Année politique Suisse 1989 : Economie / Crédit et monnaie
 
Banken
Die anhaltend gute Konjunkturlage spiegelte sich auch in den Erträgen und Bilanzen der Banken. Die ausgewiesenen Gewinne der drei grössten Unternehmen nahmen um Werte zwischen 11 % und 21% zu. Die Bilanzsumme der 69 von der Nationalbank in der Statistik berücksichtigten Banken erhöhte sich um 7%. Die Kredite wuchsen mit 16% noch stärker als im Vorjahr. Dabei war die Zunahme bei den Auslandsdarlehen etwas grösser als bei den Krediten an Inländer. Trotz der gestiegenen Hypothekarzinsen nahmen auch die Hypothekardarlehen kräftig zu (13%). Da der Zufluss an Publikumsgeldern mit der wachsenden Nachfrage nach Krediten nicht Schritt halten konnte, bauten die Banken den Gesamtbestand ihrer Finanzanlagen ab. Die Passiven wuchsen insgesamt um 7%, wobei sich vor allem in der ersten Jahreshälfte ein Abfluss von den Spareinlagen und den Kreditoren auf Zeit zu den Festgeldeinlagen ergab. Das Treuhandgeschäft expandierte weiterhin kräftig. Der Bestand erhöhte sich bis zum Jahresende um 34% (1988: +26%), wobei der Anteil der auf Schweizer Franken lautenden Einlagen wieder zunahm [8].
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Bankenverordnung
Am 23. August beschloss der Bundesrat — mittels einer Revision der Bankenverordnung —, Gesellschaften, die auf eigene Rechnung Kredite erteilen (sog. Finanzintermediäre) sowie Emissionshäuser (öffentliche Anbieter von Wertpapieren auf den Primärmärkten) der Bankenaufsicht zu unterstellen. Damit sind ab 1.1.90 diese sogenannten Parabanken bewilligungspflichtig und müssen denselben gesetzlichen Auflagen genügen wie die Banken. In der vorgängig durchgeführten Vernehmlassung war diese Erweiterung des Geltungsbereichs des Bankengesetzes namentlich von der Bankiervereinigung begrüsst worden [9].
Die Kartellkommission veröffentlichte einen Bericht zur Wettbewerbslage im inländischen Finanzmarktsektor. Darin verlangte sie von den Banken die Aufhebung verschiedener gesamtschweizerischer Abmachungen, welche vor allem mittels einheitlicher Preise und Gebühren den Wettbewerb behindern. Die von den Banken zur Verteidigung ihrer kartellistischen Praktiken vorgebrachten strukturpolitischen Argumente vermochten nicht zu überzeugen. Nach Ansicht der Kartellkommission ist die gegebene Bankenstruktur nicht an sich schützenswert. Zudem hätten die Absprachen in der Praxis ohnehin weniger dem Schutz der kleinen Banken gedient, als vielmehr den grösseren, effizient arbeitenden Instituten Extraeinkommen verschafft (sog. Differentialrente) [10].
Die Bankiervereinigung reagierte auf die Deregulierungsempfehlungen flexibel. Insgesamt zehn der neunzehn Empfehlungen akzeptierte sie, neun — darunter diejenigen über das wirtschaftlich bedeutende Wertschriftengeschäft — lehnte sie ab. Die Kartellkommission blieb jedoch hart und beantragte dem EVD, fünf der von den Banken zurückgewiesenen Empfehlungen, darunter die Abschaffung der Courtage-Konvention und des Emissionskonsortiums, in Verfügungen umzuwandeln. Die vom EVD konsultierte Nationalbank unterstützte in den beiden erwähnten Punkten die wettbewerbsfreundliche Position der Kartellkommission [11].
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Geldwäscherei und Fluchtgelder
Wie an anderer Stelle ausgeführt, wurde die Schaffung von Rechtsmitteln zur Bekämpfung der Geldwäscherei rasch vorangetrieben. Im Sommer veröffentlichte der Bundesrat seine Botschaft und bereits in der Dezembersession stimmte der Nationalrat dem neuen Gesetz zu. Die neuen Bestimmungen sehen insbesondere vor, dass der Kern der Standesregeln der Banken über die Sorgfaltspflicht bei der Entgegennahme von Geldern in das Strafrecht übernommen wird [12].
