Année politique Suisse 1979 : Economie / Agriculture
Tierische Produktion
Auch 1979 wurden wiederum verschiedene Versuche unternommen, der Überschusssituation in der tierischen Produktion Meister zu werden. Die Erfolge hielten sich aber eher in bescheidenem Rahmen. Fast schien es, als würde, kaum habe man irgendwo ein Loch gestopft, an einem andern Ort die Flut erneut hervorbrechen. Wegen der Milchkontingentierung waren viele Bauern auf die Mast ausgewichen, so dass nun auch der Fleischmarkt mehr als üblich gesättigt war. Das Ausweichen auf die Viehzucht im Mittelland brachte Schwierigkeiten für die Züchter im Berggebiet und die Umstellung auf Ackerbau oder Obst eine Überschreitung des Kontingents für die Rübenproduktion sowie Kollisionen mit den Walliser und Tessiner Obst- und Gemüseproduzenten. Trotzdem stiegen die Milchlieferungen 1979 erneut an und überschritten gehörigdie vom Bundesrat bewilligte Basismenge
[23].
Bereits vor der Volksabstimmung über den
Milchwirtschaftsbeschluss 1977 (MWB 77) im Dezember des Vorjahres war der Bundesrat durch verschiedene Motionen beauftragt worden, die in diesem Beschluss verankerte Milchkontingentierung zu differenzieren und namentlich Entlastungen für die Berggebiete zu schaffen
[24]. Entsprechend wurde der MWB 77 im März vom Parlament bereits wieder abgeändert, was dem Bundesrat erlaubte, die vorgesehenen Modifizierungen zu verfügen. Die wichtigste von ihnen brachte die Ausnahme der Bergregionen 2 und 3 aus der Kontingentierung
[25]. Diese Massnahme brauchte aber dringend ein Korrektiv, als feststand, dass durch Zukauf von Futtermitteln sowie durch Umzüge über die Zonengrenzen Missbräuche entstehen könnten, welche die Überproduktion wieder anheizen würden. Im Mai verfügte der Bundesrat daher Massnahmen gegen übermässige Milchlieferungen in den Zonen 2 und 3 des Berggebietes; diese brachten mindestens eine nach der Betriebsfläche bemessene Begrenzung. In der Tat drohten die Milchlieferungen in diesen Zonen innert Jahresfrist um 20-30% anzusteigen. Offenbar wurde die Produktion vor allem deshalb forciert, weil man die Wiedereinführung einer strengeren Kontingentierung befürchtete, für die man sich durch vorherige grosse Ablieferungen in eine gute Ausgangsposition versetzen wollte
[26].
Die Reaktionen der Bauernsame auf die Massnahmen waren allgemein kritisch bis ablehnend und zeigten wenig Verständnis für die finanzpolitische Situation des Bundes. Wohl nahm man meist zähneknirschend das Prinzip der Kontingentierung hin, doch wurden viele Abänderungsvorschläge gemacht und die zuständigen Amtsstellen mit Rekursen überhäuft. Die Bauern der Zentralschweiz und der Hügelzone erklärten sich benachteiligt: sie könnten nicht auf Ackerbau ausweichen und ihre Zuchttiere trügen ihnen beim Verkauf ins Mittelland keine Zusatzkontingente ein; dadurch gerieten sie auch gegenüber dem Berggebiet ins Hintertreffen. Schliesslich wurde verbittert bemerkt, dass der Bauer in der Hochkonjunktur als Bremser der Teuerung habe dienen müssen und dass nun in der Rezession erst recht kein Geld mehr für ihn da sei. Die Milchkontingentierung bedeute ganz einfach einen Einkommensrückgang
[27].
