Année politique Suisse 2006 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
 
Indirekte Steuern
Zum Demographie-Prozent bei der 11. AHV-Revision siehe unten, Teil I, 7c (AHV).
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Biersteuer
Das Parlament verabschiedete das Bundesgesetz über die Biersteuer (BStG). Dieses löst den Bundesratsbeschluss von 1934 über die eidgenössische Getränkesteuer ab, der seit 1937 nur noch für Bier gilt. Neu bemisst sich die Steuer nach der Gradstärke des Bieres auf der Grundlage des Stammwürzegehalts. Im Ständerat war Eintreten unbestritten. Gegen den Antrag der Kommissionsmehrheit lehnte es der Rat in der Detailberatung ab, die Steuersätze auf Bier nach Alkoholgehalt abgestuft zu senken und Mindereinnahmen von 20 Mio Fr. in Kauf zu nehmen. In der grossen Kammer scheiterte ein Rückweisungsantrag der SP und der Grünen, der eine Vorlage mit den rechtlichen Grundlagen für die Besteuerung aller Alkoholika sowie Gesundheitsförderungs- und Präventionsmassnahmen zum Schutz der Jugend forderte. In der Detailberatung folgte der Rat durchwegs den Anträgen der Kommissionsmehrheit und hiess mit 94:79 Stimmen gegen den Willen des Bundesrates einen Grundsatzartikel gut, der den Jugend- und Gesundheitsschutz speziell erwähnt. Bezüglich der Steuersätze blieben sowohl Anträge zur Erhöhung der Steuer für Spezial- und Starkbier als auch zur Senkung der generellen Steuerbelastung chancenlos. Auf Ablehnung stiessen auch die Vorschläge des rot-grünen Lagers, einen Teil des Ertrages aus der Biersteuer für die Suchtbekämpfung zu verwenden, süsse Biermischgetränke (Bierpops) höher zu besteuern und dem Bundesrat die Kompetenz zu erteilen, den Steuersatz zu erhöhen, um den Jugend- und Gesundheitsschutz zu verstärken. In der Differenzbereinigung setzte sich der Nationalrat mit der Einfügung eines Grundsatzartikels durch, wonach die Biersteuer unter Berücksichtigung des Jugend- und Gesundheitsschutzes auszugestalten ist. Die Vorlage passierte die Schlussabstimmung im Ständerat mit 37:2 Stimmen bei 5 Enthaltungen und im Nationalrat mit 131:54 Stimmen bei 2 Enthaltungen [35].
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Alkoholsteuer
Gegen den Antrag des Bundesrates überwies der Nationalrat mit 98:72 Stimmen eine Motion Germanier (fdp, VS), welche eine Reform der Eidg. Alkoholverwaltung (EAV) fordert. Insbesondere soll der Bundesrat eine Übertragung der Fiskalaufgaben der EAV an die Eidg. Oberzolldirektion oder andere Bundesämter, die in der Lage wären, die Alkoholsteuer zu erheben, prüfen; das BAG hingegen soll vollumfänglich für die Prävention zuständig sein [36].
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Mineralölsteuer
Zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes siehe unten, Teil I, 6d (Luftreinhaltung).
Basierend auf einer parlamentarischen Initiative Robbiani (cvp, TI) billigte das Parlament eine Änderung des Mineralölsteuergesetzes. Diese sieht vor, dem schweizerischen Natursteinabbau den Mineralölsteuerzuschlag zurückzuerstatten und die Branche damit der Land- und Forstwirtschaft sowie der Berufsfischerei gleichzustellen. Der Bundesrat hatte sich mit dem Hinweis auf das Investitionshilfegesetz gegen die Revision ausgesprochen; das Calanca- und das Maggiatal seien auf der Grundlage dieses Gesetzes zu unterstützen und nicht über Steuerermässigungen [37].
