Année politique Suisse 2003 : Infrastructure, aménagement, environnement / Sol et logement
Wohnungsbau und -eigentum
Eine Auswertung der Gebäude- und Wohnungserhebung des Bundesamtes für Statistik (BFS) im Rahmen der Volkszählung 2000 ergab eine
Zunahme der Wohnungs- und Hausbesitzer zwischen 1990 und 2000 um drei Prozentpunkte auf 34,6%; dieser Zuwachs lässt sich vor allem auf den Aufschwung beim Stockwerkeigentum zurückführen. Trotzdem bleibt die Schweiz ein Volk von Mieterinnen und Mietern: 3,96 Mio Menschen (58% der Gesamtbevölkerung, 1990: 61%) lebten in Miet- und Genossenschaftswohnungen. Mit durchschnittlich 44m2 pro Person stieg der Platzbedarf seit 1990 um 5m2 an
[13].
Zum fünften aufeinander folgenden Mal ging die Zahl der Leerwohnungen zurück. Am Stichtag 1. Juni 2003 standen 31 300 Miet- und Eigentumswohnungen sowie Einfamilienhäuser leer. Die
Leerwohnungsziffer
sank erstmals seit zehn Jahren wieder unter die kritische Grenze von 1%; sie betrug
0,91%. Das BFS begründete den anhaltenden Rückgang des Leerwohnungsbestandes nachfrageseitig durch die Bevölkerungsentwicklung und angebotsseitig durch den geringeren Neubau von Wohnungen. Am grössten war die Wohnungsknappheit wie bereits im letzten Jahr in den Kantonen Genf (0,17%), Zug (0,3%) und Zürich (0,35%). Über die meisten Leerwohnungen verfügten Thurgau (2%), Appenzell-Ausserrhoden (2,03%) und Glarus (2,71%)
[14].
In seiner Antwort auf eine Einfache Anfrage Hegetschweiler (fdp, ZH) zur
Leerwohnungszählung führte der Bundesrat aus, dass das Bundesamt für Wohnungswesen, kantonale Amtsstellen, Forschungsinstitute, Planer, Banken und Investoren die Ergebnisse benutzten, um den Immobilienmarkt in der Schweiz zu analysieren. Die Gesamtkosten der jährlichen Zählungen beliefen sich auf etwa 50 000 Fr. Der Bundesrat sei bereit zu prüfen, ob die heutige Leerwohnungszählung mittelfristig durch eine IT-Lösung ersetzt oder ergänzt werden oder allenfalls aussagekräftiger gestaltet werden könne
[15].
Ende Februar forderten die Gewerkschaft Bau und Industrie, der Mieterinnen- und Mieterverband und der Verband für Wohnungswesen ein
Impulsprogramm im Wohnungsbau. Konkret verlangten sie die Aufstockung des Rahmenkredits für das WFG um 160 Mio Fr., Zugang zu subventionierten Wohnungen auch für Haushalte mit mittleren Einkommen sowie mehr Investitionen von Pensionskassen in den Wohnungsmarkt
[16].
Im Frühling behandelte die
grosse Kammer als Zweitrat die Vorlage zur Förderung von preisgünstigem Wohnraum. Erfolglos beantragte eine Mehrheit der SVP-Fraktion Nichteintreten, um die Bundesfinanzen zu entlasten; zudem zweifelte sie an der Wirksamkeit des Wohnraumförderungsgesetzes (WFG) als Mittel zur breiteren Streuung des Eigentums. Ein Eventualantrag Laubacher (svp, LU), der die Vorlage an die Kommission zurückweisen wollte mit der Begründung, es handle sich um eine Sozialgesetzgebung, die mit dem Verfassungsauftrag zur Wohneigentumsförderung nichts zu tun habe, scheiterte ebenfalls. In der Detailberatung des WFG verlangte Valérie Garbani (sp, NE), dass der Bund nach Ablauf der Bundeshilfe nötigenfalls Massnahmen zur Milderung des Übergangs von der subventionierten zur freien Miete treffen könne. Obschon Kommissionssprecher und Bundesrat den Antrag unterstützten, wurde er mit 83:54 Stimmen abgelehnt. Das Gesetz passierte die Gesamtabstimmung mit 106:40 Stimmen. Beim Bundesbeschluss über die Rahmenkredite forderte Rennwald (sp, JU) für die Finanzierung von Darlehen eine Erhöhung von 496 auf 650 Mio Fr., Pelli (fdp, TI) hingegen eine Kürzung auf 300 Mio Fr.; beide Anträge wurden verworfen. In der Gesamtabstimmung verpasste der Kredit mit lediglich einer Stimme das für die Ausgabenbremse erforderliche qualifizierte Mehr. Beim Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz (WEG) schloss sich der Nationalrat diskussionslos der Version des Ständerates an
[17].
