Année politique Suisse 1991 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte
 
Verwaltung
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Organisation
Von der ursprünglich breit angelegten Übung zur Dezentralisierung der Bundesverwaltung war schliesslich noch die Verlegung von drei Bundesämtern übrig geblieben. Der Bundesrat beantragte im Mai in einer entsprechenden Baubotschaft, 1994 die Bundesämter für Wohnwirtschaft resp. für Wasserwirtschaft nach Grenchen (SO) resp. Biel und 1998 das Bundesamt für Statistik nach Neuenburg zu verlegen. Als Hauptgründe für diese von den Personalverbänden nach wie vor bekämpfte Dislozierung gab er das knappe Angebot an Büroräumen in der Region Bern und regionalpolitische Erwägungen an. Zudem erhofft er sich von Standorten, die näher an der Sprachgrenze liegen, Vorteile für die Rekrutierung französischsprachigen Personals [15].
Im Rahmen der Beratungen des Fernmeldegesetzes hatte der Ständerat 1990 und der Nationalrat 1991 der Bildung eines neuen Bundesamtes für Kommunikation zugestimmt. Im Berichtsjahr genehmigten die Räte den Antrag des Bundesrates, dieses Amt dem EVED zuzuordnen. Das neue Bundesamt hat seinen Sitz in Biel und wird am 1. April 1992 seine Tätigkeit aufnehmen [16].
Das Parlament genehmigte oppositionslos den vom Bundesrat beantragten Kredit von 61,4 Mio Fr. zum Ausbau der elektronischen Kommunikationsnetze in der Bundesverwaltung [17].
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Personal
Die Revision des Beamtengesetzes, welche insbesondere eine Reallohnerhöhung beinhaltet, konnte im Frühjahr abgeschlossen und auf den 1. Mai in Kraft gesetzt werden. Auch der Ständerat stimmte der im Vorjahr vom Bundesrat vorgeschlagenen und vom Nationalrat gutgeheissenen Reallohnerhöhung um 3% auf den 1. Juli zu. Hingegen wies er die Kompetenz zur Gewährung einer allfälligen weiteren 5%igen Reallohnerhöhung nicht dem Bundesrat, sondern der Bundesversammlung zu. In der Differenzbereinigung schloss sich der Nationalrat, gegen den Widerstand von Bundesrat Stich, SP und GP, in dieser Frage der kleinen Kammer an [18].
Die im Vorjahr vom Nationalrat verabschiedete Motion für eine Totalrevision des Beamtengesetzes im Sinne einer grösseren Flexibilität bei der Gestaltung der Anstellungs- und Entlöhnungsverhältnisse fand auch im Ständerat Zustimmung [19].
Obwohl der Bundesrat bereits eine entsprechende Teilrevision des Beamtengesetzes in Auftrag gegeben hatte, beschloss der Nationalrat mit der Überweisung einer parlamentarischen Initiative Allenspach (fdp, ZH), die gewünschte Flexibilisierung auch noch durch eine eigene Kommission zu konkretisieren. Die Initiative regt an, dass Spitzenfunktionäre auch auf obligationenrechtlicher Basis eingestellt werden und bei beamtenrechtlicher Anstellung mit einem qualifizierten Mehrheitsentscheid des Bundesrates wieder entlassen werden können [20].
Nach Ansicht des Nationalrats vermag die Ausgestaltung der 1983 eingeführten Stellenplafonierung, welche den seit 1974 geltenden Stellenstop in der Bundesverwaltung ersetzt hatte, nicht mehr zu befriedigen. Eine vom Nationalrat überwiesene Motion der GPK und der Finanzkommission verlangt deshalb insbesondere ein verbessertes System des Personalmanagements, welches für das Parlament präzisere Informationen zur Beurteilung von Personalbegehren liefert [21].
Nach zehnjähriger Amtszeit trat auf Ende Juni Bundeskanzler Walter Buser (sp) in den Ruhestand. Alle vier Bundesratsparteien stellten einen eigenen Kandidaten für die Nachfolge: die beiden Vizekanzler Couchepin (VS) und Casanova (TI) waren von der FDP resp. der CVP vorgeschlagen worden, der Berner Staatsschreiber Kurt Nuspliger von der SP; die SVP schickte ihren Parteisekretär Max Friedli ins Rennen. Als von keiner Fraktion vorgeschlagener Kandidat tauchte zudem der ebenfalls der SVP angehörende Generalsekretär des EVED, Fritz Mühlemann auf, der im ersten Wahlgang dreizehn Stimmen auf sich vereinigte. In einer spannenden Ausmarchung, zu der nicht weniger als sechs Durchgänge erforderlich waren, wählte die Bundesversammlung am 12. Juni Vizekanzler François Couchepin (cvp, VS) zu Busers Nachfolger. Bei einem absoluten Mehr von 117 Stimmen erhielt er im letzten Durchgang 122 Stimmen, auf seinen härtesten Konkurrenten Mühlemann entfielen deren 110. Der Sieg des als tüchtig, aber eher öffentlichkeitsscheu geltenden Wallisers wurde vor allem auf parteipolitisches Kalkül zurückgeführt: bei der Wahl eines SVP-Mitglieds wären die Sozialdemokraten aus der Spitze der Bundeskanzlei verdrängt worden [22]. Zur Nachfolgerin Couchepins als Vizebundeskanzler wählte der Bundesrat Hanna Muralt (sp). Die bisherige Leiterin des Direktionssekretariats der Bundeskanzlei ist die erste Frau in diesem Amt [23].
