Année politique Suisse 1993 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung
Strafrecht
Erstmals seit 1988 ist 1992 die Gesamtheit der bei der Polizei angezeigten Verbrechen und Vergehen wieder zurückgegangen. Ausschlaggebend für diese Entwicklung war eine Abnahme bei den gemeldeten Diebstählen; die angezeigten Gewaltdelikte wie Raub oder Körperverletzung nahmen jedoch weiterhin zu
[25]. Die wachsende Angst eines Teils der Bevölkerung, Opfer eines Verbrechens zu werden, liess die öffentliche resp. die
innere Sicherheit auch zu einem wichtigen politischen Thema werden. Nach einer recht emotionalen Debatte im Sommer präsentierten im Oktober sowohl die FDP als auch die CVP ihre Thesen und Vorschläge zu dieser Problematik. Bei der Ursachenforschung vermieden beide Parteien Schuldzuweisungen an politische Gegner oder bestimmte Bevölkerungsgruppen. Sie machten für die wachsende Kriminalität eher allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen wie zunehmende Anonymität und Wertewandel verantwortlich. Als Gegenmittel schlugen sie einen Ausbau der Strafverfolgungs- und -vollzugsbehörden vor, was freilich nicht ohne zusätzliches Personal und neue Strafvollzugsanstalten zu bewerkstelligen wäre. Auch Exponenten der SVP äusserten sich in ähnlicher Weise. Bundesrat Koller beauftragte eine verwaltungsinterne Arbeitsgruppe mit der Abklärung der Frage, welche Beiträge das EJPD zur Verbesserung der Situation leisten kann
[26]. Wenig Resonanz fand dieses Thema bei der SP, die zwar ebenfalls Vollzugsprobleme konstatierte, sonst aber den Verdacht äusserte, dass dieses Thema von den bürgerlichen Parteien hochgespielt werde, um von den wirtschaftlichen Problemen abzulenken und um Wählerstimmen zu erobern. Zumindest im lokalen Rahmen wurde ihre Anschuldigung bestätigt, als die Zürcher SVP in Wahlkampfinseraten die "Linken und Netten" für die zunehmende Kriminalität verantwortlich machte
[27].
Besondere
Vollzugsprobleme zeigten sich im Kanton Zürich. Vor allem als Folge der Konzentration des schweizerischen Drogenmarktes auf die Stadt Zürich waren die Gefängnisse oft dermassen überfüllt, dass die Polizei auf Verhaftungen verzichten musste, oder dass Gefangene, bei denen die Landesverweisung vollzogen werden konnte, vorzeitig entlassen wurden. Der Zürcher Regierungsrat Leuenberger (sp) kündigte gegen Jahresende den Bau von neuen Vollzugsanstalten an. Die von Zürcher Politikern aufgestellte Forderung nach einem Einsatz der Armee im Strafvollzug wurde von EMD-Chef Villiger umgehend und kategorisch abgelehnt
[28].
Aus der schweizerischen Kriminalstatistik ist bekannt, dass unter den Verurteilten die
Ausländer überproportional stark vertreten sind. So beträgt ihr Anteil bei den Gewaltdelikten rund 45%.
Ein guter Teil dieser Ausländer ist aber gar nicht in der Schweiz wohnhaft. Gemäss einer Auswertung des Bundesamtes für Statistik betrug der Anteil dieser Gruppe am Total aller verurteilten Straftäter im Mittel der Jahre 1987 bis 1991 bei Mord 24% und bei anderen Gewaltdelikten mehr als 10%; bei den Verurteilungen wegen Drogenhandel handelte es sich sogar bei jedem Dritten um einen nicht in der Schweiz wohnenden Ausländer
[29].
Das Problem der speziell zur Begehung von Straftaten in die Schweiz einreisenden Kriminellen beschäftigte auch das Parlament. In der Frühjahrssession überwies der Nationalrat eine von 105 Abgeordneten aus allen Fraktionen (mit Ausnahme der GP) unterzeichnete Motion Stamm (fdp, AG) als Postulat. Er lud damit den Bundesrat ein, in bilateralen Verhandlungen zu erreichen, dass
verurteilte ausländische Täter ihre Gefängnisstrafe in ihrem Herkunftsland absitzen müssen. Diese Strafverbüssung in der Heimat ist heute an das Einverständnis der Verurteilten gebunden und wird von diesen kaum genutzt
[30].
