Année politique Suisse 2010 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche
 
Hochschulen
Das Bundesamt für Statistik (BFS) prognostizierte im Berichtsjahr ein weiteres Wachstum der Studierendenzahlen. Gemäss den Szenarien steigt die Zahl der Studierenden zwischen 2010 und 2013 von rund 206 000 auf 226 000 bis 248 000. Dies bedeutet eine jährliche Zunahme von 3 bis 4%. Der Zuwachs dürfte sich ab 2013 aus demografischen Gründen abschwächen. Zwischen 2013 und 2019 wird mit einem jährlichen Wachstum von 0,3 bis 1,3% gerechnet. Im Bildungsbericht „Panorama der Hochschulen 2010“, welcher Ende Mai publiziert wurde, zeigte sich, dass die Berufsaussichten von Hochschulabsolventen nach wie vor sehr gut sind. 86% der befragten Studienabgänger hatten eine Stelle gefunden und verdienten im Mittel jährlich 80 000 Fr. Interessant ist, dass sie für ihr Studium im Schnitt 6,3 Jahre brauchten. Damit wurde das von der Bologna-Reform angestrebte Ziel einer Verkürzung der Studienzeit auf fünf Jahre in vielen Fällen nicht erreicht. Laut einer weiteren Untersuchung des BFS über die Studien- und Lebensbedingungen der Hochschulstudierenden gingen auch mit dem Bologna-System drei Viertel der Studierenden einer Erwerbstätigkeit nach. Der Anteil ist im Vergleich zum alten System allerdings leicht rückläufig [37].
In der Herbstsession setzte sich der Ständerat in einer fünfstündigen Debatte mit dem Entwurf des Bundesgesetzes über die Förderung der Hochschulen und die Koordination im schweizerischen Hochschulbereich auseinander. Der neue Erlass soll Eidgenössisch Technische Hochschulen, Universitäten und Fachhochschulen einem gemeinsamen Regelungssystem von Bund und Kantonen unterstellen. Mit Rücksichtnahme auf die Autonomie der Kantone schlug die Kommission vor, den Begriff „Planung“ durch „Koordination“ zu ersetzen und klarzustellen, dass die Aufgabenteilung in besonders kostenintensiven Bereichen nur in wenigen besonders wichtigen Fällen verordnet werden soll. Diese Änderungen wurden vom Plenum gutgeheissen. Felix Gutzwiller (fdp, ZH) beantragte im Namen einer Kommissionsminderheit den Verzicht auf die Hochschulkonferenz, in der gemäss Entwurf neben dem Bund alle Kantone vertreten sind. Ihre Aufgaben sollten dem kleineren und flexibleren Hochschulrat übertragen werden, in dem neben dem Bund nur die 14 Trägerkantone mitbestimmen dürfen. Dem wurde entgegengehalten, die Verfassung spreche von allen Kantonen und über die Konkordate zahlten auch alle mit. Innenminister Burkhalter befürchtete, dass ein Verzicht auf die Plenarversammlung dazu führen könnte, dass die Kantone ein eigenes Gremium ohne Beteiligung des Bundes schaffen würden. Mit 29 zu 7 Stimmen folgte die Kleine Kammer dem Bundesrat und der Kommissionsmehrheit. Ebenfalls festhalten wollte der Rat an einem Artikel, der den Fachhochschulen vorschreibt, dass ihre Studien praxisorientiert und der Bachelor-Abschluss in der Regel berufsqualifizierend sein müsse. Eine Kommissionsminderheit machte vergeblich geltend, diese Vorschriften hätten eine Einschränkung der Autonomie und damit eine Ungleichbehandlung gegenüber den Universitäten zur Folge. Mit 30 zu 7 Stimmen hat die kleine Kammer die Liste der Kriterien für die Mittelzuteilung um die „Qualität der Ausbildung“ ergänzt. Die Argumente der Gegner dieses Antrags, die einwendeten, dass der Qualitätsindikator anders als die übrigen Grössen nicht klar messbar sei, blieben erfolglos. In der Gesamtabstimmung wurde die Vorlage mit 26 Ja-Stimmen und 6 Enthaltungen verabschiedet, das Geschäft ging an den Nationalrat [38].
