Année politique Suisse 2003 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche
 
Forschung
In seiner Maisession sorgte der Nationalrat während den Beratungen der Botschaft zur Förderung von Bildung, Forschung und Technologie (BFT) [61] für etliche Spannung. Am ersten Verhandlungstag sah es noch so aus, als ob der Rat einen Zahlungsrahmen von 16,866 Mia Fr. bewilligen würde, was einem jährlichen Ausgabenwachstum von 5% in diesem Bereich gleichgekommen wäre. Eine Woche zuvor hatte der Bundesrat im Rahmen seines Entlastungsprogramms (EP), das Einsparungen im Umfang von 3,3 Mia Fr. vorsah, ein Wachstum von nur 4% im BFT-Bereich vorgeschlagen [62]. Die grosse Kammer entschied dann aber mit einem Mehr von 80:76 Stimmen, einer Kommissionsminderheit zu folgen und die Botschaft von der Kreditsperre vollständig auszunehmen bzw. die Maximalvariante eines Wachstums von 6% zu bevorzugen. Ein Antrag der SVP auf eine Reduktion des Wachstums auf 4% bzw. auf Rückweisung der Vorlage wurde abgelehnt. Die SVP hatte vor allem bei der vom Nationalfonds finanzierten Grundlagenforschung sparen wollen – und zwar mit deren Beschneidung um einen Viertel. Zwei Motionen wurden von der grossen Kammer überwiesen – mit der einen verlangte die nationalrätliche WBK, den BFT-Bereich vom Sparpaket II auszunehmen, mit der anderen wollte eine Minderheit der WBK (Anita Fetz) die Bildungsausgaben sowohl vom Sparpaket als auch von der Kreditsperre verschonen bzw. das BFT-Wachstum bei 6% belassen.
Darin sah eine Mehrheit des Ständerats einen Widerspruch. Sie hiess zwar die WBK-Motion (Sparpaket) gut, lehnte hingegen die Motion der Kommissionsminderheit (Kreditsperre) ab. Den BFT-Bereich vom Sparpaket auszunehmen, schien der Ratsmehrheit als Zukunftsinvestition akzeptabel, nicht aber die Ausnahme von der Kreditsperre. Auch der Bildungs- und Forschungsbereich habe einen Beitrag zur Sanierung der Bundesfinanzen zu leisten. Aus diesen Gründen befürwortete die kleine Kammer denn auch ein Wachstum von 5% im BFT-Bereich und lehnte mit 27:9 Stimmen ein Wachstum von 6% ab. Im weiteren verdoppelte der Ständerat die Betriebsbeiträge an die FHS auf 80 Mio Fr. – der Bundesrat hatte 40 Mio Fr. eingeplant. Vorgesehen wurde das Geld für die Integration der GSK-Studiengänge in die FHS (siehe oben, Fachhochschulen). Je hälftig sollte es bei der Forschungsförderung und der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) eingespart werden. Eine weitere Differenz zur grossen Kammer schuf der Ständerat beim Programm Innovation und Valorisierung des Wissens, indem er dessen Streichung mit 24:14 Stimmen ablehnte. Schliesslich entstand auch hinsichtlich des Universitätsförderungsgesetzes (UFG) eine Differenz, weil der Ständerat darin den Passus strich, wonach die zusätzlichen Mittel schwerpunktmässig zur Verbesserung der Betreuungsverhältnisse in den Geistes- und Sozialwissenschaften einzusetzen seien. Das Problem an sich wurde nicht dementiert, wohl aber die Notwendigkeit, diese Priorität im Gesetz zu verankern [63].
