entscheid zurückzukommen. Levrat (sp, FR) möchte sogar, dass das Parlament das Heft selber in die Hand nimmt, weshalb er eine diesbezügliche parlamentarische Initiative deponierte, die Ende Jahr von den WBK beider Räte angenommen wurde [18]. Bei der Behandlung des Bundesbeschlusses über die Legislaturplanung in der Sommersession nahm der Nationalrat das Vorhaben Sprachengesetz mit 105 zu 39 Stimmen wieder als verbindliches Ziel auf. Der Ständerat begnügte sich damit, die Förderung der Verständigung unter den Sprachgemeinschaften festzuschreiben, verzichtete aber auf die explizite Forderung nach einem Sprachengesetz. Da der Nationalrat schliesslich die Legislaturplanung ablehnte, wurde der verbindliche Auftrag zur Makulatur [19].
Im Einvernehmen mit der Regierung überwies der Nationalrat ein Postulat Berberat (sp, NE), welches den Bundesrat einlädt, dafür zu sorgen, dass die Bundesverwaltung und die vom Bund kontrollierten Unternehmen die Verwendung englischer oder amerikanischer Ausdrücke vermeiden, wenn es deutsche, französische oder italienische Entsprechungen gibt. Zudem soll verboten werden, dass sich Ämter, Dienststellen und Programme des Bundes und der von ihm kontrollierten Unternehmen englisch klingende Bezeichnungen zulegen [20].
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Berücksichtigung der Sprachminderheiten
Einstimmig hatte der Ständerat 2003 eine Empfehlung des Bündners Brändli (svp) gutgeheissen, 2005 oder 2006 „ina sessiun en terra rumantscha“ durchzuführen, da zu diesem Zeitpunkt ohnehin eine grössere Renovation des Parlamentsgebäudes in Bern vorgesehen ist. Brändli betonte, dass das Bundesparlament mit der Durchführung einer dezentralisierten Session im romanischsprachigen Raum (nach Genf 1993 und Lugano 2001) nicht nur der vierten Landessprache, sondern auch dem Berggebiet Reverenz erweisen könne. Das Büro des Ständerates nahm die Empfehlung zum Anlass, eine entsprechende parlamentarische Initiative für einen einfachen Bundesbeschluss einzureichen. Demzufolge wird die Herbstsession 2006 in Flims/Flem (GR) stattfinden. Mit Zustimmung des Bundesrates wurde der Beschluss in der Herbstsession vom Ständerat einstimmig und zwei Tage später vom Nationalrat mit überwältigendem Mehr angenommen [21].
Anders als der Nationalrat 2002 lehnte der Ständerat eine Motion Pelli (fdp, TI) ab, die den Bundesrat beauftragen wollte, die Bundespersonalstatistik so zu gestalten, dass für alle vier Landessprachen ersichtlich wird, welche Angestellten Verwaltungsarbeiten verrichten und welche Übersetzungen anfertigen. Damit sollte dargelegt werden, wie viele Personen deutscher, französischer, italienischer und rätoromanischer Muttersprache tatsächlich am Entscheidungsprozess teilnehmen und wie viele für die landesweite Verständigung arbeiten. Die kleine Kammer folgte bei ihrer Ablehnung den Erwägungen ihrer Staatspolitischen Kommission, welche auf inzwischen geleistete Arbeiten der Bundesverwaltung und einen in Aussicht gestellten Bericht des Bundespersonalamts zur Förderung der Mehrsprachigkeit verwies. Vertreter der lateinischen Schweiz, Marty (fdp, TI) und Brändli (svp, GR), plädierten vergebens für eine Annahme. Sie machten geltend, dem Motionär sei es nicht um eine reine Statistik gegangen, sondern darum, die Aufmerksamkeit auf den Umstand zu lenken, dass in den höheren Chargen der Bundesämter und der bundesnahen Betriebe kaum italienisch- oder romanischsprachige Personen vertreten sind [22].
