Année politique Suisse 2008 : Politique sociale
Santé, assistance sociale, sport
Der Bundesrat verlängerte seine Präventionsprogramme und setzte die Ziele bis 2012 fest. – Das Parlament nahm einen direkten Gegenvorschlag zur Initiative „Ja zur Komplementärmedizin“ an. – Die beiden Räte verlängerten den Ärztestopp bis 2009. – Das Parlament stimmte einer Fristverlängerung der vereinfachten Zulassung von Medikamenten bis 2013 zu. – Der Bundesrat veröffentlichte seine Botschaft zur Genehmigung des Zusatzprotokolls über die Transplantation menschlicher Organe und Gewebe. – Das Parlament verabschiedete ein Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen. – Das Volk lehnte die „Hanfinitiative“ deutlich ab und hiess die Verankerung der Vier-Säulen-Drogenpolitik im Gesetz gut. – Die Schweiz richtete zusammen mit Österreich die Fussball-Europameisterschaft aus. Le Conseil fédéral a prolongé ses programmes de prévention et étendu leurs objectifs jusqu’en 2012. – Le parlement a adopté un contre-projet direct à l’initiative populaire «Oui aux médecines complémentaires». – Les deux chambres ont reconduit le gel des cabinets médicaux jusqu’en 2009. – Le parlement a approuvé une prolongation du délai de validité des autorisations cantonales de médicaments jusqu’en 2013. – Le Conseil fédéral a publié un message portant approbation du Protocole additionnel relatif à la transplantation d’organes et de tissus d’origine humaine. – Le parlement a adopté une loi fédérale sur la protection contre le tabagisme passif. – Le peuple a rejeté l’initiative «Pour une politique raisonnable en matière de chanvre protégeant efficacement la jeunesse», mais approuvé l’ancrage législatif de la politique des quatre piliers en matière de drogue.– La Suisse a organisé avec l’Autriche le Championnat d’Europe de football.
Gesundheitspolitik
Erstmals seit 15 Jahren erschien wieder ein umfassender
Gesundheitsbericht. Die wichtigsten Erkenntnisse sind beruhigend: Die Schweizer Bevölkerung verfügt im internationalen Vergleich über eine gute Gesundheit. Zwischen wirtschaftlichem Wohlergehen und Gesundheit besteht laut dem Gesundheitsbericht 2008 eine enge Verknüpfung. Die Zunahme der psychischen Störungen in der Bevölkerung und die wachsende Zahl der chronisch Kranken bedeuten für das schweizerische Gesundheitswesen eine besondere Herausforderung. Als Ursache dafür nennen die Verfasser des Berichts die demografische Alterung der Bevölkerung, Bedingungen in den Lebensverhältnissen sowie das individuelle Verhalten der betroffenen Personen
[1].
Mit einem Postulat wollte Nationalrätin Heim (sp, SO) den Bundesrat beauftragen, aufzuzeigen, welche Massnahmen gegen Diskriminierung einzelner Patientengruppen durch die neuen Versicherungsmodelle und zum
Schutz der Patientendaten bei den Versicherten geplant sind. Die Postulantin wies darauf hin, dass Versicherer für die Rechtsprüfung immer häufiger vollständige Austritts- und Operationsberichte der Versicherten von den Spitälern verlangen. Die Möglichkeit eines gezielten Ausschlusses von gesundheitlich Beeinträchtigten durch bestimmte Versicherungsmodelle führe zu einer schleichenden Entsolidarisierung auch in der sozialen Grundversicherung. Der Bundesrat und der Nationalrat waren sich über die Annahme des Postulates einig
[2].
Eine im „European Journal of Cancer“ erschienene Studie zeigte auf, dass in Deutschland ein erhöhtes Risiko für Krebs bei Kindern unter fünf Jahren besteht, wenn diese innerhalb eines Umkreises von fünf Kilometern eines Atomkraftwerkes (AKW) wohnen und gab damit Anstoss zu einem Postulat Girod (gp, ZH) und einer Motion Rechsteiner (sp, BS) im Nationalrat. Ersterer beauftragte den Bundesrat, auch für die Schweiz eine vergleichbare Studie durchzuführen. Die Motion ging einen Schritt weiter und verlangte auch die Untersuchung der Krebsraten von Erwachsenen im Umfeld von AKWs. Ausserdem sollte ein Studienprogramm der Frage nachgehen, inwiefern sich die radiologische Wirkung von Atomanlagen von der künstlichen Strahlung unterscheidet. Der Nationalrat nahm das Postulat sowie denjenigen Teil der Motion an, dessen Inhalt sich mit demjenigen des Postulates deckte .
Ein Postulat Hêche (sp, JU) verlangte vom Bundesrat, Massnahmen zur
Früherkennung von Darmkrebs zu prüfen und abzuklären, wie diese Massnahmen im Rahmen eines landesweiten Früherkennungsprogramms umgesetzt werden können. Obwohl der Bundesrat das Postulat aufgrund eines fehlenden gesetzlichen Auftrages zur Prävention von nichtübertragbaren Krankheiten ablehnte, nahm der Ständerat den Vorstoss an
[4].
Als erster Deutschschweizer Kanton führte St. Gallen systematische Gratistests für die
Früherkennung von Brustkrebs ein. Eine solche systematische Vorsorgeuntersuchung mittels einer Mammografie für Frauen ab 50 Jahren war umstritten. Obwohl von der Schweizer Krebsliga empfohlen, bestand das Programm bisher erst in sechs Westschweizer Kantonen. Kritiker merkten an, dass mit dem Aufruf zur flächendeckenden Frühdiagnose tausende gesunde Frauen verunsichert und unnötigen Behandlungen ausgesetzt werden
[5].
Ein Postulat Rennwald (sp, JU) beauftragte den Bundesrat, die Ausmasse des Dopings am Arbeitsplatz zu untersuchen und eine umfassende Studie zu diesem Thema in Auftrag zu geben. Der Postulant wies darauf hin, dass Fachleute in Unternehmen und Arztpraxen eine Zunahme des Dopings am Arbeitsplatz feststellen und immer mehr Berufsgruppen davon betroffen seien. Der Nationalrat folgte der Empfehlung des Bundesrates und überwies den Vorstoss .
Weniger Erfolg hatte eine parlamentarische Initiative Teuscher (gb, BE), welche verlangte, alle Handypackungen mit dem Hinweis zu versehen, dass der Gebrauch von Mobilfunkgeräten die Gesundheit, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, beeinträchtigen bzw. schädigen kann. Da noch wenig über die effektiven
Risiken, welche mit der täglichen Nutzung eines
Mobiltelefons verbunden sind, bekannt ist, sollten solche präventive Hinweise von den Handyherstellern auf den Verpackungen angebracht werden, bis verlässliche und abschliessende Daten über die Gefahren vorliegen. Die Kommission des Nationalrates beantragte mit 16 zu 5 Stimmen eine Ablehnung der parlamentarischen Initiative, weil die langfristigen Auswirkungen und Risiken der Handynutzung nicht bekannt seien. Auch der Nationalrat beschloss mit 50 zu 109 Stimmen der Initiative keine Folge zu leisten
[7].
Ebenfalls abgelehnt wurde eine Motion Widmer (sp, LU), welche den Bundesrat beauftragte, die verschiedenen kantonalen Projekte zur
Prävention von Suizid zu koordinieren. Während der Motionär der Auffassung war, dass angesichts der hohen Suizidraten und eines Vergleichs mit anderen Präventionskampagnen ein grösseres Engagement von Bund und Kantonen in der Suizidprävention angebracht wäre, war der Bundesrat der Meinung, dass er im Rahmen seiner Zuständigkeit bereits ausreichend aktiv geworden sei und beantragte daher die Ablehnung der Motion. Diese Ansicht teilte auch der Nationalrat
[8].
Der Ständerat änderte eine vom Nationalrat überwiesene Motion Kiener Nellen (sp, BE), die den Bundesrat aufforderte, Budget und Finanzplan des Bundesamtes für Sport (Baspo) ab 2007 um mindestens 10 Mio Fr. zu erhöhen, damit Umsetzungsprojekte zur
Bewegungs- und Sportförderung sowie zur Förderung einer gesunden
Ernährung für Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren realisiert werden können, ab. Die kleine Kammer beauftragte den Bundesrat, die Arbeit am Massnahmenpaket „Ernährung und Bewegung“ bis Ende 2008 abzuschliessen unter besonderer Berücksichtigung der Bewegungs- und Sportförderung sowie der Förderung einer gesunden Ernährung von Kindern im Alter von fünf bis zehn Jahren
[9].