Der Nationalrat überwies im Berichtsjahr ein Postulat Noser (fdp, ZH), welches den Bundesrat beauftragt, Massnahmen zu prüfen, mit denen eine gesamtschweizerische Exzellenzförderung auf den Stufen Bachelor und Master aufgebaut werden kann. Ebenfalls gutgeheissen hat er ein Postulat Schmid-Federer (cvp, ZH) für eine Verbesserung der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung. Die Regierung muss im Rahmen der Botschaft für Bildung, Forschung und Innovation 2013-2016 aufzeigen, mit welcher Strategie und welchen Massnahmen die wissenschaftliche Nachwuchsförderung durch Bundesmittel gezielt verbessert werden könnte [39].
top
 
print
Universitäten und ETH
Im Februar wurde an der ETH Lausanne ein Rolex Learning Center eröffnet. Mittelpunkt des neuen Gebäudes bildet eine Bibliothek, die mehr als 50 000 Bücher umfasst. Daneben gibt es Hör- und Lesesäle sowie Cafés und Restaurants. Das 110 Mio Fr. teure Werk der japanischen Architekten Kazuyo Sejima und Ryue Nishizwawa vom Büro Sanaa wurde zur Hälfte von privaten Sponsoren finanziert. Das Learning Center markiert eine erste Etappe des rasanten Wachstums der ETH Lausanne. Bereits im Bau waren auf dem Campus auch 2700 Quadratmeter Büro- und Laborräume, die Forschungszentren von nationalen und internationalen Unternehmen beherbergen sollen. Die Grossbank Credit Suisse will dort bis Ende 2011 ein IT-Entwicklungszentrum mit bis zu 250 Arbeitsplätzen schaffen [40].
In der Schweiz stieg der Anteil ausländischer Studierender zwischen 2000 und 2009 von 14,5 auf 21,5%. Beim Masterstudium kam 2009 sogar jeder vierte Studierende aus dem Ausland. Diese Zunahme löste im Berichtsjahr eine breite Debatte über Gegenmassnahmen aus. Sowohl der ETH-Rat als auch die Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten diskutierten über höhere Studiengebühren sowie Zulassungsbeschränkungen und Quoten für ausländische Studierende. Denn der starke Zustrom verschärfe die bereits bestehenden Kapazitätsprobleme und führe zu steigenden Kosten. Weil die Bachelor-Abschlüsse im Ausland noch nicht überall den gewünschten Standard aufweisen, fürchteten Bildungsexperten zudem einen Qualitäts- und Reputationsverlust für die Schweizer Hochschulen [41].
In der Wintersession beschäftigte der zunehmende Anteil ausländischer Studierender auch das Parlament. Der Ständerat überwies ein Postulat Bischofberger (cvp, AI), welches den Bundesrat beauftragt, den zum Teil massiven Zustrom von Studierenden aus dem Ausland zu analysieren und aufzuzeigen, wie diese Entwicklung gesteuert werden könnte. Dabei soll er insbesondere eine Erhöhung der Studiengebühren für ausländische Studierende und die Einführung von obligatorischen Aufnahmeprüfungen für Studienanwärterinnen und -anwärter aus dem Ausland prüfen. Ein gleichlautendes Postulat Pfister (cvp, ZG) wurde auch vom Nationalrat gutgeheissen [42].
Im Dezember beschloss die ETH dem Bundesrat 2011 eine Gesetzesänderung zu unterbreiten, die einen Numerus clausus auf Masterstufe erlauben würde. Nach geltendem Recht sind Zulassungsbeschränkungen an der ETH – anders als bei den Universitäten – nicht möglich. Allerdings sind mit der Ausarbeitung eines Numerus clausus heikle Fragen verbunden. Eine Lösung, bei der auch schweizerische Mittelschulabsolventen oder Studierende mit einem Bachelordiplom abgewiesen werden könnten, wenn sie in der Auswahl ausländischen Bewerbern unterlägen, wäre kaum vertretbar. Gleichzeitig darf die Selektion ausländische Studierende aber auch nicht beliebig diskriminieren, weil die Schweiz bi- und multilaterale Abkommen beachten muss [43].
Aufgrund der stark gestiegenen Studierendenzahlen verlangten die Universitäten vom Bund für die Jahre 2013 bis 2016 eine Erhöhung der Grundbeiträge um total 870 Mio Fr. Davon sollen 187 Mio Fr. in die Verbesserung der Betreuungsverhältnisse gesteckt werden. Mit dem restlichen Geld will die Rektorenkonferenz 2500 neue Doktorandenstellen schaffen, um den akademischen Mittelbau zu entlasten. Auch die Eidgenössischen Technischen Hochschulen und ihre Forschungsanstalten wollten mehr Geld. Der ETH-Rat forderte für die Jahre 2012 bis 2016 eine jährliche Budgeterhöhung von mindestens 6% [44].
