Année politique Suisse 1998 : Grundlagen der Staatsordnung / Politische Grundfragen und Nationalbewusstsein
Grundsatzfragen
Die Schweiz feierte im Berichtsjahr zwei Jubiläen. Zum einen galt es dem
150. Geburtsjahr der Bundesverfassung von 1848 zu gedenken, welche nicht nur die Schweiz von einem Staatenbund zu einem Bundesstaat machte, sondern auch die heute noch geltenden Grundlagen für den demokratischen Staatsaufbau (aus allgemeinen Wahlen hervorgegangenes Parlament, vom Parlament gewählte und nach dem Departementalsystem organisierte Regierung, Volksabstimmung über Verfassungsrevisionen) schuf. Mit einer Wanderausstellung, Veranstaltungen mit Ansprachen von prominenten Politikern, mit wissenschaftlichen Kolloquien und mit Volksfesten wurde das Andenken an diese Staatsgründung gepflegt. Die Vereinigte Bundesversammlung feierte ihr 150jähriges Bestehen am 6. November mit einem Festakt im Bundeshaus. Im Rahmen dieser Feierlichkeiten war im Sommer das Bundeshaus Schauplatz einer Ausstellung über die politischen Institutionen und ihr Funktionieren gewesen
[1]. Ebenfalls begangen, wenn auch in kleinerem Rahmen, wurde 1998 das Gedenkjahr für die
Helvetik (1798), welche – freilich auf Druck der revolutionären französischen Besetzungsmacht – einen kurzlebigen demokratischen Staat eingerichtet hatte
[2].
Die Diskussion um die Haltung der Schweiz und ihrer Wirtschaft während und unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg blieb auch im Berichtsjahr rege und spaltete Volk und Generationen. In der ersten Jahreshälfte sorgten Sanktionsdrohungen aus den USA, verbale Angriffe von Vertretern amerikanisch-jüdischer Organisationen auf die Schweiz und auf Mitglieder des Bundesrates
[3] und sehr polemische Darstellungen von Aspekten der schweizerischen Vergangenheit (so etwa die vom Simon Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles herausgegebenen „Studien“ zur Behandlung der Flüchtlinge in der Schweiz bzw. zur angeblich dominierenden faschistischen Gesinnung der schweizerischen Bevölkerung
[4]) weiter für Aufregung. Das Geschehen beruhigte sich merklich, nachdem im August eine sogenannte
Globallösung zwischen den beiden schweizerischen Grossbanken und den Klägern und jüdischen Organisationen abgeschlossen wurde, in welcher sich die Banken zur Zahlung von rund 1,3 Mia US$ verpflichteten
[5]. Exponenten schweizerischer jüdischer Organisationen protestierten mehrmals gegen die Diffamierungen der Schweiz und auch gegen die Boykottdrohungen US-amerikanischer Staaten und Kommunen gegen die schweizerische Wirtschaft und mussten dafür Kritik von Vertretern internationaler jüdischer Organisationen einstecken
[6].
Der im Vorjahr von den Banken eingerichtete und von der übrigen Wirtschaft und der Nationalbank mitfinanzierte
Holocaust-Fonds setzte die Auszahlungen an bedürftige Opfer des Naziterrors fort. Neben jüdischen Personen wurden auch Roma und Homosexuelle berücksichtigt. Schwerpunktregion blieb das ehemals kommunistische Ost- und Mitteleuropa. Nach langen, nicht von der Schweiz verursachten Verzögerungen war im Dezember der Verteilplan für die gut 80 Mio Fr. für die rund 60 000 Holocaust-Überlebenden in Israel erstellt. Gegen Jahresende konkretisierte sich auch die Überweisung einer ersten Tranche von 47 Mio Fr. zugunsten von in den USA wohnenden Opfern
[7].
Für eine
ausführliche Darstellung der den Finanzplatz betreffenden Aspekte
siehe unten, Teil I, 4b (Banken)
[8].
Der Ständerat befasste sich noch einmal mit dem vom Nationalrat im Vorjahr beschlossenen besonderen
Schutz von Personen, welche vor der Historikerkommission aussagen. Er hielt gegen den Widerstand der Linken an seiner Meinung fest, dass Auskunftspersonen durch den Bundesbeschluss, welcher die Kommission mandatiert hatte, ausreichend geschützt seien, und lehnte es ab, auf die Vorlage der grossen Kammer einzutreten. Damit wurde das Geschäft aus der Traktandenliste gestrichen
[9].