Der Bundesrat verlängerte Mitte Jahr seine
Präventionsprogramme und setzte die Ziele bis 2012 fest. Unausgewogene Ernährung, zu wenig Bewegung, problematischer Alkoholkonsum sowie Rauchen verursachen jährlich Kosten von rund 20 Mia Fr., die mittels Präventionsmassnahmen reduziert werden können. Seine Hauptaufgabe sah der Bundesrat in der Koordination zwischen Bund, Kantonen, Nicht-Regierungsorganisationen und anderen involvierten Kreisen, in der Sicherung einer aussagekräftigen Datenlage, der Evaluation, Forschung und Definition von „Best-Practices“ sowie der Information. Er umschrieb seine Ziele in Bezug auf die nationalen Programme Alkohol, Ernährung und Bewegung, Tabak und HIV/Aids. Im Vorfeld hatte sich eine Allianz von Wirtschaftsverbänden gebildet, die gegen Teile der Präventionsmassnahmen des Bundes kämpfte. Diese Allianz umfasste 20 Verbände aus der Tabak- und Alkoholbranche sowie aus dem Bereich Handel und der Kommunikationsbranche. Ebenfalls beteiligt waren Economiesuisse, der Schweizerische Arbeitgeberverband und der Gewerbeverband. Diese Allianz engagierte sich für eine stärkere Ausrichtung der Präventionsmassnahmen auf Eigenverantwortung und Aufklärungsmassnahmen, die sich an Risikogruppen richten. Sie wandte sich gegen Eingriffe in die freie Marktwirtschaft, zusätzliche Einschränkungen der persönlichen Freiheit und Steuern
[10].
Der Bundesrat schickte eine Revision des Bundesgesetzes über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (
Epidemiengesetz) in die Vernehmlassung. Eine solche Revision war notwendig geworden, weil sich seit dem Inkrafttreten des Epidemiengesetzes im Jahre 1974 die Bedingungen verändert haben, die für die Übertragung von Infektionskrankheiten von Bedeutung sind. Das Epidemiengesetz wird sowohl in inhaltlicher als auch in struktureller Hinsicht einer Totalrevision unterzogen
[11].
Mit einer Motion hatte Ständerat Stadler (cvp, UR) im vorhergehenden Jahr eine Ergänzung des Epidemiengesetzes in dem Sinn gefordert, dass die Kantone nichtärztliche Therapeuten im Bereich der Komplementärmethoden in die Koordination der Massnahmen zur
Bekämpfung übertragbarer Krankheiten einbeziehen sollen. Die Motion war im Ständerat mit 15 zu 14 Stimmen knapp angenommen worden. Der Nationalrat hingegen vertrat die Meinung, dass die Pandemievorbereitungen in der Schweiz bereits interkantonal und interdisziplinär ausreichend organisiert seien und lehnte die Motion daher ab
[12].
Eine
Masernepidemie sorgte bereits zu Beginn des Jahres für Aufregung. Für Fachleute kam diese Epidemie nicht unerwartet. Von den Gesundheitsbehörden war bereits seit einigen Jahren moniert worden, dass die Durchimpfungsrate bei Masern ungenügend sei. Um die hochansteckenden Masern zu eliminieren strebte das BAG eine Durchimpfungsrate von über 95% an. Diese lag aber bei vielen Kantonen im Berichtsjahr unter 80%, was vor allem auf die Umstrittenheit der Impfung zurückgeführt werden kann. Im Vordergrund der präventiven Massnahmen standen die systematischen Impfungen von Kleinkindern und die Nachholimpfungen für nach 1963 geborene Personen
[13].
Eine Motion des Nationalrates Zemp (cvp, AG) forderte den Bundesrat auf, das
Tierseuchengesetz von 1966 so anzupassen, dass eine aktivere und vor allem schnellere Prävention von Tierseuchen und Zoonosen sichergestellt werden kann. Begründet wurde diese Forderung damit, dass man in der Schweiz aufgrund des verstärkten globalen Tier- und Warenverkehrs in Zukunft vermehrt mit neu auftretenden Tierseuchen rechnen müsse. Der Bundesrat teilte diese Ansicht ebenso wie der Nationalrat, welcher die Motion annahm
[14].
Die liberale Gesetzgebung der Schweiz im Bereich des assistierten Suizids beziehungsweise der Graubereich, in welchem sich die indirekte aktive Sterbehilfe bewegt, war auch dieses Jahr wieder für viele Schlagzeilen und Gesprächsstoff in der Öffentlichkeit verantwortlich. Vor allem die Sterbehilfeorganisation
Dignitas sorgte für Unmut, indem sie zur Umgehung der ärztlichen Kontrolle das Luftballongas Helium als Sterbemethode einsetzte. Bei der bisherigen Methode war ein ärztliches Rezept erforderlich, was mit der neuen Methode umgangen werden kann und daher das Prozedere für die Sterbewilligen und ihre Helfer erleichtert. Dies sorgte in der Bevölkerung, aber auch im eidgenössischen Parlament für Diskussionen
[15].
Mit dem Übergang des
Dossiers Sterbehilfe von Christoph Blocher an die neue Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf änderte sich auch die Haltung der Landesregierung in der Frage der gesetzlichen Regelung der Sterbehilfe. Bis anhin hatte der Bundesrat wiederholt erklärt, dass im Bereich der Sterbehilfe prinzipiell keine weiteren gesetzlichen Regelungen notwendig seien. Die sich nun abzeichnende Kehrtwende kann vor allem mit der anhaltenden Diskussion in der Öffentlichkeit und den damit verbundenen Forderungen einer minimalen Sorgfaltspflicht für Sterbehilfeorganisationen begründet werden. Ein umfassendes Aufsichtsgesetz kam für den Bundesrat aber weiterhin nicht in Frage, da ein solches zu einer Mitverantwortung des Staates für diese Organisationen führen und ihnen ein staatliches Gütesiegel ausstellen würde
[16].
Eine
Nationalfonds-Studie zeigte, dass ein Drittel der Personen, die sich in Zürich von Exit in den Tod begleiten lassen, nicht todkrank, sondern lebensmüde waren. Aus der Untersuchung ging zudem hervor, dass sich doppelt so viele Frauen wie Männer in den Tod begleiten lassen. Die Studie, die vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert und von der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften unterstützt wurde, will zur Versachlichung der Diskussion beitragen. Die Organisation Exit dementierte die Ergebnisse der Studie und kritisiert diese als nicht repräsentativ
[17].
Eine Studie der Universität Zürich zeigte die Krankheitsbilder und
Kosten von psychischen Erkrankungen auf. So ist jede fünfte Person in der Schweiz derzeit von einer psychischen Erkrankung betroffen. Im Laufe eines Lebens ist sogar jede Zweite einmal psychisch krank. Entsprechend hoch sind auch die Kosten. Die Studie errechnete jährliche Ausgaben von 15 Mia Fr. Das entspricht einem Anteil von 16% der Gesamtkosten des Gesundheitssystems. Gemäss den Verfassern der Studie sind Angsterkrankungen am weitesten verbreitet, gefolgt von Depressionen und manisch-depressiven Erkrankungen
[18].
Die Diskussion zur 2005 eingereichten Volksinitiative „Ja zur Komplementärmedizin“, welche 2006 vom Bundesrat zur Ablehnung empfohlen worden war, wurde in diesem Jahr im Parlament zu Ende geführt. Der Ständerat hatte im vorhergehenden Jahr einen direkten Gegenvorschlag zur Initiative ausgearbeitet, der vorschlug, das Wort „umfassend“ im Initiativtext zu streichen und die Formulierung „Bund und Kantone sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für die Berücksichtigung der Komplementärmedizin“ dem Volk zu unterbreiten. Der Gegenvorschlag war als Antrag Büttiker (fdp, SO) im Ständerat angenommen worden und auch Sommaruga (sp, BE), welche Mitglied des Initiativkomitees war, unterstützte den Antrag und versprach, sich nach einer Annahme des Gegenvorschlages im Parlament für den Rückzug der Initiative einzusetzen.
Die Kommission des
Nationalrates sprach sich mit 11 zu 9 Stimmen knapp dafür aus, dem Ständerat zu folgen und den direkten Gegenvorschlag zur Initiative anzunehmen. Eine starke Minderheit der Kommission stellte sich gegen dieses Vorhaben. Bundesrat Couchepin hielt an seinem Antrag fest und empfahl, sowohl die Initiative als auch den direkten Gegenvorschlag abzulehnen. Der Nationalrat aber folgte der Mehrheit seiner Kommission und stimmte dem direkten Gegenvorschlag mit 95 zu 60 Stimmen zu. In der
Schlussabstimmung nahm der Ständerat den Gegenvorschlag einstimmig und der Nationalrat mit 152 zu 16 Stimmen an. Daraufhin zog das Initiativkomitee, wie bereits von Sommaruga (sp, BE) angekündigt, die Eidgenössische Volksinitiative „Ja zur Komplementärmedizin“ zurück
[19].