Im Ständerat hatte Monika Weber (ldu, .ZH) eine Motion eingereicht, die vor allem
verschärfte Massnahmen gegen kriminelle Asylbewerber resp. gegen Kriminelle, die sich unter den Schutz des Asylverfahrens stellen, forderte. Den Hintergrund für ihre Intervention bildete die Tatsache, dass sich unter den bei den Razzien der Zürcher Polizei verhafteten Drogendealern regelmässig über 40% Asylbewerber befinden. Sie verlangte deshalb die Internierung von Asylbewerbern, gegen welche ein Strafverfahren eröffnet wurde, und die nicht in Untersuchungshaft genommen worden sind. Für rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten Verurteilte forderte sie eine Internierung bis zur Erledigung des Asylgesuchs resp. die Ausschaffungshaft für solche, deren Gesuch bereits abgelehnt worden ist. Zudem sollte die heute auf einen Monat beschränkte Ausschaffungshaft bis zu sechs Monaten verlängert werden können, wenn die Betroffenen die Beschaffung von Ausreisepapieren behindern. In seiner Antwort betonte Bundesrat Koller, dass die Behörden bereits seit 1991 Massnahmen zur Bekämpfung des Missbrauchs des Asylverfahrens getroffen hätten, insbesondere mit der Weisung, Gesuche von straffälligen Bewerbern prioritär zu behandeln. Weitere Verschärfungen, wie etwa die Festsetzung von Aufenthaltrayons oder die in der Motion Weber erwähnten Massnahmen, würden zur Zeit von einer Expertenkommission unter rechtsstaatlichen Aspekten genau abgeklärt. Der Rat folgte seinem Antrag, den Vorstoss in ein Postulat umzuwandeln
[31].
Nachdem er im Oktober eine Vernehmlassung durchgeführt hatte, legte der Bundesrat gegen Jahresende dem Parlament seine
Vorschläge für einen effizienteren Vollzug von Ausweisungsbeschlüssen gegen kriminelle Ausländer vor. Sie betreffen nur Personen, welche weder über eine Niederlassungs- noch eine Aufenthaltsgenehmigung verfügen. Die Massnahmen richten sich nach Bundesrat Koller namentlich gegen jene, welche das Asylrecht missbrauchen, um unter dessen Schutz im Drogenhandel tätig zu sein. Wichtigstes Element soll wie bisher die prioritäre Bearbeitung der Gesuche von delinquierenden Asylbewerbern bleiben. Damit diese aber während der oft langwierigen Beschaffung von Ausreisepapieren nach einem ablehnenden Bescheid nicht weiterhin im kriminellen Milieu aktiv sein können, ist eine
Ausdehnung der Ausschaffungshaft von einem auf sechs Monate vorgesehen. Um die Suche nach Reisedokumenten zu erleichtern, soll die Polizei die Effekten der Asylbewerber durchsuchen können. Erfolgt die Verurteilung bereits vor dem Abschluss des Asylverfahrens, sollen solche Personen bis zum Entscheid in eine "Vorbereitungshaft" von bis zu drei Monaten genommen werden können. Im weiteren sollen die Behörden während der Dauer des Anerkennungsverfahrens einen Aufenthaltsrayon resp. eine Sperrzone für Asylbewerber deklarieren dürfen. Schärfere Massnahmen, wie etwa sofortige Ausschaffung von kriminellen Asylbewerbern oder Nichteintreten auf deren Gesuche kommen hingegen für den Bundesrat aus verfassungs- und völkerrechtlichen Gründen nicht in Frage
[32].
Grosses Aufsehen erregte ein Entscheid des Bundesgerichts vom 24. März 1992 im Falle eines seit 1985 in der Schweiz ansässigen und nach einer bedingten Haftentlassung erneut in Untersuchungshaft sitzenden Ausländers. Das oberste Gericht hatte die anlässlich der ersten Verurteilung
als Zusatzstrafe verhängte Landesverweisung mit der Begründung aufgeschoben, dass die Chancen einer Resozialisierung in der Schweiz besser seien als im Heimatland des Delinquenten. Eine parlamentarische Initiative Moser (ap, AG) verlangte nun, dass für Ausländer, die wegen bestimmter schwerer Verbrechen zu Zuchthausstrafen verurteilt worden sind, automatisch eine Landesverweisung auf Lebenszeit ausgesprochen wird. Diese Zusatzstrafe ist heute nur bei Wiederholungstätern möglich. Die Ratsmehrheit lehnte die Initiative Moser ab. Im Anschluss an diesen Entscheid überwies der Nationalrat jedoch eine vom Bundesrat und der Ratslinken bekämpfte Motion, welche Änderungen des StGB und des Ausländergesetzes (Anag) verlangt, damit Landesverweisungen, welche von den Gerichten als Zusatzstrafe bei schweren Verbrechen verhängt worden sind, auf jeden Fall vollzogen werden müssen. Für den Ständerat war diese Motion zu undifferenziert, weshalb er sie in ein Postulat umwandelte
[33].