Ende Mai veröffentlichte die
Kommission Bergier einen Zwischenbericht zum
Goldhandel der Schweiz während des 2. Weltkriegs. Er bestätigte die wichtige Rolle der Schweizerischen Nationalbank bei den Goldverkäufen Deutschlands, enthielt aber keine aufsehenerregenden neuen Erkenntnisse. Eine Präzisierung brachte der Bericht in bezug auf den Umfang der von der Deutschen Reichsbank gekauften Goldbarren, die nachweislich, aber ohne dass die SNB dies damals erkennen konnte, von Opfern des Holocaust stammten. Deren Wert betrug 582 000 Fr.
[10]. In den amerikanischen Medien löste dieser Bericht kaum ein Echo aus. Aber unter anderem mit Verweis auf diesen Bericht reichten amerikanische Anwälte beim Bundesbezirksgericht in Washington eine
Sammelklage gegen die Schweizerische Nationalbank ein. Die Nationalbank ihrerseits stritt die im Bericht erwähnten Handlungen nicht ab, kritisierte jedoch die Bergier-Kommission, weil sie es unterlassen habe, neben der historischen und politischen Analyse auch eine ökonomische vorzunehmen. Diese hätte unter anderem berücksichtigen müssen, dass der Spielraum der damaligen SNB-Leitung auch durch die Blockierung ihrer Guthaben in den USA eingeengt worden sei
[11].
Die
SP nahm diesen Bericht zum Anlass, die Politik der damaligen Nationalbank als Hehlerei zu bezeichnen. In einer Interpellation forderte ihre Nationalratsfraktion den Bundesrat auf, ihr in dieser Interpretation zu folgen und sich dafür einzusetzen, dass die Nationalbank sämtliches damals von der Deutschen Reichsbank gekaufte
Gold an die ursprünglichen Besitzer (das sind vor allem die Nationalbanken der von Deutschland besetzten Staaten)
zurückerstattet. Der Bundesrat lehnte eine solche Interpretation ab und erklärte einmal mehr, dass alle Forderungen in diesem Zusammenhang mit dem Washingtoner Abkommen von 1946, bei dem die Alliierten volle Kenntnis über die Goldtransaktionen verfügt hätten, beglichen worden seien. Mit dem Argument, das Zustandekommen der Solidaritätsstiftung (siehe unten) nicht gefährden zu wollen, versorgte die SP ihre Forderung wieder in der Schublade
[12].
Im Juni veröffentlichten die amerikanischen Behörden einen zweiten, nach dem Unterstaatssekretär
Eizenstat benannten
Bericht über die Politik der Neutralen während des 2. Weltkriegs. Im Gegensatz zu dem 1997 veröffentlichten ersten Bericht, war nun nicht mehr die Schweiz alleinige Angeklagte. Auch den anderen Staaten (Schweden, Portugal, Spanien, Argentinien und Türkei) wurde eine wichtige Rolle als Handelspartner Deutschlands nachgewiesen. In seinem Vorwort gelangte Eizenstat zu wesentlich differenzierteren Schlüssen als im ersten Bericht. So anerkannte er, dass die Schweiz (zusammen mit Schweden) effektiv von Deutschland militärisch bedroht und deshalb auch zu einem gewissen Mass von Kollaboration gezwungen gewesen sei. Als Goldhandelsplatz sei sie zentral gewesen, in bezug auf die Lieferung von kriegswichtigen Rohstoffen und Produkten wären jedoch die Beiträge der anderen europäischen Neutralen viel gewichtiger gewesen
[13].
