Année politique Suisse 2012 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
Andere Parteien
2009 wurde eine nationale
Dachorganisation verschiedener linker Parteien unter dem Namen Alternative Linke (La Gauche, La Sinistra) gegründet, der sich verschiedene Linksaussen-Gruppierungen anschlossen (v.a. PdA/POP, SolidaritéS und Alternative Liste). Bei den kantonalen Wahlen traten die Linksparteien in den Kantonen Waadt und Schaffhausen an. Während sich die Alternative Liste im Kanton Schaffhausen langsam von einer Protestpartei zu einer ernstzunehmenden linken Konkurrenz entwickelte – mit zwei Sitzgewinnen erreichte die AL im Schaffhauser Parlament Fraktionsstärke – musste La Gauche als Zusammenschluss extremer linker Parteien (PdA, Alternative, Point de départ, SolidaritéS) im Kanton Waadt einen Sitzverlust hinnehmen
[138].
Von sich reden machte die Alternative Linke mit der von ihr lancierten und von der SP, dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund und der Unia mitgetragenen Volksinitiative „Schluss mit den Steuerprivilegien für Millionäre (
Abschaffung der Pauschalbesteuerung)“. Nachdem die Pauschalbesteuerung in verschiedenen Kantonen bereits abgeschafft worden war, forderte die AL eine Abschaffung auch auf gesamtschweizerischer Ebene. Die Initiative wurde Ende Oktober mit 103 012 gültigen Unterschriften eingereicht
[139].
Ende Juni fand der dritte
nationale Kongress der AL in Biel statt. Diskutiert wurde die schleppende Weiterentwicklung der extremen Linken, die auch auf die (zu) grosse Zersplitterung zurückzuführen sei. Am Kongress wurden 24 Mitglieder aus elf Kantonen (GE, SH, BE, JU, VS, VD, TI, BL, BS, FR, ZH) in den nationalen Vorstand gewählt. Als Gastredner war Stéphane Hessel, Widerstandskämpfer der französischen Résistance und Überlebender des KZ Buchenwald, eingeladen worden. Der Verfasser der Widerstandsschrift „Empört Euch“ sprach sich unter dem Titel „Von der Empörung zur Tat“ unter anderem gegen die zunehmende Verschärfung des Asylwesens aus
[140].
In St-Imier (BE) trafen sich Anfang August
Anarchisten aus der ganzen Welt zu einem internationalen Treffen. Rund 3 000 Personen nahmen während fünf Tagen an verschiedenen Veranstaltungen teil. St-Imier war vor 140 Jahren Gründerort der ersten Antiautoritären Internationalen, die als Reaktion auf die marxistische Internationale unter dem Beisein des russischen Revolutionärs und Philosophen Michail Bakunin entstanden war
[141].
Der Präsident der Autopartei, Jürg Scherrer, kündigte im Berichtsjahr gleich drei
Volksinitiativen an, mit denen die einst erfolgreiche Einthemenpartei wieder von sich reden machen soll. Die Begehren fordern den Ausbau des Autobahnnetzes, die Verwendung des Reinertrags der Mineralölsteuer alleine für den Strassenverkehr sowie höhere Tempolimiten. An der Delegiertenversammlung vom 19 Mai hiessen die Abgeordneten die Pläne ihres Präsidenten gut. Im Berichtjahr wurden die Begehren allerdings noch nicht lanciert
[142].
Der Verlust ihres Freiburger Sitzes bei den Nationalratswahlen 2011 war für die CSP Anlass, ihren Namen zu überdenken. Auf nationaler Ebene als auch in den Kantonen – die CSP hat Sektionen in den Kantonen Jura, Freiburg, Wallis und Zürich – sollte bis im Sommer 2013 vor allem über das C reflektiert werden. Darüber hinaus sollten auch
thematische Perspektiven entwickelt werden. Favorisierte Themen waren die Generationenpolitik, die Umwelt- und Energiepolitik sowie die Raumplanung. An ihrer Delegiertenversammlung Mitte Mai beschloss die Partei, mit einer Bündelung der Kräfte und einem besseren Profil „zurück ins Bundeshaus“ zu wollen
[143].