Im Juli gab der Bundesrat den
Entwurf einer Expertenkommission für die Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs in die Vernehmlassung. Das Ziel dieser Reform besteht in einer Erweiterung des Katalogs an strafrechtlichen Sanktionen, um den unterschiedlichen Formen der Kriminalität besser gerecht zu werden. Dabei sollen bei den kleinen und mittleren Delikten vermehrt Resozialisierungs- und Verhütungsziele verfolgt werden. Die Experten schlagen vor,
auf kurze Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten zu verzichten und diese durch Geldstrafen, oder – mit dem Einverständnis des Verurteilten – durch gemeinnützige Arbeiten zu ersetzen. Da diese kurzen Freiheitsentzüge heute mehr als 80% aller Freiheitsstrafen ausmachen, würde damit auch ein Beitrag zur Entlastung der überfüllten Gefängnisse geleistet. Die Maximaldauer für bedingt ausgesprochene Freiheitsstrafen möchten die Experten von 18 auf 36 Monate erweitern. Bei schweren Gewaltdelikten soll die Obergrenze von 20 Jahren (d.h. lebenslänglich) beibehalten werden, wobei aber bei der Gefahr von weiteren schweren Taten eine anschliessende Verwahrung angeordnet werden kann. Das Konzept des Verzichts auf kurze Freiheitsstrafen stiess vor allem in der in Strafrechtsfragen repressiveren Westschweiz, vereinzelt aber auch in der Deutschschweiz auf Kritik
[34].
Das Parlament befasste sich bereits mit einzelnen Vorschlägen der Expertenkommission. Beide Kammern überwiesen eine unbestrittene Motion Zisyadis (pda, VD) für die
Einführung von Gemeinschaftsdiensten als Strafen. Eine vom Nationalrat gutgeheissene Motion Iten (cvp, NW) für eine Ausdehnung der Maximaldauer von bedingten Strafen auf 36 Monate wandelte die kleine Kammer hingegen in ein Postulat um. Dieser Entscheid wurde einerseits damit begründet, dass dieses Anliegen ohnehin bereits von der oben erwähnten Expertenkommission eingebracht worden sei, andererseits machte sich aber auch grundsätzliche Kritik an einer Milderung der Strafbestimmungen bemerkbar
[35].
Als Zweitrat
ratifizierte auch der Nationalrat das Übereinkommen des Europarates über die Geldwäscherei und die Einziehung von deliktisch erworbenen Vermögenswerten
[36]. Unter den in diesem Abkommen empfohlenen Massnahmen wird auch die Überwachung von verdächtigen Bankkonten erwähnt. Der Nationalrat überwies nun zwei Postulate, welche den Bundesrat einladen, die Schaffung von Rechtsgrundlagen für dieses Instrument zu prüfen
[37].