Derweilen setzte der Schweizerische Anwaltsverband seinen Protest gegen diese Standesregeln der Banken fort, ohne jedoch einen Erfolg zu verzeichnen. Die Vorschrift, dass die Anwälte bei Aufträgen von Dritten nur dann den Namen des Berechtigten gegenüber der Bank verschweigen dürfen, wenn ihr Mandat nicht zur Hauptsache der Vermögensverwaltung für den Klienten dient, wurde von ihm als nicht akzeptable Beschränkung der beruflichen Aktivitäten bezeichnet. Es zeigte sich allerdings, dass nicht alle Anwälte hinter den Forderungen ihres Interessenverbandes standen. Die Appenzeller und Schaffhauser Kantonalsektionen distanzierten sich öffentlich davon und kritisierten den Dachverband, die ungerechtfertigten Anliegen "einiger weniger Geschäftsanwälte" zu vertreten [13].
Gerade die verschärfte Sorgfaltspflichtregelung der schweizerischen Banken hat dazu geführt, dass das Fürstentum Liechtenstein für Umgehungsgeschäfte attraktiver geworden ist. Einige Anwälte, die den neuen Auflagen nicht Folge leisten wollten, haben offenbar ihre Geschäftsbeziehungen zu Schweizer Banken sistiert und die ihnen zur Verwaltung überlassenen Gelder im Nachbarland plaziert. Bundesrat Stich gab deshalb bei der Bankenkommission eine diesbezügliche Untersuchung in Auftrag. Im Nationalrat erkundigte sich Moritz Leuenberger (sp, ZH) beim Bundesrat mit einer Einfachen Anfrage nach den Möglichkeiten, Druck auszuüben, um zu verhindern, dass in der Schweiz nicht mehr tolerierte Geschäfte über Liechtenstein — das als Währung den Schweizer Franken verwendet — abgewickelt werden [14]. Liechtensteins Regierung reagierte auf diese Entwicklung und vereinbarte mit den Banken die Einführung einer Sorgfaltspflichtregelung. Diese geht freilich weniger weit als die schweizerische, indem die Anwälte die Namen ihrer Klienten weiterhin verschweigen dürfen [15].
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Stempelsteuergesetz
Der Bundesrat legte am 5. Juni seine Botschaft zur Neuordnung der Bundesfinanzen und zur Änderung des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben vor. Mit den Reformvorschlägen im Bereich der Stempelsteuer will die Regierung die Steuerbelastungen in der Schweiz an die Verhältnisse auf ausländischen Finanzmärkten angleichen und damit erklärtermassen einen Beitrag zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des schweizerischen Finanzplatzes leisten. Derartige Erleichterungen waren nicht nur von den Banken, sondern auch vom Parlament mit Nachdruck gefordert worden. Die Revision sieht vor, die Umsatzabgaben auf den Handelsbeständen der Effektenhändler, auf der Emission von sogenannten Euro-Bonds (Obligationen ausländischer Schuldner in fremder Währung) und auf dem Handel mit inländischen Geldmarktpapieren von maximal zwölf Monaten Laufzeit vollständig aufzuheben. Beim sogenannten Ausland/Ausland-Geschäft, d.h. bei der Vermittlung eines Geschäfts zwischen Ausländern durch einen schweizerischen Effektenhändler beschränkt sich die Steuerbefreiung auf den Obligationenhandel.
Andererseits war der Bundesrat nach wie vor nicht bereit, auf eine vollständige Kompensation der zugestandenen Einnahmenausfälle zu verzichten. Neu mit einer Emissionsabgabe belasten möchte er deshalb die inländischen Obligationen und Geldmarktpapiere. Festgehalten hat der Bundesrat trotz der heftigen Kritik,durch Banken und Versicherungen im Vernehmlassungsverfahren auch an der Wiedereinführung der 1973 abgeschafften Stempelabgabe auf Lebensversicherungen und an der Besteuerung der treuhänderischen Darlehen [16].
Die bürgerlichen Fraktionen im Nationalrat zeigten sich allerdings entschlossen, der Vorlage des Bundesrats ein eigenes Projekt gegenüber zu stellen. Ende September, also knapp vier Monate nach dem Vorliegen der bundesrätlichen Botschaft, überwiesen sie gegen den Widerstand der SP und der Grünen eine im Vorjahr vom CVP-Vertreter Feigenwinter (BL) eingereichte parlamentarische Initiative für eine Revision des Stempelsteuergesetzes. Diese unterscheidet sich vom Vorschlag des Bundesrates in zwei wesentlichen Punkten. Zum einen erhofft sich' der Initiant von der damit vorgenommenen Abkoppelung von der Neuordnung der Bundesfinanzordnung eine Beschleunigung der parlamentarischen Behandlung und damit eine schnellere Entlastung des Finanzplatzes. Zum anderen soll auf die Wiedereinführung der Stempelabgaben auf den Lebensversicherungsprämien und auf die Besteuerung der treuhänderischen Darlehen verzichtet werden. Dies hätte zur Folge, dass die Einnahmenausfälle für die Bundeskasse nur zu 40% durch neue Steuern ausgeglichen würden [17].
