Année politique Suisse 1999 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte
 
Verwaltung
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Personal
Das neue Bundespersonalgesetz (BPG) wurde 1999 von beiden Räten behandelt; die Differenzbereinigung konnte aber noch nicht abgeschlossen werden. Im Nationalrat beantragten Borel (sp, NE) und Spielmann (pda, GE) Nichteintreten, da die vorgeschlagenen Regelungen ein Ausdruck der grundsätzlich zu bekämpfenden Liberalisierungswelle seien, die letztendlich in einen Abbau der staatlichen Leistungen münden werde. Mit besonderem Nachdruck wandte sich Borel gegen die Einführung eines Leistungslohnsystems. Der Rückweisungsantrag fand nur bei einer Minderheit der SP-Fraktion Unterstützung und wurde mit 119:18 Stimmen abgelehnt. Zuwenig weit ging hingegen das neue Gesetz für Bortoluzzi (svp, ZH). Er verlangte die Rückweisung an die Kommission mit dem Auftrag, einen Entwurf vorzulegen, der dem Bund mehr Freiheit in seiner Personalpolitik gibt. Die Post und die SBB wollte Bortoluzzi ganz aus dem Gesetz herausnehmen und ihnen damit keine über das Obligationenrecht hinausgehende personalpolitischen Verpflichtungen auflasten. Sein Antrag wurde nur von der SVP-Fraktion unterstützt und unterlag mit 111:24 Stimmen.
In der Detailberatung verlangte der Freisinnige Pelli (TI), dass auch bei Betrieben, welche zur Post oder der SBB gehören, das Personal vollumfänglich dem Bundespersonalgesetz unterstellt wird. Der Bundesrat widersetzte sich vergeblich diesem namentlich von der SP unterstützten Antrag, der es seiner Meinung nach den beiden Betrieben praktisch verunmöglichen würde, mit anderen Unternehmen gemeinsame Firmen zu betreiben. Mit 83:80 Stimmen wurde die Forderung angenommen. Zu einer grösseren Debatte führte die Bestimmung, dass für arbeitsrechtliche Fragen, welche nicht durch das Personalgesetz geregelt sind, die Bestimmungen des Obligationenrechts gelten. Die SP bekämpfte diese Version erfolglos. Ihrer Meinung nach würden, angesichts der Konzeption des BPG als Rahmengesetz, viele Bereiche unter diese Klausel fallen, und damit könnten den Besonderheiten der staatlichen Anstellungsbedingungen gegenüber denjenigen der Privatwirtschaft zuwenig Rechnung getragen werden. Eine weitere Niederlage erlitt die Ratslinke bei den Kündigungsbestimmungen. Ihr Streichungsantrag für die Regelung, dass der Bund bei Umstrukturierungen Kündigungen aussprechen kann, wenn dem betroffenen Personal keine zumutbare andere Arbeit angeboten werden kann, unterlag mit 89:68 Stimmen. Bei der Frage der Einführung einer Leistungslohnkomponente unterlag der Streichungsantrag der Linken ebenfalls. Nicht durchsetzen konnte sich aber auch die vor allem von der SVP getragene Forderung, dass die Funktionskomponente maximal 60% betragen dürfe, um ausreichenden Spielraum für die leistungsmässige Differenzierung der Löhne zu erhalten. Konform zur neuen Bundesverfassung, welche eine gesetzliche Begründung für Einschränkungen des Streikrechts verlangt, stimmte der Rat einer Formulierung zu, welche den Bundesrat ermächtigt, in drei Fällen das Streikrecht für bestimmte Personalkategorien aufzuheben oder einzuschränken: bei Gefährdung der Staatssicherheit, bei Beeinträchtigung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sowie zur Wahrung von aussenpolitischen Interessen. Ein von der SVP gefordertes generelles Streikverbot mit Ausnahmeregelungen konnte sich nicht durchsetzen. In der Gesamtabstimmung wurde das neue Gesetz mit 58:21 Stimmen bei 40 Enthaltungen angenommen. Die Gegenstimmen stammten zu zwei Dritteln aus der SVP-Fraktion und zu einem Drittel aus der SP (namentlich von ihren welschen Vertretern) und der PdA. Der Rest der SP wie auch die Grünen enthielten sich der Stimme [23].
