Année politique Suisse 1999 : Economie / Crédit et monnaie
 
Geld- und Währungspolitik
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Geldmenge
Die Nationalbank vollzog den letzten Schritt auf dem Weg zur Abkehr vom klassischen Konzept der Geldmengenpolitik mit Angabe einer Zielgrösse für das Geldmengenwachstum. Infolge diverser Veränderungen auf den Finanzmärkten und bei den Zahlungsgebräuchen waren Geldmengenaggregate in den letzten Jahren als Indikator und als Steuerungsinstrumente zusehends unzuverlässig geworden. Die SNB gab bekannt, dass sie in Zukunft ihre Entscheide auf eine Inflationsprognose stützen werde. Als Grundlage dafür soll eine jeweils zu Jahresende erstellte Dreijahresprognose dienen. Weiterhin oberstes Ziel der Geldpolitik bleibt dabei die Preisstabilität, wobei die Nationalbank als obere Stabilitätsgrenze eine Inflationsrate von 2% angab. Bei der Umsetzung werde sie sich am Geldmarktzins  [1] orientieren und nicht mehr an Geldmengenaggregaten. Für das Jahr 2000 plante sie eine leicht restriktivere Politik, um eine allfällige, durch den guten Konjunkturverlauf begünstigte Inflation zu verhindern [2].
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Währung
Die auf Jahresbeginn vorgenommene Einführung des Euro als rechtlich eigenständige Währung und die Übergabe der Führung der Geldpolitik von den Notenbanken der elf beteiligten EU-Staaten an die Europäische Zentralbank ging ohne Turbulenzen vor sich. Der reale exportgewichtete Kurs des Schweizerfrankens blieb im Jahresverlauf weitgehend stabil, nahm aber insgesamt leicht ab. Höher bewertet im Vergleich zum Franken wurden vor allem der US$, das englische Pfund und der japanische Yen, im Vergleich zum Euro veränderte sich der Frankenkurs praktisch nicht [3].
Der Bundesrat beantragte dem Parlament eine Änderung des Beschlusses über die Mitwirkung der Schweiz an internationalen Währungsmassnahmen. Der aufgrund dieses Beschlusses für Stützungsmassnahmen zugunsten anderer Währungen garantierte Kreditplafonds von 1 Mia Fr. soll damit auf 2 Mia Fr. erhöht werden. Die Regierung begründete ihren Antrag mit dem grossen Interesse des Exportlandes Schweiz an stabilen und geordneten Währungsverhältnissen. Effektive Verluste seien der Schweiz aus diesen verzinsbaren Darlehen bisher nicht erwachsen. Als Konsequenz der Globalisierung der Handelsbeziehungen und des Einbezugs neuer Staaten in die Weltwirtschaft sei aber in den letzten Jahren das Risiko von Finanz- und Währungskrisen gewachsen. Ende 1998 hatte die Schweiz Kreditverpflichtungen von knapp 930 Mio Fr. ausstehend, womit der seit 1984 unverändert belassene Plafonds praktisch ausgeschöpft war. Das Parlament verabschiedete den Beschluss in der Sommersession. Im Ständerat erfolgte dies einstimmig. Im Nationalrat wurde zuerst ein von der SVP-Fraktion unterstützter Nichteintretensantrag Schlüer (svp, ZH) mit 109:15 Stimmen abgelehnt. Schlüer hatte angeführt, dass mit einer ständigen Heraufsetzung des Kreditplafonds keine Anreize für die Krisenländer bestehen würden, ihre Finanz- und Währungsprobleme selbst zu lösen. In der Schlussabstimmung votierten neben Abgeordneten der SVP und der FP auch einige Linke gegen den Beschluss [4].