In der
Differenzbereinigung stimmte der Ständerat knapp einem Antrag Spoerry (fdp, ZH) zu und kürzte den Rahmenkredit für die Wohnraumförderung auf 300 Mio Fr. Der Nationalrat billigte ebenfalls nur mit knappem Mehr einen Kompromissantrag seiner Kommission von 400 Mio. Fr., der jedoch das Quorum der Ausgabenbremse erneut verfehlte. Da die kleine Kammer weiterhin an ihrer Kürzung festhielt, schloss sich ihr der Nationalrat an. In der Schlussabstimmung hiess der Ständerat das WFG mit 29:5 und das WEG mit 24:8 Stimmen gut; der Nationalrat verabschiedete die beiden Gesetze mit 132:53 resp. 123:58 Stimmen gegen die Mehrheit der SVP. Im Rahmen des Entlastungsprogramms 2003 strich das Parlament auf Antrag des Bundesrates die im WFG vorgesehenen Direktdarlehen von 15 Mio Fr.
[18].
Im Anschluss an die Behandlung des WFG überwies der Nationalrat zwei Postulate seiner WAK: Der erste Vorstoss beauftragte den Bundesrat, Grundlagen zu erarbeiten, welche den
Übergang von der Objekt- zur Subjekthilfe bei der Wohnraumförderung ermöglichen sollen, der zweite verlangte, im Budget Bundesbeiträge für die Einhaltung von
Minergie-Standards für Bauten vorzusehen, die im Rahmen des WFG erstellt werden
[19].
Im Frühjahr hielt der Ständerat bei der Wohneigentumsbesteuerung an seiner Absicht fest, den Eigenmietwert auf 60% des Marktwerts zur reduzieren; der Nationalrat hingegen beharrte auf der Aufhebung der Eigentumsbesteuerung. In der letzten Runde des
Differenzbereinigungsverfahrens schloss sich die kleine Kammer mit 23:20 Stimmen der Version des Nationalrats an und entschied sich für den
Systemwechsel bei der Eigenmietwertbesteuerung; die Mehrheit des Ständerates hatte das Risiko einer Nulllösung bei der Einigungskonferenz oder eines Scheiterns des ganzen Steuerpakets nicht eingehen wollen. Der anschliessende Ordnungsantrag von Kommissionspräsident Schiesser (fdp, GL), das Geschäft nach diesem Grundsatzentscheid an die Kommission zurückzuweisen, um die finanzpolitischen Auswirkungen zu überprüfen, wurde knapp abgelehnt. Bei den Liegenschaftskosten schloss sich die kleine Kammer der nationalrätlichen Variante an und nahm im Vergleich zum Bundesrat zusätzliche Steuerausfälle von 70 Mio Fr. in Kauf. Beim Schuldzinsabzug folgte sie der Vorlage des Bundesrats, ebenfalls beim Bausparen, wo sie sich, mit Stichentscheid des Präsidenten, für das Modell im Rahmen der Säule 3a aussprach – der Nationalrat hatte das basellandschaftliche Modell vorgezogen
[20].
In der
Einigungskonferenz setzten sich die nationalrätlichen Positionen durch: Schuldenabzüge für Ersterwerber von 7500 Fr. für Einzelpersonen resp. 15 000 Fr. für Ehepaare, Bausparen nach dem basellandschaftlichen Modell sowie Inkrafttreten des Systemwechsels auf 2008. Im Nationalrat plädierte SP-Fraktionschefin Fässler (SG) vergeblich für die Ablehnung des Antrags der Einigungskonferenz. Das Steuerpaket habe Entlastungen für Familien mit Kindern versprochen. Die Steuererleichterungen von 1,2 Mia Fr. kämen jedoch zu zwei Dritteln jenen rund 10% der Haushalte zugute, die über mehr als 100 000 Fr. steuerbares Einkommen verfügen, also genau jenen Personen, die nicht darauf angewiesen seien. Finanzminister Villiger hielt fest, dass der Bundesrat den Systemwechsel weg vom Eigenmietwert befürwortet habe. Die zusätzlichen Abzugsmöglichkeiten seien aber finanzpolitisch übertrieben und von der Steuergerechtigkeit her fragwürdig. Diesen Teil des Steuerpakets könne der Bundesrat nicht mittragen. Beide Räte nahmen den Antrag der Einigungskonferenz an. Das Steuerpaket passierte die Schlussabstimmung im Nationalrat mit 97:69 Stimmen (gegen die Voten von SP, Grünen und EVP), der Ständerat verabschiedete die Vorlage unter Namensaufruf mit 30:13 Stimmen und 2 Enthaltungen
[21].
