Année politique Suisse 2005 : Sozialpolitik / Gesundheit, Sozialhilfe, Sport
 
Gesundheitspolitik
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Allgemeine Fragen
2005 konnte das Schweizerische Gesundheitswesen den Kostenanstieg gegenüber früheren Jahren etwas abschwächen. Der Anstieg der Spitalkosten lag seit 1998 erstmals unter 4%, dafür nahmen die ambulanten Behandlungskosten überdurchschnittlich zu. Die privaten Haushalte wendeten rund 5% mehr auf als im Vorjahr. Mit +9,4% fiel diese Zunahme hauptsächlich im Bereich der Krankengrundversicherung (KVG) an. Gemäss BFS ist dieser Anstieg durch die Änderungen in der Verordnung über die Krankenversicherung aus dem Jahr 2004 begründet. Den Versicherten werde mehr Verantwortung abverlangt, insbesondere durch die Erhöhungen der Franchise von 230 auf 300 Fr. und des jährlichen Selbstbehalts von 600 auf 700 Fr. [1].
Eine Studie der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich kam zum Schluss, dass der Anstieg der Gesundheitskosten nicht eine Folge der zunehmenden Ärztedichte sei. Andere Faktoren (höhere Löhne, Alterung der Gesellschaft, gestiegene Erwerbsquote der Frauen) seien weit wichtigere Faktoren. Wie frühere Untersuchungen stellte aber auch die KOF-Studie einen Zusammenhang zwischen Ärztedichte und Kostenniveau in den einzelnen Kantonen fest [2].
Untersuchungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Lebenserwartung der Bevölkerung nicht primär von den Ausgaben im Gesundheitswesen abhängt, sondern dass andere Faktoren den Gesundheitszustand stärker beeinflussen, nämlich neben der genetischen Veranlagung in erster Linie die Umwelt, das Bildungsniveau, die Arbeitsbedingungen und die sozialen Lebensumstände. Als Schweizer Novum will deshalb der Kanton Tessin wichtige Projekte, Programme und Gesetze einer Gesundheitsverträglichkeitsprüfung unterziehen. Ein erster wichtiger Test wird die Verkehrsplanung des Mendrisiotto sein [3].
Der fünfte schweizerische Ernährungsbericht zeigte, dass die Fettleibigkeit zu einem immer ernsteren Problem des Gesundheitswesens wird. Zwischen 1992 und 2002 stieg der Anteil der übergewichtigen Personen von 30 auf 37%. Gemäss den neuesten Daten sind 45% der Männer, 29% der Frauen und 20% der Kinder zu schwer, Tendenz weiter steigend. 250 000 Menschen sind zuckerkrank; diese Zahl nimmt jährlich um 10% zu. Zwischen 6 und 10% der Gesundheitskosten, das sind 3 bis 5 Mia Fr., entstehen durch falsche Ernährung. Diese und der Bewegungsmangel sind für etwa einen Drittel der Krebserkrankungen mitverantwortlich und rangieren somit auf gleicher Ebene wie die Schäden durch das Rauchen [4].
Eine im Vorjahr vom Ständerat angenommene Motion Heberlein (fdp, ZH) für dringende Reformen im Gesundheitswesen, wurde, da durch die anstehenden KVG- Revisionen obsolet geworden, vom Nationalrat abgelehnt. Eine analoge Motion der FDP-Fraktion wurde zurückgezogen [5].
Mit einer Motion seiner SGK, welche das Anliegen einer parlamentarischen Initiative Heim (sp, SO) aufnahm, beauftragte der Nationalrat den Bundesrat, für die Qualitätssicherung im Gesundheitswesen zu sorgen. Eine erste wichtige Massnahme könnte die Schaffung eines zentralen Meldesystems für medizinische Fehler sein, wie sie insbesondere bei der Abgabe von Medikamenten immer wieder vorkommen. Der Bundesrat, der die Auffassung vertrat, die Qualitätssicherung sei in erster Linie eine Angelegenheit der Kantone und der Krankenversicherer, hatte die Motion nicht entgegen nehmen wollen. Der Ständerat formulierte die Motion um, so dass schliesslich auch der Bundesrat zustimmen konnte. Statt dem Bund die Verantwortung für die Qualitätssicherung zu überbinden, soll dieser sich lediglich in Zusammenarbeit mit den betroffenen Kreisen für die Umsetzung des Anliegens einsetzen [6].