Der Ständerat folgte in der Wintersession weitgehend den Beschlüssen der grossen Kammer. In Abweichung vom Nationalrat beschloss er aber, dass der Bundesrat ganze Personalkategorien nicht dem Bundespersonalgesetz, sondern dem Obligationenrecht unterstellen kann. Namentlich erwähnt sind dabei Aushilfspersonal, Praktikanten und im Ausland (z.B. in Botschaften) angestelltes ausländisches Personal. Bisher war dies nur ausnahmsweise in begründeten Einzelfällen möglich. Dabei kam der Rat der Kritik der Linken insofern entgegen, als er dazu anfügte, dass der Bundesrat Mindestvorschriften (z.B. über die im OR nicht geregelten Löhne) für diese Kategorien erlassen kann. In der Gesamtabstimmung votierten 27 Abgeordnete für und 4 gegen das neue Gesetz [24].
Die GPK des Nationalrats veröffentlichte einen ausführlichen Bericht zum Themenkomplex „Nebenbeschäftigung von Beamten und dabei entstehende mögliche Interessenkonflikte“. Konkret waren dabei insbesondere Nebenerwerbstätigkeiten angesprochen, bei welchen ein Beamter sich durch seine im Amt erworbenen Kenntnisse Vorteile verschaffen kann (z.B. ein Steuerinspektor als privater Steuerberater). Sie stellte darin fest, dass die bisherige Praxis abgesehen von Einzelfällen zu keinen Problemen geführt habe. Sie empfahl dem Bundesrat aber trotzdem, die bestehende Regelung in einigen Punkten zu verändern und insbesondere zu präzisieren. So möchte sie beispielsweise das bestehende Verbot, das aber die Bewilligung von Ausnahmen zulässt, durch eine Bestimmung ersetzen, die generell eine Bewilligungspflicht vorsieht [25].
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Pensionskasse
Anfangs März legte der Bundesrat seine Botschaft für ein neues Bundesgesetz über die Pensionskasse des Bundespersonals vor. Darin werden einerseits die Grundsätze für die berufliche Vorsorge des Bundespersonals festgelegt und andererseits die organisatorische Neuausrichtung der Kasse definiert. Bei letzterer geht es primär um die Verselbständigung der bisher als Bundesamt organisierten Kasse in eine eigene Rechtspersönlichkeit. Als leitendes Organ dieser Pensionskasse schlägt der Bundesrat eine Kassenkommission vor. Die Vorsorgeeinrichtung soll in Zukunft auf zuverlässigere finanzielle Grundlagen gestellt werden, indem der Bund als Arbeitgeber seine Beiträge laufend und vollständig entrichten muss und für die verschiedenen Arbeitgeber (Bund, SBB, Post etc.) getrennte Rechnungen geführt werden. Die aus dem bisherigen Teildeckungssystem entstandene und vom Bund in den nächsten Jahren abzubauende Unterdeckung beträgt mit rund zwölf Mia Fr. etwa einen Drittel des Deckungskapitals [26].
Als Erstrat befasste sich in der Wintersession der Nationalrat mit der Vorlage. Eine vom Berner Weyeneth (svp) angeführte Kommissionsminderheit verlangte Rückweisung an den Bundesrat mit dem Auftrag, vom Prinzip des Leistungsprimats (Rentenhöhe gemäss letztem Einkommen) zu dem in der Privatwirtschaft üblichen Beitragsprimat zu wechseln. Nachdem Bundesrat Villiger vor den negativen Folgen gewarnt hatte, welche eine derartige Verschlechterung der Situation der Bundesangestellten auf das Arbeitsklima haben würde, lehnte der Rat den Antrag mit 118:28 Stimmen ab. In der Detailberatung wurde gegen den Widerstand der Linken die Garantie eines automatischen Teuerungsausgleichs auf den Renten gestrichen. In der Gesamtabstimmung verabschiedete der Rat die Vorlage mit 115:1 Stimmen. Bei der SP und der SVP gab es einige Enthaltungen, die Gegenstimme stammte von der SP-Präsidentin Koch (ZH) [27].