Ende Juni legte der Bundesrat die
Botschaft mit den ergänzenden Massnahmen zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens vor, welche nach der Vernehmlassung noch einmal von einer Expertengruppe überarbeitet worden waren. Neu soll gemäss dem Entwurf der
Begriff der kriminellen Organisation in das Strafgesetz eingeführt werden. Damit würden die Akteure des organisierten Verbrechens auch in denjenigen Fällen zur Rechenschaft gezogen werden, in denen wegen der ausgeklügelten Arbeitsteilung in diesen Organisationen eine direkte Tatbeteiligung nicht nachgewiesen werden kann. Der neue Rechtsbegriff der kriminellen Organisation soll auch einen wirkungsvolleren Zugriff auf deliktisch erworbene Vermögen ermöglichen. In Fällen, wo diese Vermögen nicht mehr vorhanden oder nicht mehr feststellbar sind, sollen die Gerichtsbehörden auch legal erworbene Vermögenswerte von kriminellen Organisationen einziehen dürfen. Als dritte wesentliche Neuerung schlug der Bundesrat eine
Lockerung des Bank- resp. Berufsgeheimnisses vor. Danach soll es Personen, welche sich mit Bank- und Finanzgeschäften befassen, explizit erlaubt werden, die Behörden bereits über einen Verdacht auf Geldwäschereigeschäfte zu benachrichtigen. Diese auch von der Bankiervereinigung begrüsste Neuerung wird nicht nur die Aufdeckung von kriminellen Transaktionen erleichtern, sondern soll die Financiers auch aus dem Dilemma zwischen dem Risiko der strafbaren Beteiligung an Geldwäschereigeschäften einerseits und der Verletzung des Berufsgeheimnisses andererseits befreien. Auf eine "
Kronzeugenregelung", wie sie zum Beispiel die USA und Italien kennen, möchte der Bundesrat hingegen verzichten. Immerhin sollen Täter, die mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten, mit einer Strafmilderung rechnen können
[38].
Der Ständerat stimmte in der Dezembersession den Anträgen des Bundesrats weitgehend zu. Einen Antrag Morniroli (lega, TI) auf Schaffung einer "Kronzeugenregelung" lehnte er deutlich ab
[39]. Der Nationalrat überwies ferner ein Postulat der CVP-Fraktion, worin namentlich Mittel und Personal für eine Verbesserung der Koordination zwischen den Organen des Bundes, der Kantone und des Auslands im Kampf gegen das organisierte Verbrechen sowie Rechtsgrundlagen für die verdeckte Fahndung gefordert werden
[40].
In seiner Botschaft zu den ergänzenden Massnahmen gegen das organisierte Verbrechen nahm der Bundesrat auch eine
Beurteilung der aktuellen Bedeutung des organisierten Verbrechens in der Schweiz vor. Als besonders gefährdet sieht er das Umfeld der Finanzplätze an, wo bereits heute die angebotenen Dienstleistungen von kriminellen Organisationen zum Geldwaschen verwendet werden. Der Grossteil der in den letzten Jahren beschlossenen und neu vorgeschlagenen gesetzlichen Massnahmen richtet sich denn auch gegen derartige Aktivitäten. Erste Anzeichen für das als besonders gefährlich erachtete Eindringen des organisierten Verbrechens in die Unternehmen der legalen Wirtschaft seien hingegen erst im Bereich der kleinen Gastronomiebetriebe und Modeboutiquen feststellbar
[41].
Der Bundesrat schickte im Mai Vorschläge einer Expertenkommission für eine Revision der Regelung des Verfahrens bei der internationalen Rechtshilfe in die Vernehmlassung. Das Ziel einer
Beschleunigung des Verfahrens soll insbesondere dadurch erreicht werden, dass die Einsprachemöglichkeiten auf die Schlussverfügung über die Gewährung und den Umfang der Rechtshilfe beschränkt werden. Damit könnte eine jahrelange Blockierung der Ermittlungsarbeit durch Einsprachen auf verschiedenen Stufen, wie dies beispielsweise im Fall des philippinischen Staatschefs Marcos geschehen ist, verhindert werden. Auf eine Zentralisierung des Verfahrens möchten die Experten hingegen verzichten
[42].
Im Zusammenhang mit der Aufdeckung von italienischen Schmiergeldskandalen entstand in der Schweiz eine Kontroverse über die
Gewährung von internationaler Rechtshilfe in Bestechungsfällen. Voraussetzung für die Gewährung von Auskünften und die Aufhebung des Bankgeheimnisses ist die Strafbarkeit entsprechender Delikte in der Schweiz. Diese ist bei Geldzahlungen an Privatpersonen – dazu gehören auch Politiker, solange sie kein öffentliches Amt innehaben – nicht gegeben. Inwiefern die Bestechung ausländischer Beamter strafbar ist, muss, nach einem Rekurs der Tessiner Staatsanwältin del Ponte, das Bundesgericht entscheiden. Die Beamtenbestechung ist in der Schweiz zwar verboten; die Rekurskammer des Appellationsgerichts des Kantons Tessin hatte jedoch eine Beschwerde von Bankiers gegen die Aufhebung des Bankgeheimnisses mit dem Argument gutgeheissen, dass damit nur die Bestechung schweizerischer Beamter gemeint sei
[43].