Anfangs Dezember fand in Washington eine internationale
Konferenz über Kulturgüter statt, welche in der Zeit des 2. Weltkriegs jüdischen Opfern geraubt und auf den internationalen Kunstmärkten weiterverkauft worden waren (sogenannte Raubkunst). Obwohl auch schweizerische Kunsthändler in diesen Geschäften aktiv gewesen waren, stand vor allem Frankreich im Zentrum der Kritik und von der Schweiz war eher am Rande die Rede. Dabei war die Tonart der Referate im Vergleich zu früheren ähnlichen Veranstaltungen um die Goldgeschäfte sehr moderat. Nicht Forderungen in Milliardenhöhe und Polemiken standen im Mittelpunkt, sondern Wege und Mittel zur Auffindung von Kunstwerken und deren Restituierung. Die vom Bundesamt für Kultur in Auftrag gegebene Studie über Raubkunst in der Schweiz wurde gegen Jahresende präsentiert und bestätigte den bereits bekannten Sachverhalt, dass in der Zeit um den 2. Weltkrieg die Schweiz eine der Drehscheiben des Handels mit Raubkunst gewesen war. Sie vermochte jedoch die im Frühjahr in der Presse angestellten Spekulationen, dass sich heute mehrere Hundert Raubkunstwerke in der Schweiz befinden würden, nicht zu erhärten
[14].
Der Neuenburger
Maurice Bavaud hatte 1938 ein Attentat auf Hitler geplant, das er allerdings nicht durchführte. Kurz danach wurde er in Deutschland verhaftet und 1941, nachdem er seine Anschlagpläne gestanden hatte, hingerichtet. Im Parlament forderte nun der Sozialdemokrat Rechsteiner (SG) den Bundesrat auf, Bavaud nachträglich als Helden zu rehabilitieren und das Verhalten der Schweizer Behörden, die sich seiner Ansicht nach zuwenig für den Angeklagten eingesetzt hatten, zu kritisieren. Der Bundesrat kam dieser Aufforderung teilweise nach und stellte fest, dass sich die damaligen Behörden ungenügend für Bavaud eingesetzt hätten, und dass dieser für seinen „leider vergeblichen“ Versuch, Hitler umzubringen „Anerkennung und einen Platz in unserem Gedächtnis“ verdiene
[15].
Mitte Juni gab der Bundesrat sein Projekt für die Schaffung der im Vorjahr angekündigten Solidaritätsstiftung in die
Vernehmlassung. Zum Stiftungszweck hielt er an den 1997 von ihm und der Konzeptgruppe ausgearbeiteten allgemeinen Grundsätzen fest. Im vorgelegten Gesetzesentwurf verzichtete er auf die detaillierte Angabe der einzelnen zu unterstützenden Projekte, da diese Konkretisierung eine Aufgabe des Stiftungsrats sein werde. Er betonte aber nochmals, dass dies kein Fonds zur Zahlung von Beiträgen an Holocaustopfer sein werde, da von diesem nur Projekte, nicht aber Einzelpersonen profitieren könnten. Die Finanzierung soll über die Bewirtschaftung eines Teils (500 der rund 1300 Tonnen) der für die Währungspolitik nicht mehr benötigten Goldreserven der Nationalbank geschehen. Dies würde beim aktuellen Goldpreis einem Stiftungskapital von rund 7 Mia Fr. entsprechen. Die
SVP lehnte diese Pläne kategorisch ab und verlangte, das
Geld zugunsten der AHV zu verwenden; diese Position wurde auch vom Schweizerischen Gewerbeverband geteilt. Gegen die Stiftung sprachen sich auch die Schweizer Demokraten, die Freiheitspartei und die EDU aus. Die FDP, die CVP und die LP stellten sich grundsätzlich hinter die Solidaritätsstiftung, verlangten aber wie auch der Gewerkschaftsbund und der Vorort eine Konkretisierung der Aufgaben im Gesetz. FDP und CVP vertraten die Ansicht, dass sich die Stiftung auf die Unterstützung von Projekten für Kinder und Jugendliche konzentrieren solle. Die SP, die Grünen und die Hilfswerke, welche die Stiftung ebenfalls guthiessen, begrüssten hingegen die Offenheit bei der Formulierung der möglichen Aufgaben
[16].
Aus der Überlegung heraus, dass die geplante Solidaritätsstiftung die Hürde der Volksabstimmung nicht überspringen werde, wenn der Eindruck besteht, dass aus ihr weitere Zahlungen an jüdische Organisationen in den USA geleistet werden sollen, reichte Danioth (cvp, UR) im Ständerat eine Motion ein, welche Zweck, Organisation und Finanzierung dieser Stiftung definiert. Die meisten Punkte dieses Vorstosses deckten sich mit dem Vernehmlassungsentwurf und wurden als Postulat überwiesen. Gegen den Willen des Bundesrates wurde aber derjenige Teil in zwingender Motionsform überwiesen, welcher vorschreibt, dass die Fondsmittel
nicht für Projekte im Zusammenhang mit dem Holocaust und seinen Opfern verwendet werden dürfen
[17].
