Année politique Suisse 2008 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen
 
Ersatzwahlen
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Appenzell Innerrhoden
Nach dem Rücktritt von Bruno Koster war in Appenzell Innerrhoden das Amt eines Landammanns (und Volkswirtschaftsdirektors) neu zu besetzen. Wie in Innerrhoden üblich, sondierten die verschiedenen Interessengruppen geeignete Kandidaten. Der kantonale Gewerbeverband präsentierte vier mögliche Kandidaten: Daniel Fässler, Bruno Ulmann, Urs Koch und Ruedi Eberle, von denen schliesslich Daniel Fässler (cvp) offiziell nominiert wurde. Auf eine gewisse Verärgerung stiess die späte Ankündigung des amtierenden Säckelmeisters Sepp Moser, am Amt des Landammanns interessiert zu sein. Die Wahl einer bereits in der Standeskommission vertretenen Person hätte dazu geführt, dass plötzlich eine Kandidatin oder ein Kandidat für ein anderes Departement – in Mosers Fall das Finanzdepartement – benötigt worden wäre. Moser wurde von der „Gruppe für Innerrhoden“ unterstützt. Die SVP favorisierte das SVP-Mitglied Ruedi Eberle. Die Handels- und Industriekammer unterstützte Bruno Ulmann. Daniel Fässler erhielt neben der Unterstützung des Gewerbeverbands auch diejenige des Bäuerinnen- und des Bauernverbands, der CVP, des Frauenforums und der Arbeitnehmervereinigung. Am 27. April wählte die Landsgemeinde Daniel Fässler (cvp) zum neuen Stillstehenden Landammann. Er setzte sich in der Stichwahl deutlich gegen Bruno Ulmann (parteilos) durch. Die anderen Mitglieder der Standeskommission wurden im Amt bestätigt [16].
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Bern
Die nach der Wahl von Werner Luginbühl (svp) in den Ständerat nötig gewordene Ersatzwahl wurde bereits im Nominationsprozess der SVP entschieden, da keine andere Partei den Anspruch der SVP auf den frei werdenden Sitz in Frage stellte. Das Rennen um die Nominierung war allerdings spannend und lange offen: Die SVP Berner Oberland stellte nicht die Favoritin Ursula Haller aus Thun auf, sondern Christian Rubin und Anita Luginbühl. Haller, durch diese Entscheidung brüskiert, verzichtete in der Folge auf eine Kandidatur. Die SVP Oberaargau nominierte Therese Rufer und Werner Salzmann. Weitere Kandidaten waren Lorenz Hess (Region Mittelland) und Samuel Leuenberger (Emmental). Kurz vor der Nominationsversammlung gab der ehemalige Parteisekretär der kantonalen SVP, Christoph Neuhaus (Belp), seine Kandidatur bekannt. Er äusserte sich, dass er Haller unterstützt hätte und nicht gegen sie angetreten wäre. An der Nominationsversammlung setzte sich Neuhaus im fünften Wahlgang gegen Leuenberger durch. Er blieb der einzige Kandidat für die Nachfolge von Werner Luginbühl. Trotzdem war im Kanton Bern gemäss der geltenden Gesetzgebung keine stille Wahl möglich. Da gleichzeitig seit 2005 nur angemeldete Kandidierende gültig gewählt werden können, ergab sich die Situation, dass Neuhaus bereits gewählt gewesen wäre, wenn er eine einzige gültige Stimme erhalten hätte. Der Burgdorfer Anwalt Daniel Kettiger reichte deshalb Wahlbeschwerde ein. Seiner Ansicht nach war die verfassungsrechtliche Garantie auf freie Willensbildung und unverfälschte Stimmabgabe verletzt. Der Regierungsrat wies die Beschwerde ab und die Wahl konnte stattfinden. Neuhaus erhielt bei einer tiefen Stimmbeteiligung von 24,3% 103 141 Stimmen. Fast 29% der Stimmzettel waren leer und 11,5% ungültig. Kettiger und der Berner Fürsprecher Rudolf Hausherr zogen Beschwerden gegen die Wahl bis vor das Bundesgericht weiter. Dieses lehnte die Beschwerden ab. Es begründete dies damit, dass die Möglichkeit, eine leere oder ungültige Stimme einzulegen, dem Recht auf freie Willensäusserung genüge [17].
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Glarus
Bei der Ersatzwahl für den nach der Wahl von Pankraz Freitag (fdp) in den Ständerat frei gewordenen Sitz in der Regierung traten fünf Kandidaten an: Andrea Bettiga (fdp), Werner Hösli (svp), Fritz Landolt (csp), Heinz Hürzeler (edu) und Fernando Reust (parteilos). Die zwei Sitze in der Regierung besetzende FDP wurde also von einem Kandidaten der SVP (der knapp wählerstärksten Partei) herausgefordert. Die SVP hatte bisher einen Vertreter in der fünfköpfigen Regierung (Robert Marti, der allerdings später im Jahr zur neu gegründeten BDP wechselte). Im ersten Wahlgang erreichte keiner der Kandidaten das absolute Mehr. Am meisten Stimmen holte der SVP-Kandidat Werner Hösli, der um 170 Stimmen vor Bettiga (fdp) lag. An dritter Stelle platzierte sich Landolt (csp). Chancenlos waren Hürzeler (edu) und Reust (parteilos). Landolt (csp) und Hürzeler (edu) traten im zweiten Wahlgang nicht mehr an. In diesem konnte sich Bettiga (fdp) vor Hösli (svp) schieben. Er gewann die Wahl mit einem Abstand von 362 Stimmen. Die Wahlbeteiligung stieg auf 43,6% an (1. Wahlgang: 36,7%) [18].