Als Erstrat befasste sich der Nationalrat mit den vom Bundesrat 1991 vorgeschlagenen Änderungen des Strafrechts in bezug auf nicht erlaubte Handlungen gegen das Vermögen und auf das Fälschen von Urkunden. In der Eintretensdebatte begrüssten sämtliche Fraktionen diese Rechtsanpassung an die neuen Formen der Wirtschaftskriminalität. In der Detailberatung stimmte der Rat der von der Kommission vorgeschlagenen weniger strengen Bestrafung von Personen, welche ohne Bereicherungsabsichten in ein Computersystem eindringen (sog.
Hacking) zu. Einen von Vertretern der SP unterstützten Antrag auf vollständige Straffreiheit für derartige Aktivitäten lehnte er hingegen ab. Mit Stichentscheid des Präsidenten abgelehnt wurde auch ein von der SP, der GP, dem LdU und Teilen der CVP unterstützter Antrag, es dem Richter zu erlauben, bei Bagatelldelikten von einer Strafverfolgung abzusehen (sog. Opportunitätsprinzip). Im übrigen nahm der Rat eine Reihe von Korrekturen am Regierungsentwurf vor, ohne allerdings Wesentliches zu verändern
[44]. Der Ständerat stimmte den neuen Bestimmungen in der Wintersession zu, schuf aber doch einige Differenzen zum Nationalrat. Insbesondere nahm er als zusätzlichen strafbaren Tatbestand auch noch das Einschleusen von Viren in Computersysteme sowie die Herstellung und Verbreitung derartiger Programme in das Gesetz auf
[45].
Obwohl damit die Kompetenzen der Kantone zu Lasten des Bundes eingeschränkt werden, stimmte auch der Ständerat dem neuen Verfassungsartikel 40bis zu, welcher den Bund beauftragt,
Missbräuche im Waffenhandel zu bekämpfen. Zuvor hatten insbesondere die Freisinnigen Loretan (AG) und Rüesch (SG) vom Bundesrat eine explizite Zusicherung erhalten, dass er nicht beabsichtige, in der Ausführungsgesetzgebung das Recht auf Waffenbesitz grundsätzlich in Frage zu stellen. In der Schlussabstimmung wurde die neue Bundeskompetenz vom Nationalrat gegen drei und vom Ständerat ohne Gegenstimmen verabschiedet
[46].
Waffenartikel. Abstimmung vom 26. September 1993
Beteiligung: 39,9%
Ja: 1 539 782 (86,3%) / 20 6/2 Stände
Nein: 245 026 (13,7%) / 0 Stände
Parolen:
Ja: alle Parteien ausser AP, Lega.
Nein: AP, Lega, LP (VD).
Die Volksabstimmung über den neuen Verfassungsartikel fand am 26. September statt. Opposition machte sich während der Kampagne kaum bemerkbar. Die Gesellschaft für freiheitliches Waffenrecht "Pro Tell", an deren Widerstand frühere Versuche zur Einführung einer Bundeskompetenz zur Regelung des Waffenerwerbs gescheitert waren, vermochte zwar dem Verfassungsartikel nichts Positives abzugewinnen, sie kündigte jedoch an, dass sie ihre Kräfte voll auf die Ausgestaltung der Ausführungsgesetzgebung konzentrieren wolle. Nachdem sich von den Parteien nur die AP und die Lega sowie die Liberalen des Kantons Waadt gegen den neuen Verfassungsartikel ausgesprochen hatten, nahm das Volk die neuen Bestimmungen mit mehr als
86%-Ja-Stimmen an
[47].
Die Schaffung neuer Polizeiorgane im Rahmen der
Europäischen Union (Schengener Informationssystem, Trevi, Europol) liess bei den schweizerischen Ermittlungsbehörden die Befürchtung aufkommen,
vom Informationsaustausch und der aktiven Zusammenarbeit ausgeschlossen zu werden. Im Rahmen einer Interpol-Konferenz brachte deshalb die Schweiz einen Resolutionsentwurf ein, welcher eine möglichst enge Vernetzung dieser neuen europäischen Institutionen mit Interpol verlangt. Die Delegierten aus 40 europäischen Staaten stimmten diesem Antrag zu
[48].