Mit dem Inkrafttreten des neuen KVG 1996 wurde die Stiftung „Gesundheitsförderung Schweiz“ ins Leben gerufen. Deren Aktivitäten werden seither durch einen Zwangszuschlag auf den Krankenkassenprämien finanziert (jährlich rund 17,4 Mio Fr.). Die Tätigkeit der Stiftung war in den letzten Jahren immer wieder in die Kritik geraten, insbesondere auch von Seiten des Parlaments. Bundesrat Couchepin hatte deshalb eine externe Untersuchung in Auftrag gegeben die nun zum Schluss kam, die Arbeit der Stiftung sei nach wie vor in fast allen Bereichen unzureichend. Sie verzettle sich in zu vielen kleinen Projekten, die ebenso gut von Kantonen oder Gemeinden unterstützt werden könnten. Der Nationalrat nahm dazu ein Postulat Humbel (cvp, AG) an, welches eine vermehrte Transparenz und Koordination bei Prävention und Gesundheitsförderung anregt; die SGK-NR reichte ebenfalls ein entsprechendes Postulat ein [7].
Auf den 1. Juli setzte der Bundesrat das im Dezember 2004 verabschiedete neue Sterilisationsgesetz in Kraft. Eingriffe, wie sie bis in die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts vorkamen, und die nach heutiger Auffassung teilweise missbräuchlich erscheinen, sollen sich nicht wiederholen. Dauernd urteilsunfähige Personen dürfen künftig nur noch in Ausnahmesituationen und mit Zustimmung der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde sterilisiert werden [8].
Mit einer im Einvernehmen mit dem Bundesrat angenommenen Motion der FDP-Fraktion forderte der Nationalrat die Regierung auf, die im EJPD ursprünglich einmal begonnenen Expertenarbeiten für einen Bericht bezüglich der Regelung der Sterbehilfe in der Schweiz wieder aufzunehmen, und dem Parlament die entsprechenden Grundlagen zur Schliessung von Lücken im schweizerischen Recht zur Verfügung zu stellen [9].
Ab Spätsommer, als mit den ersten Fällen in der Türkei die aus Asien kommende Vogelgrippe Europa erreichte, begannen auch in der Schweiz die Diskussionen über eine mögliche Übertragung des Erregers auf den Menschen und die daraus resultierenden Gefahren einer Pandemie. Obgleich die Bundesbehörden, vorab BAG und BVET, die Risiken relativierten, wurde doch damit begonnen, ein „worst-case“-Szenario auszuarbeiten. Die Behörden gaben bekannt, dass für einen Viertel der Bevölkerung bereits ein einigermassen wirksames Gegenmittel zur Verfügung stehe; zudem werde der Bund im Ausland mittelfristig rund 200 000 Impfdosen einkaufen, um die besonders exponierte Bevölkerung (Landwirte, Medizinalpersonen) schützen zu können [10].
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Komplementärmedizin
In den ersten Monaten des Jahres entwickelte sich ein erbitterter Streit zwischen den Vertretern der Alternativmedizin und dem BAG. Hintergrund des Streits war der bis Ende Juni zu fällende Entscheid, ob fünf komplementärmedizinische Methoden (chinesische Medizin, Homöopathie, Phytotherapie, anthroposophische Medizin und Neuraltherapie) im Leistungskatalog der Grundversicherung nach KVG verbleiben sollten oder nicht. Diese waren 1999 unter dem Vorbehalt zugelassen worden, dass innerhalb von sechs Jahren die Komplementärmedizin zu beweisen habe, dass ihre Methoden den Grundkriterien für die Zulassung zur obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit) entsprechen. Dass sich das BAG weigerte, die Resultate und Daten der verschiedenen PEK-Studien (Programm Evaluation Komplementärmedizin) vor dem Entscheid zu veröffentlichen, wertete der Dachverband der Alternativmediziner als Versuch, die ihrer Auffassung nach „brisanten Ergebnisse“ betreffend die Kostengünstigkeit der Komplementärmedizin zu unterdrücken; das BAG wies diesen Vorwurf umgehend zurück.