Zu den Spitälern und Pflegeheimen siehe auch unten, Teil I, 7c (Krankenversicherung).
Im Streit um die
Spitzenmedizin konnte eine Einigung erzielt werden. So verabschiedete der Vorstand der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK) den Entwurf zu einer interkantonalen Vereinbarung zur Koordination und Konzentration in der Spitzenmedizin einstimmig. Eine solche Konzentration soll die Kosten senken und die Qualität erhöhen. Eine erste Vereinbarung zur Koordination war 2005 an der Haltung des Kantons Zürich gescheitert, da dieser verlangte, dass alle Aktivitäten in der Deutschschweiz in Zürich konzentriert sein müssen. Die Kantone haben mit ihrer Zustimmung zum Entwurf über die interkantonale Vereinbarung auch der Abtretung ihrer Kompetenz an ein gemeinsames Gremium zugestimmt
[20].
Eine Motion des Ständerates Recordon (gp, VD) wollte den Bundesrat beauftragen, dafür zu sorgen, dass die
Problematik des Sterberechts und der damit verbundenen Beihilfe zum Suizid in den
Studienplan der medizinischen Fakultäten und der Krankenpflegeschulen aufgenommen und als Ergänzung zur Palliativpflege zum Ausbildungsziel erklärt wird. Der Bundesrat vertrat die Ansicht, dass in der Motion zwar auf eine wichtige gesellschaftliche Fragestellung hingewiesen werde und die Gesundheitsfachleute besser auf die besonderen Situationen in der Endphase des Lebens vorbereitet werden sollten, aber er sah solche Massnahmen als Teil der Palliativpflege und nicht im Rahmen der Beihilfe zum Suizid. Ausserdem war er der Meinung, dass das Medizinalberufegesetz der Regelung der Aus- und Weiterbildung der universitären Medizinalberufe bei der Behandlung und Begleitung von Patienten und Patientinnen in der Endphase ihres Lebens Rechnung trage. Der Ständerat folgte der Empfehlung des Bundesrates und lehnte die Motion mit 11 zu 19 Stimmen ab
[21].
Mehr Erfolg hatte ein Postulat Schenker (sp, BS), welches vom Bundesrat einen Bericht über das Vorhandensein von
genügend ausgebildetem Pflegepersonal verlangte. Ebenfalls in den Bericht integriert werden sollten mögliche Massnahmen, mit welchen der Beruf attraktiver gemacht und die Qualität der Aus- und Weiterbildung sichergestellt werden kann. Der Nationalrat folgte der Empfehlung des Bundesrates und nahm das Postulat an
[22]. In eine ähnliche Richtung zielte auch eine Motion Fehr (sp, ZH). Diese gründete auf einer Studie des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan), gemäss welcher es bis zum Jahr 2030 zu einer erheblichen personellen Lücke in der medizinischen Versorgung kommen kann. Die Motion verlangte daher, dass der Bundesrat in Zusammenarbeit mit den Kantonen und den zuständigen Fachorganisationen eine Strategie mit einem Masterplan ausarbeite und dem Parlament vorlege, mit welcher ein
Ärztemangel in der Schweiz verhindert und die Hausarztmedizin gefördert werden könne. Bundesrat und Nationalrat befürworteten die Motion
[23].
Der Ständerat hatte im Vorjahr einer Verlängerung des
Zulassungsstopps für die Eröffnung neuer Arztpraxen bis Ende 2010 zugestimmt. Im
Nationalrat sprachen sich die Fraktionen der SVP, FDP, GP und Teile der CVP aber für eine Aufhebung des Ärztestopps aus. Sie argumentierten vor allem damit, dass die Massnahme keine Wirkung gezeigt habe. Eine Kommissionsminderheit Humbel (cvp, AG) bestritt diese Aussage und war der Ansicht, dass die Ärztezahl dort, wo die Zulassungsbeschränkung umgesetzt worden war, stabilisiert werden konnte. Auch Bundesrat Couchepin warnte vor den dramatischen Folgen für die Gesundheitskosten, welche die Aufhebung des Ärztestopps haben könne. Dies ignorierte der Nationalrat und beschloss mit 116 zu 67 Stimmen nicht auf die Vorlage einzutreten
[24].
In der
Differenzbereinigung war die Kommission des
Ständerates einstimmig dafür, an der Verlängerung des Zulassungsstopps für Arztpraxen festzuhalten. Die Kommission hatte bereits verschiedene Nachfolgemodelle diskutiert und es sich zum Ziel gesetzt, bis zum Herbst einen Vorschlag in den Rat zu bringen. Sie erachtete es als realistisch, innerhalb einer Frist von einem Jahr die Nachfolgeregelung in beiden Räten zu behandeln. Eine Verlängerung könne auch nur bis 2009 beschlossen werden (anstatt 2010), wenn der Nationalrat einschwenke. Eine Minderheit Diener (gp, ZH) beantragte, dem Nationalrat zu folgen und nicht auf die Vorlage einzutreten. Sie erachtete es als rechtsstaatlich fragwürdig, einen dringlichen Bundesbeschluss bereits zum dritten Mal zu verlängern. Ausserdem müsse endlich Bewegung in das starre System kommen. Der Rat folgte jedoch seiner Kommission und beschloss mit 34 zu 4 Stimmen auf die Vorlage einzutreten
[25].
In der Folge musste der
Nationalrat also noch einmal über die Frage des
Eintretens auf die Vorlage des Zulassungsstopps diskutieren. Eine Kommissionsmehrheit sprach sich nun dafür aus, dem Ständerat zu folgen, insbesondere weil befürchtet wurde, dass mit einem ersatzlosen Auslaufen der Bestimmung zahlreiche neue Praxen eröffnet werden könnten, mit entsprechenden Kostenfolgen. Ausserdem nahm die grosse Kammer zur Kenntnis, dass der Ständerat gewillt war, rasch einen Vorschlag bezüglich der Lockerung des Vertragszwangs zu unterbreiten. Eine Kommissionsminderheit mit Vertretern der SVP, GP, CVP und FDP war weiterhin der Ansicht, dass nicht mit einer Ärztelawine zu rechnen sei. Dieses Mal folgte der Nationalrat der Kommissionsmehrheit und beschloss mit 134 zu 37 Stimmen auf die Vorlage einzutreten. Neben der SP waren nun auch die Fraktionen der SVP, FDP und CVP mehrheitlich für eine Weiterführung der Bestimmung, allerdings nur bis 2009. Eine links-grüne Kommissionsminderheit, welche die Hausärzte von diesem verlängerten Zulassungsstopp ausnehmen wollte, fand im Nationalrat keine Mehrheit. In der Gesamtabstimmung hiess der Nationalrat die Vorlage mit 161 zu 15 Stimmen gut
[26].
Im
Ständerat ging es anschliessend nur noch um die Dauer des Zulassungsstopps. Die Kommission empfahl zwar, dem Nationalrat zu folgen, es gab aber auch Stimmen wie die von Sommaruga (sp, BE), welche es für unrealistisch hielten, dass bis zum 1. Januar 2010 eine Nachfolgeregelung, die noch zu beschliessen wäre, in Kraft treten wird. Die kleine Kammer folgte aber mit 23 zu 14 Stimmen dem Nationalrat und entschied sich damit für eine kürzere Befristung. In der
Schlussabstimmung stimmte der Nationalrat mit 168 zu 12 Stimmen für die Annahme des Entwurfs und der Ständerat einstimmig dafür
[27].
Nach der Verlängerung des Zulassungsstopps befasste sich der Ständerat im Dezember auch mit der
Vertragsfreiheit. Der Kommission des Ständerates war es nicht gelungen, sich auf ein Modell als Alternative zu der vom Bundesrat vorgeschlagenen Lockerung des Vertragszwanges zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern zu einigen. Diese verfahrene Situation sorgte im Ständerat für sehr viel Unmut. Man war sich einig darüber, dass der Zulassungsstopp der Ärzte 2009 nicht ersatzlos auslaufen sollte. Der Ständerat sah aber ein, dass eine Rückweisung an die Kommission oder den Bundesrat nichts bringen würde und beschloss daher mit 23 zu 19 Stimmen nicht auf das Geschäft einzutreten und damit den Ball dem Nationalrat zuzuspielen
[28].
Zum Teilpaket der laufenden KVG-Revision zu den Medikamentenpreisen siehe unten, Teil I, 7c (Krankenversicherung).