Zum Widerstand gegen die neue Verfassung des Kantons Freiburg, welche Gemeinden mit einer beträchtlichen angestammten anderssprachigen Minderheit das Recht einräumt, sich zur zweisprachigen Gemeinde zu erklären, sowie zum neuen Statut der zweisprachigen Stadt Biel, siehe oben, Teil I, 1a (Kantonale Verfassungsrevisionen) und 1d (Territorialfragen).
 
Kirchen
Papst Johannes Paul II nahm die Einladung der Schweizerischen Bischofskonferenz an, Anfang Juni ein Jugendtreffen in Bern zu besuchen. Bei seiner Ankunft auf dem Militärflughafen Payerne (VD) wurde er von Bundespräsident Deiss, Bundesrätin Calmy-Rey und Bundesrat Schmid empfangen. Anlässlich dieses Besuches normalisierte die Schweiz auch ihre diplomatischen Beziehungen zum Vatikan. 1873, auf dem Höhepunkt des Kulturkampfes, war der päpstliche Gesandte aus der Schweiz ausgewiesen worden. Erst 1920 war wieder eine Nuntiatur in Bern errichtet worden, doch hatte der Bundesrat aus Rücksicht auf die protestantische Bevölkerung auf die Eröffnung einer schweizerischen Vertretung beim Heiligen Stuhl verzichtet. 1991 hatte er in Folge der Auseinandersetzungen um den Churer Bischof Wolfgang Haas einen „Botschafter in Sondermission“ beim Vatikan ernannt, dessen Titel nun in jenen eines ordentlichen Gesandten umgewandelt wurde [23].
Spitzenvertreter von Christen, Juden und Muslimen wollen einen Dialog führen und vereinbarten deshalb auf Anregung des Präsidenten des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, einen „Rat der Religionen“ ins Leben zu rufen. Dieser soll als Plattform der Verständigung und als Ansprechorgan des Bundes dienen [24].
Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) konnte sein hundertjähriges Bestehen begehen. An den Feierlichkeiten war die Landesregierung durch Bundesrat Couchepin vertreten. Ruth Dreifuss, die erste jüdische Bundesrätin der Schweiz, wurde bei dieser Gelegenheit ins Goldene Buch des SIG aufgenommen [25].
Äusserungen muslimischer Imame, welche mit der schweizerischen Rechtsordnung nicht vereinbar sind, geben seit Jahren zu Besorgnis Anlass. Immer mehr greift deshalb die Vorstellung um sich, dass die Vorbeter in der Schweiz oder zumindest in Europa ausgebildet werden sollten, um eine Ausbreitung des fundamentalistischen Islam zu verhindern. Die Universitäten von Freiburg, Basel und Luzern erklärten sich bereit, die Frage entsprechender Lehrgänge zu prüfen. In Beantwortung einer Frage im Nationalrat zeigte sich der Bundesrat allerdings skeptisch gegenüber der Idee einer universitären Ausbildung für Imame, da es nicht Aufgabe der Universitäten sei, Leute ohne entsprechenden Vorbildungsausweis auf einen spezifischen Beruf vorzubereiten [26].
 
Weiterführende Literatur
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Kultur
Tedeschi, Umberto / Fragnière, Eric, Kinolandschaft Schweiz 2003. Kinobetrieb, Filmverleih und Kinobesuche, Neuenburg (BFS) 2004.
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Sprachen
Altermatt, Bernhard, La politique du bilinguisme dans le canton de Fribourg/Freiburg (1945-2000): Entre innovation et improvisation, Fribourg 2004.
Tendon, Stéphane, Des Romands et des Alémaniques à la frontière des langues: le cas de Von Roll à Choindez (JU) et de Ciba-Geigy à Marly (FR), Courrendlin 2004.
Widmer, Jean et al., Die Schweizer Sprachenvielfalt im öffentlichen Diskurs. La diversité des langues en Suisse dans le débat public, Bern 2004.