Anlässlich der Beratung des
neuen Verfassungsartikels über die Nationalbank im Dezember fand im Nationalrat auch eine Debatte über die Verwendung der für die Währungspolitik nicht mehr benötigten Goldreserven statt, mit denen unter anderem auch die Solidaritätsstiftung finanziert werden soll. Bereits vor dieser Debatte hatte SVP-Nationalrat
Blocher (ZH) verkündet, dass er dafür kämpfen werde, den Erlös der nicht mehr benötigten Goldreserven der Nationalbank (des „Volksvermögens“)
für die AHV und nicht für die Solidaritätsstiftung oder andere Zwecke einzusetzen. Ein Sonderparteitag der SVP beschloss im Juni, eine entsprechende Volksinitiative vorzubereiten. In der Parlamentsdebatte im Dezember unterlag ein entsprechender Antrag Baumann (svp, TG). Durchgesetzt hat sich der Antrag der Kommissionsmehrheit, den Entscheid über die Frage der Verteilung der Erträge bzw. der Ausgliederung der nicht mehr benötigten Reserven offenzulassen und ihn der Gesetzgebung zuzuweisen
[18].
Die von Nationalrat Blocher 1997 als Konkurrenz zur Solidaritätsstiftung initiierte eigene, aus privaten Mitteln von Vermögenden zu äufnende Stiftung kam nicht zustande. Anstelle der angestrebten 50 Mio Fr. wurden nur gerade 3,5 Mio (inkl. Blochers Startmillion) auf das Konto überwiesen
[19].
Nach Ansicht des Nationalrats soll die
Koordinationskommission für die Präsenz der Schweiz im Ausland (Koko) mit einem Leistungsauftrag versehen werden, der ihr Schwerpunktaktionen in bestimmten Ländern erlaubt. Wenn nötig soll für solche Aktionen ihr Sekretariat finanziell und personell aufgestockt werden. Nachdem der Bundesrat erklärt hatte, dass eine Überprüfung der Aufgaben der Koko im Dezember 1997 in Gang gesetzt worden sei, überwies der Rat eine entsprechende Motion seiner Aussenpolitischen Kommission lediglich in Postulatsform
[20]. Der Bundesrat gab zu Jahresbeginn in seiner Antwort auf eine Einfache Anfrage Ziegler (sp, GE) bekannt, dass er beschlossen habe, die Aufträge an zwei
US-amerikanische PR- resp.
Lobbying-Firmen, welche auf Ende 1997 resp. 15. Mai 1998 terminiert waren, für ein weiteres Jahr fortzuführen. Auf Ende April löste er den Vertrag mit der PR-Agentur allerdings mit sofortiger Wirkung auf, nachdem bekannt geworden war, dass diese die „Jewish Agency“ bei der Einreichung von weiteren Sammelklagen gegen Schweizer Banken unterstützen werde
[21].
Eine vom Vorort in Auftrag gegebene Meinungsbefragung zeigte, dass das
Image der Schweiz und vor allem ihrer Wirtschaftsführer
in den USA zwar kaum beim Durchschnittsbürger, hingegen bei den Eliten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft in den letzten Jahren einigen Schaden davon getragen hat
[22].
Gemäss einer vom Meinungsforschungsinstitut GfS durchgeführten Umfrage blieb 1998 die
Arbeitslosigkeit mit 74% Nennungen (Mehrfachnennungen waren erlaubt) die
wichtigste Sorge der Schweizerinnen und Schweizer. Dahinter folgten mit deutlichem Abstand Asylpolitik (47%), Gesundheitsfragen (46%) und die Altersvorsorge (45%). Am meisten, nämlich um 17 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr zugelegt hat dabei die Flüchtlingsfrage; an Bedeutung verloren haben Finanz-, Drogen- und Umweltpolitik. Nicht mehr unter den zwanzig meistgenannten Themen befand sich das Verhalten der Schweiz im 2. Weltkrieg
[23].