Die Medikamentenkosten waren auch dieses Jahr wieder ein Thema im Parlament. Einerseits behandelte der Nationalrat eine Motion der Kommission des Ständerates, welche im Anschluss an die Ablehnung von zwei Standesinitiativen der Kantone Genf und Wallis entstanden war. Diese beauftragte den Bundesrat, eine Regelung vorzuschlagen, welche Klarheit schafft über die Transparenz und das zulässige Ausmass von
Rabatten, die im Rahmen der Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln und Medizinprodukten gewährt werden. Die Motion, welche der Ständerat bereits im Jahr 2006 angenommen hatte, fand auch im Nationalrat Anklang und wurde hier ebenfalls angenommen. Der Ständerat seinerseits überwies die im Vorjahr vom Nationalrat gut geheissene Motion der CVP für mehr Transparenz bei der Verschreibung von Arzneimitteln
[29].
Eine parlamentarische Initiative Menétrey-Savary (gp, VD) verlangte, dass der
Versandhandel von Arzneimitteln wirksam verboten wird, die Ausnahmen im Heilmittelgesetz präziser festgelegt und die Vorteile, welche den Ärzten bei dieser Vertriebsmethode gewährt werden, ausgeschlossen werden. Zwar verbietet das Heilmittelgesetz grundsätzlich den Versandhandel mit Medikamenten, aber die Kantone können unter bestimmten Bedingungen Bewilligungen erteilen. Dies hatte dazu geführt, dass der Versandhandel einen Marktanteil von 20% einnahm. Erschwerend kam hinzu, dass den Ärzten mit der Verschreibung von Medikamenten beim Versandhandel zum Teil finanzielle Vorteile zukamen. Die Kommission des Ständerates gab der Initiative im Gegensatz zu derjenigen des Nationalrates keine Folge. Sie argumentierte damit, dass die Zulässigkeit von neuen Vertriebskanälen für Medikamente in einem umfassenden Rahmen diskutiert werden müsse. Obwohl seine Kommission an ihrem Beschluss festhielt, lehnte der Nationalrat die Initiative mit 79 zu 90 Stimmen ab
[30].
Eine Motion Robbiani (cvp, TI) wollte diejenigen Bestimmungen des gescheiterten Entwurfs zur Teilrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung auf Verordnungsebene wiederaufnehmen, die am stärksten dazu beitragen können, die Arzneimittelpreise einzudämmen. Aufgenommen werden sollte dabei insbesondere das Instrument der regelmässigen, dreijährlichen
Überprüfung der Arzneimittelpreise. Der Bundesrat erklärte sich bereit, seinen bestehenden Spielraum auf Verordnungsstufe auszuschöpfen und eine Regelung vorzubereiten, welche den Rhythmus der Überprüfung der Arzneimittel bezogen auf deren Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit zum Gegenstand hat. Der Nationalrat schloss sich der Meinung des Motionärs und des Bundesrates an und nahm die Motion ebenfalls an
[31].
Der Ständerat behandelte als erster die vom Bundesrat im Vorjahr vorgelegte Teilrevision des Heilmittelgesetzes zur vereinfachten Zulassung von Medikamenten in Spitalapotheken. Seine Kommission wies zu Beginn der Debatte auf die Dringlichkeit der Änderung hin, da Ende 2008 die Übergangsfrist des neuen Heilmittelgesetzes auslief. Ohne eine Gesetzesanpassung könnten vor allem Spitäler viele Präparate nicht mehr legal selber herstellen oder aus dem Ausland beschaffen. Die Kommission empfahl in fast allen Punkten den Vorschlägen des Bundesrates zu folgen. Einzig bei den kantonalen Zulassungen von Arzneimitteln wurde eine Ergänzung vorgenommen, indem die Zulassungsrechte bis Ende 2011 verlängert wurden. Der Ständerat unterstützte ohne Diskussion die kleinen Änderungen seiner Kommission und nahm die Teilrevision einstimmig an.
Auch im Nationalrat gab die Frage der kantonalen Zulassungen am meisten zu reden. Dazu gab es drei Anträge. Einerseits denjenigen der Kommission, welche vorschlug, ganz auf die Befristung für bestehende kantonale Zulassungen von Arzneimitteln zu verzichten. Dann einen Antrag Heim (sp, SO), welcher dem Ständerat folgen und die Zulassungen bis Ende 2011 befristen wollte. Eine Art Kompromiss aus diesen beiden Vorschlägen war der Antrag Baumann (svp, TG), der eine Frist bis Ende 2013 vorschlug. Der Nationalrat folgte knapp dem Kommissionsantrag mit 77 zu 76 Stimmen. In der Gesamtabstimmung nahm er die Vorlage einstimmig an.
In der
Differenzbereinigung wies der Ständerat auf Abklärungen in den Kantonen hin, welche ergeben hätten, dass es unter den kantonal registrierten Arzneimitteln auch einige kritische Punkte gäbe. Daher war er der Meinung, dass der Vorschlag des Nationalrates, auf die Befristung für bestehende kantonale Zulassungen von Arzneimitteln zu verzichten, in die falsche Richtung laufe. Im Sinne eines Kompromisses sprach sich der Ständerat für eine Fristverlängerung bis Ende 2013 aus. Dem schloss sich auch der Nationalrat an und beide Kammern nahmen die Vorlage in der Schlussabstimmung einstimmig an
[32].
Eine Motion der SGK des Nationalrates über die
Zulassungspraxis von Swissmedic war mit der oben besprochenen Revision des Heilmittelgesetzes bis zu einem gewissen Teil bereits erfüllt. Sie hatte nämlich den Bundesrat beauftragt, einerseits die Schwierigkeiten und Gefahren des Versorgungsproblems der Spitäler mit Medikamenten zu minimieren, indem die betreffenden Verordnungen revidiert werden. Andererseits sollten die entsprechenden Stellen bei der Teilrevision des Heilmittelgesetzes berücksichtigt werden. Der zweite Teil war mit der Revision des Heilmittelgesetzes bereits erfüllt. Den ersten Teil der Motion hingegen hatte der Nationalrat gegen den Willen des Bundesrates ebenfalls angenommen. Auch die Kommission des Ständerates war der Meinung, dass es sinnvoll sei, den Druck auf den Bundesrat für die Anpassungen auf Verordnungsstufe aufrechtzuerhalten. Der Ständerat teilte damit die Meinung des Nationalrates und nahm die Motion als Ganzes und nicht nur die zweite Ziffer an
[33].
Die von Nationalrat Borer (svp, SO) im Jahr 2005 eingereichte parlamentarische Initiative mit dem Ziel der Vereinheitlichung der Einteilung der zur
Selbstmedikation zugelassenen Heilmittel, war im vorigen Jahr vom Nationalrat gegen den Willen des Bundesrates in eine Motion umgewandelt und angenommen worden. Der Ständerat schloss sich im Berichtsjahr dem Nationalrat an
[34].
Der Ständerat überwies die Motionen Heim (sp, SO) und Humbel Näf (cvp, AG) für mehr Preiswettbewerb im Bereich der
Mittel- und Gegenstände (Migel) ebenfalls. Wie vom Bundesrat gewünscht, wandelte er sie aber in einen Prüfungsantrag um. Auf Antrag seiner Kommission nahm er einen Zusatz auf, der beinhaltet, dass das Tarifvertragssystem dem Kartellgesetz unterstellt werden soll, da sonst Preisabsprachen zu befürchten seien
[35].
Eine Motion Heim (sp, SO) verlangte vom Bundesrat, konkrete Massnahmen auszuarbeiten, um die Erkenntnislücke bei der
medikamentösen Behandlung von Kindern zu schliessen. Auch der Bundesrat war der Ansicht, dass die Verfügbarkeit von Medikamenten, welche den spezifischen Bedürfnissen des kindlichen Körpers angepasst sind, unbefriedigend sei. Der Nationalrat war ebenfalls einverstanden mit dem Anliegen der Motion und nahm diese an
[36].
Eine Motion Müller (gp, AG) setzte sich dafür ein, dass auch in Zukunft
Einzelimpfstoffe gegen Tetanus, Diphterie und Pertussis wie auch gegen Masern, Mumps und Röteln verfügbar sind. Diese Einzelimpfstoffe wurden in den letzten Jahren gemäss Motionär immer mehr zugunsten von Mehrkomponenten-Impfungen vom Markt genommen. Eine Sistierung von Einzelimpfstoffen bedeute eine Einschränkung der Wahlfreiheit, welche von einer Minderheit der Bevölkerung als einschneidend empfunden wird. Der Bundesrat teilte die Befürchtungen des Motionärs nicht und war der Meinung, dass die Verfügbarkeit der Impfstoffe den Gesetzen der Marktwirtschaft unterliege. Zudem sei eine Reihe von Einzelimpfstoffen auf dem Schweizer Markt weiterhin erhältlich. Auch der Nationalrat teilte die Ansicht des Bundesrates und lehnte die Motion ab
[37].