In zweiter Lesung glich sich der Nationalrat der kleinen Kammer an und akzeptierte seinerseits die Kreditsperre und die 5%-Wachstum-Version. Im Rahmen der Differenzbereinigung zum UFG bewilligte er noch einen Antrag Bangerter (fdp, BE) auf Schaffung einer Wirtschaftsvertretung in der Schweizerischen Universitätskonferenz (SUK), passte sich dann aber in einem dritten Anlauf dem Ständerat an und verzichtete auf eine solche Wirtschaftsvertretung. Gegen Ende des Berichtsjahres mutierte dann die Debatte vor dem Hintergrund des EP zum wahren Prozentsalat. Das von beiden Kammern beschlossene jährliche Wachstum von 5% kam wieder ins Wanken, denn gemäss den vom Bundesrat verlangten Einsparungen hätte dieses auf 4,5% bzw. 4% schrumpfen sollen – auf 4%, weil das EP auf anderen Zahlen basierte als die BFT-Botschaft. Um das ursprünglich beschlossene 5%-Wachstum halten zu können, war im Rahmen des EP ein 5,5%-Wachstum zu verteidigen. Dies tat denn auch Nationalrat Randegger (fdp, BS) mit einem Einzelantrag auf Halbierung des BFT-Sparvolumens und setzte sich in der grossen Kammer damit durch. In der Wintersession hiess die grosse Kammer einen Kompromissvorschlag Riklin (cvp, ZH) gut, wonach die BFT-Mittel im Vergleich zum Finanzplan um 296 Mio gekürzt werden sollten, was einem jährlichen Wachstum von ca. 5,2% entsprochen hätte. Schliesslich setzte sich in der Einigungskonferenz wiederum der Ständerat mit seiner Version eines jährlichen Ausgabenwachstums von 4,8% durch (siehe auch oben, Teil I, 5, Sanierungsmassnahmen) [64].
Vier gleichlautende Motionen Gadient (svp, GR), Müller-Hemmi (sp, ZH), liberale und grüne Fraktion, welche eine jährliche Erhöhung des BFT-Kredits um mindestens 6,5% verlangt hatten, wurden allesamt zurückgezogen. Dank des gemeinsamen Drucks habe die BFT-Botschaft mit einem ansehnlichen Wachstum verabschiedet werden können – was die Motionen obsolet mache. Nicht obsolet geworden sei hingegen der gemeinsame Einsatz für Investitionen in Bildung und Forschung als prioritäre Aufgabe auch in den nächsten vier Jahren, meinte die Motionärin Müller-Hemmi [65].
Klar war im Laufe der Debatte zur BFT-Botschaft geworden, dass auch diese nichts am grundsätzlichen Problem ändere, dass sich die finanz- und bildungspolitischen Kompetenzverteilungen in der Schweizer Bildungslandschaft selten deckten. Statt dem Motto „wer zahlt, befiehlt“ gelte bei den Universitäten „Bund zahlt, Kantone zeichnen für Organisation und Schwerpunktsetzung verantwortlich“. Umgekehrt sei es in der Berufsbildung und bei den Fachhochschulen den Kantonen überlassen zu zahlen, während der Bund die Vorgaben mache [66]. Die ganze Debatte zur BFT-Botschaft zeigte, dass der Dialog zwischen den diversen betroffenen und miteinander komplex verflochtenen Partner zum Teil sehr schlecht funktioniert. Der Nationalrat überwies aus diesem Grund eine Motion seiner WBK, die eine Institutionalisierung des Gesprächs zwischen allen Akteuren des BFT-Systems bzw. ein „Neues Denken“ in diesem Bereich forderte, das insbesondere in finanziellen Belangen Unklarheiten und Streit über Zahlengrundlagen vermeiden helfen könnte. Die Motion wurde vom Ständerat nur als Postulat überwiesen [67].
Mit der Überweisung eines Postulats Riklin (cvp, ZH) beauftragte der Nationalrat den Bundesrat mit der Ausarbeitung eines Berichts betreffend eine Gesamtstrategie für die schweizerischen Forschungsinstitutionen. Aufgaben und Stellung der Forschungsinstitutionen im ETH-Bereich seien Gegenstand einer Überprüfung, nicht aber die anderen Bundesforschungsanstalten (u.a. Landwirtschaftliche Forschungsanstalten, Institut für Viruskrankheiten und Immunprophylaxe). Eine kohärente Strategie des Bundes für “seine“ Forschungsanstalten bedürfe jedoch dringend einer Gesamtsicht [68].