Der Schweizerische Hauseigentümerverband zeigte sich über das Ja des Parlaments zum Steuerpaket befriedigt und sistierte die geplante Lancierung eigener Volksinitiativen im Bereich des Bausparens und der Eigenmietwertbesteuerung
[22]. Die kantonalen Finanzdirektoren hingegen lehnten die Steuerreform ab. Einen reinen Systemwechsel hätten sie unterstützt, nicht jedoch das nun vorliegende Modell, das trotz Abschaffung des Eigenmietwerts weiterhin grosszügige Abzüge für Unterhaltskosten und Schuldzinsen erlaubt. Die entsprechenden Steuerausfälle seien für die Kantone nicht tragbar. In der Folge reichten die Regierungen resp. Parlamente von Bern, Graubünden, Solothurn, Basel-Stadt, Glarus, Jura, Schaffhausen, Wallis, Obwalden, Sankt Gallen und Waadt
erstmals in der Geschichte des Bundesstaates ein
Kantonsreferendum ein. Da das Zustandekommen des Kantonsreferendums bis im September unklar war, reichte ein links-grünes Komitee ebenfalls das Referendum gegen das Steuerpaket ein
[23].
Als Reaktion auf die Vorbehalte des Bundesrats zum Steuerpaket wegen der Wohneigentumsbesteuerung überwies der Ständerat gegen den Antrag der Regierung eine Empfehlung von Helen Leumann (fdp, LU). Diese forderte den
Bundesrat auf, das
Steuerpaket in der bevorstehenden Volksabstimmung aktiv zu unterstützen, namentlich im Bundesbüchlein. In seiner Stellungnahme betonte der Bundesrat, er halte die Beschlüsse des Parlaments zur Wohneigentumsbesteuerung, das bei den Abzügen für Unterhaltskosten und für Schuldzinsen zulasten der Steuereinnahmen weit über die Anträge des Bundesrates hinausgegangen sei, verfassungsrechtlich, finanzpolitisch sowie aus föderalistischer Sicht für äusserst problematisch. Da das Parlament gegen den Antrag des Bundesrates die drei einzelnen Vorlagen des Steuerpakets miteinander verknüpft habe, sei eine differenziertere Haltung weder für den Bundesrat noch für das Volk möglich. In den Abstimmungserläuterungen werde der Bundesrat den Standpunkt des Parlamentes objektiv und vollständig zum Ausdruck bringen und die Annahme der Vorlage beantragen, aber gleichzeitig auf seine divergierende Meinung in Bezug auf die den Systemwechsel flankierenden Massnahmen bei der Wohneigentumsbesteuerung hinweisen
[24].
[13] Presse vom 12.9.03;
BZ, 30.9.03.
[14] Presse vom 30.9.03. In den Zahlen des BFS nicht enthalten ist der Kanton Tessin, wo eine Änderung der Erbebungsmethode einen Einbruch in der Statistik bewirkte.
[15]
AB NR, 2003, S. 2138 und Beilagen V, S. 287; vgl. auch Mo 03.3383 desselben Parlamentariers.
[16]
Bund und
BZ, 26.2.03.
[17]
AB NR, 2003, S. 208 ff. und 288 ff.;
SPJ 2002, S. 168.
[18]
AB SR, 2003, S. 227 ff., 316 und 371;
AB NR, 2003, S. 373 ff., 443 f. und 519;
BBl, 2003, S. 2869 ff., 2883 f. und 5983. Ausführlich zum Entlastungsprogramm 2003 siehe oben, Teil I, 5 (Sanierungsmassnahmen).
[19]
AB NR, 2003, S. 296 und Beilagen I, S. 246 f. Die Behandlungsfrist der Pa. Iv. de Dardel (sp, GE), welche einen besseren Schutz von Konsumentinnen und Konsumenten bei den Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien verlangt, wurde verlängert (
AB NR, 2003, S. 2116;
SPJ 2001, S. 154).
[20]
AB SR, 2003, S. 233 ff. und 398 ff. (insbesondere S. 244 ff. und 399 ff.);
AB NR, 2003, S. 707 ff. (insbesondere S. 716 ff.); Presse vom 9.5. und 4.-7.6.03.
[21]
AB NR, 2003, S. 981 ff. und 1243;
AB SR, 2003, S. 606 ff. und 715;
BBl, 2003, S. 4498 ff. (insbesondere S. 4507 ff.); Presse vom 14.6., 18.6. und 21.6.03.
[22] Presse vom 23.6.03;
SPJ 2002, S. 169.
[23]
BBl, 2003, S. 7056 f. und 7269 f.; Presse vom 21.6., 4.7., 17.9., 25.9., 4.10., 10.10. und 28.10.03.
[24]
AB SR, 2003, S. 1131 ff.; vgl. auch das gleich lautende Postulat 03.3563 von NR Hegetschweiler (fdp, ZH); Presse vom 6.11.03;
BaZ, 20.11.03.
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