Die CSP stellte sich gegen den Bau einer zweiten Gotthardröhre und forderte in einer Resolution die konsequente Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene. Zudem forderte sie Ende Oktober eine kohärentere
Verkehrspolitik, welche die Randregionen besser respektiere. Dies war eine Reaktion auf einen vom Bundesrat in die Vernehmlassung gegebenen Vorschlag, unrentable Bahnlinien durch Busse zu ersetzen
[144].
Ende Dezember beschloss die CSP, das Referendum gegen die Revision des
Asylgesetzes zu unterstützen. Mit der neuesten Revision würden fundamental wichtige humanitäre Prinzipien in Frage gestellt
[145].
Von kurzer Dauer war das
Gastspiel der Direktdemokratischen Partei Schweiz (DPS). Mitte Juli wurde die Partei von Ignaz Bearth-Holdener gegründet. Ziel sei es, Wählerinnen und Wähler rechts der SVP, allerdings mit einem sozialeren Profil als die Volkspartei, zu gewinnen, so der neue Präsident Bearth-Holdener, der früher der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) angehört hatte. Als Vorbild diene die österreichische FPÖ. Das Medieninteresse an der Gründung war gross, da die linksextreme militante Antifa mit Störungen bei der Gründerfeier gedroht hatte und die erste Versammlung deshalb unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf dem Rütli stattfand. Obwohl neben St. Gallen in einigen weiteren Kantonen Sektionen (AG, BS, BL) gegründet wurden, kam die Partei nie wirklich auf Touren. Ende August hatte die Partei nach eigenen Aussagen rund 70 Mitglieder. Nach einem Eklat an der ersten Delegiertenversammlung Anfang Dezember in Arbon trat Bearth-Holdener per sofort zurück und um die Partei wurde es still
[146].
Nachdem die Partei bei den nationalen Wahlen 2011 ihren einzigen Sitz im eidgenössischen Parlament verloren hatte, konnte die EDU bei den
kantonalen Gesamterneuerungswahlen einen überraschenden Erfolg im Kanton Thurgau feiern. Sie profitierte dort von der Niederlage der SVP und konnte ihre drei Sitze auf sechs Mandate ausbauen. Auch im Kanton Schaffhausen gelang ein Sitzgewinn, während im Kanton Aargau die beiden Mandate gehalten werden konnten. Im Kanton Waadt, wo die EDU auf einer gemeinsamen Liste mit BDP, GLP, CVP und EVP antrat, musste sie ihren Sitz abgeben, trug aber zum Erfolg der „Alliance du Centre“ bei. Keine Erfolge konnten in den Kantonen Basel-Stadt und St. Gallen vermeldet werden, wo die EDU zwar antrat, die Wähleranteile aber für einen Sitzgewinn nicht genügten
[147].
Die EDU kündigte im Januar an ihrer Delegiertenversammlung in Olten die Unterstützung der
Auns-Initiative „Für eine neutrale weltoffene und humanitäre Schweiz“ an
[148].
Im Kanton
Wallis wurde die UDF-Sektion neu lanciert. Die im Jahr 2000 gegründete Kantonalsektion war seither inaktiv gewesen. Mitte März wurde sie in Martigny wiederbelebt
[149].
Die EDU machte als Unterstützerin des Referendums gegen das revidierte
Epidemiegesetz von sich reden. Die im nationalen Parlament kaum umstrittene Revision führe zu einem Diktat der Weltgesundheitsorganisation WHO, die bestimme, wann jemand geimpft werden müsse. Zudem könnten Schulen verpflichtet werden, über sexuell übertragbare Krankheiten zu informieren
[150].