Auch das verfeinerte System, das ab 1. Mai in Kraft war, konnte Härten und Missbräuche nicht ganz vermeiden. Die Mehrproduktion im Berggebiet war nicht nur die Folge der Kontingentierungsangst, sondern auch verursacht durch Absatzprobleme mit dem Zuchtvieh, da nun das Mittelland seinerseits mehr züchtete. Daraufhin wurden auf den 1. Juli vom Bundesrat die 1977/78 veränderten Bestimmungen des Viehabsatzgesetzes vollständig in Kraft gesetzt und eine Viehabsatzverordnung erlassen. Die Verordnung sichert den Absatz aus dem Berggebiet im Inland und sucht die Arbeitsteilung zwischen Berg- und Talgebiet zu erhalten
[28]. Für weitere Korrekturen setzten sich CVP-Kreise in parlamentarischen Vorstössen ein
[29]. Die Überproduktion von Milch wirkte sich besonders auf den Käsemarkt aus, der noch zusätzlich durch Absatzschwierigkeiten im Ausland belastet wurde; die Lagerbestände schwollen übermässig an
[30].
Die vom Bundesrat angestrebte Liberalisierung des Milchverkaufs drang nicht durch. Die Räte versagten sich dem Argument, die bestehende Reglementierung sei angesichts der Verlagerung des Milchabsatzes auf Grossverteiler unwirksam geworden
[31].
Um die
industriell betriebenen Grossmästereien und Geflügelfarmen, deren Produktion fast ausschliesslich auf ausländischen Futtermitteln basiert, wieder in den Griff zu bekommen, hatte' der Nationalrat 1978 einer Anderung des Landwirtschaftsgesetzes zugestimmt. Diese sah Höchstzahlen für die Tierbestände sowie Beiträge für deren Abbau vor und brachte eine gesetzliche Verankerung der Bewilligungspflicht für Stallbauten. Durch solche Massnahmen sollten die Klein- und Mittelbetriebe die Möglichkeit erhalten, in der Fleisch- und Eierproduktion wieder konkurrenzfähig zu werden, und man hoffte. auf diese Weise auch die Milchschwemme weiter eindämmen zu können. Zum Hauptstreitpunkt der Gesetzesrevision wurde die Frage der Frist für die Anpassung zu grosser Tierbestände. Die vom Nationalrat vorgesehene Begrenzung auf 10 Jahre löste bei den Betroffenen energische Proteste aus; sie sprachen, gestützt aufein Gutachten des Zürcher Juristen Prof. Jagmetti, von entschädigungsloser Enteignung. Obwohl ihr Aktionskomitee eine Verdoppelung der Frist forderte, einigten sich die eidgenössischen Räte schliesslich in der Junisession auf 12 Jahre
[32]. Noch im Sommer änderte darauf der Bundesrat die Verordnung über die Bewilligung von Stallbauten ab und verschärfte dabei das Erfordernis einer gewissen betriebseigenen Futterbasis. Auch die Höchstbestände der Tiere wurden auf dem Verordnungswege festgelegt, wobei eine Mittellösung zwischen den rigorosen Forderungen der landwirtschaftlichen Hauptverbände und den Begehren der Geflügel- und Mästereihalter getroffen wurde
[33]. Das revidierte Gesetz und die darauf basierenden Verordnungen erschienen in bäuerlichen Kreisen in der Regel nicht als genügend. So zog der Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten seine 1978 lancierte Futtermittelinitiative nicht zurück
[34]. Die Union des producteurs suisses erwog. das Referendum gegen die Gesetzesrevision zu ergreifen, fand aber für ein solches Verhalten zuwenig Unterstützung
[35].
Nachdem das neue
Tierschutzgesetz in der Volksabstimmung vom Dezember 1978 angenommen worden war, arbeitete man in der Verwaltung eine Verordnung dazu aus. Obwohl diese im Berichtsjahr noch nicht in die Vernehmlassung ging, bekundeten die von den vorgesehenen Beschränkungen betroffenen Tierhalter einige Unruhe
[36]. Anderseits protestierten Tierschutzkreise gegen eine Hysterektomiestation in Mauensee (LU) sowie gegen die Tierversuche des Europäischen Zentrums für Experimentalforschung in Itingen (BL)
[37].