Der Nationalrat überwies ein Postulat Fässler (sp, SG), das einen Bericht über die nachhaltige Stärkung der Produktion und Vermarktung an Schweizer Hochschulen forderte. Im Gegensatz zur Forschung und Entwicklung an Hochschulen und FHS werde der Bereich Produktion und Vermarktung vernachlässigt – obwohl Schweizer Universitäten Produkte und Ideen entwickelten, die es oft bis zur Patentierung brächten. Damit sei eine hohe Ressourcenverschwendung und ein Verlust an Wissen verbunden [69].
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Forschungsprogramme und -gelder
Der Nationalrat überwies ein Postulat seiner WBK zur Schaffung von Transparenz in der Wissenschafts- und Forschungsfinanzierung. Damit wurde der Bundesrat beauftragt, darüber zu berichten, wie eine für alle vom Bund mitfinanzierten Institutionen im Hochschulbereich einheitliche Regelung zur Herstellung vollständiger Transparenz über die von Privaten finanzierten oder mitfinanzierten Forschungsprojekte, -programme, Lehrstühle und Institute zu erreichen wäre [70].
Der Bundesrat sah Investitionen von 33 Mio Fr. für drei rund fünfjährige Nationale Forschungsprogramme (NFP) vor. Das erste soll Grundlagen für die Beachtung der Nachhaltigkeit im Bauwesen sowie in der Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung zuhanden der öffentlichen Hand und der Wirtschaft liefern; das zweite untersucht Beschwerden im menschlichen Bewegungsapparat, um Hinweise für Präventionsmassnahmen zutage zu fördern; das dritte Programm schliesslich geht unter dem Titel „Sprachenvielfalt und Sprachkompetenz in der Schweiz“ dem Verständnis zwischen den Sprachregionen und der Nutzung von Sprachkompetenzen nach [71].
Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) startete eine zweite Ausschreibung Nationaler Forschungsschwerpunkte (NFS). Dabei waren 30 Mio Fr. ausschliesslich für die Geistes- und Sozialwissenschaften vorgesehen, nachdem in einer ersten Ausschreibung nur zwei Projekte aus diesen Disziplinen berücksichtigt worden waren. Eine vom Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) in der Folge durchgeführte Studie attestierte den Geistes- und Sozialwissenschaften einen guten Qualitätsstand, jedoch ungenügende Mittel, prekäre Betreuungsverhältnisse und eine Tendenz zur Verzettelung. Von den neuen NFS erhoffte sich der Nationalfonds nun eine Bündelung der Kräfte sowie eine intensivierte Nachwuchsförderung [72]. Beide Kammern überwiesen eine Motion der nationalrätlichen WBK, welche die Förderung des Nachwuchses an den Universitäten, die kritische Überprüfung von Forschungs- und Entwicklungskrediten ausserhalb des BFT-Bereiches sowie die Einführung einer Qualitätssicherung bei der zumeist von den Departementen initiierten Ressortforschung verlangt [73].
Nachdem die Verhandlungsdelegationen die Beratungen des neuen Forschungsabkommens zwischen der Schweiz und der EU im Sommer abgeschlossen sowie paraphiert hatten, gab der Bundesrat Ende Jahr grünes Licht für die Unterzeichnung des Abkommens und verabschiedete eine entsprechende Botschaft an das Parlament. Das bis 2006 geltende Abkommen sichert gleiche Beteiligungsrechte bzw. die gleichberechtigte wissenschaftliche und technologische Mitarbeit der Schweiz am 6. Rahmenprogramm der EU. Dafür wird die Schweiz jährlich zwischen 200 und 220 Mio Fr. bezahlen. Eine provisorische Anwendung des Abkommens, das noch von den Eidgenössischen Räten sowie vom Europäischen Parlament genehmigt werden musste, wurde auf 1. Januar 2004 vereinbart [74]. Der Bundesrat setzte zudem die angepassten rechtlichen Grundlagen zur schweizerischen Teilnahme an den EU-Bildungsprogrammen (Bereiche Bildung, Berufsbildung, Jugendprogramme und Mobilitätsförderung) auf den 1. Januar 2004 in Kraft. Die Schweiz wird sich voraussichtlich bis in das Jahr 2006 indirekt an diesen Programmen beteiligen – eine offizielle Beteiligung wird mittels bilateraler Abkommen im Hinblick auf die 2007 beginnenden Programme der nächsten Generation angestrebt [75].