Erwartungsgemäss strich Bundesrat Couchepin per 1. Juli die fünf komplementärmedizinischen Methoden aus dem Grundkatalog der Krankenversicherung. Er führte aus, die PEK-Studien hätten nicht den wiederholbaren Nutzen dieser fünf Behandlungsarten beweisen können, auch wenn die Methoden bei den Patienten sehr beliebt seien und im Einzelfall Linderung oder gar Heilung einer Krankheit bewirken könnten. Nicht von der Streichung betroffen sind die wichtigsten komplementärmedizinischen Medikamente, sofern sie bereits auf der Spezialitätenliste figurieren, und die Konsultationen und Gespräche, die im Hinblick auf eine alternativmedizinische Behandlung geführt werden [11].
Mit 138 724 gültigen Unterschriften wurde im September die im Vorjahr lancierte Volksinitiative „Ja zur Komplementärmedizin“ bei der Bundeskanzlei eingereicht. Sie will die Alternativmedizin der Schulmedizin gleichstellen. Bund und Kantone sollen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für die umfassende Berücksichtigung der Komplementärmedizin sorgen [12].
Zu Spitälern und Pflegeheimen siehe unten, Teil I, 7c (Krankenversicherung).
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Medizinalpersonen
Der Bundesrat verlängerte den auslaufenden Zulassungsstopp für Ärzte, die über die obligatorische Krankenpflegeversicherung abrechnen können, um weitere drei Jahre bis spätestens Juli 2008. Bis dahin soll nach den Plänen des Bundesrates der Kontrahierungszwang zwischen Leistungserbringern und Krankenversicherern aufgehoben werden [13].
Um einen Mangel an Hausärzten zu vermeiden, wurde an der medizinischen Fakultät der Universität Basel das erste Institut für Hausarztmedizin der Schweiz gegründet. Die verstärkte akademische Ausrichtung soll das Image der Grundversorger aufwerten [14].
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Medikamente
Die im Vorjahr von einem weitgehend unbekannten Verein lancierte Volksinitiative „für einen freien Zugang zu Nahrungsergänzungen“ („Vitamininitiative“) kam nicht zustande. Sie verlangte, dass Nahrungsergänzungen wie z.B. hoch dosierte Vitaminpräparate frei hergestellt, eingeführt und verkauft werden können [15].
Diskussionslos und im Einvernehmen mit dem Bundesrat überwiesen beide Parlamentskammern eine Motion der CVP-Fraktion, welche eine regelmässige Überprüfung der Medikamentenpreise der Originalpräparate nach Patentablauf sowie der Generika verlangt [16].
Nur beschränkt erfolgreich war Ständerätin Sommaruga (sp, BE) mit ihrer Motion zur Senkung der Medikamentenkosten. Da sich Bundesrat Couchepin vehement für den Forschungs- und Werkplatz Schweiz einsetzte, wurde nur ein Punkt ihrer Motion angenommen, nämlich jener, der auch die Überprüfung der Generika-Preise im Vergleich mit den Referenzländern Deutschland, Dänemark, Grossbritannien und den Niederlanden verlangt, da Generika in der Schweiz ebenfalls massiv teurer sind als im Ausland. Eine erleichterte Zulassung von Parallelimporten von in der EU anerkannten Medikamenten lehnte die kleine Kammer ebenso ab wie die Forderung, bei der Preisfestsetzung für Medikamente auf der Spezialitätenliste müsse der therapeutische Mehrwert gegenüber bestehenden Arzneimitteln berücksichtigt werden. Dabei hatte Sommaruga die Praxis der Pharmaindustrie im Visier, patentabgelaufene Medikamente mit geringen Veränderungen wieder zum Patent anzumelden [17].
