Année politique Suisse 2009 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung
 
Datenschutz und Statistik
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Statistische Erhebungen
Viel zu reden gab die Ausweitung der Auskunftspflicht bei statistischen Erhebungen des Bundesamtes für Statistik. Anlass war eine etwas missverständlich formulierte Information, dass die Auskunftspflicht bei statistischen Erhebungen des Bundes von der Volkszählung auf die Arbeitsmarkterhebung Sake ausgedehnt werde, um deren Qualität zu verbessern. Das Bundesstatistikgesetz bietet die Möglichkeit, die Teilnahme an einer Erhebung des BFS für obligatorisch zu erklären. Dies wurde in einigen Medien so dargestellt, als ob in Zukunft die Beteiligung an allen, also auch nichtstaatlichen Befragungen obligatorisch sei und hohe Bussen für die Nichtteilnahme verhängt würden. Die SVP reagiert darauf mit der Einreichung einer parlamentarischen Initiative, welche auf Gesetzesebene festschreiben will, dass die Auskunftspflicht nur noch bei den regelmässigen Erhebungen im Rahmen der Volkszählung zulässig ist [5].
Der Bundesrat beantragte dem Parlament, die verschiedenen gegenwärtig in der öffentlichen Verwaltung existierenden Identifikationsnummern für Unternehmen durch eine einzige unveränderliche Identifikationsnummer (UID) zu ersetzen. Dadurch sollen Doppelspurigkeiten, insbesondere auch bei statistischen Erhebungen vermieden und die Unternehmen administrativ entlastet werden. Zu diesem Zweck soll auch ein neues Register (UID-Register) geschaffen werden. Dieses löst aber keines der bestehenden offiziellen Register wie etwa das Handelsregister oder die Register der Steuerverwaltung ab, sondern enthält nur die für die Identifikation eines Unternehmens erforderlichen Informationen [6].
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Pass
Am 17. Mai fand die Volksabstimmung über die mit einem Referendum bekämpfte Einführung der biometrischen Pässe statt. Hauptkritikpunkt der Gegner war die Aufnahme der Daten in eine bereits existierende zentrale Datenbank über die ausgestellten Ausweise. Diese zentralisierte Datenbank ist für die Schengen-Mitgliedstaaten nicht vorgeschrieben und beispielsweise Deutschland verzichtet darauf. Insbesondere die Linke kritisierte diese Erfassung der Passinformationen und der biometrischen Kennzeichen wie Fingerabdrücke in einer zentralen Datenbank als „Zwangsfichierung“. Befürchtungen in Bezug auf ungenügenden Datenschutz bei dieser beim Bundesamt für Polizei angesiedelten Datenbank bewogen auch viele Printmedien (unter anderem Bund, NZZ und SGT), eine Ablehnung des Gesetzes zu empfehlen. Daneben wurde von den Gegnern auch bemängelt, dass der Bundesrat ermächtigt wird, später auch für die Identitätskarte die Aufnahme biometrischer Merkmale vorzuschreiben. Ein dritter Kritikpunkt betraf die Zentralisierung der kantonalen Passausgabestellen. Von Befürworterseite wurde die Sicherheit der neuen Pässe ins Feld geführt und auf die Erschwernisse im Reise- und Geschäftsverkehr hingewiesen, wenn bei der Nichteinführung der neuen Pässe Schweizer wieder ein Visum bräuchten, um in die USA einzureisen. Die SP und die GP hatten die Einführung der biometrischen Pässe im Parlament bekämpft und empfahlen ein Nein. Bei den Gegnern waren, wie schon bei der Unterschriftensammlung für das Referendum, die Jungparteien besonders aktiv. Mit Ausnahme der Jungen CVP beteiligten sich alle Jungparteien an einem gemeinsamen Auftritt gegen den Bundesbeschluss. Der Jungen SVP gelang es sogar, ihre Mutterpartei, die noch im Nationalrat die Vorlage knapp unterstützt hatte, von der Nein-Parole zu überzeugen. Nur gerade zwei SVP-Kantonalparteien wichen davon ab. Die Jungfreisinnigen gaben, im Gegensatz zur Mutterpartei, die Nein-Parole aus [7].
Bundesbeschluss über die Einführung biometrischer Pässe
Abstimmung vom 17. Mai 2009

Beteiligung: 45,2%
Ja: 953 173 (50,1%)
Nein: 947 493 (49,9%)

Parolen:
Ja: FDP, CVP (2)*, EVP (1)*, BDP; economiesuisse, SGV, SBV.
Nein: SVP (2)*, SP (1)*, GP, CSP, EDU, SD, Lega, FPS, PdA; Travail.Suisse.
Stimmfreigabe: GLP.