Im Dezember brachte Staatssekretär Mauro Dell’Ambrogio eine einheitliche Erhöhung der Studiengebühren auf 4000 Fr. pro Semester in die Diskussion ein. Er schlug vor, sich an der Tessiner Lösung zu orientieren, wo der Betrag für all jene, die eine finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand mitbringen, auf 2000 Fr. halbiert wird. Mit dem zusätzlichen Geld von rund einer halben Mia Fr. möchte er die Kapazitätsprobleme der Universitäten lösen. Auf Widerstand stiess die Idee bei der SP und beim Verband der Schweizer Studierendenschaften. Auch die Präsidentin der EDK, Isabelle Chassot (FR, cvp) sprach sich gegen die Verdoppelung der Studiengebühren aus. Universitäten sind aus ihrer Sicht öffentliche Institutionen, welche auch primär durch die öffentliche Hand finanziert werden müssen [45].
top
 
print
Fachhochschulen
Im Januar genehmigte der Bundesrat das überarbeitete Konkordat der Westschweizer Fachhochschule. Er erachtete die Auflagen, welche im Zusammenhang mit dem ersten Entwurf gemacht worden waren, als erfüllt. Die neue Vereinbarung berücksichtigt eine Reihe von Empfehlungen einer Expertengruppe, welche 2009 die Organisation und Führung der Westschweizer Fachhochschule überprüft hat. Insbesondere wird der Einfluss der Kantone auf die operative Führung der Schule reduziert und die Rolle des Rektorats gestärkt. Zudem werden die Bereiche Gesundheit, Soziale Arbeit und Kunst integriert sowie Schwächen bei der Qualitätssicherung angegangen. Der Bund erwartet von der Fachhochschule bis Ende 2012 einen Bericht über die Umsetzung der neuen Organisations- und Führungsstruktur. Das Konkordat muss nun noch von den sieben Trägerkantonen der Westschweizer Fachhochschule ratifiziert werden, der Entwurf wurde zwischen Februar und April in die Konsultation geschickt [46].
Der Kanton Luzern stieg aus dem Konkordat der Pädagogischen Hochschulen Zentralschweiz (PHZ) aus. Im Mai hiess der Kantonsrat die Kündigung der Interkantonalen Vereinbarung einstimmig gut. Nach einer Kündigungsfrist von drei Jahren wird Luzern seine Lehrerinnen und Lehrer ab 2013 im Alleingang ausbilden. Der Schwyzer Bildungsdirektor Walter Stählin (SVP) bedauerte den Entscheid aus Luzern und drohte mit einem Rückzug aus dem Zentralschweizer Fachhochschulkonkordat. Auch der Zuger Regierungsrat störte sich daran, dass Luzern einerseits das PHZ-Konkordat kündigte, andererseits aber bei der Zentralschweizer Fachhochschule weiter mit den Konkordatskantonen zusammenarbeiten will. Allerdings stellte der Zuger Bildungsdirektor Patrick Cotti (AL) klar, dass Zug zum Fachhochschulkonkordat stehe. Im Dezember entschied sich der Kanton Schwyz für seine Fachhochschule in Goldau den Alleingang zu wählen. Zug will weiterhin mit Luzern zusammenarbeiten [47].
Im Juni stimmte der Berner Grosse Rat einer Kantonalisierung der Schweizerischen Hochschule für Landwirtschaft zu. Gleichzeitig hiess er einen Kredit von 34 Mio Fr. für einen Erweiterungsbau in Zollikofen gut. Die bisher durch ein Konkordat getragene Schule wird vollständig in die Berner Fachhochschule integriert und soll künftig Departement für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften heissen [48].
