Année politique Suisse 2004 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
 
Indirekte Steuern
Zum Demographie-Prozent bei der 11. AHV-Revision siehe unten, Teil I, 7c (AHV).
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Umsatzabgabe
Weil das Steuerpaket in der Volksabstimmung gescheitert war, konnten auch die unbestrittenen Massnahmen im Bereich der Stempelabgaben nicht in Kraft treten. Da deren Geltungsdauer bis Ende 2005 befristet ist, unterbreitete der Bundesrat dem Parlament im August eine gegenüber dem abgelehnten Steuerpaket inhaltlich unveränderte Revisionsvorlage. Diskussionslos und ohne Gegenstimme hiess der Ständerat in der Wintersession diese Neuauflage gut [16].
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Zollgesetz
In der Frühlingssession nahm die kleine Kammer die Beratungen zum neuen Zollgesetz in Angriff und folgte dabei bis auf wenige Punkte der Vorlage des Bundesrates: Stärker als dieser erleichterte sie den passiven Veredelungsverkehr (bei dem Waren aus der Schweiz im Ausland bearbeitet und wieder importiert werden). Als Grenzzone legte sie einen Gebietsstreifen von 10 km dies- und jenseits der Zollgrenze fest (Parallelzone) – der Bundesrat hatte hingegen an der geltenden Regelung der Radialzone, d.h. einem Gebiet im Umkreis von 10 km um die nächstgelegene Zollstelle, festgehalten, um die schweizerischen Grenzbauern, die wegen höherer Absatzpreise die deutschen Bauern überbieten können, nicht zusätzlich zu privilegieren. Ausserdem beschloss der Ständerat mit 15:13 Stimmen, dass die Zollfreilager nur über sensible eingelagerte Waren Bestandesaufzeichnungen zu führen haben und nicht über alle Waren. Statt wie bisher nach fünfzehn Jahren soll eine Zollschuld bereits nach acht Jahren verjährt sein. Das Gesetz passierte die Gesamtabstimmung einstimmig [17].
In der Herbstsession lehnte der Nationalrat einen Antrag der SVP-Kommissionsminderheit ab, die Beratungen bis zum Zeitpunkt zu verschieben, an dem klar ist, ob das Schengener Abkommen in Kraft tritt oder nicht. In der Detailberatung schloss sich der Rat in der Veredelungsfrage der kleinen Kammer an und sprach sich generell für das Äquivalenzprinzip aus, nach dem inländische Waren, die wieder ausgeführt werden, von gleicher Menge, Beschaffenheit und Qualität, nicht aber identisch sein müssen. Bei den Ausfuhren zur Veredelung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Produkten hielt er jedoch am Identitätsprinzip fest und baute gegen den Widerstand der Linken einen Schutzmechanismus ein: Danach soll die Zollverwaltung auf eine Zollbefreiung verzichten können, wenn wesentliche Interessen der Wirtschaft im Inland auf dem Spiel stehen. Bei der Definition der Grenzräume folgte der Nationalrat dem Erstrat (Parallelzone), hielt jedoch für Landwirtschaftsprodukte am Prinzip der Radialzone fest. Abgelehnt wurden Anträge der Linken und Grünen, Verdächtige nur durch Personen des gleichen Geschlechts abtasten zu lassen, den Waffeneinsatz des Grenzwachtkorps einzuschränken und den Gebrauch von Waffen in Notwehr und im Notstand, nicht mehr aber als letztes Mittel zur Erfüllung eines Auftrages zu erlauben. Schliesslich verzichtete die grosse Kammer im Gegensatz zum Ständerat darauf, die Verjährungsfrist für Zollschulden von fünfzehn auf acht Jahre zu reduzieren. In der Gesamtabstimmung wurde das Zollgesetz mit 73:30 Stimmen bei 44 Enthaltungen hauptsächlich gegen den Widerstand der SP-Fraktion angenommen [18].