Mit der Aufstockung der Mittel im BFT-Bereich war auch eine verstärkte Präsenz der Schweiz auf internationaler Ebene angestrebt worden. Zu diesem Zwecke wurde gegen Ende des Berichtsjahres in San Francisco das neue Haus der Schweizer Wissenschaft Swissnex als Produkt einer Zusammenarbeit des Innen- und Aussenministeriums (EDI und EDA) eröffnet. Swissnex sollte in den vier Bereichen Wissenschaft/Ausbildung, Technologie, Innovation und Kunst tätig werden und stand für den erfolgreichen Aufbau von Spezialisten-Netzwerken aus der Schweiz und dem westlichen Teil Nordamerikas sowie für eine Finanzierungs-Synthese von öffentlicher Hand und privaten Geldgebern. Nach den Schweizer Häusern in Boston und Washington war Swissnex das dritte Projekt zur Förderung der Schweizer Präsenz in Nordamerika. Geplant waren ähnliche Projekte in China und Indien [76].
Um mehr Informationen über Akteure und Themen im Bereich der Forschung über Bildung zu erlangen, überwies der Nationalrat ein Postulat Simoneschi (cvp, TI) und beauftragte den Bundesrat mit der Erarbeitung eines Berichts über die Forschung im Bildungsbereich [77].
Der Nationalrat lehnte ein Postulat Riklin (cvp, ZH) ab, welches die Finanzierung von internationalen Forschungssekretariaten in Schwerpunktbereichen der Schweizer Forschung angeregt hatte. Solche Forschungssekretariate haben die Verstärkung der Zusammenarbeit in zentralen Forschungsbereichen wie Klimaänderung, Nutzung von Wasserressourcen, Technologietransfer, nachhaltige Entwicklung oder grossräumige Veränderungen der Landnutzung zum Ziel und leisten Synthesearbeiten zu Forschungsergebnissen in einem interdisziplinären Umfeld. Wie bei anderen Förderaufgaben, hielt der Bundesrat fest, seien auch bei internationalen Forschungssekretariaten Prioritäten zu setzen bzw. klare Anforderungen zu stellen, zumal es sich bei diesen um langfristige Engagements handle. Zudem sei zur Klärung, Beurteilung und Entscheidung der Projekte aus wissenschaftlicher Sicht klar der SNF und nicht die Akademien zuständig, wie dies im Postulat vorgeschlagen worden war [78].
Die Motion Graf (gp, BL) zur Förderung einer unabhängigen Toxikologie-Forschung in der Schweiz wurde vom Ständerat als Zweitrat in ein Postulat umgewandelt und überwiesen. Der Bundesrat wird darin aufgefordert, einen Bericht darüber vorzulegen, wie in Zukunft die unabhängige Lehre, Forschung und Information, die Förderung von Kapazitäten und Nachwuchs sowie deren Finanzierung in den verschiedenen Bereichen der Toxikologie gewährleistet werden können [79].
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Gentechnologie
Zu gentechnisch veränderten Lebensmitteln und insbesondere zum Gentech-Moratorium in der Landwirtschaft siehe oben, Teil I, 4c (Produits alimentaires).
