Année politique Suisse 1996 : Eléments du système politique / Institutions et droits populaires
 
Parlament
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Infrastrukturen
Die Fraktionen erhalten zur Deckung ihrer Sekretariatskosten vom Bund einen finanziellen Beitrag, der sich aus einem Grundbetrag von 58 000 Fr. und einer Entschädigung von 10 500 Fr. je Ratsmitglied zusammensetzt. Parteien welche die für eine Fraktionsbildung erforderliche Sitzzahl von fünf in einem der beiden Räte nicht erreichen und denen es nicht gelingt, sich mit anderen Ratsmitgliedern zu einer gemeinsamen Fraktion zusammenzuschliessen, gehen dagegen leer aus. Nationalrat Ruf (BE) von den Schweizer Demokraten, welche sich seit Dezember 1995 in dieser Lage befinden, versuchte diesen Zustand mit einer parlamentarischen Initiative zu verändern. Seine Forderung, an fraktionslose Parteien zwar nicht den Grundbeitrag, aber immerhin den Betrag je Mitglied auszurichten, lehnte der Nationalrat auf Antrag seines Büros mit 63 zu 24 Stimmen ab [25].
Den drei Nationalräten der SD gelang es dann in der Dezembersession doch noch, eine Fraktion zu bilden. Der Lega-Vertreter Maspoli (TI), welcher bereits 1991-1995 zur SD-Fraktion gehört hatte, und der Freisinnige Pini (TI) schlossen sich mit ihnen zur "Demokratischen Fraktion" zusammen. Da ein Parlamentarier nur der Fraktion seiner eigenen Partei angehören darf, musste Pini dazu aus der FDP austreten [26].
Das Büro des Ständerats schlug mit einer parlamentarischen Initiative einen Bundesbeschluss vor, der die Wahlkompetenzen für die Einstellung des Personals der Parlamentsdienste neu regelt. Analog zu der ab 1. Januar für die übrige Verwaltung eingeführten Regelung soll der Bundesrat nur noch für die Wahl von Beamtinnen und Beamten der Überklasse zuständig sein; die Wahlkompetenz der Generalsekretärin der Parlamentsdienste würde damit von der 27. auf die 31. Lohnklasse erweitert. Der Vorlage erwuchs im Parlament keine Gegnerschaft [27].
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Entschädigungen
Nach der 1994 erfolgten Ablehnung durch den Ständerat unternahm das Büro des Nationalrats einen neuen Anlauf zur Verbesserung der Vorsorgeentschädigung für Ratsmitglieder. Es beantragte mit einer parlamentarischen Initiative eine Heraufsetzung der gebundenen Jahresbeiträge des Bundes an die private Altersvorsorge von 2500 auf 6000 Fr. Im weitern schlug es eine Teuerungsanpassung bei der Spesenrückerstattung vor, welche zudem teilweise pauschalisiert werden soll. Das Büro verzichtete jedoch darauf, eine Teuerungsanpassung bei der seit 1988 auf 30 000 Fr. festgelegten Grundentschädigung und den seit 1991 unveränderten Taggeldern vorzuschlagen. Der Bundesrat begrüsste angesichts der angespannten Finanzlage diese Zurückhaltung und erklärte sich mit den beantragten Verbesserungen einverstanden. Der Nationalrat übernahm die Vorschläge seines Büros mit einigen Detailkorrekturen [28].
Der Ständerat lehnte zuerst mit 28 zu 8 Stimmen einen Nichteintretensantrag Büttiker (fdp, SO) ab, welcher sich angesichts der hohen staatlichen Defizite und der schlechten Wirtschaftslage grundsätzlich gegen eine Besserstellung der Parlamentarier ausgesprochen hatte. In der Detailberatung übernahm der Rat weitgehend die Beschlüsse der grossen Kammer. Er erwies sich aber als etwas knausriger, indem er die Anpassung der Übernachtungsentschädigung von 130 auf 160 Fr. ablehnte. Den Beitrag an die Vorsorge reduzierte er auf die Höchstsumme für steuerlich anerkannte Einzahlungen an die private Selbstvorsorge (3. Säule) von 5587 Fr. (Stand 1996). In der Differenzbereinigung beharrte der Nationalrat erfolgreich auf einer Erhöhung der Übernachtungsspesen und fügte sich beim Beitrag für die Vorsorgeentschädigung dem Beschluss des Ständerats [29].