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Am 17. Mai nahm das Volk den Bundesbeschluss mit 953 173 Ja zu 947 493 Nein äusserst knapp an. Am deutlichsten fiel die Zustimmung im Kanton Luzern mit 58% aus, am deutlichsten war die Ablehnung im Jura mit 56% Nein. Die in der Geschichte der nationalen Volksabstimmungen zweitkleinste Differenz zwischen der Anzahl Ja- und Nein-Stimmen (5780) löste Hunderte von Beschwerden mit der Forderung einer Neuauszählung aus. Da aber nirgendwo konkrete Unregelmässigkeiten moniert wurden, blieben sie erfolglos. Gemäss der Vox-Analyse waren die Zweifel an der Datensicherheit bei einer zentralen Speicherung der Passinformationen das wichtigste Motiv für die Nein-Stimmenden gewesen. Unterschiede im Stimmverhalten liessen sich kaum feststellen. So opponierten Junge, trotz des Einsatzes der Jungparteien nicht mehr gegen die neuen Pässe als ältere Personen, und auch die Bildung und die Sprachregion spielten keinen Einfluss [8].
Der Nationalrat gab in der Wintersession einer parlamentarischen Initiative seiner Staatspolitischen Kommission Folge. Diese verlangt, dass im Fall der Einführung einer Identitätskarte mit biometrischen Daten weiterhin auch eine solche ohne diese Informationen erhältlich sein muss, und dass geprüft wird, ob bei den Pässen auf eine zentrale Datenbank verzichtet werden kann. Anlass für diesen Vorstoss der SPK waren insgesamt fünf parlamentarische Initiativen mit ähnlichen Forderungen gewesen, welche SVP, SP, CVP und GP nach der Volksabstimmung eingereicht hatten [9].
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Datenschutz
Der Bundesrat beantragte dem Parlament eine Teilrevision des Datenschutzgesetzes. Es ging dabei um eine Anpassung an den neuen Rechtsstand des Schengen-Abkommens  [10]. Er schlug namentlich vor, die Wahl des Datenschutzbeauftragten durch das Parlament bestätigen zu lassen. Damit soll die unabhängige Position dieser Funktion gegenüber der Regierung und der Verwaltung unterstrichen werden. Die zweite Neuerung betrifft eine Verbesserung der Rechte der Betroffenen beim Informationsaustausch mit ausländischen Behörden im Rahmen des Schengen-Abkommens. Der Nationalrat befasste sich in der Wintersession mit dem Geschäft und lehnte einen Nichteintretensantrag der SVP ab. In der Detailberatung lehnte der Rat einen Antrag der SVP ab, auf die Änderung des Wahlverfahrens für den Datenschutzbeauftragten zu verzichten. Nachdem sich auch weitere Streichungsanträge der SVP nicht hatten durchsetzen können, hiess der Nationalrat die Vorlage gegen die Stimmen der SVP gut [11].
Der Bundesrat beantragte dem Parlament, mit einer Teilrevision des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes eine neue rechtliche Grundlage für Bearbeitungen von Personendaten in der Bundesverwaltung zu schaffen. Dabei geht es primär um bisher noch nicht geregelte Bereiche, wie etwa die Protokolle der Arbeit an Computern (so genannte Randdaten) oder Listen von angewählten Telefonverbindungen. Personendaten, die bei der Benutzung der elektronischen Infrastruktur anfallen, dürfen grundsätzlich nicht aufgezeichnet und ausgewertet werden. Vorbehalten bleibt die Aufzeichnung und Auswertung zu abschliessend aufgezählten Zwecken. Der Vorschlag des Bundesrates verfolgt zwei Ziele: Einerseits sollen die Benutzerinnen und Benutzer dieser Infrastrukturen vor unzulässiger Datenbearbeitung geschützt werden. Andererseits soll den Betreibern die nötige gesetzliche Grundlage gegeben werden, damit sie die als notwendig erachteten Aufzeichnungen bestimmter Daten und deren Auswertung rechtmässig vornehmen können. Dabei behalten aber die in anderen Bundesgesetzen enthaltenen Datenschutzbestimmungen Vorrang [12].
 
[5] Lib., 5.9.09; TA, 8.10.09; NZZ, 15.10.09. SVP: Pa. Iv. 09.480. Siehe dazu auch die Interpellationen Bischofberger (cvp, AI) in AB SR, 2009, S. 1276 und Beilagen VI, S. 129 f. sowie Amstutz (svp, BE) und Pfister (cvp, ZG) in AB NR, 2009, S. 2342 und Beilagen, VI, 331 f.
[6] BBl, 2009, S. 7855 ff.
[7] Jungparteien: BaZ, 14.2.09; NLZ, 24.3.09; Bund, 22.4.09. SVP: BZ, 27.3. und 28.3.09. Kampagne: Presse vom 1.4.-16.5.09.
[8] BBl, 2009, S. 7539 ff.; Presse vom 18.5.09; Lloren, Anduk / Nai, Alessandro, Vox – Analyse der eidgenössischen Volksabstimmung vom 17. Mai 2009, Bern und Genf 2009. Beschwerden: AZ, 20.5.09; BaZ, 27.5.09; TG, 29.5. und 30.5.09; LT, 5.5. und 18.7.09; BüZ, 2.10.09.
[9] AB NR, 2009, S. 1899 ff.; NZZ, 20.6.09.
[10] Zum Umfang der Weiterentwicklung des „Schengen-Besitzstandes“ und den daraus entstehenden Rechtsanpassungen in der Schweiz siehe die Antwort des BR auf eine Interpellation Fehr (svp, ZH) in AB NR, 2009, Beilagen VI, S. 382 ff.
[11] BBl, 2009, S. 6749 ff.; AB NR, 2009, S. 1934 ff.
[12] BBl, 2009, S. 8513 ff.