Behörden und Pharmavertreter einigten sich Ende Sommer auf tiefere Preise für ältere Arzneimittel und Generika; damit sollen die Medikamentenkosten ab 2006 um 250 Mio Fr. gesenkt werden [18]. Im November kündigte Bundesrat Couchepin eine Verordnungsänderung zum KVG per 2006 an. Demnach müssen Patientinnen und Patienten, die trotz Verfügbarkeit eines billigeren Generikums auf der Einnahme eines Originalpräparats bestehen, 20% Selbstbehalt anstatt der üblichen 10% bezahlen. Die Pharmabranche drohte umgehend damit, die zwei Monate zuvor geschlossene Vereinbarung in Frage zu stellen. Couchepin gab dem Druck teilweise nach: Anstatt die Ärzte zu verpflichten, die Verschreibung eines Originalpräparats gegenüber dem Vertrauensarzt der Kasse zu begründen, bleiben sie in ihrem Entscheid frei; zudem gilt die 20%-Regel nur, wenn die Preisdifferenz zwischen Originalmedikament und Generikum mindestens 20% beträgt [19].
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Fortpflanzungsmedizin
Der Bundesrat setzte das neue Stammzellenforschungsgesetz auf den 1. März in Kraft. Unter strengen Auflagen (Zustimmung der Eltern, Unentgeltlichkeit der Spende, keine Möglichkeit, die Forschung mit anderen Methoden durchzuführen, Begutachtung durch eine Fachkommission) wird damit erlaubt, die bei einer In-vitro-Fertilisation anfallenden überzähligen Embryonen für die Forschung zugänglich zu machen [20].
Nach einer sehr emotionalen Debatte stimmte der Nationalrat im Einverständnis mit dem Bundesrat einer Motion seiner WBK zu, welche die Regierung verpflichtet, Regelungen für die stark umstrittene Präimplantationsdiagnostik (PID) bei der In-vitro-Fertilisation vorzulegen. Gutzwiller (fdp, ZH), der mit einer entsprechenden parlamentarischen Initiative den Anstoss für die Motion gegeben hatte, argumentierte, es sei unlogisch und für Frauen eine Zumutung, dass dieselben genetischen Tests im Mutterleib in den ersten Wochen der Schwangerschaft erlaubt seien, nicht aber vor der Übertragung eines Fötus. Durch die PID könnten spätere Schwangerschaftsabbrüche vermieden werden. Die Gegner warnten vor „Kindern nach Mass“ und der Gefahr, dass die Tests später auch zur Auswahl von Merkmalen wie dem Geschlecht missbraucht würden; zudem sei die PID im Fortpflanzungsmedizingesetz, das erst 2001 in Kraft trat, ausdrücklich verboten worden. Die Motion wurde mit 92 zu 63 Stimmen angenommen. Praktisch geschlossen stimmte die FDP für die neue Regelung, ebenso eine Mehrheit der SP und der SVP. Dagegen sprachen sich die CVP, die EVP und mehrheitlich auch die Grünen aus. Im Ständerat gab es die gleichen Argumente und die gleichen parteipolitischen Gräben, wobei sich die SP gespaltener als in der grossen Kammer zeigte; Béguelin (VD) und Sommaruga (BE) sprachen sich mit der CVP gegen diesen „Akt der Selektion“ aus. Die Motion wurde mit 24 zu 18 Stimmen überwiesen [21].
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Transplantationsmedizin
Da der Bundesbeschluss über die Kontrolle von Transplantaten Ende 2005 auslief, das 2004 verabschiedete neue Gesetz und das Ausführungsrecht aber nicht auf Anfang 2006 in Kraft treten können, hatte der Bundesrat im Vorjahr dem Parlament beantragt, den geltenden Bundesbeschluss maximal um fünf Jahre (d.h. bis Ende 2010) zu verlängern. Auf Antrag der SGK-SR befand die kleine Kammer, eine Verlängerung bis Ende 2007 müsse genügen, da sonst die Umsetzung des Gesetzes auf die lange Bank geschoben werde. Der Nationalrat schloss sich dieser Ansicht diskussionslos an [22].
Gegen den Willen des Bundesrates nahm der Nationalrat mit 57 zu 49 Stimmen eine Motion seiner SGK an, welche verlangte, über die medizinischen und ethischen Fragen, die sich zum Todeskriterium im Zusammenhang mit der Organspende und der Transplantationsmedizin stellen, eine öffentliche Diskussion in Gang zu setzen. Der Bundesrat argumentierte, die Debatten seien im Rahmen der PubliForen 2000 (Transplantationsmedizin) und 2003 (Forschung am Menschen) bereits durchgeführt worden; die beiden Foren hätten den Bund Hunderttausende von Franken gekostet, weshalb es in Zeiten knapper Bundesfinanzen nicht möglich sei, erneut Mittel dafür einzusetzen. Der Ständerat folgte der Argumentation des Bundesrates und lehnte, auch aus Furcht vor einer Verunsicherung der Bevölkerung, die Motion diskussionslos ab [23].