Im Berichtjahr wurde mit der
Fusion im Kanton Waadt zwischen Radicaux und Libéraux der 2008 beschlossene und seit 2009 in allen Kantonen durchgeführte Fusionsprozess zwischen der Liberalen Partei und der FDP abgeschlossen (vgl. oben, FDP). Einzig im Kanton Basel-Stadt ist eine Fusion zwischen der Liberal-Demokratischen Partei und der FDP weiterhin kein Thema. Die LDP ist zwar seit 2009 Mitglied der FDP.Die Liberalen auf eidgenössischer Ebene, will aber auf kantonaler Ebene selbständig bleiben
[151].
Durch den Parteiübertritt von Felix Eymann von der aufgelösten Demokratisch-Sozialen Partei in die LDP hatte die Liberale Partei während der Legislatur ein Mandat erben können, das sie bei den
kantonalen Wahlen in Basel-Stadt zusammen mit den restlichen neun Sitzen erfolgreich verteidigte. Felix Eymann ist der Bruder des LDP-Regierungsrates Christoph Eymann. Dieser wurde auf einer gemeinsamen Liste mit zwei FDP-Vertretern in seinem Amt ebenfalls bestätigt
[152].
Die Partei national orientierter Schweizer (Pnos) rief für den 5. August zu einer Feier auf dem
Rütli auf. Die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG) als Verwalterin der Rütli-Wiese bezeichnete den Aufruf, für den keine Bewilligung erteilt worden sei, zwar als „unanständig“ und als „Frechheit“, sie sah aber von einem Protest ab, was ihr prompt Kritik von der Juso einbrachte. Rund 200 Mitglieder rechtsextremer Gruppierungen kamen dem Aufruf nach. Die präsente Polizei filmte zwar den Anlass, schritt aber nicht ein. Weil linke Gegendemonstrationen ausgeblieben waren, kam es auch zu keinen Scharmützeln
[153].
Die Piratenpartei trat zwar bei vier im Berichtjahr stattfindenden kantonalen Gesamterneuerungswahlen an, hatte jedoch
keine Chance auf einen Wahlerfolg. Nur im Kanton Basel-Stadt erhielt die Partei mehr als ein Wählerprozent. In den Kantonen Aargau, St. Gallen und Waadt blieb sie deutlich unter dieser Grenze
[154].
Bisher hatten die Piraten einen Mandatsträger im Grossen Gemeinderat von
Winterthur (Marc Wäckerli). Neu hinzu kam der in
Eichberg (SG) zum Gemeindepräsidenten gewählte Alex Arnold. Die Piraten selber zeigten sich überzeugt davon, dass ihnen grössere Durchbrüche noch gelingen werden. Themen wie Videoüberwachung, Datenschutz und Internetkriminalität, zu denen die Piraten einiges zu sagen hätten, würden zusehends wichtiger
[155].
Nach eigenen Angaben umfasste die Partei Anfang 2012 rund 1 800 Mitglieder in zehn Sektionen. Im Berichtjahr kam es an der
Parteispitze zu einem Wechsel. Der bisherige Präsident und Gründer der Piraten, Denis Simonet, machte dem 30-jährigen Zürcher Thomas Bruderer Platz, der Anfang März an der Delegiertenversammlung in Visperterminen gewählt wurde
[156].
An ihrem Parteitag Mitte Juni in Aarau wagten sich die Piraten in noch wenig vertraute Gefilde. Sie veröffentlichten ein Communiqué zur
Europapolitik, in welchem sie eine direktdemokratisch organisierte EU fordern, in der jeder Staat das gleiche Gewicht erhält. Zudem müsse die EU-Exekutive demokratisch legitimiert werden. Erst zu einer derart organisierten EU könne die Schweiz dereinst beitreten
[157].
Mit dem Verlust der beiden Sitze bei den
Gesamterneuerungswahlen im Kanton Aargau waren die SD in keinem Kanton mehr in der Legislative vertreten. Auch aus dem kommunalen Parlament in der Stadt Bern wurden die SD abgewählt. Damit hatte die Partei, die seit den 60er Jahren im Nationalrat vertreten war, nur noch in der Stadt Zürich, in Uster und in Winterthur Vertreter in der Legislative
[158].