In der zweiten Lesung hielt der Ständerat weitgehend an seinen Positionen fest: Beim aktiven Veredelungsverkehr (bei dem Waren zollbegünstigt importiert, in der Schweiz bearbeitet und wieder exportiert werden) sprach er sich für einen konsequenten Übergang zum Äquivalenzprinzip aus und lockerte die Voraussetzungen für Zollbegünstigungen oder Zollbefreiung auch bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen, da nach dem vom Nationalrat beschlossenen Identitätsprinzip separate Verarbeitungsstrassen hätten eingerichtet werden müssen, was zur Marktabschottung beitrage. Auch bei der passiven Veredelung beharrte der Rat auf konsequenten Zollermässigungen und lehnte den Schutzmechanismus bei der Landwirtschaft ab. Um Schweizer Firmen nicht gleich ins kalte Wasser zu werfen, beschloss er eine Übergangsfrist bis Ende 2011. Bei der Definition der Grenzzone sprach sich der Ständerat erneut für Parallelzonen aus; die vom Nationalrat befürwortete Spezialregelung für die Landwirtschaft (Prinzip der Radialzone) fand keine Mehrheit. Auf die Linie der grossen Kammer schwenkte der Ständerat hingegen bei der Frage der Verjährung von Zollschulden ein (fünfzehn statt acht Jahre) [19].
Im Anschluss an die Beratungen zum Zollgesetz stimmte der Nationalrat gegen den Antrag des Bundesrates einem Postulat seiner WAK zu, das die Regierung beauftragt, einen Bericht über die Zollbemessung zu erstellen und dabei die Vor- und Nachteile des heutigen Gewichtszollsystems und des Wertzollsystems, wie es in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und in praktisch allen Industrieländern verbreitet ist, aufzulisten [20].
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Zinsbesteuerung
In der Wintersession genehmigte das Parlament im Rahmen der Beratungen zu den Bilateralen Verträgen II zwischen der Schweiz und der EU das Abkommen zur Zinsbesteuerung und das ergänzende Bundesgesetz. Letzteres umschreibt das Verfahren und die Organisation, die im Zusammenhang mit dem vorgesehenen Steuerrückbehalt und der Amtshilfe in Fällen von Steuerbetrug und bei ähnlichen Delikten verbunden mit der Zinsbesteuerung zur Anwendung gelangen. Nach einer allgemeinen Aussprache billigte der Ständerat abgesehen von minimen Änderungen die Vorlage des Bundesrates ohne Gegenstimme. Nachdem die SVP ihren Nichteintretensantrag zurückgezogen hatte – sie hatte die Vorlage in der Vernehmlassung als einzige Partei abgelehnt – schuf der Nationalrat beim Zinsbesteuerungsgesetz eine Differenz zur kleinen Kammer: Er beschloss, den schweizerischen Anteil am Ertrag aus dem EU-Steuerrückbehalt voll der Bundeskasse zukommen zu lassen, da der administrative Aufwand für die Verteilung von wenigen Millionen an die Kantone unverhältnismässig wäre; der Bundesrat hatte den Ertrag wie die übrigen Fiskaleinnahmen zwischen Bund und Kantonen aufteilen wollen. In der Gesamtabstimmung nahm der Rat das Abkommen und das Bundesgesetz mit 146:11 Stimmen bei 5 Enthaltungen an. In der Differenzbereinigung beharrte der Ständerat auf seinem Entscheid, 10% des Schweizer Anteils an den Einnahmen aus der neuen Zinssteuer an die Kantone weiterzugeben; der Nationalrat schloss sich ihm an. Die Vorlage zur Zinsbesteuerung passierte die Schlussabstimmung im Ständerat mit 42:0 und im Nationalrat mit 171:16 Stimmen bei 4 Enthaltungen; die Opposition kam aus den Reihen der SVP [21].
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Mineralölsteuer
Ende Oktober gab der Bundesrat eine Änderung des Mineralölsteuer-Gesetzes in die Vernehmlassung. Ab 2007 sollen umweltschonende Treibstoffe mittels steuerlicher Anreize gefördert und damit der CO2-Ausstoss im Strassenverkehr gesenkt werden. Vorgesehen ist, die Mindereinnahmen durch eine höhere Besteuerung des Benzins vollständig zu kompensieren [22].
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Mehrwertsteuer-Gesetz
Diskussionslos überwies der Nationalrat in der Frühlingssession ein Postulat Triponez (fdp, BE), welches eine Verringerung und Vereinfachung der offiziellen Dokumente der Mehrwertsteuerhauptabteilung für KMU-Inhaber verlangt [23]. Ende Juni gab der Bundesrat eine Änderung des Mehrwertsteuergesetzes in die Vernehmlassung, welche drei Varianten zur Einführung der jährlichen Abrechnung vorschlägt. Diese unterscheiden sich vor allem bei der Anzahl der betroffenen Steuerzahler sowie in der Möglichkeit von Akontozahlungen [24]. Mit Billigung des Bundesrats stimmte die grosse Kammer in der Wintersession einer Motion der CVP-Fraktion zu, welche den Bundesrat auffordert, bis 2006 Vorschläge für eine umfassende Revision des Mehrwertsteuergesetzes vorzulegen. Die Revision soll die MWSt vereinfachen und für die Anwender verständlicher machen, eine systematische und konsistente Regelung und Umsetzung vorsehen, um die Rechtssicherheit zu erhöhen und den bürokratischen Aufwand beim Vollzug abbauen. Um zu raschen Lösungen zu kommen, soll der Bundesrat aufzeigen, welche Massnahmen ohne Gesetzesrevision resp. im Rahmen einer vorweggenommenen Teilrevision unverzüglich umgesetzt werden können [25].
