Année politique Suisse 1995 : Economie / Crédit et monnaie
 
Banken
Die Entwicklung der Bankbilanzen fiel angesichts der schwachen Konjunktur mit einem Zuwachs von 8% überraschend hoch aus. Nach Angaben der Nationalbank war dies aber fast ausschliesslich auf die Vorwegnahme der ab Ende 1996 verbindlichen neuen Rechnungslegungsvorschriften zurückzuführen. Die Kreditvergabe stagnierte weiterhin [13].
Der Ständerat befasste sich mit dem Vorschlag seiner WAK für eine Verbesserung der politischen Oberaufsicht über die Bankenkommission. Mit Stichentscheid des Präsidenten setzte sich der Antrag der Kommissionsmehrheit durch, nicht ein spezielles parlamentarisches Aufsichtsgremium einzusetzen, sondern mittels einer Änderung des Bankengesetzes dafür zu sorgen, dass sich der Geschäftsbericht der Bankenkommission explizit direkt (und nicht via Geschäftsbericht des Bundesrates) an das Parlament richten soll. Diese Minimallösung entsprach nun nicht mehr den Intentionen von Zimmerli (svp, BE), der ursprünglich mit einer parlamentarischen Initiative den Anstoss für diese Reform gegeben hatte. Auf seinen Antrag beschloss der Ständerat, die Übung abzubrechen und die eben beschlossene Gesetzesänderung nicht an den Nationalrat weiterzuleiten [14].
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Kantonalbanken
In seiner Antwort auf ein Postulat der WAK des Nationalrats nahm auch der Bundesrat zur Frage der Staatsgarantie für Kantonalbanken Stellung und vermochte dabei vorläufig keinen Reformbedarf auf Bundesebene auszumachen. Den Kantonen empfahl er, ihre Banken der Aufsicht der Bankenkommission zu unterstellen [15]. Auf Antrag des Bundesrates wandelte der Nationalrat später eine Motion Vollmer (sp, BE) für eine Neudefinition der Staatsgarantie in ein Postulat um. Der Vorstoss hatte verlangt, dass die Kantone ihre bisherige vollumfängliche Garantie - welche zur Zeit die Steuerzahler der Kantone Bern und Solothurn massiv belastet - durch eine auf Spareinlagen beschränkte Garantie ersetzen können. Bereits zuvor hatte der Kanton Bern eine etwas allgemeiner gehaltene Standesinitiative mit der selben Stossrichtung eingereicht. Einen Tag nach dem Vorstoss von Vollmer doppelten Ständerat Gemperli (cvp, SG) und Nationalrat Rychen (svp, BE) mit gleichlautenden Motionen nach, welche den Kantonen die Kompetenz erteilen wollen, den Umfang der Staatsgarantie selbst zu regeln. Auf Antrag seiner WAK überwies der Ständerat die Motion Gemperli als Postulat. Die bernische Standesinitiative lehnte er mit dem Argument ab, dass Kantone, die keine vollumfängliche Garantie mehr leisten wollen, ihre Banken privatisieren können; damit würden diese Banken allerdings auch gewisse Privilegien wie Steuerbefreiung und weniger strenge Eigenmittelvorschriften verlieren [16].
In verschiedenen Kantonen wurden Neuregelungen für die Kantonalbanken an die Hand genommen. Die Regierung von Appenzell-Ausserrhoden beantragte Volk und Parlament den Verkauf der Kantonalbank an die Schweizerische Bankgesellschaft. In St. Gallen stimmte der Grosse Rat für die Umwandlung in eine private Aktiengesellschaft, bei welcher der Kanton freilich eine Mehrheitsbeteiligung behält und weiterhin Garantie leistet. Im Kanton Bern gab die Regierung einen ähnlichen Vorschlag in die Vernehmlassung; sie möchte die Staatsgarantie ebenfalls beibehalten, sich aber die Vorteile, die der Bank daraus erwachsen, abgelten lassen [17]. Eine interne Arbeitsgruppe des Verbands der Kantonalbanken arbeitete einen Vorschlag aus, wie die Kantonalbanken nach einer Privatisierung zu einer Holding zusammengefasst werden könnten [18].