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Organisation
Das neue Gesetz über die Meteorologie und Klimatologie fand nun auch im Nationalrat Zustimmung. Nachdem Bundesrätin Dreifuss nochmals versichert hatte, dass die neuen Bestimmungen Gewähr für eine saubere Trennung der Rechnungsführung zwischen hoheitlichen und kommerziellen Aufgaben böten und damit auch keine wettbewerbsverzerrenden Quersubventionen mehr möglich seien, übernahm der Rat weitgehend die Version des Bundesrates. Der Ständerat, der im Vorjahr mit seinem Eintretensentscheid den Nationalrat verpflichtet hatte, sich mit der vom Bundesrat vorgelegten Fassung auseinanderzusetzen, stimmte dem Gesetz zu, ohne eine einzige Differenz zu schaffen [28].
Die im Vorjahr eingeleitete Fusion des BAWI mit dem BWA zum neuen Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) wurde auf den 1. Juli und damit früher als ursprünglich vorgesehen vollzogen. Die Proteste der Gewerkschaften, welche ein eigenständiges Bundesamt für Arbeit gefordert hatten, blieben erfolglos [29].
Nationalrat Comby (fdp, VS) verlangte einmal mehr – diesmal mit einer als Postulat überwiesenen Motion – eine bessere Berücksichtigung der französisch- und italienischsprachigen Regionen bei der Vergabe von Bundesaufträgen. Nötigenfalls seien dazu auch gesetzliche Vorschriften zu erlassen. Der Bundesrat zeigte sich angesichts der auch vom Bund einzuhaltenden internationalen und nationalen Wettbewerbsbestimmungen skeptisch gegenüber gesetzlichen Massnahmen. Er erklärte sich aber zu bestimmten Vorkehrungen bei den als Einkäufer tätigen Diensten bereit. So soll dort vermehrt Personal aus dem nichtdeutschen Sprachraum eingestellt werden und bei den Ausschreibungen über das vorgeschriebene Publizitätsminimum hinausgegangen werden, um möglichst alle potentiellen Anbieter zu erreichen [30]. In der Herbstsession gab der Nationalrat einer parlamentarischen Initiative Hämmerle (sp, GR) Folge, welche verlangt, dass Post, Swisscom und SBB auf gesetzlichem Wege verpflichtet werden, neue Arbeits- und Ausbildungsplätze auch in Berg- und Randregionen anzubieten und notwendige Abbaumassnahmen nicht einseitig in diesen Regionen durchzuführen. Eine Koalition aus der Linken, der CVP und einigen Freisinnigen (vor allem französisch- und italienischsprachigen) verhalfen diesem Begehren zum Durchbruch. Die Gegner hatten dagegen argumentiert, dass damit die Wettbewerbsposition der anvisierten Betriebe massiv beeinträchtigt würde [31].
 
[23] Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2035 ff., 2052 ff., 2080 ff. und 2089 ff.; Presse vom 7.10.99.Vgl. SPJ 1998, S. 42 f.23
[24] Amtl. Bull. StR, 1999, S. 1074 ff. Zu den im Rahmen von Restrukturierungen v.a. bei der SBB, der Post und der Swisscom sowie im VBS vorgenommenen vorzeitigen Pensionierung siehe einen Bericht der GPK-NR (BBl, 2000, S. 1197 ff.).24
[25] BBl, 1999, S. 9734 ff.25
[26] BBl, 1999, S. 5223 ff.; NZZ, 2.3.99. Vgl. auch NZZ, 3.5.99 und SPJ 1998, S. 44.26
[27] Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2554 ff. und 2627 ff.; Bund, 22.12.99.27
[28] Amtl. Bull. NR, 1999, S. 290 ff. und 1398 f.; Amtl. Bull. StR, 1999, S. 566 ff. und 569; BBl, 1999, S. 5106 ff. Vgl. SPJ 1998, S. 44 f.28
[29] TA, 8.3. (Ankündigung) und 6.5.99 (Gewerkschaften); LT, 2.7.99. Vgl. unten, Teil I, 7a (Arbeitswelt) und SPJ 1998, S. 45.29
[30] Amtl. Bull. NR, 1999, S. 488 f. Siehe dazu auch die Interpellation Cavadini (fdp, TI) in Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2233 ff.30
[31] Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1830 ff. Vgl. dazu auch die Interpellationen von Cavadini (fdp, TI) und Grobet (-, GE) in Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2230 ff. und 2282 f. resp. 2232 f. sowie Delalay (cvp, VS) in Amtl. Bull. StR, 1999, S. 773 ff.31