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Kirchen
Bovay, Claude, Religionslandschaft in der Schweiz, Neuenburg (BFS) 2004.
Horanyi, Sibylle, Das Schächtverbot zwischen Tierschutz und Religionsfreiheit: eine Güterabwägung und interdisziplinäre Darstellung von Lösungsansätzen, Basel (Diss. jur.) 2004.
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M.B.
 
[1] AB SR, 2004, S. 471. BR Couchepin nahm die Behandlung des Postulats zum Anlass, um aus seiner Sicht klarzustellen, wer im BR letztlich für die kulturelle Arbeit der Schweiz im Ausland zuständig ist, nämlich sein EDI, und nicht etwa das EDA. Ins Visier nahm Couchepin vor allem die DEZA, aber auch das neue Kompetenzzentrum für Kulturaussenpolitik im EDA. Zu den Schwerpunkten der Kulturförderungspolitik des Bundes siehe auch die Antwort des BR auf eine Interpellation im NR: AB NR, 2004, Beilagen IV, S. 454 ff. Vgl. SPJ 2003, S. 279.
[2] Presse vom 15.6.04; NZZ, 19.6.04. Siehe auch die Antwort des BR auf zwei Anfragen im NR: AB NR, 2004, Beilagen IV, S. 189 f. und 224 f.
[3] LT, 7.8.04; BZ, 10.8.04; L’Hebdo, 12.8.04; NZZ, 13.8. und 21.8.04; TA, 14.8.und 21.8.04; Presse vom 28.8. und 11.12.04. Neben grundsätzlichen Differenzen über die Ausrichtung der Kulturpolitik fühlte sich Couchepin auch durch die Verballhornung seines Namens in einem vom BAK mitfinanzierten Film verunglimpft, weshalb er im Sommer eine Administrativuntersuchung zur Durchleuchtung der Praxis des BAK bei der Gewährung von finanziellen Beihilfen an Filmschaffende anordnete. Die Untersuchung stellte keine Unregelmässigkeiten fest (Presse vom 14.8. und 4.11.04).
[4] AB NR, 2004, S. 209 ff. und 500; AB SR, 2004, S. 166. Siehe SPJ 2003, S. 281.
[5] AB NR, 2004, S. 419 f.; AB SR, 2004, S. 470 f. Siehe dazu auch die Jahrespressekonferenz des BAK (Presse vom 15.6.04).
[6] AB NR, 2004, S. 1224; AB SR, 2004, S. 896 f.
[7] NZZ, 24.2.04.
[8] Bund, 6.5.04. Siehe dazu auch die Stellungnahme des BR zur Ip. 04.3180.
[9] NZZ, 23.6.04; Presse vom 26.10.04. Siehe SPJ 2003, S. 279 (ISR) und 281 f. (Pro Helvetia). Zur Ausrichtung der Stiftung siehe insbesondere TA, 23.6. und 29.6.04 sowie Bund, 15.10.04.
[10] AB SR, 2004, S. 802 ff., 865 ff., 904 und 941 ff.; AB NR, 2004, S. 2037 ff., 2095 f. und 2137 ff.; Presse vom 6.-18.12.04. Zu den Auswirkungen dieses letzten Beschlusses auf andere Budgetposten siehe oben, Teil I, 5 (Voranschlag 2005). Für die in den letzten Jahren immer wieder unternommenen Versuche vor allem rechtsbürgerlicher Abgeordneter, den Finanzierungsrahmen der Pro Helvetia zu beschneiden, vgl. SPJ 1999, S. 329 f. und 2003, S. 281 f. Zu den Aktivitäten der Stiftung wurden fünf parlamentarische Vorstösse eingereicht, die im Berichtsjahr nicht mehr behandelt wurden: Geschäfte 04.3666, 04.3670, 04.3671, 04.5254 und 04.5258.
[11] Presse vom 20.5. und 26.11.2004.
[12] LT, 15.1., 22.1. und 4.8.04.
[13] AB NR, 2004, S. 1224.