Der Bundesrat veröffentlichte im Herbst seine Botschaft über die Genehmigung des Zusatzprotokolls über die
Transplantation menschlicher Organe und Gewebe zum Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin. Das Zusatzprotokoll führt die Regelungen des Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin des Europarates im Bereich der Transplantationsmedizin näher aus. Es geht darum, einen minimalen Schutzstandard im Bereich der Transplantation festzulegen und den Handel mit Organen zu verhindern. Die im Zusatzprotokoll geregelten Aspekte der Transplantationsmedizin und die Frage nach einer solchen Regelung auf internationaler Ebene waren mehrfach Gegenstand einer Vernehmlassung. Deswegen verzichtete der Bundesrat auf eine erneute Vernehmlassung für das Zusatzprotokoll. Unterschiede zum Transplantationsgesetz bestehen bei der Lebendspende, die im Transplantationsgesetz teilweise liberaler geregelt wird: Verzichtet wird auf den Grundsatz der Subsidiarität der Lebendspende, das heisst, es wird nicht verlangt, dass eine Lebendspende nur möglich ist, wenn keine geeigneten Organe oder Gewebe verstorbener Personen zur Verfügung stehen. Um die Gefahr des Organhandels und Druckversuche auf die Spenderin zu verhindern bedarf es für eine Lebendspende einer engen persönlichen Beziehung zwischen der empfangenden und der spendenden Person oder der Zustimmung einer unabhängigen Instanz
[38].
Eine Motion Rossini (sp, VS) wollte die
Betreuung von Organspendern verbessern. Dabei ging es um die Übernahme von Reisekosten von Spendern aus dem Ausland, die Übernahme von Kosten, wenn der Empfänger IV-Leistungen bezieht, das Einholen einer ärztlichen Zweitmeinung, die Wahl des Entnahmeorts und die Versicherungsdeckung bei Todesfall der empfangenden Person vor der spendenden Person. Die Notwendigkeit dieser Änderungen hatte sich durch Lücken und Mängel ergeben, welche seit der Einführung des Transplantationsgesetzes 2007 entstanden waren. Der Bundesrat räumte ein, dass das geltende Recht nicht alle Fragen regelt, welche die Motion aufwirft, erachtete es aber als verfrüht, bereits wieder eine Änderung des Transplantationsgesetzes vorzunehmen. Der Nationalrat folgte der Meinung des Bundesrates und lehnte die Motion ab
[39].
Eine Motion Maury Pasquier (sp, GE) zielte ebenfalls auf eine Änderung des
Transplantationsgesetzes ab. Dieses sollte so angepasst werden, dass
Grenzgänger mit einer Krankenversicherung in der Schweiz und ihre ebenfalls versicherten nichterwerbstätigen Angehörigen bei der Zuteilung von Organen gleich behandelt werden wie Personen mit Wohnsitz in der Schweiz. Der Bundesrat sprach sich gegen eine Lockerung des Wohnsitzprinzips aus, aufgrund der Gefahr, damit Anreize für einen Transplantationstourismus zu schaffen. Gegen den Willen des Bundesrates nahm jedoch der Ständerat die Motion an
[40].
Die im Vorjahr verbliebenen Differenzen beim Übereinkommen
über Menschenrechte und Biomedizin zwischen den Räten konnten im Berichtsjahr überwunden werden, indem sich der Nationalrat den Änderungen des Ständerates anschloss. Der Vorbehalt des Ständerates erlaubte es, bis zum Vorliegen des Erwachsenenschutzgesetzes in Bezug auf entscheidungsunfähige Personen, nicht nur die Bestimmungen des Übereinkommens in Anwendung zu bringen, sondern auch jene, die einzelne Kantone haben. Im Anschluss nahm der Nationalrat das Übereinkommen mit 168 zu 22 Stimmen und der Ständerat einstimmig an. Auch das Zusatzprotokoll nahmen beide Räte einstimmig an
[41].
Eine parlamentarische Initiative Studer (evp, AG) forderte
Unabhängigkeit bei der Aufsicht und Statistik in der Fortpflanzungsmedizin. Um dies zu erreichen, verlangte sie, die gesetzlichen Grundlagen des Fortpflanzungsmedizingesetzes so zu präzisieren, dass die ursprünglich vom Gesetzgeber beabsichtigte Unabhängigkeit betreffend die Aufsicht über die Zentren der Fortpflanzungsmedizin und die Unabhängigkeit über die Erstellung einer vollständigen Statistik gewährleistet sind. Die Kommission des Nationalrates empfahl, der Initiative keine Folge zu leisten und zwar weil sie den einen Teil, den Bereich der Statistik, in der Zwischenzeit als erfüllt betrachtete. Die übrigbleibenden Probleme der unabhängigen Aufsicht, regelmässigen Inspektionen und Möglichkeiten zur Aufdeckung von Missbräuchen sollen in einer Kommissionsmotion beantragt werden, welche der Nationalrat allerdings noch nicht behandeln konnte, weil die Antwort des Bundesrates noch fehlte. Der Nationalrat folgte seiner Kommission und gab der Initiative keine Folge
[42].
Suchtmittel
Das vom BAG im Auftrag des Bundesrates erarbeitete
Nationale Programm gegen Alkohol stiess in der Anhörung auf Widerstand. Das Programm wollte den problematischen Alkoholkonsum und besonders das „Rauschtrinken“ bei Jugendlichen reduzieren und so Folgeerkrankungen, Unfälle und Gewalttaten eindämmen. Aufsehen erregte namentlich die im Programm aufgeführte Absicht, den Verkauf alkoholischer Getränke im Detailhandel zwischen 21 und 7 Uhr früh zu verbieten. Von den politischen Parteien stellte sich einzig die SP hinter das Programm. SVP, CVP und FDP lehnten das Programm ab, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen
[43].
Auch wenn Veranstaltungen wie beispielsweise das „Botellón“ (öffentliches Massenbesäufnis), welches 2008 zum ersten Mal auch in der Schweiz durchgeführt wurde, ein anderes Bild zeichnen, scheint der Trend der vergangenen Jahre, dass immer mehr Schweizer Jugendliche immer häufiger zu Alkohol, Zigaretten und Cannabis greifen, vorerst gestoppt. Dies ist das Resultat einer
Studie der Fachstelle für Alkohol- und Drogenprobleme. Die Zahl der Rauschtrinker sei aber immer noch bedenklich hoch. Der Konsum nahm zwar im Vergleich zum Jahre 2003 ab, lag aber immer noch deutlich höher als in den 80er und 90er Jahren
[44].
Im Ständerat war das Eintreten auf das im Vorjahr vom Nationalrat beschlossene
Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen unbestritten. Die Kommission verhehlte aber nicht, dass sich die Begeisterung für das neue Gesetz in Grenzen hielt. Dem Wunsch der Bevölkerungsmehrheit nach einem rigorosen Nichtraucherschutz würde gemäss der Kommission des Ständerates erst mit einer Verschärfung des Vorschlages des Nationalrates im Bereich der bedienten Fumoirs, der eingeschränkten Zulassung von Raucherbetrieben und der Ermöglichung von strengeren kantonalen Vorschriften Rechnung getragen. Bei der Frage der Fumoirs standen sich drei Vorschläge gegenüber. Eine Kommissionsminderheit Gutzwiller (fdp, ZH) wollte dem Bundesrat folgen und nur unbediente Raucherräume zulassen. Eine weitere Kommissionsminderheit David (cvp, SG) schlug vor, bediente Raucherräume ausnahmsweise zu ermöglichen, wenn die dort Beschäftigten dem ausdrücklich zustimmen. Die Kommissionsmehrheit hingegen verlangte ebenfalls das Einverständnis der Angestellten, wollte diese Raucherräume aber in allen Wirtschaftsbereichen ermöglichen und nicht nur in Restaurant- und Hotelbetrieben. Mit 22 zu 18 Stimmen obsiegte der Vorschlag David. Bei der Frage der Zulassung von Raucherbetrieben hatte der Nationalrat im Gastgewerbe solche Betriebe ausnahmsweise ermöglichen wollen, wenn eine Unterteilung der Räume für Raucher und Nichtraucher "nicht möglich oder unzumutbar" sei. Die Kommissionsmehrheit des Ständerates schlug vor, den Begriff "unzumutbar" zu streichen und eine Kommissionsminderheit Forster-Vannini (fdp, SG) wollte generell keine Raucherbetriebe zulassen und bekam mit 23 zu 16 Stimmen Zustimmung aus dem Ständerat. Dieser folgte zudem seiner Kommission, indem er im Gesetz explizit erwähnen wollte, dass die Kantone strengere Vorschriften beschliessen können. In der Gesamtabstimmung nahm die kleine Kammer die Vorlage mit 25 zu 9 Stimmen an
[45].