Im Dezember wurde eine Studie zur Umsetzung der Bologna-Reform an den Fachhochschulen veröffentlicht. Die Untersuchung, welche die Rektorenkonferenz der Fachhochschulen im Auftrag des Bundesamts für Berufsbildung und Technologie erstellt hatte, stellte den Fachhochschulen ein gutes Zeugnis aus. Die Anpassung der Studiengänge an die Bologna-Struktur sei erfolgreich verlaufen, obwohl die Fachhochschulen im Gegensatz zu universitären Hochschulen bei der Umsetzung der Reform mit den bestehenden finanziellen Ressourcen auskommen mussten. Der Bericht empfiehlt unter anderem eine bessere Koordination bei der Weiterentwicklung der Studiengänge und plädiert dafür, die Fachhochschulen künftig stärker am Bologna-Prozess, den die europäischen Bildungsminister bis 2020 verlängert haben, zu beteiligen [49].
top
 
print
Stipendien
Der Ständerat verwarf in der Frühjahrssession eine Motion der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats sowie eine Solothurner Standesinitiative für die Harmonisierung von Stipendien und anderen Ausbildungsbeihilfen. Seine vorberatende Kommission hatte die Vorstösse zur Ablehnung empfohlen, weil die Harmonisierung der Stipendien mit dem 2009 beschlossenen Konkordat bereits von den Kantonen in Angriff genommen worden war. Der Nationalrat sprach sich in der Wintersession mit 80 zu 66 Stimmen dafür aus, der Standesinitiative Folge zu geben. Gleichzeitig hiess die Grosse Kammer mit 89 zu 54 Stimmen auch eine parlamentarische Initiative ihrer Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur gut. Diese möchte die Bundesmittel im Bereich der Ausbildungsbeiträge aufstocken und die zusätzlichen Mittel dafür einsetzen, die Mobilität der Studierenden innerhalb der Schweiz und Europas zu fördern. Eine Minderheit der Kommission, angeführt von Lieni Füglistaller (svp, AG) machte geltend, die Initiativen führten für den Bund zu erheblichen Mehrausgaben und dies in einem Bereich, der gemäss Verfassung klar den Kantonen zugeordnet sei. Die Ratsmehrheit liess sich von diesem Argument jedoch nicht überzeugen  AB SR, 2010, S. 133 (Mo. WBK-NR) und 134 f. (Standesinitiative Solothurn); AB NR, 2010, S. 2130 ff. Die Motion WBK-NR wurde vom Nationalrat 2006 überwiesen, siehe SPJ 2006, S. 235 f..
Der Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS) lancierte im Juni eine „Stipendien-Initiative“. Mit dem Volksbegehren soll die Kompetenz zur Regelung der Ausbildungsbeiträge von den Kantonen zum Bund verschoben werden. Der VSS will erreichen, dass den Studierenden ein minimaler Lebensstandard gewährt wird. Die genaue Höhe der Studiengebühren soll im Gesetz festgelegt werden [51].
Die Kantone Freiburg, Basel-Stadt, Graubünden und Thurgau ratifizierten im Berichtsjahr das von der EDK 2009 beschlossene Stipendienkonkordat. Abgelehnt wurde der Konkordats-Beitritt in den Kantonen Wallis, Uri und Appenzell Innerrhoden [52].
 
[37] BaZ, 1.6.10; NZZ, 1.10. und 24.11.10; Lit. Bundesamt für Statistik.
[38] AB SR, 2010, S. 968 ff.; NZZ, 22.4. und 1.10.10. Siehe auch SPJ 2009, S. 250.
[39] AB NR, 2010, S. 554 (Po. Noser) und 2161 (Po. Schmid-Federer).
[40] BaZ, TA und TG, 18.2.10; LT, 9.7.10.
[41] SoS, 6.9.10; TA, 8.10., 3.11. und 3.12.10; NZZ, 10.11. und 3.12.10.
[42] AB SR, 2010, S. 1097 ff.; AB NR, 2010, S. 2162.
[43] TA, 1.11.10; NZZ, 9.12.10.
[44] Lib., NZZ und TA, 19.5.10.
[45] LT und 24h, 21.12.10; NF, 23.12.10.
[46] NZZ und 24h, 28.1.10; LT, 19.4.10. Siehe auch SPJ 2008, S. 247 und 2009, S. 253.
[47] NLZ, 18.3., 7.12. und 9.12.10; NZZ, 11.5.10. Siehe auch SPJ 2009, S. 253.
[48] Bund, 8.6.10.
[49] NZZ, 20.12.10; Lit. Von Matt.
[51] BaZ, Lib. und NLZ, 21.6.10.
[52] BaZ, 21.7.10; NZZ, 18.6.10; SGT, 11.11.10. Siehe auch SPJ 2009, S. 253 f.