[26] FDP: NZZ, 29.10.93; Politische Rundschau, 72/1993, Nr. 4. CVP: Presse vom 1.11.93. SVP: BZ, 13.10.93. Koller: SGT, 29.10.93; BaZ, 28.12.93. Siehe auch A. Koller in Documenta, 1993, Nr. 3, S. 18 ff.
[27] BaZ, 29.10.93; TA, 10.11. und 12.11.93; NZZ, 16.11.93.
[28] Entlassungen: TA, 2.6. und 7.9.93. Bauprogramm: TA, 9.12. und 17.12.93. Militär-Einsatz: SoZ und Sonntags-Blick, 12.12.93; Presse vom 14.12.93. Vgl. zur Belegung der Gefängnisse auch NZZ, 27.12.93 sowie D. Droesch, "Strafvollzug. Es darf gebaut werden", in Plädoyer, 11/1993, Nr. 5, S. 10 ff.
[29] NZZ, 13.3.93; vgl. auch SGT, 15.4.93 sowie TA, 20.7.93 (M. Killias). Siehe auch Lit. Eisner und NZZ, 2.8.93.
[30] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 569 f.
[31] Amtl. Bull. StR, 1993, S. 668 ff.
[32] BBl, 1994, I, S. 305 ff.; Presse vom 23.12.93. Vgl. dazu auch unten, Teil I, 7d (Flüchtlinge).
[33] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 1368 ff. (Initiative) und 1375 ff. (Motion); Amtl. Bull. StR, 1993, S. 972 f. Noch 1986 hatte der NR die Überweisung einer grundsätzlich gleichen Motion Ruf (sd, BE) mit 82:3 Stimmen abgelehnt.
[34] Presse vom 7.7.93. Vgl. dazu auch SPJ 1990, S. 31 sowie Plädoyer, 11/1993, Nr. 5, S. 14 f. Kritik: NQ, 31.8.93; 24 Heures, 1.11.93; BaZ, 6.11.93; Ww, 23.12.93.
[35] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 572 (Zisyadis) resp. 983 (lten); Amtl. Bull. StR, 1993, S. 704 (Zisyadis) resp. 970 ff. (Iten).
[36] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 49 f. Vgl. SPJ 1992, S. 30 sowie NZZ, 30.6.93.
[37] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 51 ff.
[38] BBl, 1993, III, S. 277 ff.; Presse vom 1.7.93. Vgl. SPJ 1992, S. 30.
[39] Amtl. Bull. StR, 1993, S. 976 ff.
[40] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 2533 f.
[41] BBl, 1993, III, S. 282 ff. Der BR stützte sich bei seiner Lagebeurteilung auf eine Untersuchung von Mark Pieth (vgl. dazu auch Lit. Pieth sowie BaZ und Bund, 16.11.93).
[42] Bund, 27.5.93. Vgl. auch SPJ 1992, S. 30 und 119. Siehe zur Amtshilferegelung im revidierten Bankengesetz auch unten, Teil I, 4b (Banken).
[43] SGT, 14.5.93. Vgl. auch die Stellungnahme von BR Koller in NZZ, 4.10.93.
[44] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 922 ff.; vgl. SPJ 1992, S. 30 f. Zur Opposition der SP gegen die Bestrafung des Hackings siehe auch TA, 4.6.93. Im Anschluss an seine Debatte überwies der NR oppositionslos eine Motion, welche die Vorlage eines Bundesgesetzes über die wirtschaftliche Strafrechtspflege in Kriegszeiten verlangt (Amtl. Bull. NR, 1993, S. 957).
[45] Amtl. Bull. StR, 1993, S. 948 ff. und 962 ff.
[46] Amtl. Bull. StR, 1993, S. 78 ff. und 232; Amtl. Bull. NR, 1993, S. 639; BBl, 1993, I, S. 1044. Vgl. SPJ 1992, S. 29. Zuvor hatte der StR noch eine entsprechende Motion Salvioni (fdp, TI) aus dem Jahre 1992 überwiesen (Amtl. Bull. StR, 1993, S. 85).
[47] BBl, 1993, VI, S. 262 ff.; Presse vom 25.8.-25.9.93; NZZ, 14.9.93 (Pro Tell) ; der Schweizerische Schützenverein hatte sich für Stimmfreigabe entschieden (NZZ, 18.9.93).
[48] SGT, 1.4.93; AT, 3.4.93. Siehe dazu auch den Bericht der vom BR eingesetzten Expertenkommission (NZZ, 12.5.93).
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