Die im Vorjahr geführte Monsterdebatte zur Gen-Lex zeigte im Berichtsjahr Früchte: Die Basis für die Suche nach Kompromissen war gelegt, und nach einigen Anläufen konnte das Gesetz auch verabschiedet werden. Vorerst folgte der Nationalrat seiner WBK, welche wiederholt die Notwendigkeit eines Schutzes der GVO-freien Landwirtschaft betont hatte, und sprach sich im Gegensatz zum Ständerat mit 85:74 Stimmen für einen sogenannten Schutzartikel aus, der den Schutz der Anbauflächen jener Bauern schützen soll, welche weiterhin auf landwirtschaftliche Produkte ohne GVO setzen. Eine Minderheit der Kommission hatte in diesem Schutzartikel eher einen Marketingartikel gesehen, der weder Menschen noch Umwelt noch Tiere schütze, sondern lediglich eine landwirtschaftliche Produktegattung protegiere. Beim so genannten Zweckartikel konnte ein Kompromiss zwischen der ursprünglichen Haltung des Nationalrats für eine Förderung der wissenschaftlichen Forschung und derjenigen des Ständerats für eine blosse Ermöglichung der wissenschaftlichen Forschung gefunden werden. Die grosse Kammer stimmte einer von ihrer WBK mit 12:11 Stimmen gutgeheissenen Kompromissformulierung zu, wonach das Gesetz „insbesondere der Bedeutung der wissenschaftlichen Forschung im Bereich der Gentechnologie für Mensch, Tier und Umwelt Rechnung tragen“ soll. Auch das Verbandsbeschwerderecht fand erst in einem zweiten Anlauf mit 92:77 Stimmen die Zustimmung des Nationalrats – mit flammender Unterstützung des Umweltministers Leuenberger und gegen vornehmlich bürgerlichen Widerstand, der im Verbandsbeschwerderecht ein „neues Sonderrecht“ „ideeller Organisationen“ sah, das die Gen-Lex zum „Verhinderungsgesetz“ umfunktionieren werde. Der Ständerat lenkte schliesslich in der Frage nach dem Schutz von Anbauflächen für Agrarprodukte ohne GVO ein, folgte dem Nationalrat in seiner Befürwortung des „Schutzartikels“ und machte damit das Gesetz bereit für die Schlussabstimmung. Der Bundesrat genehmigte Ende November die vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal) vorgenommenen Anpassungen entsprechender Verordnungen, so dass das Gesetz auf den 1. Januar 2004 in Kraft gesetzt werden konnte [80].
Im Rahmen der jüngsten vom GfS-Forschungsinstitut durchgeführten Gentechnik-Umfrage wurde die naheliegende Annahme bestätigt, dass eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung Gentechnik im Bereich der Landwirtschaft – das heisst deren direkte Anwendung auf Lebensmittel und Konsumgüter – ablehnt, hingegen eine Mehrheit Gentechnik in der medizinischen Anwendung und damit auch im Bereich der Stammzellenforschung befürwortet. Die von der Interpharma, dem Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz, in Auftrag gegebene Umfrage zeigte eine der Gentechnologie gegenüber ganz allgemein zunehmend ablehnende Tendenz auf (im Berichtsjahr 53% der Stimmberechtigten; 1998: 33%). Dabei waren die kritischen Stimmen zu differenzieren. Wenn die Anwendung der Gentechnik in der Landwirtschaft von 67% der Befragten abgelehnt wurde, fand deren Anwendung in der Medizin bei 52% Zustimmung. Offensichtlich war, dass angesichts von Tod und Krankheit gentechnologische Eingriffe in das Leben als lebenserhaltende oder -verlängernde Massnahmen angesehen wurden, hingegen die Anwendung von Gentechnik auf landwirtschaftliche Konsumgüter als Manipulation sogenannt natürlicher Produkte [81].