In der
Differenzbereinigung hielt der
Nationalrat in der Frage der Raucherbetriebe an seiner früheren Fassung fest, wonach diese bewilligt werden, wenn eine Trennung in Raucher- und Nichtraucherräume nicht möglich oder zumutbar ist. Weiter hielt der Nationalrat an abgetrennten Raucherräumen für alle Wirtschaftsbereiche fest, kam aber dem Ständerat insofern entgegen, als dass das Personal in diesen Fumoirs nur dann zur Arbeit herangezogen werden kann, wenn die Beschäftigten via Arbeitsvertrag ihr Einverständnis dazu gegeben haben. Eine rot-grüne Minderheit wehrte sich zwar gegen die Anträge der Kommission, konnte sich jedoch auch nach einer längeren, emotional geführten Debatte nicht durchsetzen. Den vom Ständerat hinzugefügten Artikel, wonach die Kantone beim Nichtraucherschutz strengere Vorschriften erlassen können, akzeptierte der Nationalrat mit 100 zu 82 Stimmen. Ferner stimmte er einer zweijährigen Übergangsfrist für die Umsetzung des Rauchverbotes zu. Der
Ständerat hielt daran fest, dass bediente Fumoirs nur im Bereich der Restaurants und Hotels zulässig sind. Er beharrte auch auf dem Verbot von reinen Raucherbetrieben. Die Übergangsfrist wollte der Ständerat nicht festlegen und es dem Bundesrat überlassen, das Inkrafttreten zu bestimmen. Der
Nationalrat folgte bei der Frage der bedienten Fumoirs dem Ständerat. In Sachen reine Raucherbetriebe entschied sich der Nationalrat sehr knapp, mit 89 zu 88 Stimmen, für die Zulassung dieser Betriebe. Bei der Frage der Übergangsfrist schwenkte der Nationalrat auf die Position des Ständerates ein. In der letzten Runde der Differenzbereinigung beschloss der
Ständerat mit dem Stichentscheid des Präsidenten, einen Kompromiss in Bezug auf die Frage der Raucherlokale und schlug vor, diese bis zu einer Gesamtfläche von 80 Quadratmetern zu erlauben
[46].
Die daraufhin notwendig gewordene
Einigungskonferenz beantragte mit 17 zu 9 Stimmen den Vorschlag des Ständerates zu übernehmen, was von beiden Kammern gutgeheissen wurde. In der Schlussabstimmung nahm der Nationalrat das Gesetz mit 105 zu 61 Stimmen an und der Ständerat mit 31 zu 9 Stimmen. Die Opposition kam von linker Seite, der das Gesetz zu wenig weit ging
[47].
Ungeachtet der Diskussion um ein nationales
Rauchverbot, schritt der Prozess in den
Kantonen weiter voran. Nach den Kantonen Tessin, Solothurn, Graubünden und Appenzell-Ausserrhoden verbot
Genf als fünfter und erster Kanton in der Romandie das Rauchen in öffentlichen Räumen. Fast 80% der Stimmenden hiessen die Volksinitiative „Passivrauchen und Gesundheit“ gut. Das Rauchverbot im Kanton Genf geht weiter als in den anderen Kantonen, da es auch abgetrennte Raucherräume untersagt. In Restaurants, Bars, Diskotheken und der Verwaltung darf künftig nicht mehr geraucht werden. Eine Konzession musste den Rauchern auf Weisung des Bundesgerichts gemacht werden und betrifft die Pflegeanstalten und Gefängnisse, wo das Rauchen in gewissen Räumen zugelassen wird
[48].
Ein viel knapperes Ergebnis erzielte der Kanton
Basel-Stadt, wo die Befürworter eines weitgehenden Rauchverbotes mit nur 2874 Stimmen Vorsprung siegten. Erlaubt sind hier nur unbediente Fumoirs. Etwas eindeutiger war das Ergebnis im Kanton
Zürich, wo 56,6% der Stimmenden die Volksinitiative „Schutz vor Passivrauchen“ guthiessen. Hier sind abgetrennte Raucherräume ebenfalls erlaubt. Ein Gegenvorschlag des Kantonsrats, der Restaurants mit höchstens 35 Plätzen vom Verbot ausnehmen wollte, lehnte die Zürcher Stimmbevölkerung ab. Eine Niederlage mussten die Befürworter des Nichtraucherschutzes im Kanton
Nidwalden hinnehmen. Hier sagte die Stimmbevölkerung zwar Ja zu einem Rauchverbot in öffentlichen Räumen, Gaststätten sind aber davon ausgenommen. Sie müssen lediglich deklarieren, ob Rauchen erlaubt ist oder nicht
[49].
In einer dritten Abstimmungswelle nahmen auch die Kantone Waadt, Freiburg und Wallis ein Rauchverbot an. Im Kanton
Wallis gilt ab 2009 in allen geschlossenen öffentlichen oder öffentlich zugänglichen Räumen ein Rauchverbot. Das Rauchverbot wurde im kantonalen Gesundheitsgesetz klar mit 75,7% verankert. Unbediente Raucherräume in Restaurants sind jedoch erlaubt. In den Kantonen
Freiburg und
Waadt setzte sich mit 63% resp. 69% Zustimmung ebenfalls der Gegenvorschlag der Behörden durch, der den Gastgewerbebetrieben unbediente Fumoirs erlaubt
[50].
Die zunehmenden Rauchverbote schienen auf den
Raucheranteil der Schweizer Bevölkerung keinen Einfluss zu haben. Dieser verharrte gemäss einer Umfrage des BAG zum Tabakkonsum in der Schweiz bei 29%. Der Raucheranteil war zwischen den Jahren 2001 und 2007 von 33 auf 29% gesunken, zwischen 2006 und 2007 stagnierte er jedoch. Es rauchten nach wie vor mehr Männer (33%) als Frauen (24%). Am höchsten blieb der Raucheranteil in der Altersklasse der 20 bis 24-Jährigen. Die Zahl derjenigen, die mit dem Rauchen aufhören wollten, war mit 54% nach wie vor hoch
[51].
Eine parlamentarische Initiative Huguenin (pda, VD) verlangte ein gesamtschweizerisches Verbot der
Tabakwerbung und des
Verkaufs von Tabakprodukten an
Jugendliche unter 18 Jahren. Ziel der Initiative war es, mit diesen Gesetzesänderungen die Voraussetzungen zu erfüllen, um möglichst bald das WHO-Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs ratifizieren zu können. Die SGK des Nationalrates verlangte mit 11 zu 7 Stimmen der Initiative keine Folge zu leisten. Aus Sicht der bürgerlichen Kommissionsmehrheit bestand kein Grund, die Initiative anzunehmen, da ihre Umsetzung vom Bundesrat bereits initiiert worden war. Der Nationalrat folgte der Kommissionsmehrheit und lehnte die parlamentarische Initiative mit 63 zu 90 Stimmen ab
[52].
Die im Jahr 2006 eingereichte Volksinitiative „Pro Jugendschutz – gegen Drogenkriminalität“ („
Hanfinitiative“) war im Vorjahr von Bundesrat und Nationalrat zur Ablehnung empfohlen worden. Im Ständerat sah die Situation etwas anders aus. Die Kommission wies zunächst darauf hin, dass sich der Rat bereits 2001 für eine Entkriminalisierung des Cannabiskonsums ausgesprochen hatte, man war damals jedoch am Widerstand des Nationalrates gescheitert. Die Kommissionsmehrheit lehnte die aktuelle Hanf-Initiative zwar ab, weil eine Verharmlosung des Hanfkonsums und ein falsches Signal für die Suchtbekämpfung befürchtet wurde. Die Kommission wollte jedoch eine parlamentarische Initiative im Sinne eines Gegenvorschlages ausarbeiten, welche den straffreien Cannabiskonsum für Erwachsene erlauben würde. Wiederum kam ihr aber der Nationalrat in die Quere, dessen Kommission die notwendige Zustimmung für eine solche Initiative verweigerte. Dies sorgte für einigen Ärger im Ständerat, welcher dem Nationalrat unter anderem eine "eklatante Arbeitsverweigerung" vorwarf. Vertreter aller Parteien zeigten in der Ständeratsdebatte Verständnis für das Volksbegehren. Dennoch empfahl der Ständerat mit 18 zu 16 Stimmen die Ablehnung der Volksinitiative
[53].