Mit einer Mehrheit von 65:55 Stimmen gab der Nationalrat einer parlamentarischen Initiative Gysin (sp, BS) Folge, welche in Form einer allgemeinen Anregung verlangt, dass in Zukunft Kapitalaufstockungen des IWF vom Parlament zu genehmigen sind. Im Gegensatz zu Kapitalerhöhungen bei der Weltbank und bei regionalen Entwicklungsbanken werden die IWF-Darlehen nicht mit Budgetmitteln, sondern durch die Nationalbank finanziert und deshalb dem Parlament lediglich zur Kenntnis unterbreitet. Gemäss dem Initianten und einer Mehrheit der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates muss die Politik des IWF, welche mit ihren Entscheiden zunehmend in die Politik von Staaten und Regionen eingreife, vermehrt von demokratischen Gremien kontrolliert werden [5]. Der Nationalrat überwies auch ein Postulat seiner APK, welches dem Bundesrat empfiehlt, sich in den Gremien des IWF dafür einzusetzen, dass bei Währungs- und Finanzkrisen auch die privaten Gläubiger an Sanierungsmassnahmen beteiligt werden [6].
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Geld- und Kapitalmarkt
Bei den Zinssätzen kam es zu einer Trendumkehr. Nachdem sie sich bis ins Frühjahr noch weiter reduziert hatten, nahmen sie vom Sommer an wieder zu. Ausgeprägt war diese Entwicklung bei den Sätzen für längerfristige Anlagen. Die Durchschnittsrendite für eidgenössische Anleihen erhöhte sich vom Mai bis November von 2,6% auf 3,6%. Der sozialpolitisch wichtige Hypothekarzinssatz sank zuerst noch auf 3,75% und erreichte damit den tiefsten Wert seit 41 Jahren. Ab Herbst zeigte die Kurve dann wieder nach oben. Einige Banken erhöhten die variablen Hypothekarzinssätze im Oktober auf 4,25%. Weitgehend parallel dazu entwickelten sich die Geldmarktsätze. Die Geldmarktbuchforderungen des Bundes erreichten im April mit 0,8% einen Tiefststand; im Herbst stiegen sie auf 2,0% an [7].
Die Nettobeanspruchung des schweizerischen Kapitalmarktes war im Berichtsjahr rückläufig. Ausgeprägt war der Rückgang vor allem bei der Mittelbeschaffung inländischer Schuldner [8].
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Nationalbank
Mit der Annahme der neuen Bundesverfassung in der Volksabstimmung vom 18. April hiessen Volk und Stände auch den neuen Geld- und Währungsartikel (Art. 99 BV) gut. Die auf den Beginn des Jahres 2000 in Kraft gesetzte Bestimmung löst den Franken von seiner bisherigen verfassungsrechtlichen Bindung an das Gold und verankert die Unabhängigkeit der Nationalbank. Der Auftrag an die Notenbank verpflichtet diese wie bis anhin, dem Gesamtinteresse des Landes zu dienen. Aus der alten Verfassung übernommen wurde auch die Vorschrift, dass die Kantone zu zwei Dritteln am Reingewinn der Nationalbank partizipieren. Eine davon abweichende Regelung für die Verteilung der aus dem Verkauf nicht mehr benötigter Währungsreserven stammenden Gelder ist nicht vorgesehen [9]. Um diese Lücke zu füllen und zudem den Notenbankauftrag zu präzisieren, hatte der Bundesrat im Vorjahr eine Revision dieses Artikels beantragt, welche vom Nationalrat gutgeheissen worden war [10].