[14] NZZ, 24.8. und 2.9.04.
[15] NZZ, 4.6.04.
[16] NZZ, 3.4., 6.5., 8.5.,11.5., 27.8., 10.9., 14.9.,13.5., 13.11., 17.11. und 21.12.04; Presse vom 27.9.04. Siehe SPJ 2003, S. 284.
[17] Bund und BZ, 19.3., 27.4., 28.4., 13.10. und 27.10.04. Für frühere rechtsbürgerliche Angriffe auf die Reitschule siehe SPJ 2000, S. 287.
[18] Geschäfte 04.3242 (GP), 04.3217 (Abate) und 04.429 (Levrat); Presse vom 30.4.04; TA, 6.5.04; NZZ, 28.12.04.Vgl. SPJ 2003, S. 285 (Fussnote).
[19] AB NR, 2004, S. 898 ff. und 1095 ff.; AB SR, 2004, S. S.297 ff. Zur Legislaturplanung siehe oben, Teil I, 1c (Regierung). Im Auftrag des BR lässt der Nationalfonds die Sprachkompetenz der Bevölkerung erfassen und Grundlagen für eine moderne Sprachenpolitik ausarbeiten. Er schrieb ein mit 8 Mio Fr. dotiertes NFP aus, das bis 2008 abgeschlossen sein soll (NZZ, 17.8.04).
[20] AB NR, 2004, S. 1226. Als Beispiele nannte Berberat das Schweizerische Heilmittelinstitut, das zu Swissmedic mutierte, das Bundesamt für Polizeiwesen, das sich neu Fedpol nennt, das Projekt des EFD zum Finanzplatz Schweiz mit neuem Namen Finweb oder die Umbenennung der Eidgenössischen Münzstätte in Swissmint. Siehe dazu auch oben, Teil I, 1a (Grundsatzfragen) sowie das Geschäft 04.3738. In der Romandie entstand ein Verein zur Bekämpfung der Anglizismen (LT, 20.3.04). Zur Frage der ersten Fremdsprache im Unterricht siehe unten, Teil I, 8a (Grundschulen).
[21] BBl, 2004, S. 5215 ff. und 5223 f. (BR); AB SR, 2004, S. 489 f.; AB NR, 2004, S. 1488 ff.; BBl, 2004, S. 5507. Die 7 Gegenstimmen im NR stammten aus der SVP, ohne dass sich diese Opposition im Rat zu Wort gemeldet hatte. Das Büro des NR hatte sich vorerst aus finanziellen und praktischen Gründen gegen eine Session in Graubünden ausgesprochen (BüZ, 25.2.04).
[22] AB SR, 2004, S. 7 ff. Siehe SPJ 2002, S. 278. Zur Untervertretung der Romands in den Präsidien der parlamentarischen Kommission sowie in der Delegation bei der Interparlamentarischen Union siehe die Antwort des Büros auf eine Anfrage im NR: AB NR, 2004, Beilagen III, S. 126 f. In den Expertenkommissionen des Bundes sind die Romands und die Italienischsprachigen hingegen leicht übervertreten (vgl. oben, Teil I, 1c, Regierung).
[23] Presse vom 4.5., 13.5. und 3.-7.6.04. Siehe dazu auch die Antwort des BR auf parlamentarische Fragen in AB NR, 2004, S. 1026 und 1028. Diplomatische Beziehungen: Presse vom 28.-30.5.04.
[24] NZZ, 7.7. und 6.11.04; LT, 29.9.04.
[25] NZZ, 19. und 21.5.04. Zur Kontroverse um das Schächtverbot siehe oben, Teil I, 4c (Production animale).
[26] AB NR, 2004, Beilagen V, S. 359; LT, 16.11. und 18.11.04; Presse vom 22.11.04; TA, 23.11. und 27.11.04; Blick, 28.11.04. Für die Haltung der gemässigten Muslime in der Schweiz vgl. TA, 30.11.04 und NZZ, 11.2.04.
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