Die eidgenössische Ethikkommission für die Gentechnik im Ausserhumanen Bereich (EKAH) legte im Frühjahr einen Bericht zu gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln sowie zu deren Inverkehrbringung vor. Dabei kritisierte sie insbesondere den ungenügenden Täuschungsschutz bzw. die ungenügende „wahrheitsgemässe“ Information über gentechnisch veränderte Anteile von Produkten. Im weiteren erachtete es eine Mehrheit der EKAH als zentral, dass der Staat angesichts des (noch) ungenügenden Wissens über mögliche Gefahren von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) das Vorsorgeprinizip walten lasse – wobei ein sogenannt schwaches Vorsorgeprinzip als genügend erachtet wurde. Demnach soll der Staat im Umweltbereich bereits bei Gefahrenverdacht Massnahmen ergreifen, im Falle aber des Nichtwissens auch „riskantes“ Handeln prinzipiell erlauben dürfen [82].
Eine parlamentarische Initiative der grünen Fraktion für die Einrichtung gemischter Studien- und Forschungskommissionen zur Vorbereitung sensibler Themen wie die Gentechnik- , Stammzellen- und Embryonenforschung wurde vom Nationalrat abgewiesen. Die Grüne Fraktion hatte gemäss Vorbild der Enquete-Kommissionen im Deutschen Bundestag gemischte – aus Parlamentsmitgliedern, Wissenschaftlern und Fachleuten zusammengesetzte – Gremien gewünscht, um hochstehende Debatten, einen transparenten Informationsaustausch über die Pros und Kontras sowie parteiübergreifende Lösungen für Probleme von solch grosser Tragweite zu garantieren. Die Mehrheit der zuständigen Kommission hielt jedoch diese Gremien nur für ein Berufsparlament geeignet. Die Doppelbelastung durch Mandat und Beruf sei dermassen hoch, dass die Einsitznahme in eine derartige Kommission den meisten Parlamentsmitgliedern nicht zugemutet werden könne [83].
Im Februar schien die ETH mit ihrem Gesuch für einen Freisetzungsversuch von genverändertem Weizen in Lindau (ZH) endlich Erfolg zu haben. Das Gesuch wurde im zweiten Anlauf vom Buwal als Bewilligungsinstanz für Freisetzungsversuche gutgeheissen. Der Beschwerde eines Bauernehepaars, das in der Nähe der Versuchsanlage einen IP-Bauernhof führte, hatte das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) die aufschiebende Wirkung entzogen. Dieser Entscheid wurde umgehend von der Umweltorganisation Greenpeace, dem Verband der integriert produzierenden Landwirte, IP Suisse und lokalen Beschwerdeführern aus Lindau beim Bundesgericht angefochten. Da sowohl dem Uvek als auch dem Buwal verfahrensrechtliche Fehler unterlaufen seien, beschloss das Bundesgericht, die aufschiebende Wirkung der privaten Beschwerde wiederherzustellen und damit das Verfahren für den Versuch von Grund auf neu aufrollen zu lassen [84]. Die ETHZ hielt in der Folge an ihrem Gesuch fest, so dass das Buwal den Versuch im Juli neu ausschrieb. Greenpeace sowie die Arbeitsgruppe „Lindau gegen Gentech-Weizen“ kündigten ihrerseits erneuten Widerstand gegen den Versuch durch alle Instanzen an. Im Oktober bewilligte das Buwal den Versuch noch einmal. Gemäss Buwal-Direktor Philippe Roch hegte das Amt zwar Bedenken hinsichtlich der Qualität des Versuchs, doch sei es nicht Aufgabe des Bundesamts, den Nutzen eines Experiments zu beurteilen. Das Buwal habe in diesem Fall einzig Sicherheitsaspekte zu klären gehabt und habe die Bewilligung des Versuchs auch dementsprechend an strenge Sicherheitsauflagen geknüpft. So seien während der Blühphase die transgenen Pflanzen pollendicht abzudecken, sei die Freisetzungsfläche gegen das Eindringen von Vögeln und Nagetieren abzusichern und sei nach Versuchsende das gentechnisch veränderte Pflanzenmaterial zu vernichten sowie der Boden thermisch zu behandeln. Die ETHZ zeigte sich von der Verfügung des Buwal erleichtert, obwohl die Durchführung des Versuchs nach wie vor in den Sternen stand, da Greenpeace unmittelbar darauf die erneute Anfechtung des Entscheids beim Uvek ankündigte [85].