Als erste nationale Partei äusserte sich die SP zur zukünftigen Rolle der Kantonalbanken. Sie sprach sich für deren Beibehaltung aus, verlangte aber, dass ihnen als Gegenleistung für Privilegien ein verbindlicher gemeinwirtschaftlicher Auftrag erteilt werden muss. Dieser Auftrag würde beispielsweise in der Aufrechterhaltung eines dezentralen Filialnetzes und in der Erteilung günstiger Kredite für lokale Kleinbetriebe bestehen [19]. Die Kartellkommission hatte sich ebenfalls mit den Kantonalbanken befasst. In einem Bericht stellte sie fest, dass die Staatsgarantie und Steuerprivilegien zu Wettbewerbsvorteilen für die Kantonalbanken führten und deshalb ganz oder teilweise aufzuheben seien [20].
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Gelder von Naziopfern
Grosses internationales Aufsehen erregte die Kampagne jüdischer Stellen für neue Nachforschungen nach Vermögen, welche von Naziopfern bei Schweizer Banken deponiert worden waren und seither als herrenlos gelten, sei es, weil keine erbberechtigten Rechtsnachfolger mehr vorhanden sind, sei es, weil diese keine Kenntnis von den Einlagen haben. In einer vom Bund veranlassten ersten Suchaktion waren in den 60er Jahren von den Banken knapp 10 Mio Fr. aufgefunden und an die Berechtigten bzw., falls solche nicht ausfindig gemacht werden konnten, an Organisationen ausbezahlt worden. Jüdische Organisationen in Israel und in den USA behaupteten jetzt, dass auch heute noch Beträge in der Höhe mehrerer Mia Fr. auf den Schweizer Banken liegen müssen [21]. Ständerat Plattner (sp, BS) forderte mit einer ursprünglich von Piller (sp, FR) eingereichten Motion politische Massnahmen, um diese Suche wiederaufzunehmen und Banken sowie weitere Vermögensverwalter zu verpflichten, offenbar herrenlose Vermögen einer zentralen Stelle zu melden. Diese soll berechtigte Eigentümer feststellen und - falls die Suche zu keinem Ergebnis führt - die gemeinnützige Verwendung der Gelder verfügen [22].
Die Banken hatten in der Zwischenzeit auch gehandelt und freiwillige Richtlinien für die Behandlung "nachrichtenloser" Vermögen beschlossen. Als wichtigstes Instrument wurde eine zentrale Anlaufstelle für Nachforschungen geschaffen, welcher die Banken auf Anfrage Auskunft geben müssen. Die Banken wurden zudem verpflichtet, diejenigen Vermögen (Konti, Depots und Safes) zu kennzeichnen und zu sperren, bei denen sie seit zehn Jahren keine Nachrichten von den Eigentümern erhalten haben; eine Meldepflicht besteht aber weiterhin nicht. Während der Bundesrat bei der Behandlung der Motion Plattner dafür plädierte, zuerst einmal die Auswirkungen dieser Standesregeln abzuwarten, kritisierte Plattner das Fehlen einer Meldepflicht sowie den Nichteinbezug von anderen Vermögensverwaltern und beharrte auf seiner Motion. Diese wurde vom Ständerat mit 6:4 Stimmen abgelehnt [23].