[23] Ausweichen auf Viehzucht: NZZ, 253. 31.10.79. Zur Zuckerrüben-. Obst- und Gemüseproduktion vgl. unten. Pflanzliche Produktion. Zur Milchproduktion vgl. NZZ, 139, 19.6.79; 173, 28.7.79; Bund, 255, 31.10.79.
[24] Vgl. SPJ, 1978. S. 85 f.
[25] BBl, 1979, I, S. 258 ff.: Amtl. Bull. NR, 1979, S. 2 ff., 126 ff., 361 : Amtl. Bull. StR, 1979, S. 45 ff., 97, 135 ; AS. 1979. S. 453 ff. Die Abänderung wurde dringlich erklärt; sie gilt wie der ganze MWB 77 bis 1987. Die neuen Verordnungen (AS. 1979. S. 546 ff. u. 585 ff.) nützten freilich die zusätzlichen Befugnisse des BR noch nicht voll aus (Vat., 86,. 12.4.79).
[26] AS, 1979. S. 782 ff. Vgl. dazu LNN, 125, 31.5.79. Ober die verschiedenen Massnahmen orientiert zusammenfassend Jahresbericht des Leitenden Ausschusses des Schweiz. Bauernverbandes sowie des Schweiz. Bauernsekretariates, 82/1979, S. 50 f.
[27] LNN, 25,. 31.1.79; 30, 6.2.79; 44, 22.2.79; Vat., 32, 8.2.79; 147, 28.6.79; Lib., 147, 27.3.79.
[28] AS, 1979, S. 860 ff. Zum Viehabsatzgesetz vgl. SPJ, 1977, S. 90; Amtl. Bull. NR, 1978, S. 80; AS, 1978, S. 1407 ff.
[29] Vgl. Postulat der CVP-Fraktion (Amtl. Bull. NR, 1979, S. 1119 f.) sowie die als Postulat überwiesene Motion Risi (cvp, SZ) (Amtl. Bull NR, 1979, S. 1629 f.).
[31] Amtl. Bull. StR, 1979. S. 40 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1979. S. 496 f.: BBl, 1979, II, S. 391 ff. Vgl. dazu SPJ, 1978. S. 86.
[32] Amtl. Bull. StR, 1979. S. 19 ff., 244 ff.. 315 ; Amtl. Bull. NR, 1979. S. 490 ff., 717 f. 872. Definitiver Text: AS, 1979, S. 2058 ff. Vgl. SPJ, 1978. S. 87. Proteste: TA (sda), 44, 22.2.79; TLM, 67, 8.3.79.
[33] Stallbauten: AS, 1979. S. 981 f. u. 2064 R.; vgl. NZZ (sda), 166, 20.7.79; 292, 15.12.79. Höchstbestände: AS, 1979. S. 2084 ff.: vgl. NZZ (sda). 292. 15.12.79. Vgl. auch NZZ (sda), 223, 26.9.79; Vat., 300, 29.12.79.
[34] Reaktionen: JdG,. 239. 13.10.79; NZZ, 249. 26.10.79; 253. 31.10.79; TA, 294. 18.12.79. Zur Futtermittelinitiative vgl. SPJ, 1978. S. 86: TA, 146, 27.6.79.
[35] Union, 21, 25.7.79; 22. 8.8.79; BZ, 176, 31.7.79.
[36] Tierschutzgeietz: vgl. SPJ, 1978. S. 87. Verordnung: Sonntags-Blick. 19. 13.5.79; LNN, 177. 2.8.79; Gesch.ber.. 1979, S. 256. Tierhalter: LNN, 266. 16.11.79; NZZ, 270, 20.1 1.79.
[37] Hysterektomie: Tötung aufgehängter trächtiger Schweine und operative Entnahme der Gebärmutter zwecks Gewinnung krankheitskeimfreier Ferkel. wodurch die Verwendung von Antibiotika im Futter vermieden werden soll (NZZ, sda, 58, 10.3.79; 70. 24.3.79; NZZ, 145, 26.6.79). Tierversuche: NZZ (ddp), 239, 15.10.79.
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