 
[61] BBl, 2003, S. 2363 ff.; vgl. SPJ 2002, S. 266.
[62] BBl, 2003, S. 5615 ff. (Botschaft Entlastungsprogramm).
[63] Motionen Sparpaket und Kreditsperre: AB NR, 2003, 583 ff.; AB SR, 2003, S. 708 ff. Siehe auch TG, 14.1.03; NZZ, 14.1., 14.2., 6.5. und 10.5.03; Presse vom 23.5.03. Um die Förderung der KTI auf eine neue rechtliche Grundlage zu setzen, überwies der Nationalrat ein Postulat seiner WBK. Dieses fordert für die KTI – die für die angewandte Forschung jenes seien, was der Schweizerische Nationalfonds für die Grundlagenforschung – unter anderem die Unabhängigkeit von der Verwaltung und transparente Verfahren sowie klare Kriterien für die Projektfinanzierung (AB NR, 2003, S. 570).
[64] BBl, 2003, S. 6685 (Änderung UFG), 6689 (Teilrevision Forschungsgesetz), 6871 (Kredite ETH-Bereich), 6885 f. (Kredite nach UFG), 6887 f. (Finanzierung FHS), 6889 f. (Kredite Institutionen der Forschungsförderung), 6891 (Finanzierung KTI), 6893 f. (Kredite des Bundes nach Forschungsgesetz), 6895 (Finanzierung Ausbildungsbeihilfen), 6897 (Finanzierung Stipendien an ausländische Studierende und Kunstschaffende), 6899 f. (Kredite internationale wissenschaftlichen Zusammenarbeit in Bildung und Forschung); AB NR, 2003, S. 542 ff., 563 ff., 570 ff., 576 ff. und 591 sowie S. 1357 ff., 1576 und 1752 (Differenzbereinigung); AB SR, 2003, S. 683 ff., 696 ff., 704 ff., 942 ff. und 1035. Entscheid NR-Kommission gegen Aufstockung FHS-Betriebsbeiträge: NZZ, 4.2.03. ETH-Rat zur strategischen Planung 2004 bis 2007 und zur Kreditsperre: Presse vom 21.2.03. Siehe im weiteren NZZ, 6.5., 7.5., 20.6., 18.9., 26.9. und 1.10.03; Presse vom 20.6. und 2.10.03; TA, 23.8.03; BaZ, 30.9.03.
[65] AB NR, 2003, S. 1905. Zum Dilemma zwischen kantonalen Einsparungen bei Universitäten und FHS und dem gleichzeitigen Bestreben, diese Institutionen dank der BFT-Kredite auszubauen, vgl. die BR-Antwort zur Frage Müller-Hemmi, sp. ZH (AB NR, 2003, S. 899).
[66] NZZ, 28.4. (Sicht der Wirtschaft zur BFT-Botschaft) und 3.5.03; BZ, 3.5.03; AZ, 5.5.03; Presse vom 6.5. und 7.5.03; WoZ, 8.5.03. Zur Verlagerung einiger Mio Fr. von Technologietransferstellen zu den GSK-FHS vgl. oben, Fachhochschulen.
[67] AB NR, 2003, S. 589 f.; AB SR, 2003, S. 710.
[68] AB NR, 2003, S. 1727.
[69] AB NR, 2003, S. 1228.
[70] AB NR, 2003, S. 590.
[71] NZZ, 23.1.03.
[72] BaZ, 8.7.03; Presse vom 14.10.03; vgl. auch SPJ 2002, S. 268. Vgl. die Antwort des BR zur Interpellation Polla (lp, GE) (AB NR, 2003, S. 883 f.).
