Année politique Suisse 1987 : Infrastruktur und Lebensraum / Erhaltung der Umwelt
 
Gewässerschutz
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Revision des Gewässerschutzgesetzes
Der Bundesrat beschloss, die Volksinitiative "zur Rettung unserer Gewässer", die einen strengen Schutz der natürlichen und naturnahen Gewässer verlangt, Volk und Ständen zur Ablehnung zu beantragen. Zwar beurteilte er die Zielrichtung des Begehrens grundsätzlich als richtig. Mit ihrer konsequenten und finanziell weitreichenden Ausrichtung auf den Gewässerschutz berücksichtige die Initiative jedoch andere wichtige Interessen, insbesondere dasjenige der Wassernutzung, zu wenig und stehe teilweise auch im Widerspruch zur bereits bestehenden Verfassungsgrundlage. Als indirekten Gegenvorschlag legte er die Botschaft zur Revision des Gewässerschutzgesetzes (GSG) vor. Damit soll einem erweiterten Schutzgedanken Rechnung getragen, aber auch eine umfassende Abwägung aller an Gewässern bestehenden Interessen gewährleistet werden.
Ein Schwerpunkt der Gesetzesvorlage bildet die Regelung der Restwasserfrage durch ein zweistufiges Verfahren: Der Bund legt für neue oder zu erneuernde Wasserkraftwerke Mindestrestwassermengen fest, die generell knapp gehalten sind und grundsätzlich nicht unterschritten werden dürfen. Den Kantonen obliegt es, mit erhöhten Mindestmengen die verschiedenen Schutzinteressen im Einzelfall zu berücksichtigen. Totale Nutzungen sind nicht mehr möglich. Mit Ausnahme der Bestimmungen über die Sicherung angemessener Restwassermengen legt das revidierte GSG im quantitativen Gewässerschutz, der auch Eingriffe in Wasserläufe und Uferbereiche regelt, lediglich Grundsätze fest, die den Kantonen eine eigene Rechtsetzungsbefugnis belassen.
Betreffend den qualitativen Schutz der Gewässer vor Verunreinigungen übernimmt die Gesetzesvorlage weitgehend die Bestimmungen des geltenden Rechts. Ergänzt werden sie im Bereich des Gewässerschutzes in der Landwirtschaft durch Vorschriften über Bodenbewirtschaftung und Verwertung von Hofdünger sowie durch die Möglichkeit, landwirtschaftliche Haushalte unter bestimmten Bedingungen von der Kanalisationsanschlusspflichtzu befreien. Mit Blick auf die Chemiekatastrophe von Schweizerhalle sollen ferner féste Stoffe, die in Verbindung mit Wasser die Gewässer verunreinigen können, den wassergefährdenden Flüssigkeiten gleichgestellt werden. Um die Qualitätsziele im Gewässerschutz zu erreichen, will der Revisionsentwurf die Kantone verpflichten, wenn nötig ergänzende Massnahmen zu treffen. Mit den vorgeschlagenen Subventionsbestimmungen ist im übrigen ein Abbau der Bundesleistungen um durchschnittlich rund 50 Mio Fr. pro Jahr vorgesehen [30].
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Restwassermengen
Um zu verhindern, dass noch kurz vor dem Inkrafttreten des revidierten GSG eine grössere Anzahl Wasserkraftwerke ohne genügende Restwasserauflagen konzessioniert und auf diese Weise die vorgesehene Restwasserregelung unterlaufen werden könnte, beantragte der Bundesrat eine Übergangsregelung und legte im Februar die Botschaft zu einem Bundesbeschluss über den Vorbehalt künftiger Restwassermengen vor. Die in der Vernehmlassung geäusserte deutliche Ablehnung einer solchen vorsorglichen Regelung durch die Mehrheit der Kantone (darunter alle Bergkantone) wurde im Ständerat dadurch bestätigt, dass er mit grossem Mehr Nichteintreten auf die Vorlage beschloss. Demgegenüber sprach sich der Nationalrat unter Namensaufruf klar für eine provisorische Verfügung in der Restwasserfrage aus und stimmte einer inhaltlich modifizierten und zeitlich auf sechs Jahre befristeten Kompromisslösung mit 106 gegen 16 Stimmen zu. Doch die Vorlage scheiterte, da die kleine Kammer – auch in ihrer personell stark erneuerten Zusammensetzung – daran festhielt, ein Vorbehalt künftiger Restwassermengen präjudiziere auf unstatthafte Weise die ordentliche Gesetzgebung, und sich erneut für Nichteintreten entschied [31].