Im Berichtsjahr stimmte der Ständerat dem neuen Währungsartikel in der Bundesverfassung ebenfalls zu. Mit 33:3 Stimmen lehnte er einen Antrag Onken (sp, TG) ab, auf die Erwähnung des prioritären Ziels der Preisstabilität zu verzichten. Die Regelung der Verwendung von nicht mehr benötigten Währungsreserven formulierte er statt im Artikel selbst in einer Übergangsbestimmung. Diese besagt, dass die Verwendung auf dem Gesetzesweg geregelt werden muss, und dass bei der Verteilung der jetzt aufgelaufenen nicht mehr benötigten Reserven – nicht aber in zukünftigen Fällen – vom Verteilungsschlüssel von 2:1 zwischen Kantonen und Bund abgewichen werden kann. Der Nationalrat übernahm diese Präzisierung, wobei ein von der SVP und der SP unterstützter Antrag, auch in Zukunft von diesem Verteilschlüssel abweichen zu können, nur ganz knapp unterlag. Die Haltung der SVP und der SP war motiviert von ihren Bestrebungen, auch in späteren Zeiten Mittel der Nationalbank für die Finanzierung der Sozialwerke zu erschliessen; darüber hinaus wollten sie aber auch die Differenzbereinigung mit dem Ständerat torpedieren, um die ganze Vorlage zu verhindern. In der Schlussabstimmung gelang ihnen dies dann: der neue Verfassungsartikel scheiterte am Veto des Nationalrats. Eine Allianz von SP, GP, FP und SVP brachte ihn mit 86:83 Stimmen bei 9 Enthaltungen zu Fall. Die SP begründete ihre Ablehnung mit der ihrer Ansicht nach falschen prioritären Ausrichtung der Geldpolitik auf die Preisstabilität. Für die SVP war das Argument ausschlaggebend, dass mit der Delegation der Regelung der Verwendung der nicht mehr benötigten Goldreserven auf Gesetzesstufe verhindert werde, dass über die Einrichtung einer Solidaritätsstiftung eine obligatorische Volksabstimmung mit Volks- und Ständemehr durchgeführt werden muss. Im Ständerat, wo FDP und CVP über eine komfortable Mehrheit verfügen, war die Schlussabstimmung zuvor bei sechs Gegenstimmen positiv ausgefallen [11].
Im Mai legte der Bundesrat dem Parlament den Entwurf für ein neues Gesetz über die Währung und die Zahlungsmittel vor. Entsprechend der Systematik in der neuen Bundesverfassung werden darin die bisher in eigenen Gesetzen (Nationalbankgesetz und Münzgesetz) geregelten Bereiche in ein einziges zusammengefasst. Dabei werden diejenigen Bestimmungen des Nationalbankgesetzes eliminiert, welche sich auf die mit der neuen Verfassung aufgehobene Goldbindung des Frankens beziehen. Materiell neu ist zudem, dass neben den vom Bund geprägten Münzen und den von der Nationalbank ausgegebenen Banknoten auch Sichtguthaben bei der Nationalbank zu gesetzlichen Zahlungsmitteln werden. Bei letzteren ist die Annahmepflicht allerdings auf Inhaber eines entsprechenden Kontos beschränkt. Das Gesetz regelt im weiteren die Funktionen von Gedenk- und Anlagemünzen sowie die Kompetenzen zu deren Ausgabe. Das neue Gesetz bildet zwar die rechtliche Grundlage für die Veräusserung der nicht mehr benötigten Goldreserven der Nationalbank (rund 1300 Tonnen Gold), es enthält aber keine Bestimmungen bezüglich der Verwendung dieser Mittel [12].
Das Gesetz war in beiden Räten im Grundsatz nicht umstritten. Der Ständerat nahm noch eine Formulierung auf, welche zu einem späteren Zeitpunkt eine Privatisierung der seit 1998 unter dem Namen „Swissmint“ auftretenden Münzprägungsstätte erlauben wird. Eine kleinere Auseinandersetzung gab es bei der Frage, ob die Herstellung und Einfuhr von münzähnlichen Gegenständen bewilligungspflichtig bleiben soll, um Verwechslungen mit offiziellen Münzen zu verhindern. Während der Bundesrat und der Ständerat für eine Aufhebung der Bewilligungspflicht plädierten, wollte der Nationalrat diese Kontrolle beim EFD belassen. Für die Beibehaltung dieser Vorschrift setzten sich vor allem französischsprachige Abgeordnete ein, welche darin eine Sicherheit für die Hersteller von Gedenkmünzen (der grösste schweizerische Hersteller hat seinen Sitz im Kanton Neuenburg) sehen, nicht wegen möglicher Verwechslungsgefahr ihrer Produkte mit Zahlungsmitteln strafrechtlich verfolgt zu werden. Durchgesetzt hat sich schliesslich der Ständerat. Das neue Gesetz wurde vom Parlament in der Dezembersession verabschiedet [13].