Im Verlaufe des Jahres präsentierten die Organisatorinnen der Expo mehrmals ihr
Ausstellungskonzept. Von der Mehrheit der Medien wurde dieses als zwar künstlerisch interessant und vielversprechend, aber vor allem in bezug auf die Inhalte noch wenig konkret beurteilt
[24]. Neben diesen Präsentationen machte die Expo im Berichtsjahr auch mit überraschenden personellen Wechseln von sich reden. Im Sommer drangen erstmals Nachrichten über eine Krise im Management und dabei insbesondere in bezug auf das Verhältnis zur künstlerischen Leiterin
Pipilotti Rist an die Öffentlichkeit. Im Dezember gab Rist die sofortige Demission von ihrer Funktion bekannt. Sie begründete ihren Schritt mit dem von ihr nicht vorhergesehenen Umfang, den die Managementarbeit angenommen habe. Zudem seien die von ihr eingebrachten kreativen Elemente vor allem in der Konzeptphase wichtig gewesen; für die nun angesagte Realisierung gebe es geeignetere Personen als sie. Bereits im Oktober war der technische Leiter, Poalo Ugolini, von seinem Amt zurückgetreten
[25].
Mit der zunehmenden Konkretisierung des Ausstellungskonzeptes wuchsen auch Befürchtungen von einzelnen Institutionen und Gesellschaftsgruppen, dass ihr bevorzugtes
Thema an der Expo.01
ungenügend oder gar nicht zur Darstellung kommen werde
[26]. So setzte sich Nationalrat Seiler (svp, BE) für eine Berücksichtigung der Volkskultur ein, und die Sicherheitspolitischen Kommissionen beider Parlamentskammern für eine umfassende Darstellung der schweizerischen Sicherheitspolitik, ihres Wandels und ihrer Institutionen. In beiden Fällen sicherte der Bundesrat zu, dass diese Themen zum Zuge kommen werden. In seiner Stellungnahme zuhanden des Ständerates führte der Bundesrat allerdings aus, dass die Ausstellungsleitung nicht im Sinn habe, die
Armee selbst an der Expo zu präsentieren, da generell lediglich Themen und nicht Institutionen dargestellt würden. So werde die Armee nicht mit eigenen Manifestationen präsent sein, sondern im Rahmen des Themas „Sicherheit in der Offenheit“, eines der vier Projekte des Bundes. Offenbar damit nicht ganz befriedigt, begann das VBS mit der Ausarbeitung eines Projekts „Darstellung der Armee“ ausserhalb des Ausstellungsgeländes. Diese Sonderschau schien dem VBS umsomehr gerechtfertigt, als vorgesehen ist, der Expo Angehörige der Armee für Dienstleistungen (z.B. für die Verkehrsregelung oder die Besetzung von Sanitätsstellen) zur Verfügung zu stellen
[27].
Die Umweltschutzorganisationen verstärkten ihre Bemühungen, die Expo-Leitung dazu zu bringen, auf den Einsatz der sogenannten
Iris-Schnellbote, welche für letztere als Symbol der Verbindung zwischen den vier Ausstellungsplätzen gelten, zu verzichten. Sie begründeten ihre Forderung nicht nur mit umweltschutzpolitischen Argumenten, sondern gaben auch zu bedenken, dass die Boote nur einen kleinen Beitrag zum Transport der Besucher zwischen den verschiedenen Ausstellungsorten leisten könnten und diese hochsubventionierten Boote zudem die konventionelle Schiffahrt unfair konkurrenzieren würden. Im Nationalrat verlangte eine Motion Baumann (gp, BE) mit denselben Argumenten, diesen Booten die Konzession zu verweigern. Der Bundesrat erklärte sich bereit, die Einwände zu überprüfen und deshalb den Vorstoss in Postulatsform anzunehmen. Da er aber von Schmid (svp, BE) bekämpft wurde, schob das Parlament seinen Entscheid darüber auf. Die Demarchen blieben zuerst erfolglos. Ende Juli erteilte das Bundesamt für Verkehr mit gewissen Auflagen in bezug auf Umweltschutz und Sicherheit die Konzession für 15 Boote. Nachdem die Umweltschützer diesen Entscheid mit einer Beschwerde angefochten hatten, lenkte die Expo-Leitung ein. Sie beschloss, die
grossen Iris-Boote nur noch auf dem Neuenburgersee, hingegen nicht mehr auf dem Bieler- und Murtensee zirkulieren zu lassen
[28].