Am 30. November stimmte das Volk mit einer Mehrheit von 63,3% gegen die Volksinitiative „Für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz“. Für einmal war die Parolenkonstellation im Vorfeld sehr komplex und entsprach nicht dem klassischen ideologischen Konfliktmuster. Die beiden grossen Parteien SP und FDP sowie die CSP, PdA, GP und GLP unterstützten die Initiative. Sie taten dies allerdings alles andere als geschlossen. Vor allem bei der FDP wichen etliche kantonale Sektionen von der Parole der Mutterpartei ab. Die Befürworter argumentierten vor allem damit, dass der Hanfkonsum in der Schweiz seit Jahren zunehme, was zeige, dass die bisherigen repressiven Massnahmen gescheitert seien. Mit einer Entkriminalisierung bestehe die Möglichkeit, dass der „Reiz des Verbotenen“ wegfalle. Uneinig waren sich die Befürworter und die Gegner der Initiative vor allem in der Frage, ob der Konsum von Cannabis schädlich sei oder nicht, da es keine eindeutigen Studien zu diesem Thema gibt, bzw. die Zusammenhänge zwischen Cannabis-Konsum und psychischen Erkrankungen nicht eindeutig geklärt sind. Zu den Gegnern der Initiative gehörten unter anderem die CVP, die SVP, die EVP, die LP und die kleinen Rechtsparteien. Auch das Lager der Gegner war sich nicht geschlossen einig. Insbesondere bei der CVP gab es vier kantonale Sektionen (ZH, SO, BS, BL), die eine Ja-Parole herausgegeben hatten. Die Gegner der Initiative argumentierten vor allem damit, dass die Annahme der Initiative ein „schlechtes Signal an die Jugend“ sende und die Quasi-Legalisierung zu einer Zunahme des Probierkonsums führe .
Die Ablehnung fiel mit knapp zwei Dritteln Nein-Stimmen klar aus und war auch in den Kantonen unbestritten. Gesamtschweizerisch fand die Hanf-Initiative in keinem einzigen Kanton eine Mehrheit. Die Nein-Anteile lagen fast durchwegs zwischen 60 und 70%. In den Kantonen Wallis, Waadt und Neuenburg waren es mehr als 70% und in den städtischen Kantonen Zürich, Basel-Stadt und Schaffhausen etwas weniger als 60%. Die unüblichen Koalitionskonfigurationen im Vorfeld der Abstimmung wie auch die hohe Zahl abweichender Parolen seitens der kantonalen Parteien führten gemäss der Vox-Analyse dazu, dass die Parteianhängerschaften nur mässig parteikonform abstimmten. Einen wichtigen Einfluss auf das Ergebnis der Hanf-Initiative übten die Wertehaltungen aus. Ein Nein-Entscheid ging mehrheitlich mit autoritären Wertevorstellungen einher, während die Annahme der Vorlage mit antiautoritären Gesellschaftskonzeptionen korrelierte .
Volksinitiative „Für eine vernünftige Hanf-Politik“
Abstimmung vom 30. November 2008
Beteiligung: 47,3%
Ja: 846 985 (36,7%) / Stände: 0
Nein: 1 457 900 (63,3%) / Stände: 20 6/2
Parolen:
– Ja: FDP (16*), SP (3*), CSP (1*), PdA, GP (1*), GLP (1*).
– Nein: CVP (4*), SVP, LP (1*), EVP, SD, EDU, FP, Lega, BDP (1*); SGV, SBV.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
In der Differenzbereinigung zur Revision des Betäubungsmittelgesetzes sorgte im Nationalrat die Formulierung des Zweckartikels erneut für Diskussionen. Als Entgegenkommen an den Nationalrat hatte die kleine Kammer deren einleitende Formulierung, wonach das Hauptziel der Drogenpolitik die Förderung der Abstinenz ist, übernommen. Gleichzeitig fügte sie aber den relativierenden Begriff „namentlich“ ein. Gegen einigen Widerstand folgte die grosse Kammer diesem Vorschlag. Beim Artikel zur Forschungsförderung schloss sich der Nationalrat ebenfalls dem Ständerat an und formulierte einen nicht abschliessenden Katalog der Forschungsinhalte. Bei der Liste der verbotenen Betäubungsmittel beschloss der Nationalrat diese zu belassen und Cannabis und Heroin weiterhin drinnen zu lassen. Dies allerdings mit einer Ausnahmeregelung, nach der es trotzdem möglich sein soll, die in der Liste enthaltenen Substanzen für medizinische Anwendungen zu nutzen.
Der Ständerat schloss sich daraufhin den Beschlüssen des Nationalrates an und nahm das Bundesgesetz in der Schlussabstimmung einstimmig an. Im Nationalrat erklärte die SVP-Fraktion die Ablehnung des Gesetzesentwurfs und drohte ebenso wie die EDU mit der Ergreifung des Referendums. Die grosse Kammer nahm das Bundesgesetz mit 114 zu 68 Stimmen an. Kurz darauf machten die beiden Parteien ihre Drohung wahr und reichten das Referendum ein .
Am 30. November stimmte das Volk über die Revision des Betäubungsmittelgesetzes ab. Die Verankerung der Vier-Säulen-Drogenpolitik im Gesetz wurde vom Volk mit 68,1% gutgeheissen. Ähnlich wie bei der Hanf-Initiative war auch hier die Parolenkonstellation im Vorfeld sehr komplex und verlief nicht nach einem klassischen ideologischen Konfliktmuster. Die grossen Parteien mit Ausnahme der SVP unterstützten die Vorlage. Zu den Gegnern der Vorlage zählten auch die LP und die Rechtsaussenparteien. Im Gegensatz zu der Hanf-Initiative gab es hier weniger abweichende Kantonalparteien. Einzig bei der FDP gaben die Kantone Thurgau, Waadt und Neuenburg die Nein-Parole heraus. Die Befürworter der Vorlage argumentierten vor allem damit, dass sich die Vier-Säulen-Politik des Bundes bewährt habe. Die rechtskonservativen Gegner der Vorlage begründeten ihren Entscheid damit, dass mit einer Verankerung die Drogenpolitik „weiter liberalisiert“ und der Abstinenz zu wenig Bedeutung geschenkt werde .
Die Revision des Betäubungsmittelgesetzes wurde flächendeckend in allen Kantonen gutgeheissen. Die Ja-Mehrheiten lagen, mit Ausnahme des Kantons Waadt, überall bei über 60%. In acht Kantonen, darunter auch die vier städtisch geprägten Kantone Zürich, Basel-Stadt, Bern und Genf waren es sogar 70% und mehr, die sich für die Vorlage aussprachen. Für den Entscheid zum Betäubungsmittelgesetz waren die Wertehaltungen weniger wichtig als bei der Hanf-Initiative. Dafür spielte die Kenntnis der Vorlage eine entscheidende Rolle. Wer sich bei den entsprechenden Kontrollfragen sehr gut informiert zeigte, hiess die Gesetzesrevision zu fast 90% gut. Was die beiden Vorlagen ebenfalls unterschied, war der Anteil derjenigen, die nicht (mehr) imstande waren, ihren Entscheid zu begründen. Dieser war beim Betäubungsmittelgesetz deutlich höher als bei der Hanfinitiative .
Revision Betäubungsmittelgesetz
Abstimmung vom 30. November 2008
Beteiligung: 47,1%
Ja: 1 541 928 (68,1%)
Nein: 722 992 (31,9%)
Parolen:
– Ja: FDP (3*), CVP, SP, EVP, CSP, PdA, GP, GLP, BDP; SBV, SGB, Travail.Suisse.
– Nein: SVP, LP (1*), SD, EDU, FP, Lega; SGV.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Sozialhilfe
Immer mehr Städte verschärften die Kontrollen im Kampf gegen den Sozialhilfemissbrauch. So beispielsweise die Städte Basel, Bern und Zürich. In Zürich erhärtete sich in zwei Dritteln der von den Sozialinspektoren untersuchten verdächtigen Fälle der Verdacht auf Sozialhilfe-Missbrauch. Die Stadtzürcher Sozialinspektoren hatten ihre Arbeit im Jahr 2007 aufgenommen. In der Mehrheit der entdeckten Fälle deklarierten die Sozialhilfeempfangenden die Nebeneinkünfte oder ihre Autos nicht. Aber auch durch falsche Angaben zur Haushaltsgrösse oder nicht angegebene Vermögenswerte wurde zu viel Sozialhilfe eingefordert .
