Année politique Suisse 2005 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
Indirekte Steuern
Zum Demographie-Prozent bei der 11. AHV-Revision siehe unten, Teil I, 7c (AHV).
In der Frühlingssession stimmte der Nationalrat einem Postulat Kaufmann (svp, ZH) zu, welches den Bundesrat auffordert zu prüfen, ob und wie Pensionskassen von
Grundstücksgewinnsteuern und Handänderungsgebühren entlastet werden können
[20].
Weil das Steuerpaket 2004 in der Volksabstimmung gescheitert war, konnten auch die unbestrittenen Massnahmen im Bereich der
Stempelabgaben nicht in Kraft treten. Da deren Geltungsdauer bis Ende 2005 befristet ist, verabschiedete das Parlament im Frühling eine gegenüber dem abgelehnten Steuerpaket inhaltlich unveränderte Revisionsvorlage. Das Geschäft passierte die Schlussabstimmung im Ständerat mit 41 Stimmen und einer Enthaltung und im Nationalrat mit 142:25 Stimmen bei 13 Enthaltungen; die Vorbehalte stammten von den Grünen und der SP
[21]. Um zu verhindern, dass dem Bund ab 2006 Steuereinnahmen in der Höhe von 310 Mio Fr. entgehen, ergriff ein linkes Komitee (PdA, SolidaritéS, Juso, Mediengewerkschaft Comedia, Tessiner Lehrlings- und StudentInnengewerkschaft) das Referendum, welches jedoch aufgrund fehlender Unterschriften nicht zustande kam
[22].
Im Herbst unterbreitete der Bundesrat den Räten die
Botschaft zum Bundesgesetz über die Biersteuer (BStG). Dieses soll den Bundesratsbeschluss von 1934 über die eidgenössische Getränkesteuer ablösen, der seit 1937 nur noch für Bier gilt. Das BStG ist EU-kompatibel und behebt die Mängel des bisherigen Systems wie die wettbewerbsverzerrende Preisbindung und den einheitlichen Steuersatz für alle Biere unabhängig von Alkoholgehalt und Preislage. Neu bemisst sich die Steuer nach der Gradstärke des Bieres auf der Grundlage des Stammwürzegehalts. Für wirtschaftlich unabhängige Kleinbrauereien kommt eine gestaffelte ermässigte Besteuerung zur Anwendung. In der Vernehmlassung stiess die Vorlage mehrheitlich auf Anklang. In der Prävention tätige Organisationen verlangten jedoch eine bessere Berücksichtigung der gesundheitspolitischen Aspekte, für sie ging der Entwurf, der keine Vorschriften hinsichtlich Jugendschutz, Werbeverbote und Lebensmittelrecht enthält, zu wenig weit
[23].
In der Frühlingssession räumte der Nationalrat die letzten
Differenzen beim Zollgesetz aus, indem er sich in allen Punkten der kleinen Kammer anschloss: Beim aktiven Veredelungsverkehr (der Einfuhr von Waren zur Verarbeitung und Wiederausfuhr) gilt künftig das liberalere Äquivalenzprinzip. Damit profitieren nicht nur identische, sondern auch gleichwertige Waren von Zollvergünstigungen; nach dem vom Nationalrat ursprünglich bevorzugten Identitätsprinzip hätten separate Verarbeitungsstrassen eingerichtet werden müssen. Ausnahmen zugunsten inländischer Landwirtschaftsprodukte wurden mit 79:73 Stimmen verworfen. Für den passiven Veredelungsverkehr (dem Export von Waren zur Weiterverarbeitung im Ausland und anschliessendem Reimport) gestand der Rat der verarbeitenden Industrie eine Übergangsfrist bis 2011 zu, um den Strukturwandel abzufedern. Bei der Definition der Grenzzone gilt das Prinzip der Parallelzone, ohne Spezialregelung für die Landwirtschaft; hier hatte der Rat ursprünglich für die Radialzone optiert. Die Vorlage passierte die Schlussabstimmung einstimmig
[24].