Ende August lancierte die SVP die im Vorjahr von Nationalrat Blocher (svp, ZH) angekündigte und von den SVP-Delegierten im April beschlossene Volksinitiative zur Verteilung der von der Nationalbank nicht mehr benötigten Währungsreserven oder derer Erträge. Sie verlangt, dass diese in vollem Umfang in den Ausgleichsfonds der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) zu übertragen sind. Für die am 5. März 1997 vom Bundesrat angekündigte Solidaritätsstiftung würde dabei nichts mehr übrigbleiben [14]. Auch die SP konkretisierte ihre Vorstellungen, was mit diesen Geldern anzufangen sei. Sie ging bei ihren Überlegungen davon aus, dass aus dem Verkauf der nicht mehr benötigten Goldreserven wesentlich mehr als bisher angenommen, nämlich rund 24 Mia Fr. zur Verfügung stehen werden. Davon möchte sie 7 Mia Fr. der Solidaritätsstiftung zuweisen und die restlichen 17 Mia Fr. für die AHV zur Finanzierung des flexiblen Rentenalters verwenden. Die FDP und die CVP stellten sich weiterhin hinter die Idee einer Solidaritätsstiftung, legten sich jedoch bei der Verwendung der restlichen Mittel noch nicht fest [15]. Um ein Absacken des Goldkurses zu vermeiden, verpflichteten sich fünfzehn europäische Notenbanken auf gestaffelte und limitierte Verkäufe von Goldbeständen für die nächsten fünf Jahre, wobei die Verkaufspläne der SNB darin voll berücksichtigt sind und demnach dadurch nicht beeinträchtigt werden [16].
 
[1] Als Referenzzinssatz, für den die SNB Ziele (Bandbreiten) formuliert, und den sie mit Marktoperationen zu steuern versucht, wählte sie den Dreimonats-Libor (Libor: London Interbank Offered Rate) für Frankenanlagen aus. Auf die Festlegung des Diskontsatzes, dem bisher geldpolitische Signalwirkung zugekommen war, wird die SNB ab Januar 2000 verzichten (SNB, Geschäftssbericht, 92/1999, S. 34 ff.).1
[2] SNB, Geschäftsbericht, 92/1999, S. 33 ff.; BaZ und NZZ, 11.12.99.2
[3] SNB, Geschäftsbericht, 92/1999, S. 16 f. sowie SNB, Statistisches Monatsheft.3
[4] BBl, 1999, S. 2997 ff.; Amtl. Bull. StR, 1999, S. 489 ff. und 598; Amtl. Bull. NR, 1999, S. 918 ff. und 1404 f.; BBl, 1999, S. 5118; BaZ, 9.2.99. Vgl. auch SPJ 1998, S. 119.4
[5] Amtl. Bull. NR, 1999, S. 926 ff.5
[6] Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2002.6
[7] SNB, Geschäftsbericht, 92/1999, S. 28 f. Zu den Hypothekarsätzen siehe auch BaZ, 13.4. und 21.10.99.7
[8] SNB, Geschäftsbericht, 92/1999, S.28.8
[9] Vgl. SPJ 1998, S. 120. Zur Volksabstimmung siehe oben, Teil I, 1a (Totalrevision der Bundesverfassung).9
[10] Vgl. SPJ 1998, S. 119 ff. Diese Neuerungen wären über die mit der Totalrevision angestrebte Verfassungsnachführung hinausgegangen.10
[11] Amtl. Bull. StR, 1999, S. 217 ff. und 598; Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1218 ff. und 1402 f.; NZZ, 18.6.99; Presse vom 19.6.99. Zur Solidaritätsstiftung siehe auch oben, Teil I, 1a (Grundfragen) und SPJ 1998, S. 17.11
[12] BBl, 1999, S. 7258 ff. Zum Notenbankartikel in der am 18. April angenommenen neuen Bundesverfassung siehe oben sowie SPJ 1998, S. 120.12
[13] Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2026 ff., 2505 ff. und 2679; Amtl. Bull. StR, 1999, S. 1040 ff. und 1204; BBl, 2000, S. 90 ff.13
[14] BBl, 1999, S. 5569 ff.; AZ, 23.4.99; TA, 26.4.99; Bund, 21.8.99. Vgl. SPJ 1998, S. 121. Siehe dazu auch oben, Teil I, 1a (Grundsatzfragen).14
[15] BZ, 23.4.99.15
[16] SNB, Geschäftsbericht, 92/1999, S. 45; AZ und BaZ, 28.9.99.16