Rund ein Jahr vor der eingangs erwähnten Weisung zur Verbesserung der Stellung der Frauen in der allgemeinen Bundesverwaltung hatte Bundesrat Cotti für sein Departement geschlechtsspezifische und sprachliche Quotenregelungen eingeführt. Mit diesen als Sofortmassnahmen bezeichneten Weisungen soll im EDI bis Ende 1992 der Anteil der Frauen von 25% auf 30%, derjenige des französischsprachigen Personals von 17% auf 20% und derjenige der Italienischsprachigen von 7,5% auf 10% gesteigert werden [24].
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Statistik
Mit einiger Verspätung – die Vernehmlassung hatte bereits 1984 stattgefunden – stellte der Bundesrat Ende Oktober den Entwurf für ein Bundesstatistikgesetz vor. Formal soll dieses das aus dem Jahre 1870 stammende Bundesgesetz über statistische Aufnahmen ablösen und zudem die seither in elf verschiedenen Gesetzen verankerten Bestimmungen über statistische Erhebungen in einem einzigen Erlass konzentrieren. Inhaltlich soll das im alten Gesetz festgehaltene restriktive Konzept, welches die Statistik als Hilfsmittel bei der Kontrolle des Vollzugs von staatlichen Massnahmen definiert, überwunden werden. Das neue Gesetz will eine – in der Praxis zum Teil bereits realisierte – Konzeption der amtlichen Statistik verankern, welche dieser die Funktion einer öffentlich zugänglichen Informationsinfrastruktur über Bevölkerung, Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt zuweist. Das neue Gesetz soll einerseits einheitliche Grundlagen für die Anordnung einer Auskunftspflicht festlegen und andererseits die Bestimmungen über den bei statistischen Erhebungen zu beachtenden Datenschutz verankern. Mit den neuen Bestimmungen sollen zudem die Regeln der Zusammenarbeit mit den Kantonen und mit internationalen Gremien geregelt werden [25].
 
[15] BBl, 1991, III, S. 480 ff.; Presse vom 23.5.91. Vgl. SPJ 1990, S. 38.
[16] BBl, 1991, II, S. 177 E ; Amtl. Bull. NR, 1991, S. 1107 f.; Amtl. Bull. StR, 1991, S. 433 f.; NZZ, 6.7.91. Eröffnung: TA, 1.4.92. Siehe unten, Teil I, 8c (Medienpolitische Grundfragen).
[17] BBl, 1991, I, S. 1248 ff.; Amtl. Bull. NR, 1991, S. 1453 ff.; Amtl. Bull. StR, 1991, S. 960 f.; NZZ. 16.2.91.
[18] Amtl. Bull. StR, 1991, S. 35 ff. und 332; Amtl. Bull. NR, 1991, S. 569 ff. und 814; BBl, 1991, I, 1357 ff. Vgl. SPJ 1990, S. 39. Speziell zur Leistungslohnkomponente siehe BZ, 25.4.91; SGT, 8.7.91; NZZ, 14.8.91.
[19] Amtl. Bull. StR, 1991, S. 48. Vgl. SPJ 1990, S. 39. Siehe auch 24 Heures, 18.1.91.
[20] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 1589 ff. Volimer (sp, BE) hatte dieses Nachdoppeln vergeblich als parlamentarischen Leerlauf bekämpft. BR: Bund, 12.4.91; BZ, 17.4.91.
[21] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 701 ff.
[22] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 1431 ff.; BaZ, 15.3.91; Presse vom 12.6. und 13.6.91. Zu Buser und Couchepin siehe auch NZZ, 29.6.91.
[23] Presse vom 15.8.91.
[24] JdG, 26.1.91. Zur Verbesserung der Position der italienischen Sprache in Parlament und Verwaltung siehe unten, Teil I, 8b (Das Verhältnis zwischen den Sprachgruppen).
[25] BBl, 1991, I, S. 373 ff. Vgl. SPJ 1984, S. 65. Siehe dazu auch die Antwort des BR auf eine Interpellation Nabholz (fdp, ZH), worin er den Tatbestand der im internationalen Vergleich ungenügenden Datenlage v.a. im Wirtschaftsbereich bestätigte (Amtl. Bull. NR, 1991, S. 2034 f.).