In seiner Antwort auf die Fragen Keller (svp, ZH) und Wyss (sp, BE) erklärte der Bundesrat, die
Ergebnisse der Vernehmlassung zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes lägen vor. Der Bundesrat wolle sie noch im Herbst veröffentlichen. Die Pläne zur Förderung von umweltschonenden Treibstoffen waren mehrheitlich auf ein positives Echo gestossen
[25].
In der Wintersession lehnte der Ständerat diskussionslos eine Standesinitiative des Kantons Waadt ab. Diese hatte verlangt,
umweltfreundliche Treibstoffe und Additive für Kleinmotoren, insbesondere Zweitaktmotoren, von der Mineralölsteuer zu befreien
[26].
Mit 18:3 Stimmen bei einer Enthaltung billigte die WAK-NR, basierend auf einer parlamentarischen Initiative Robbiani (cvp, TI), einen Entwurf zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes. Dieser sieht vor, dem schweizerischen
Natursteinabbau den Mineralölsteuerzuschlag zurückzuerstatten und die Branche damit der Land- und Forstwirtschaft sowie der Berufsfischerei gleichzustellen. Der Bundesrat beantragte, auf die Rückerstattung des Mineralölsteuerzuschlags zu verzichten, um kein Präjudiz für andere Bereiche zu schaffen
[27].
In Ausführung einer parlamentarischen Initiative seiner WAK billigte der Ständerat diskussionslos eine
Verlängerung des Sondersteuersatzes von 3,6% (statt 7,6%) für Beherbergungsleistungen bis Ende Dezember 2010; die Frist läuft Ende 2006 aus. Im Nationalrat scheiterte ein von der Linken eingebrachter Nichteintretensantrag, und in der Detailberatung schloss sich die grosse Kammer im Einklang mit dem Bundesrat dem Ständerat an. Hauptargument für die Weiterführung des Sondersatzes war die von der Regierung in Aussicht gestellte Mehrwertsteuerreform; der Hotellerie könne eine zweimalige Umstellung innert weniger Jahre nicht zugemutet werden, zudem käme die volkswirtschaftlich bedeutsame Tourismusbranche auch in den Nachbarländern in den Genuss von steuerlichen Privilegien. Die von der Linken bekämpfte Vorlage passierte die Schlussabstimmung mit 42:1 Stimmen bei 2 Enthaltungen im Ständerat resp. 118:55 Stimmen bei 10 Enthaltungen im Nationalrat
[28].
Im Frühjahr stimmte der Ständerat oppositionslos einer Motion Hess (fdp, OW) zu, welche einen
reduzierten Mehrwertsteuersatz für Ess- und Trinkwaren verlangt, die im Rahmen von gastgewerblichen Lieferungen abgegeben werden. Bundesrat Merz kündigte im Sinne eines Fernziels die Einführung eines Einheitssatzes für die Mehrwertsteuer an
[29].
In der Herbstsession überwies die kleine Kammer zwei Motionen ihrer WAK und eine vom Nationalrat im Vorjahr gebilligte Motion der CVP-Fraktion zur
Vereinfachung des Mehrwertsteuergesetzes. Die Verordnungen zur MWSt umfassen über 2000 Seiten. Mit der Forderung nach dem Abbau aller 25 Ausnahmen resp. ihrer Befristung auf fünf Jahre und der Vereinheitlichung der Steuersätze stellte sich das Plenum hinter das Programm des Bundesrates, der laut Finanzminister Merz im Laufe des Winters eine „ideale“ Mehrwertsteuer in die Vernehmlassung schicken will, wie sie der Bericht „10 Jahre MWSt“ vorsieht. Zur Diskussion stünden neben der Ausmerzung der Ausnahmen die Ablösung der drei MWSt-Sätze zwischen 2,4% und 7,6% durch einen Einheitssatz von ca. 5,5%
[30].