Auf Antrag seiner WAK folgte der Nationalrat in zweiter Lesung dem Ständerat und trat nicht auf eine Vorlage ein, welche basierend auf einer parlamentarischen Initiative Stump (sp, AG) eine Mehrwertsteuerbefreiung für Beiträge zur Unterstützung der wissenschaftlichen Forschung verlangte, da die eidgenössische Steuerverwaltung inzwischen mit einer Praxisänderung dem Anliegen Rechnung trägt [26]. Hingegen stimmte der Rat einem Gesetzesentwurf seiner WAK zu, welcher basierend auf einer parlamentarischen Initiative Triponez (fdp, BE) Berufsunfallverhütungsmassnahmen von der MWSt ausnehmen will [27].
Die kleine Kammer lehnte eine Motion Hoffmann (svp, ZH) ab, welche eine erleichterte Anwendung der Gruppenbesteuerung im Gesundheitswesen verlangt hatte. Gemäss dem Begehren hätte der Austausch von Leistungserbringern, welche beispielsweise den Materialeinkauf, die Logistik, den Betrieb der Wäscherei, die technischen Dienste und die Informatik zusammenlegen und entsprechende Leistungen gemeinsam erbringen, nicht mehr steuerbar sein sollen. Bundesrat Merz warnte erfolgreich davor, die Gewährung der Gruppenbesteuerung aufzuweichen, weil Bildungs-, Kultur-, Finanz- und Kreditorganisationen dann zu Recht ebenfalls eine Gruppenbesteuerung verlangen könnten [28].
 
[16] BBl, 2004, S. 4899 ff.; AB SR, 2004, S. 902 f.; Presse vom 19.8.04; vgl. SPJ 2003, S. 134.
[17] AB SR, 2004, S. 337 ff. und 425 ff.; vgl. SPJ 2003, S. 134.
[18] AB NR, 2004, S. 1364 ff., 1473 ff. und 1486 f.; SN, 30.9.04. Zu Schengen siehe oben, Teil I, 2 (Europe: UE).
[19] AB SR, 2004, S. 783 ff.
[20] AB NR, 2004, S. 1487 f.
[21] BBl, 2004, S. 5965 ff., insbesondere 6204 ff. (Botschaft); AB SR, 2004, S. 662 ff., 714 ff., 864 und 948; AB NR, 2004, S. 1904 ff., 1932 ff., 1993 ff., 2101 und 2189 ff.; BBl, 2004, S. 7185 ff., insbesondere 7186 ff.; LT, 26.1.04; 24h und TG, 11.2.04; NZZ, 19.8., 9.9. und 7.10.04; SN, 16.9.04; TA, 19.10.04; BZ, 15.11.04; vgl. SPJ 2003, S. 134 f. Siehe auch oben, Teil I, 4b (Banken, Börsen und Versicherungen).
[22] BBl, 2004, S. 5863; BaZ, 7.6.04. Siehe auch unten, Teil I, 6d (Qualité de l’air).
[23] AB NR, 2004, S. 489 und Beilagen I, S. 360 f. Siehe auch die vom gleichen Parlamentarier eingereichte, noch nicht behandelte Mo. 03.3622 sowie als Illustration die Ip. Imfeld (cvp, OW) in AB NR, 2004, S. 487 und Beilagen I, S. 362 f.
[24] BBl, 2004, S. 3188; TA, 15.6.04.
[25] AB NR, 2004, S. 2171 und Beilagen V, S. 261; vgl. SPJ 2003, S. 135.
[26] AB NR, 2004, S. 815; vgl. SPJ 2003, S. 135.
[27] BBl, 2004, S. 469 ff. (WAK) und 4977 ff. (BR); AB NR, 2004, S. 1409; vgl. SPJ 2003, S. 135.
[28] AB SR, 2004, S. 490 ff.