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Marcos
Der seit knapp zehn Jahren andauernden Auseinandersetzung um die bei Schweizer Banken angelegten Gelder des philippinischen Ex-Präsidenten Marcos wurde ein weiteres Kapitel angefügt. Der Anwalt von rund 10 000 Folteropfern des Marcos-Regimes, denen von einem US-Gericht Schadenersatz in der Höhe von 2 Mia Dollar zugesprochen worden war, unternahm rechtliche Schritte, um die in den USA tätigen Filialen der Schweizer Grossbanken zur Herausgabe der in der Schweiz blockierten Gelder zu zwingen. Der Schweizer Aussenminister Cotti machte seinen amerikanischen Amtskollegen mit einem Memorandum darauf aufmerksam, dass gemäss Völkerrecht ein amerikanisches Gericht nicht über die Freigabe von Geldern entscheiden kann, die durch die schweizerische Justiz blockiert sind. Ungeachtet dieser Intervention verurteilte ein US-Bundesbezirksgericht die Banken zur Herausgabe von 475 Mio Dollar. Die beiden betroffenen Grossbanken, welche angesichts der verschiedenen Ansprüche befürchten, die Gelder mehrfach auszahlen zu müssen, verlangten zuerst erfolglos eine Aufschiebung der Verfügung und reichten dann Rekurs ein. Sie wurden aber auch anderweitig aktiv und schlugen vor, alle, die Ansprüche auf diese Gelder angemeldet haben (d.h. die jetzige philippinische Regierung, die Folteropfer und die Erben Marcos), an einen Tisch zu bringen und unter der Leitung eines neutralen Vermittlers eine Lösung zu suchen [24].
Zur Geldwäscherei sowie den Massnahmen zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens, der Verbesserung der internationalen Rechtshilfe und zur Behandlung von Schmiergeldaffären siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht).
 
[13] SNB, Geschäftsbericht 1995, 88/1995, S. 47 f.13
[14] Amtl. Bull. StR, 1995, S. 1037 ff. Siehe auch BBl, 1995, III, S. 109 f. (Stellungnahme des BR). Vgl. SPJ 1994, S. 106.14
[15] Presse vom 31.3.95. Vgl. dazu SPJ 1994, S. 106.15
[16] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 2187 f.; Amtl. Bull. StR, 1995, S. 1137 ff.; BZ, 22.6.95; Presse vom 7.12.95. Zu den Belastungen der Kantone BE und SO siehe BZ, 10.6.95; Presse vom 6.9.95.16
[17] AR: Presse vom 22.12.95. SG: SGT, 5.5., 13.7., 13.10. und 10.11.95. BE: Bund, 2.3., 6.4., 12.8. und 13.10.95. Vgl. auch Amtl. Bull. StR, 1995, S. 1138 sowie unten, Teil II, 2d. Zum technischen Vorgehen bei der Privatisierung der Solothurner Kantonalbank im Vorjahr siehe NZZ, 17.1.95.17
[18] NZZ, 4.11.95; TA, 9.11.95; NQ, 14.11.95.18
[19] TA und NZZ, 20.11.95; TW, 16.12.95. Vgl. auch Lit. Stich.19
[20] Presse vom 23.5.95; SNB, Jahresbericht 1995, 88/1995, S. 51. Vgl. dazu auch BR Stich in Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1198 f.20
[21] JdG, 4.5., 12.9. und 13.9.95; NZZ, 28.6.95; BaZ, 1.7. und 12.9.95.21
[22] Amtl. Bull. StR, 1995, S. 1278 ff.22
[23] Motion: Amtl. Bull. StR, 1995, S. 1278 ff. Banken: NZZ, 11.7.95; Presse vom 13.9.95; JdG, 9.10.95. Vgl. auch NZZ, 16.9.95. Eine erste Suchaktion im Herbst hatte bei 51 Banken insgesamt 775 "ruhende" Konten zu Tage gefördert, die vor 1945 angelegt worden waren. Vom Gesamtwert von 38,7 Mio Fr. entfiel aber nur ein Teil auf jüdische Einleger.23
[24] NZZ, 25.10., 11.12., 21.12. und 22.12.95; Bund, 13.9., 29.11. und 11.12.95; BaZ, 1.12.95. Vgl. SPJ 1991, S. 125 und 1992, S. 119.24