Der Kanton Zürich hatte von Anbeginn seine Vorbehalte gegen die im Vorjahr getroffene Interkantonale Vereinbarung über die Koordination der hochspezialisierten Medizin (IVKKM) signalisiert. Das Konkordat sieht ein Netzwerk der fünf Hochschulkantone mit Universitätsspitälern vor, bei dem gewisse Leistungen, insbesondere die verschiedenen Sparten der Transplantationsmedizin, an nur noch einem bis zwei Standorten angeboten werden. Da für das Inkrafttreten der Vereinbarung die Zustimmung von 17 Kantonen notwendig ist, beschlossen Bern und die beiden Basel, mit gutem Beispiel voranzugehen und den Ratifizierungsprozess einzuleiten. Im Sommer verabschiedete sich Zürich von der IVKKM, welche Herztransplantationen nur noch in Basel und Bern zulassen wollte, und verlangte, die gesamte Spitzenmedizin sei auf zwei Zentren zu beschränken, eines in Zürich und eines in der Westschweiz, eine Forderung, auf welche die Gesundheitsdirektorenkonferenz und die Kantone nicht eintreten mochten [24].
Angesichts dieser etwas verfahrenen Situation reichte Ständerätin Fetz (sp, BS) eine Motion ein, mit der sie den Bundesrat verpflichten wollte, selber aktiv zu werden, falls sich die Kantone nicht bis im Frühjahr 2006 einigen können. Dieser verwies auf den noch nicht in Kraft getretenen Neuen Finanzausgleich und die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), weshalb er der Umsetzung durch die Kantone nicht vorgreifen wolle. Auf seinen Antrag wurde die Motion mit 27 zu 11 Stimmen abgelehnt [25].
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Forschung am Menschen
Seit einigen Jahren bereitet das BAG ein Gesetz über die Forschung am Menschen vor. Leitplanke bei dieser Arbeit dürfte auch das seit Januar beim Europarat zur Unterzeichnung aufliegende Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über Menschenrecht und Biomedizin betreffend die biomedizinische Forschung sein. Damit sollen die Versuche am Menschen europaweit in geordnete Bahnen geleitet werden. Für Menschenversuche werden Mindeststandards vorgegeben, die nicht unterschritten werden sollen. Strengere nationale Gesetze sind aber durchaus möglich. Nicht anwendbar ist das Zusatzprotokoll auf die Forschung an Embryonen in vitro. Auch das schweizerische Humanforschungsgesetz wird sich nicht damit befassen [26].
Nationalrätin Hubmann (sp, ZH) reichte eine Motion für mehr Transparenz bei klinischen Studien ein, die auch die Zustimmung des Bundesrates fand. Sie regte an, dass sämtliche klinischen Studien in einem öffentlich zugänglichen Register erfasst werden, und diese Registrierung zur Bedingung für eine Publikation gemacht wird. Diskussionslos stimmten beide Kammern dem Vorstoss zu [27].
 
[1] Presse vom 4.3.06.
[2] Bund, 16.3.05.
[3] TA, 18.1.05.
[4] Presse vom 6.12.05. Ein Postulat Humbel (cvp, AG), welches eine strengere Deklarationspflicht für übermässig kalorienreiche Nahrungsmittel beantragte, wurde, obgleich der BR bereit war, den Vorstoss entgegen zu nehmen, von Egerszegi (fdp, AG) und Stahl (svp, ZH) bekämpft und deshalb im Berichtsjahr nicht behandelt (AB NR, 2005, S. 951).
[5] AB NR, 2005, S. 144 f.
[6] AB NR, 2005, S. 146 ff.; AB SR, 2005, S. 601 f. Dieser Auftrag könnte auch der 2004 ins Leben gerufenen und seither mit finanziellen Problemen kämpfenden „Stiftung für Patientensicherheit“ neuen Auftrieb geben (NZZ, 23.2.05; BaZ, 17.12.05).
[7] AB NR, 2005, S. 951. Po. SGK-N: 05.3474. Siehe zur Gesundheitsprävention auch unten, Teil I, 7d (Alterspolitik).