Der Bundesrat beantragte dem Parlament einen Verpflichtungskredit von 18 Mio Fr., um die Teilnahme der Schweiz an der
Weltausstellung in Hannover (D) im Jahr 2000 zu ermöglichen. Im Rahmen des breit gefächerten Ausstellungsthemas „Mensch – Natur – Technik“ will sich der vom Bündner Architekten Peter Zumthor entworfene schweizerische Pavillon vorab auf den Bereich Natur konzentrieren. Für die Regierung wäre es unverzeihlich, wenn die Schweiz auf diese Gelegenheit verzichten würde, sich einer breiten europäischen Öffentlichkeit (es werden rund 40 Mio Besucher erwartet) in Erinnerung zu rufen. Im Rahmen der allgemeinen Ausstellungsfläche wird für das Bundesamt für Verkehr zudem die Möglichkeit bestehen, das Konzept der schweizerischen Verkehrspolitik darzustellen. Der Antrag warf in der kleinen Kammer keine hohen Wellen; er wurde ohne Gegenstimme verabschiedet. Im Nationalrat bekämpfte eine aus Abgeordneten der FDP, der Liberalen, der FP und der CVP gebildete Kommissionsminderheit die Vorlage mit einem Nichteintretensantrag. Ihr
Protest richtete sich nicht gegen die Beteiligung der Schweiz an sich und auch nicht gegen den Entwurf des Architekten,
sondern gegen das Vorgehen der federführenden Kommission für die Präsenz der Schweiz im Ausland (Koko). Diese unterlasse es nach Ansicht der Kritiker regelmässig, die parlamentarischen Kommissionen frühzeitig über ihre Pläne und Konzepte zu orientieren und schaffe damit Sachzwänge, welche dem Parlament nur bedingungslose Zustimmung zu ihren Ideen oder aber den Verzicht auf eine Beteiligung an diesen Weltausstellungen erlaube. Mit Ausnahme der FP sprachen sich trotzdem alle Fraktionen für Eintreten aus, welches mit 105:15 Stimmen beschlossen wurde. Bei sechs Gegenstimmen und neun Enthaltungen wurde der Bundesbeschluss verabschiedet
[29].
[1]
NZZ und
QJ, 8.1.98 (Wanderausstellung); Presse vom 5.6.98;
TA, 7.9.98; Presse vom 12.9. und 14.9.98 (Volksfest) sowie vom 7.11.98 (Parlament). Vgl. auch
AZ, 30.12.98 und
TA, 31.12.98 sowie die Beilage zu
NZZ, 2.1.98.1
[2] Presse vom 19.1.98. Zur Bedeutung der Helvetik aus heutiger Sicht siehe auch
NZZ, 21.2. und 9.4.98.2
[3] So etwa die von einem Vizepräsidenten des Jüdischen Weltkongresses ausgesprochene Gleichsetzung BR Cottis mit dem früheren Wehrmachts-Offizier und österreichischen Bundespräsidenten Waldheim (Presse vom 3.1.98).3
[4] Flüchtlinge: Presse vom 7.1. und 15.1.98;
SN, 14.1.98;
BaZ, 24.1.98. Die „Studie“ behauptete, die Schweiz hätte die jüdischen Flüchtlinge als Zwangsarbeiter in Konzentrationslager eingesperrt. Es erstaunte nicht, dass auch in diesem Zusammenhang Entschädigungsforderungen erhoben wurden. Vgl. auch die Stellungnahme des BR in
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1147 ff. Faschistische Gesinnung:
NZZ, 10.6.98;
BaZ, 11.6.98.4
[5] Zu den Boykottdrohungen und der Globallösung siehe unten, Teil I, 4b (Banken).5
[6]
NLZ, 3.8.98;
BaZ, 15.8.98 und
24 Heures, 4.11.98 (Sigi Feigel);
SGT, 15.8.98 (Michael Kohn).6
[7]
SGT, 22.1.98 (Roma);
NZZ, 18.8., 19.8. und 16.12.98 (USA) und 7.12.98 (Israel). Vgl. auch
NZZ, 23.12.98 und
SPJ 1997, S. 124 f.7
[8] Siehe auch dort für weitere Belege und Quellen.8
[9]
Amtl. Bull. StR, 1998, S. 192 f. Siehe
SPJ 1997, S. 16.9
[10] Presse vom 26.5.98.10
[11] Echo:
TA, 27.5.98. Klage: Presse vom 1.7.98. SNB:
NZZ, 19.1.98;
Bund, 31.7.98. Vgl. auch die ähnliche Kritik des Lausanner Wirtschaftsprofessors Lambelet in
NZZ, 31.7. und 9.12.98 sowie die Replik in
NZZ, 10.10.98. Siehe auch die Kritik des Historikers Michel Fior an der Optik der Kommission in
TA, 30.5. und 10.6.98 (Replik). Siehe zur Kritik an der Arbeitsweise der Kommission auch
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1542 ff.11
[12]
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2248 ff. sowie 2905 (Antwort auf eine Interpellation Baumann, svp, TG);
Bund, 29.8. und 18.12.98. In gleichem Sinn wie der BR äusserte sich auch die Rechtskommission des NR bei der Behandlung einer Petition von Eduard Wahl (
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2164 ff.).12
[13] Presse vom 3.6. und 4.6.98. Vgl.