Die vorberatende ständerätliche Kommission hatte allerdings noch vor dem Entscheid der grossen Kammer mit der Behandlung der bundesrätlichen Vorlage begonnen. Sie beschloss, darauf einzutreten und dabei die Revision der Stempelsteuern vorzuziehen. In der Sache war sie freilich mit dem Nationalrat einig: die Erleichterungen für den Finanzplatz sollten nur zu einem Teil durch neue Finanzmarkt steuern kompensiert werden. Auf eine Besteuerung der Prämien der Lebensversicherungen sollte demnach ebenso verzichtet werden wie auf die Umsatzsteuer auf Treuhandanlagen. Zudem beantragte sie dem Rat, die Emission von ausländischen Obligationen und den Handel mit ausländischen Geldmarktpapieren von maximal einem Jahr Laufzeit von der Umsatzabgabe zu befreien. Der Kommissionssprecher Meier (svp, GL) zeigte sich überzeugt, dass eine direkte vollständige Kompensation der Steuerausfälle nicht nötig sei, da dank der Erleichterungen die Finanzmarktgeschäfte nicht aus der Schweiz abwandern würden, und somit die Einnahmen bei der direkten Bundessteuer erhalten oder gar gesteigert werden könnten. Trotz heftiger Opposition von seiten der sozialdemokratischen Abgeordneten und von Bundesrat Stich folgte der Ständerat in der Dezembersession den Anträgen seiner Kommissionsmehrheit vollumfänglich und stimmte in der Gesamtabstimmung der Revision des Stempelsteuergesetzes mit 33:5 Stimmen zu [18].
 
[8] SNB, Geschäftsbericht, 82/1989, S. 43 ff.; SNB, Monatsbericht, 1990, Nr. 6, S. 62 ff. Zu den Grossbanken siehe BaZ, 5.3.90. Allgemein zum Bankgewerbe siehe auch SHZ-Plus, 22.9.89 (Sondernummer der SHZ).
[9] AS, 1989, S. 1772 ff.; SNB, Geschäftsbericht, 82/1989, S. 46; LNN, 15.3.89 (Vernehmlassung); TA, 24.8.89. Siehe auch Eidg. Bankenkommission (EBK), Jahresbericht 1989, S. 13 ff.
[10] Presse vom 18.4.89; SHZ, 20.4.89. Vgl. auch Politik und Wirtschaft, 1989, Nr. 7, S. 86 ff. Die in der Öffentlichkeit besonders kritisierten regionalen Festsetzungen der Zinssätze (sog. Platzkonvenien) wurden in diesem Bericht noch nicht behandelt.
[11] Banken: Presse vom 12.7.89; Ww und SHZ, 20.7.89; Schweizerische Bankiervereinigung, Jahresbericht, 77/1988-89, S. 66 ff. Kommission: Presse vom 30.8.89; vgl. auch SHZ, 29.6.89. Nationalbank: SNB, Geschäftsbericht, 82/1989, S. 49; TA, 20.10.89.
[12] Siehe dazu oben, Teil I, 1b (Strafrecht). Vgl. auch EBK, Jahresbericht 1989, S. 25 ff. Zur Untersuchung der Bankenkommission über die Geldwäscherei im Rahmen der sog. Libanon-Connection siehe Presse vom 12.4.89 und EBK, Jahresbericht 1989, S. 22 ff.
[13] NZZ, 1.3.89; TA, 5.4.89. Kritik: NZZ, 6.6.89. Vgl. auch SPJ 1988, S. 101 f.
[14] TA, 24.4.89 (Stich); Amtl. Bull. NR, 1989, S. 661 ff. (Leuenberger).
[15] NZZ, 30.8.89; SHZ, 5.10.89 (H. Bodenmann).
[16] BBl, 1989, III, S. 1 ff. Vgl. auch SPJ 1988, S. 102 f. Zur Finanzordnung siehe unten, Teil I, 5 (Einnahmenordnung).
[17] Amtl. Bull. NR, 1989, S. 1468 ff.; Presse vom 28.9.89. Vgl. auch SPJ 1988, S. 103.
[18] Amtl. Bull. StR, 1989, S. 740 ff.; Presse vom 7.12.89.