Ein Scheitern zeichnet sich auch bei der Sammlung der nötigen Unterschriften für die von den SD Ende Juli 2011 lancierten
Initiative „Für eine Stabilisierung der Gesamtbevölkerung“, die in der Verfassung verankern wollte, dass gesamtschweizerisch die Zuwanderung die Abwanderung nicht übersteigen dürfe. Tatsächlich lief die Frist Ende Januar 2013 unbenützt ab
[159].
Die negativen Resultate bei den kantonalen Wahlen und das Scheitern bei der Unterschriftensammlung für die eigene Initiative führten schliesslich zu
Auflösungserscheinungen. Parteipräsident Rudolf Keller verkündete in der Dezemberausgabe des Parteiblattes „Schweizer Demokrat“, das die Partei „fast tot“ sei und nichts mehr anderes übrig bleibe, als sie zu beerdigen. Allerdings strebte Keller einen Neuanfang mit einem neuen Parteiprogramm und unter einem neuen Namen an. Die SD müsse neu erfunden werden
[160].
Die 2011 im Kanton Aargau gegründete Partei, die im Wahljahr zu Bekanntheit kam, weil sie den aus der SP ausgetretenen ehemaligen Nationalrat Ricardo Lumengo aufnahm und mit ihm bei den Nationalratswahlen antrat, musste im Berichtjahr ihre beiden Sitze im Aargauer Kantonalparlament wieder abgeben. Freilich hatte sie die Sitze lediglich aufgrund von Parteiwechseln (von der EDU bzw. von der SVP) inne. Beat Leuenberger von der SVP (siehe oben) und Samuel Schmid (ex-EDU) wurden nicht mehr gewählt
[161].
[138] Vgl. Teil I, 1e (Wahlen in kantonale Parlamente).
[139]
BBl, 2012, S. 9228 f.
Blick, 19.10.12;
NZZ, 22.11.12.
[140] Medienmitteilung AL vom 13.7.12.
[142]
BBl, 2012, S. 703;
Blick, 5.5.12;
NZZ, 21.5.12.
[143] Medienmitteilung CSP vom 12.5.12;
Lib, 27.8.12.
[144] Medienmitteilung CSP vom 25.8. und 27.10.12.
[145] Medienmitteilung CSP, 17.12.12.
[146]
SGT, 23.7. und 24.7.12;
24h, 26.7.12;
So-Bli, 29.7.12; Presse vom 30.7.12;
SGT, 31.7., 3.8. und 18.8.12;
BaZ, 5.11.12;
TA, 8.11.12; Presse vom 5.12.12.
[147] Vgl. Teil I, 1 e (Wahlen in kantonale Parlamente);
SPJ 2011, S. 457 f.
[148] Medienmitteilung EDU vom 14.1.12.
[150]
NZZ, 15.10.12; Medienmitteilung EDU vom 13.10.12.
[151]
24h, 6.7.12;
LT, 5.9.12; www.ldp.ch.
[152] Vgl. Teil I, 1e (Wahlen in kantonale Parlamente und Wahlen in kantonale Regierungen).
[153]
SoZ, 29.7.12;
NZZ, 4.8. und 6.8.12.
[154] Vgl. Teil I, 1e (Wahlen in kantonale Parlamente).
[155]
SoZ, 19.2.12;
Bund, 24.2.12;
AZ, 7.8.12;
TA und
SGT, 25.9.12.
[156] Bund, 24.2.12; NZZ, 5.3.12; WoZ, 1.3.12; BaZ, 2.7.12; NZZ, 25.7.12.
[158]
TA, 21.12.12; vgl. Teil I, 1e (Wahlen in kantonale Parlamente).
[159]
BBl 2012, S. 943;
NZZ, 1.2.12.
[160]
TA, 21.12.12;
NZZ, 22.12.12; Schweizer Demokrat Nr 11/12.
[161]
AZ, 7.8.12; vgl. Teil I, 1 e (Wahlen in kantonale Parlamente).
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