SPJ 1997, S. 20.13
[14] Konferenz: Presse vom 2.12. und 3.12.98;
BaZ, 5.12.98. Untersuchung:
Lit. Buomberger;
Bund und
NZZ, 12.12.98; vgl. auch unten, Teil I, 8b (Kulturpolitik).14
[15]
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 985 f.; Presse vom 2.4.98;
NZZ, 7.11. (Klaus Urner) und 9.11.98.15
[16] Presse vom 24.6. und 29.9.98;
NZZ, 26.11.98. Vgl.
SPJ 1997, S. 17 ff.16
[17]
Amtl. Bull. StR, 1998, S. 794 ff. Vgl. dort auch die ausführlichen Darlegungen zum Fonds von BR Villiger.17
[18] Währungsartikel:
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2721 ff.; Presse vom 17.12. und 18.12.98. Blocher und SVP:
TA, 16.1.98; Presse vom 2.6.98.18
[19]
NZZ, 7.2.98. Siehe
SPJ 1997, S. 19.19
[20]
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 726;
BaZ, 27.5.98. Vgl. dazu auch
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 743 f. und
SPJ 1997, S. 20 f.20
[21]
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 834 und 2314 (Vertragsauflösung);
24 Heures, 1.5.98. Vgl. auch
SPJ 1997, S. 21.21
[24] Presse vom 14.1. und 16.7.98;
24 Heures, 24.1.98.24
[25]
BaZ, 15.6. und 25.6.98;
Bund, 16.6.98; Presse vom 19.12.98 (Demission). Vgl. zu den personellen Wechseln auch
SoZ, 20.12.98;
BaZ, 28.12.98. Zu Rists Anstellung siehe
SPJ 1997, S. 22.25
[26] Vgl. dazu etwa
NZZ, 15.10.98.26
[27]
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2232 f. (Seiler) und 2280 f. (Sicherheitspolitik);
Amtl. Bull. StR, 1998, S. 899 ff. (siehe dort auch die ausführliche Stellungnahme von BR Couchepin zur Konzeption und Organisation der Expo);
NZZ, 16.6., 25.9. und 26.9.98 (Bundesprojekte);
TA, 9.9.98. Speziell zum Verhältnis Armee/Expo siehe auch
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1832 f.;
Express, 12.11.98.27
[28]
BaZ, 28.2.98 (Umweltorganisationen);
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1520 f. (Motion);
Express, 4.8. (Bewilligung) und 20.8.98 (Rekurs);
LT, 17.11.98 und
Bund, 18.11.98 (Einlenken). Die Beschwerde wurde nach dem Einlenken zurückgezogen (
Lib., 21.11.98). Siehe auch
NZZ, 18.12.98 zum Verkehrskonzept der Expo.28
[29]
BBl, 1998, S. 4665 ff.;
Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1114 f.;
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2556 ff.;
BBl, 1999, S. 218. Neben der FP und den SD hatte auch Baumann (svp, TG) im NR gegen die Vorlage gestimmt. Zum gestalterischen Konzept siehe auch
NZZ, 14.12.98 und
LT, 29.12.98.29
Copyright 2014 by Année politique suisse