[8] NZZ, 20.6.05. Siehe SPJ 2004, S. 173.
[9] AB NR, 2005, S. 1506. In seiner Stellungnahme zur Motion verwies der BR auf den seit dem Sommer vorliegenden Bericht der nationalen Ethikkommission im Bereich Humanmedizin. Dieser verlangte eine staatliche Aufsicht für Sterbehilfeorganisationen, sprach sich gegen die Suizidbeihilfe für psychisch Kranke aus und forderte Heime und Spitäler zu klareren Regeln auf (NZZ, 12.7.05). Das Universitätsspital des Kantons Waadt ist das erste öffentliche Spital in der Schweiz, welches Freitodbegleitungen durch die Organisation „Exit“ zulässt (TG, 17.12.05).
[10] Presse vom 1.10., 12.10., 20.10., 22.10., 26.10., 9.12. und 10.12.05. Für die Massnahmen in der Landwirtschaft siehe oben, Teil I, 4c (Production animale).
[11] Presse vom 5.4. und 4.6.05; NZZ, 6.4., 11.4. und 12.4.05. Siehe dazu die Antwort des BR auf eine dringliche Anfrage Sommaruga (sp, BE) in AB SR, 2005, S. 888 sowie die Antwort des BR auf eine vom NR noch nicht behandelte Interpellation Zapfl (cvp, ZH) (04.38069).
[12] BBl, 2005, S. 6001 f.; NZZ, 16.9.05. Siehe SPJ 2004, S. 172.
[13] Presse vom 18.4. und 26.5.05.
[14] NZZ, 22.3.05. Zum Bundesgesetz über die universitären Medizinalberufe siehe unten, Teil I, 8a (Hochschulen).
[15] BBl, 2005, S. 6613; TA, 15.9.05. Siehe SPJ 2004, S. 174.
[16] AB NR, 2005, S. 949; AB SR, 2005, S. 1097.
[17] AB SR, 2005, S. 603 ff.; Bund, 15.1. und 15.6.05. Für Forderungen sowohl der Preisüberwachung als auch der Krankenversicherer nach einer deutlichen Senkung der Medikamentenpreise siehe: TA, 26.2.05; NZZ, 3.3., 21.4., 4.6., 14.6. und 22.6.05.
[18] Presse vom 14.9.05.
[19] Presse vom 10.11.05; TA, 16.11.05; 24h, 10.12.05.
[20] Presse vom 3.2.05. Siehe SPJ 2004, S. 176.
[21] AB NR, 2005, S. 908 ff. und 912 ff.; AB SR, 2005, S. 1122 ff.; NZZ, 7.12.05 (zustimmende Stellungnahme der Ethikkommission).
[22] AB SR, 2005, S. 280 ff. und 666; AB NR, 2005, S. 487 und 972. Siehe SPJ 2004, S. 175 f. Gegen das neue Gesetz hatte ein Komitee aus den Reihen der EDU, der KVP und der Lebensrechtbewegung das Referendum ergriffen, das aber nicht zustande kam. Die gesammelten gut 21 000 Unterschriften wurden den eidgenössischen Räten in Form einer Petition „für eine Transplantationspraxis nach ethischen Gesichtspunkten“ eingereicht (NZZ, 23.2.05).
[23] AB NR, 2005, S. 145 ff.; AB SR, 2005, S. 697 f.
[24] Presse vom 21.4., 16.7., 26.8., 23.9. und 25.11.05. Siehe SPJ 2004, S. 174.
[25] AB SR, 2005, S. 1097 ff. Weil der BR aus den gleichen Gründen Ablehnung beantragte, zog NR Joder (svp, BE) eine analoge Motion zurück (04.3634). Die Verzögerungen bei der Umsetzung der IVKKM veranlasste auch die im NR vertretene Ärzteschaft, im Fall einer nicht einvernehmlichen Lösung eine Intervention des Bundes zu verlangen (NLZ, 22.6.05). Zum NFA siehe oben, Teil I, 1d (Beziehungen zwischen dem Bund und den Kantonen).
[26] NZZ, 21.2.05.
[27] AB NR, 2005, S. 949; AB SR, 2005, S. 1097.