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Graubünden
Die Ausgangslage für die nach der Wahl von Eveline Widmer-Schlumpf (svp) in den Bundesrat nötig gewordene Ersatzwahl im Kanton Graubünden war klar. Barbara Janom Steiner, Präsidentin der kantonalen SVP, trat an. Es gab keine weiteren Kandidaturen innerhalb der SVP und die anderen Parteien verzichteten darauf, die SVP herauszufordern. Der einzige Gegenkandidat zu Janom Steiner war Willy Tochtermann (parteilos). SP und Grüne riefen dazu auf, leere Stimmzettel einzuwerfen. Eine besondere Situation ergab sich dadurch, dass Widmer-Schlumpf nach ihrer Wahl in den Bundesrat anstelle von Christoph Blocher von der nationalen SVP zum Parteiaustritt aufgefordert worden war. Die Bündner SVP wurde unter Druck gesetzt, Widmer-Schlumpf andernfalls aus der Partei auszuschliessen. Aus diesem Konflikt entstand später die neue BDP, der neben Widmer-Schlumpf auch Janom Steiner beitreten sollte. Bei einer Wahlbeteiligung von nur 15,7% wurde Janom Steiner gewählt. Sie erhielt 12 947 Stimmen. 5751 Stimmzettel waren leer, 1634 Stimmen gingen an Vereinzelte (darunter Tochtermann, der nicht separat aufgeführt wurde) [19].
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Nidwalden
Im Kanton Nidwalden war der frei gewordene Sitz des in den Ständerat gewählten Paul Niederberger (cvp) neu zu besetzen. Die CVP nominierte Heinz Keller für die Wahl. Konkurrenz erwuchs ihm durch Ueli Amstad (svp). Die SVP machte mit Blick auf ihre 10-köpfige Vertretung im Landrat (von insgesamt 60 Sitzen) Anspruch auf einen Sitz in der Regierung geltend, die bisher aus 3 CVP, 3 FDP und 1 GP bestand. Trotzdem galt Keller (cvp) als Favorit für die Wahl. Im ersten Wahlgang holte jedoch Amstad (svp) 562 Stimmen mehr als Keller (cvp). Er verpasste das absolute Mehr nur sehr knapp. Nach dem Misserfolg im ersten Wahlgang trat die CVP im zweiten Wahlgang mit einem neuen Kandidaten an: Martin Ambauen, Landwirt und Präsident des Zentralschweizerischen Bauernverbandes. Dieser Kandidat sollte die ländliche Bevölkerung ansprechen. Beim zweiten Wahlgang konnte sich dennoch der SVP-Kandidat Amstad deutlich durchsetzen. Er lag in allen Gemeinden vor Ambauen und erhielt fast 3000 Stimmen mehr als dieser. Die Wahlbeteiligung war im zweiten Wahlgang auf 53,8% angestiegen. Offenbar wurde der Anspruch der SVP auf Regierungsvertretung von der Bevölkerung anerkannt. Die SVP konnte erstmals in die Nidwaldner Regierung einziehen, während die CVP einen ihrer drei Sitze verlor [20].
 
[16] Wahl vom 27.4.08: Presse vom 28.4.08. Wahlkampf: SGT, 31.1., 16.2., 4.4., 7.-8.4., 11.4., 16.4., 18.4., 22.4. und 26.4.08.
[17] Wahl vom 24.2.08: Presse vom 25.2.08. Wahlkampf: BZ, 22.-25.10., 30.11., 1.12., 7.12. und 12.12.07; Bund, 29.-30.11., 4.12. und 13.-15.12.07. Wahlverfahren: BZ, 28.12.07, 10.-11.1., 17.1., 28.2. und 26.3.08; Bund, 11.1., 17.1., 6.2., 1.4., 10.5. und 22.-23.12.08.
[18] Wahl vom 6.4.08 (1. Wahlgang): NZZ, 7.4.08. Wahl vom 20.4.08 (2. Wahlgang): BüZ und NZZ, 21.4.08.
[19] Wahl vom 30.3.08: Presse vom 31.3.08. Wahlkampf: BüZ, 4.1., 11.1., 21.1. und 18.3.08; AZ, 12.1.08; NZZ, 26.1.08; TA, 27.3.08.
[20] Wahl vom 24.2.08 (1. Wahlgang): Presse vom 25.2.08; NZZ, 26. und 28.2.08. Wahlkampf: NLZ und NZZ, 11.1.08. Wahl vom 13.4.08 (2. Wahlgang): Presse vom 14.4.08. Wahlkampf: NLZ, 10.4.08.