Im Nationalrat standen auch Vorstösse zur Diskussion, welche eine Solidaritätsabgabe zur Kompensation von Einkommensverlusten in den Berggebieten beim Verzicht auf einen Endausbau der Wasserkraft (Landschaftsrappen) forderten. Die Einrichtung eines derartigen Abgeltungsfonds soll weiter geprüft werden [32].
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Belastung der Gewässer durch Phosphat, NTA und EDTA
Das 1986 in Kraft getretene Phosphatverbot für Textilwaschmittel zeigte erste positive Auswirkungen, indem die Phosphorfracht im Zulauf der Kläranlagen um 30–40% sank. Jedoch verdoppelte sich seither der Verbrauch des Phosphatersatzstoffes NTA. Erste Ergebnisse eines umfassenden NTA-Überwachungsprogramms liessen zwar keine nachteiligen Auswirkungen auf die Gewässer erkennen, doch wurde NTA bereits im Trinkwasser nachgewiesen. Anlass zur Sorge bot auch der Einsatz des Zusatzstoffes EDTA, der ebenfalls abgelagerte Schwermetalle regeneriert und im Gegensatz zum NTA nicht abgebaut wird. Da es dadurch zu neuen Belastungen vor allem des Trinkwassers kommen kann, will die Arbeitsgemeinschaft Wasserwerke Bodensee und Rhein durch Aufklärungsarbeit und Absprachen mit den Herstellern erreichen, dass der Stoff nicht mehr verwendet wird [34].
Seit dem Verbot der phosphathaltigen Waschmittel hat sich die Situation für die überdüngten Gewässer noch nicht wesentlich verbessert, und die Phosphatbelastung durch die Landwirtschaft bleibt weiterhin das Hauptproblem. Als prioritäre Massnahme wird schon seit Jahren die Sanierung von zu klein dimensionierten oder undichten Jauchegruben gefordert, da viele Bauern wegen ungenügender Lagerkapazitäten ihren Hofdünger trotz Verbot während der Vegetationsruhe ausbringen. Als Folge verseucht durchgesickertes Nitrat das Grundwasser, und abgeschwemmter Phosphor überdüngt Seen und Flüsse. Die totalen Sanierungskosten der gut 50 000 unzulänglichen Gruben werden auf knapp 2 Mia Fr. geschätzt, woran sich der Bund nach Vorschlag des BUS mit 30% beteiligen soll. Das Finanzdepartement lehnte es allerdings ab, die Sanierung von Hofdüngeranlagen im Talgebiet zu subventionieren (gut 30 000 betroffene Betriebe). Hingegen können aufgrund einer Anderung der Bodenverbesserungsverordnung neu nicht nur Sanierungen im Berggebiet, sondern auch in der voralpinen Hügelzone mit Bundesbeiträgen unterstützt werden [35].
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Verunreinigung des Trinkwassers
Bei der schweizerischen Trinkwasserversorgung stellt sich immer häufiger das Problem des steigenden Nitratgehaltes in den genutzten Grundwasservorkommen. Angesichts der beängstigenden Entwicklung der Belastung des Trinkwassers durch Schadstoffe wie Nitrate, chlorierte Kohlenwasserstoffe und Atrazin sowie der Vollzugsprobleme beim Gewässerschutz in der Landwirtschaft sind zusätzliche Massnahmen nötig [36]. Besorgt über die zunehmende gesundheitliche Gefährdung der Bevölkerung durch Nitrate in Nahrungsmitteln und im Trinkwasser forderten die Kantonschemiker der Schweiz einschneidende Massnahmen, in erster Linie eine Anderung der Landwirtschaftspolitik und die Förderung ökologisch sinnvoller Produktionsweisen. Die Berner Regierung beantragte beim Bundesrat ein Verbot des Unkrautvertilgungsmittels Atrazin sowie Vorschriften für die Einschränkung des Verbrauchs anderer Herbizide. Im Sinne einer aktiven Selbstkontrolle der Hersteller lancierte die Schweizerische Gesellschaft für chemische Industrie (SGCI) ein Forschungsprojekt, das in Zusammenarbeit mit Bundes- und Kantonsbehörden die Rückstände von Pflanzenschutzmitteln im Grundwasser untersuchen und deren Verursacher feststellen will. Die Resultate sollen dazu dienen, auftretende Verunreinigungen zu eliminieren und entsprechend verseuchte Trinkwasserversorgungen zu sanieren [37].