Das BFS ist seit 2006 dabei, ausgehend von der Auswertung der verfügbaren kantonalen Daten, eine gesamtschweizerische Sozialhilfestatistik aufzubauen. Dieses Jahr erschienen nun erste umfassende Daten für das Jahr 2006. Gemäss diesen waren in der Schweiz ungefähr 380 000 Menschen im Alter zwischen 20 und 59 Jahren arm. Das entspricht einer Quote von 9%. Die Quote der „Working poor“, also jener armen Erwerbstätigen, die in einem Haushalt mit insgesamt mindestens 36 Arbeitsstunden pro Woche leben, sank von 5% im Jahr 2000 auf 4,5% im Jahr 2006. Als arm gilt in der Schweiz, wer alleinstehend mit weniger als 2200 Fr. leben muss. Der zwischenzeitliche deutliche Rückgang der Armutsquote bis 2002 und die erneute Zunahme danach erklärt sich mit dem zeitlich verzögerten Einfluss der Arbeitslosigkeit, die zuerst 2001 auf 1,7% sank und anschliessend auf 3,9% anstieg. Die Zahl der Sozialhilfeempfangenden nahm 2006 um rund 7600 auf 245 156 Personen zu. Im Vergleich zum Vorjahr wuchs die Quote um 0,1%. Rund 44% aller Sozialhilfeempfangenden waren Ausländer. Kinder, junge Erwachsene und Alleinerziehende waren am häufigsten auf Sozialhilfe angewiesen. Generell nahm die Quote mit zunehmendem Alter ab. Arbeitslosigkeit und Ausbildung zählten zu den wichtigsten Sozialhilferisiken .
Dass es den Menschen in der Schweiz mit zunehmendem Alter finanziell besser geht, zeigte nicht nur die Sozialhilfestatistik, sondern auch eine vom BFS in Auftrag gegebene Studie der Universität Genf. Diese stellte fest, dass sich die finanzielle Situation der Rentner seit der Einführung der AHV 1948 grundlegend verändert hat. Wären damals viele ohne die Unterstützung ihrer Kinder nicht über die Runden gekommen, hat sich heute das Blatt gewendet. Personen im Ruhestand wiesen nun gegenüber dem Rest der Bevölkerung eine höhere materielle Sicherheit auf. Die AHV machte bei den meisten Rentnern nur einen Teil der Einkünfte aus. Laut der Studie verfügten Rentnerpaare im Mittel über ein dreimal höheres Vermögen als Erwerbstätige. Untersucht wurde die wirtschaftliche Situation von über einer Million Personen in der Schweiz im Alter zwischen 25 und 99 Jahren im Jahr 2003 .
Sport
Ein Postulat der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates forderte den Bundesrat auf, bis Ende 2008 einen Bericht über die bestehenden Massnahmen zur Prävention von Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen vorzulegen. Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulates und der Ständerat leistete ihm Folge .
Die Ratifikation der UNESCO-Konvention gegen Doping im Sport erfolgte im Ständerat einstimmig. Auch im Nationalrat waren sich die Mitglieder einig über die Wichtigkeit der Konvention und damit der Bekämpfung des Dopings im Sport. In der Schlussabstimmung, stimmte die kleine Kammer mit 183 zu 5 Stimmen zu .
Dieses Jahr richtete die Schweiz zusammen mit Österreich die Fussball-Europameisterschaft (EURO 08) aus, den drittgrössten Sportanlass der Welt nach den Olympischen Spielen und der Fussball-Weltmeisterschaft. Trotz der anfänglichen Skepsis gegenüber dem Grossanlass zogen die Verantwortlichen eine ausgesprochen positive Schlussbilanz der Veranstaltung. Die Besucherzahlen in den Fanmeilen und Fanzonen der Host-Cities übertrafen alle Erwartungen und die Organisation wurde als nahezu perfekt gelobt. Die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsleuten war überall reibungslos verlaufen und es kam zu keinen grösseren Zwischenfällen. Ein Rekordergebnis meldete die UEFA auch in Sachen Gewinn. Dieser fiel mit 412 Mio Fr. rund 10% höher aus als bei der letzten EM in Portugal. Durch den Verkauf von TV- und kommerziellen Rechten war der Umsatz richtiggehend explodiert .
Zu Fragen bezüglich der EURO 08 im Bereich der inneren Sicherheit (Hooliganismus) siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht).
Weiterführende Literatur
Camenzind, Paul, Erklärungsansätze regionaler Kostenunterschiede im Gesundheitswesen, Neuenburg (BFS) 2008.
König, Claudia, Gesundheit im Sozialgefüge: soziale Ungleichheit, soziale Rollen und Gesundheit in der Schweiz, 1992 und 2002 im Vergleich, s.l. (Diss. phil. I Zürich) 2008.
Meister, Urs, Spitäler zwischen Politik und Wettbewerb: betriebliche Autonomie im Kantonsvergleich, Zürich (Avenir Suisse) 2008.
Meyer, Katharina (Hg.), Gesundheit in der Schweiz: nationaler Gesundheitsbericht 2008, Bern 2009.
Leu, Robert E. e.a., The Swiss and the Dutch health care systems compared : a tale of two systems, Baden-Baden 2008.
Vatter, Adrian / Rüefli, Christian, „Politische Steuerung im schweizerischen Föderalismus am Beispiel der stationären Gesundheitsversorgung“, in Jahrbuch des Föderalismus 2008, S. 458-72.
Busset, Thomas e.a., Le football à l’épreuve de la violence et de l’extrémisme, Lausanne 2008.
Zimmermann, David / Lehmann, Anton, Fankultur und Fanarbeit in der Schweiz: eine Bestandesaufnahme – Les supporters et leur encadrement en Suisse : état des lieux, Magglingen (BASPO) 2008.
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[2]
AB NR, 2008, S. 1957.
[7]
AB NR, 2008, S. 145 f.
[8]
AB NR, 2008, S. 1954.
[9]
AB SR, 2008, S. 502 f. Siehe
SPJ 2007, S. 221 f.
[10]Pressemitteilung EDI vom 18.6.08; Presse vom 30.5.08.
[12]
AB NR, 2008, S. 1166. Siehe
SPJ 2007, S. 212 f.
[13]Presse vom 5.3., 8.3. und 28.3.08.
[14]
AB NR, 2008, S. 1005.
[16]Presse vom 3.7.08. Siehe
SPJ 2007, S. 213 f.
[19]
AB NR, 2008, S. 1142 ff. und 1573;
AB SR, 2008, S. 828;
BBl, 2008, S. 8605. Siehe
SPJ 2007, S. 214 f.
[20] Presse vom 28.2. und 15.3.08;
NZZ, 16.2.08. Siehe
SPJ 2007, S. 216.
[21]
AB SR, 2008, S. 423 f.
[22]
AB NR, 2008, S. 1958.
[23]
AB NR, 2008, S. 1954.
[24]
AB NR, 2008, S. 63 ff. Siehe
SPJ 2007, S. 216 f.
[25]
AB SR, 2008, S. 288 ff.
[26]
AB NR, 2008, S. 741 ff.
[27]
AB SR, 2008, S. 432 f. und 531;
AB NR, 2008, S. 1022.
[28]
AB SR, 2008, S. 1035 ff.
[29]
AB NR, 2008, S. 82 f.;
AB SR, 2008, S. 969 f. Siehe
SPJ 2006, S. 188 f. und
2007, S. 218.
[30]
AB NR, 2008, S. 91 f.
[31]
AB NR, 2008, S. 1954.
[32]
AB SR, 2008, S. 22 ff., 434 und 533;
AB NR,2008, S. 613 ff., 872 f. und 1024;
BBl, 2008, S. 4873 ff. Siehe
SPJ 2007, S. 218.
[33]
AB NR, 2008, S. 82;
AB SR, 2008, S. 814.
[34]
AB SR, 2008, S. 815 ff. Siehe
SPJ 2007, S. 219.
[35]
AB SR, 2008, S. 813 f.
[36]
AB NR, 2008, S. 1552.
[37]
AB NR, 2008, S. 1005.
[38]
BBl, 2008, S. 7952 f.
[39]
AB NR, 2008, S. 1005.
[40]
AB SR, 2008, S. 1048 ff.
[41]
AB NR, 2008, S. 118 f. und 481 f.;
AB SR, 2008, S. 206. Siehe
SPJ 2007, S. 220 f.
[42]
AB NR, 2008, S. 1818 f.
[45]
AB SR, 2008, S. 24 ff. Siehe
SPJ 2008, S. 221 f.
[46]
AB NR, 2008, S. 873 ff. und 1169 ff.;
AB SR, 2008, S. 593 ff. und 774 ff.
[47]
AB NR, 2008, S. 1471 f. und 1572 f.;
AB SR, 2008, S. 808 f. und 827.
[48]Presse vom 25.2. und 26.2.08.
[49]Presse vom 29.9. und 30.9.08.
[52]
AB NR, 2008, S. 792 f.
[53]
AB SR, 2008, S. 111 ff. Siehe
SPJ 2007, S. 223.
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