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Transparenz
Auf Antrag seines Büros lehnte der Nationalrat eine Motion Zisyadis (pda, VD) ab, welche verlangte, dass die Parlamentarier nicht nur ihre Interessenbindungen, sondern auch ihre Einkommensverhältnisse deklarieren müssen [30].
Mit einem Postulat regte Stamm (fdp, AG) an, dass das Verhalten der Nationalräte bei Namensabstimmungen für eine breite Öffentlichkeit mit den Mitteln der EDV (z.B. über Internet) transparent gemacht werden soll. Um sich gegen die nach Ansicht Stamms selektive Informationsverbreitung der Medien zu wehren, wären in diese Datenbank aber auch Begründungen der Parlamentarier für ihre Stimmabgabe aufzunehmen. Der Nationalrat stimmte der ersten Forderung - die ja seit Sommer 1996 mit der Publikation des Ratsprotokolls auf Internet weitgehend erfüllt ist - zu, lehnte die zweite jedoch deutlich ab [31].
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Immunität
Das Parlament hatte sich mit einem Gesuch der Zürcher Strafverfolgungsbehörden um Aufhebung der Immunität von Nationalrat Scherrer (fp, BE) zu befassen. Dieser war angezeigt worden, in der TV-Diskussionssendung "Arena" mit abfälligen Äusserungen über Asylbewerber gegen das Anti-Rassismusgesetz verstossen zu haben. Das Parlament erkannte einen engen Zusammenhang zwischen Scherrers Auftritt in der "Arena" und seiner politischen Tätigkeit und damit grundsätzlich auf die Zuerkennung der relativen Immunität. Da überdies die Aussagen Scherrers den Tatbestand des Diskriminierungsverbots wahrscheinlich ohnehin nicht erfüllen würden, kam es zum Schluss, dass in diesem Fall das Interesse an der freien politischen Meinungsäusserung von Parlamentsmitgliedern höher zu bewerten sei, als dasjenige an einer Strafverfolgung. Beide Kammern beschlossen ohne Gegenstimme, dem Gesuch um Aufhebung der relativen Immunität nicht stattzugeben [32].
 
[25] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1650 ff.25
[26] TA, 10.12.96; SGT, 12.12.96; Bund und CdT, 13.12.96. Für die Bewegungsgründe des als liberal und europafreundlich geltenden Pini siehe unten, Teil IIIa (Parteiensystem).26
[27] BBl, 1996, V, S. 566 ff.; Amtl. Bull. StR, 1996, S. 864 f. und 1192; Amtl. Bull. NR, 1996, S. 2368 und 2486 f.; AS, 1996, S. 3257.27
[28] BBl, 1996, III, S. 129 ff. und 140 (BR); Amtl. Bull. NR, 1996, S. 970 ff.; TA, 17.6.96. Vgl. SPJ 1994, S. 39. Der NR schrieb danach seine 1994 vom StR abgelehnte parlamentarische Initiative ab (Amtl. Bull. NR, 1996, S. 973).28
[29] Amtl. Bull. StR, 1996, S. 673 ff., 801 f., 838 und 853; Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1527 ff., 1729 und 1923 f.; BBl, 1996, IV, S. 819 f.; AS, 1997, S. 541 ff.; BaZ, 3.8.96.29
[30] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 572 f.3
[31] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 569 ff. Seit 1996 ist das Ratsprotokoll (ab Wintersession 95) auch auf CD-ROM erhältlich.31
[32] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1468 ff.; Amtl. Bull. StR, 1996, S. 865 ff.32