 
[30] Botschaft zur Initiative und zur GSG-Revision: BBl, 1987, II, S. 1061 ff.; Presse vom 30.4.87. Stellungnahmen und Kritik an der Gesetzesvorlage: NZZ, 15.5.87 (Schweiz. Arbeitsgemeinschaft für die Bergbevölkerung), 19.5., 12.6., 25.11. und 30.11.87; Presse vom 16.9.87 (Initianten des Volksbegehrens "zur Rettung unserer Gewässer") und vom 11.11.87 (StR-Kommission). Siehe auch SPJ, 1983, S. 129, 1984, S. 123, 1985, S. 129 und 1986, S. 143 f.
[31] BBl, 1987, I, S. 870 ff.; Amtl. Bull. StR, 1987, S. 435 ff. und 615 ff.; Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1269 ff.; TA, 26.2.87; Presse vom 23.9., 1.10., 2.10. und 8.12.87; NZZ, 26.9.87. Stellungnahmen im Hinblick auf die Parlamentsberatungen: BZ, 18.5.87 (Schweiz. Fischereiverband); BaZ, 19.9.87 (Regierungskonferenz der Bergkantone). Siehe auch NZZ, 21.1.87; TA, 21.9.87; SGT und SZ, 2.10.87 (Interview mit NR Loretan, fdp AG, der diese Übergangslösung angeregt hatte); BZ, 14.1 1.87 (Studie des Schweiz. Wasserwirtschaftsverbandes) und Schweizer Naturschutz, 1987, Nr. 7/8, S. 14 ff. Vgl. SPJ, 1985, S. 129 und 1986, S. 115 und 143 f. sowie oben, Teil I, 6a (Centrales hydro-électriques).
[32] Siehe dazu unten (Landschaftsschutz).
[33] Vgl. SPJ, 1986, S. 144.
[34] Bilanz Phosphatverbot: Gesch.ber., 1987, S. 113; Amtl. Bull. NR, 1987, S. 568 f.; Vat., 29.6.87; TA, 7.7.87; NZZ, 8.7.87. NTA im Trinkwasser: AT, 11.1.87. EDTA-Problem: SGT, 30.3.87. Zur Gewässerbelastung allgemein siehe auch SZ, 25.6., 9.7., 13.7. und 21.7.87.
[35] Sanierung der Hofdüngeranlagen: Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1475 f.; BZ, 24.4.87; Vat., 24.7.87; BaZ, 20.11.87 (kantonale Subventionsregelungen). Anderung der Bodenverbesserungsverordnung auf den 1.8.87: AS, 1987, S. 916 f. Siehe auch Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1194 f.; Schweizer Naturschutz, 1987, Nr. 5, S. 18 sowie Lit.
[36] Belastung des Trinkwassers: NZZ, 13.1.87; TW, 3.2.87; SZ, 10.8.87; SHZ, 24.9.87; TA, 2.10.87; Schweizer Naturschutz, 1987, Nr. 2, S. 2 ff.; vgl. SPJ, 1986, S. 144 f. Vollzugsprobleme: Amtl. Bull. NR, 1986,.S. 2027 und Amtl. Bull. StR, 1987, S. 101 (Uberweisung einer Petition zur Kenntnisnahme an den BR betreffend verstärkte Bundesaufsicht beim Vollzug des GSG); Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1043 f.
[37] Kantonschemiker: NZZ und 24 Heures, 13.8.87; SGT, 19.8.87. Atrazin-Verbot: BZ, 15.4. und 23.12.87; Bund, 2.9.87 (Berner Regierung); vgl. NZZ, 28.1. und TA, 6.10.87 (umstrittener Einsatz von Atrazin durch die SBB); NZZ, 4.7.87; BUS-Bulletin, 1987, Nr. 3, S. 13 f. und Gesch.ber., 1987, S. 121 (Massnahmen zur Einschränkung des Atrazin-Verbrauchs). Chem. Industrie: NZZ, 14.2. und 19.5.87. Zur Diskussion über die Förderung einer umweltgerechteren landwirtschaftlichen Produktion siehe oben, Teil I, 4c (Agrarpolitik).