In der Folge trat der Ständerat nicht auf einen im Vorjahr von der grossen Kammer gutgeheissenen Gesetzesentwurf ein, welcher basierend auf einer parlamentarischen Initiative Triponez (fdp, BE)
Berufsunfallverhütungsmassnahmen von der MWSt ausnehmen wollte
[31]. Der Nationalrat lehnte sowohl eine Motion Mörgeli (svp, ZH) ab, welche Sponsoring von privaten oder öffentlichen Kulturinstituten durch Privatpersonen und Unternehmen von der Mehrwertsteuer befreien wollte als auch ein Postulat Wäfler (edu, ZH), das eine WTO-konforme Transport- oder Umweltabgabe in Form eines Mehrwertsteuerzuschlages auf importierten Produkten und Dienstleistungen vorsah, dies als Ersatz für die LSVA-Abgaben auf den Binnentransporten in der Schweiz
[32].
[20]
AB NR, 2005, S. 348 f.
[21]
AB NR, 2005, S. 27 ff. und 472 f.;
AB SR, 2005, S. 394;
BBl, 2005, S. 2281 ff.; vgl.
SPJ 2004, S. 108.
[22]
WoZ, 19.5.05; Presse vom 2.7.05.
[23]
BBl, 2005, S. 5649 ff.;
QJ, 8.9.05.
[24]
AB NR, 2005, S. 202 ff. und 470;
AB SR, 2005, S. 391;
BBl, 2005, S. 2285 ff.; vgl.
SPJ 2004, S. 108 f.
[25]
AB NR, 2005, S. 1319;
SN, 19.1.05;
BüZ, 21.1.05;
SZ, 22.1.05;
BZ, 19.2.05; siehe auch unten, Teil, I, 6d (Qualité de l’air).
[26]
AB SR, 2005, S. 1189 und Beilagen IV, S. 36.
[27]
AB NR, 2005, S. 1503 (Fristverlängerung zur Behandlung der pa. Iv.);
BBl, 2006, S. 2427 ff. (WAK) und 2449 ff. (BR); vgl.
SPJ 2003, S. 135.
[28]
BBl, 2005, S. 5771 ff. (WAK-SR) und 5781 ff. (BR);
AB SR, 2005, S. 847 f. und 1224;
AB NR, 2005, S. 1887 ff. und 2003;
BBl, 2005, S. 7277;
NF, 15.12.05; vgl.
SPJ 2003, S. 135; siehe auch die Antwort des BR auf eine Einfache Anfrage Gysin (sp, BS) in
AB NR, 2005, Beilagen IV, S. 204 f. Siehe auch oben, Teil I, 4a (Strukturpolitik).
[29]
AB SR, 2005, S. 240 f.;
TA, 12.3.05.
[30]
AB SR, 2005, S. 841 ff.; vgl.
SPJ 2004, S. 110; Presse vom 22.8.05 (siehe auch die Beiträge von Dieter Metzger, ehemaliger Direktor der Eidg. Steuerverwaltung, und von Diego Clavadetscher in
NZZ, 22.2. und 28.10.05); siehe auch die Antwort des BR auf eine Interpellation Wäfler (edu, ZH) in
AB NR, 2005, Beilagen III, S. 221 f. Die Frist für die Behandlung der Motion 03.3622 Triponez (fpd, BE) betreffend Verringerung der administrativen Belastung bei der MWSt wurde verlängert (
AB NR, 2005, S. 1993); siehe auch die noch nicht behandelten Motionen 05.3147 und 05.3302 der SVP-Fraktion.
[31]
AB SR, 2005, S. 846; vgl.
SPJ 2004, S. 110 f.
[32]
AB NR, 2005, S. 347 und 1510 sowie Beilagen III, S. 410 f. Zur unterschiedlichen Besteuerung von Institutionen der Familienbegleitung und der Lebensberatung sowie zur Mehrwertsteuerbefreiung der Veterinärmedizin siehe die Antworten des BR auf eine Frage Meier-Schatz (cvp, SG) und eine Interpellation Darbellay (cvp, VS) in
AB NR, 2005, S. 1321 sowie Beilagen IV, S. 280 f.
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