[73] AB NR, 2003, S. 589; AB SR, 2003, S. 709.
[74] BBl, 2004, S. 261 ff.; SGT, 14.7.03; Presse vom 17.7. und 6.9.03; NZZ und 24h, 27.11.03; vgl. auch BBW News, 4/2003.
[75] BBl, 2003, S. 6687 f.; NZZ, 6.12.03.
[76] BaZ, 14.11.03; NZZ, 17.11.03; TG, 18.11.03.
[77] AB NR, 2003, S. 1726; vgl. in diesem Zusammenhang auch die Antwort des BR auf die Interpellation Müller-Hemmi (sp, ZH) zur Stärkung der Bildungsforschung in der Schweiz (AB NR, 2003, S. 882 f.). In Zug wurde mit der Eröffnung des Instituts für internationale Zusammenarbeit in Bildungsfragen (IZB) ein neues Bildungsangebot zur Verfügung gestellt. Das IZB richtet den Fokus auf die pädagogische Entwicklungszusammenarbeit als neuer Ansatz in der schweizerischen Bildungslandschaft und ist Teil der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz (NZZ, 8.3.03).
[78] AB NR, 2003, S. 1726.
[79] AB SR, 2003, S. 559 f.
[80] AB NR, 2003, S. 81 ff., 96 ff. und 517; AB SR, 2003, S. 192 ff. und 3669; NZZ, 31.1., 6.3., 14.3., 22.3. und 20.11.2003; Presse vom 6.3. und 14.3.03; TA, 27.11.03; vgl. SPJ 2002, S. 268 ff.
[81] Presse vom 28.6.03; NZZ, 13.11. (sozialpsychologische Gründe der negativen öffentlichen Wahrnehmung der Gentechnologie) und 6.12.03 (gentechnologie-kritische Sicht von Florianne Koechlin, Mitglied der EKAH). Sowohl eine Petition des „Basler Appell gegen Gentechnologie“ „Essen aus dem Genlabor? Nein danke!“ als auch eine Petition der GP des Kantons Waadt „GVO in der Landwirtschaft und in der Nahrung“ wurden in beiden Räten zur Kenntnis genommen, ohne dass ihnen jedoch Folge gegeben worden wäre (AB SR, 2003, S. 711; AB NR, 2003, S. 500).
[82] NZZ und BaZ, 1.4.03.
[83] AB NR, 2003, S. 1558 ff.
[84] BBl, 2003, S. 74 ff. (Bewilligung Buwal vom 14.1.2003); Presse vom 22.2., 8.3., 13.3. und 18.6.03; NZZ, 25.2.03; WoZ, 27.2.03; TA, 10.3.03; vgl. auch SPJ 2002, 270 f. Die Zuständigkeit des Buwal für Freisetzungsversuche war infolge negativer Entscheide von Buwal-Chef Philippe Roch unter Beschuss geraten – so insbesondere wegen der Ablehnung des ETHZ-Gesuchs im Jahr 2001, mit welcher sich das Buwal über die Meinung anderer Bundesämter sowie über die Empfehlung der Eidg. Fachkommission für biologische Sicherheit (EFBS) hinweggesetzt hatte (vgl. SPJ 2001, S. 233 f.). Zur Greenpeace-Aktion auf dem Versuchsgelände und die entsprechenden Anzeigen der ETHZ wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung vgl. NZZ, 7.3. und 8.3.03. Vgl. zudem die Antwort des BR zur Interpellation Egerszegi-Obrist (fdp, AG) betreffend Bundesgerichtsentscheid (AB NR, 2003, S. 2124) sowie die BR-Antwort auf die Anfrage Graf (gp, BL) betreffend ETH-Forschung mit Gentech-Pflanzen (AB NR, 2003, S. 527).
[85] BBl, 2003, S. 5199 f. bzw. 5353 f. (Gesuch ETHZ) und 7383 ff. (Verfügung Buwal); Presse vom 23.7. und 31.10.03; WoZ, 6.11.03.