Der Nationalrat verwarf eine Motion der SVP-Fraktion, welche den zweckgebundenen Zuschlag zur Verbrauchssteuer auf Mineralöle während fünf aufeinander folgenden Jahren um 10,9 Rappen pro Liter reduzieren wollte, um die aufgelaufenen Überschüsse abzubauen. Die Ratsmehrheit war der Meinung, der Vorstoss widerspreche der schweizerischen Umweltpolitik [38].
Ebenfalls abgelehnt wurde eine bereits im Vorjahr vom Ständerat verworfene Standesinitiative des Kantons Waadt, welche umweltfreundliche Treibstoffe und Additive für Kleinmotoren, insbesondere Zweitaktmotoren, von der Mineralölsteuer befreien wollte [39].
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Mehrwertsteuer-Gesetz
Im Berichtsjahr stimmten die Räte insgesamt elf Motionen zur Vereinfachung der Mehrwertsteuer und zur Vereinheitlichung der Steuersätze zu: Der Nationalrat überwies zwei von der kleinen Kammer im Vorjahr gebilligte Vorstösse der WAK-SR, je zwei Motionen der Fraktionen der CVP, der SVP und von Philipp Müller (fdp, AG) sowie je eine Motion Schlüer (svp, ZH) und Triponez (fdp, BE), der Ständerat eine Motion Frick (cvp, SZ). Die Vorstösse forderten u.a. eine Befristung der Ausnahmen von der Mehrwertsteuer auf fünf Jahre, eine Vereinfachung der Deklaration (u.a. Massnahmen, damit die Mehrwertsteuerabrechnung möglichst rasch elektronisch eingereicht werden kann; anwendungsfreundliche Publikation aller Instruktionen und Entscheide auf Internet; konsequente Umsetzung der Systematik), vorteilhaftere Saldosteuersätze bei der vereinfachten Abrechnungsmethode, raschere Auskunft der Eidg. Steuerverwaltung auf schriftliche Anfragen zu den mehrwertsteuerlichen Konsequenzen von konkret umschriebenen Sachverhalten, mehr Rechtssicherheit in der Mehrwertsteuer (formeller Entscheid nach jeder Mehrwertsteuerrevision, gleich lange Spiesse im Revisions- und im Einspracheverfahren, uneingeschränkte Respektierung der Rechte der Angeschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren) sowie Genehmigung der Weisungen der Mehrwertsteuerbehörden durch den Vorsteher des EFD, um Gleichheit herzustellen mit anderen von der Regierung erlassenen Verordnungen. Bundesrat Merz betrachtete die Vorstösse als Rückenwind und Ermunterung für die laufenden Arbeiten [40].
Im Herbst gab Finanzminister Merz bekannt, er strebe eine Mehrwertsteuer mit einem Einheitssatz von 6% an und wolle die heute bestehende Differenzierung zwischen Normalsatz (7,6%), ermässigtem Satz (2,4% für Nahrungsmittel) und Sondersatz (3,6% für die Hotellerie) streichen. Die Zahl der 25 von der Steuer ausgenommenen Bereiche soll auf fünf (Banken, Versicherungen, Wohnungsmieten, hoheitliche Leistungen der öffentlichen Hand und Landwirtschaft) reduziert werden. Dies hätte einen einmaligen Kostenschub bei den Krankenkassenprämien von 4% zur Folge. Auch von Privaten finanzierte Bildungsinstitutionen dürften sich um 80 Mio Fr. verteuern. Laut Berechnungen der Steuerverwaltung führe die Reform zu einer Mehrbelastung des Mittelstands. Während die FDP die Stossrichtung begrüsste, kündeten SP und CVP Widerstand an. Die SVP sprach von einer politischen Totgeburt [41].
Diskussionslos überwies der Nationalrat eine Motion Darbellay (cvp, VS), welche den grenzüberschreitenden Busverkehr mit dem Eisenbahn- und Luftverkehr in Bezug auf die Mehrwertsteuer gleich behandeln will [42]. Abgelehnt wurde eine Motion Chevrier (cvp, VS) zur gesonderten Besteuerung von Luxusgütern. Bundesrat Merz erklärte, dass die Regierung nicht noch einen weiteren Sondersatz wolle. Zudem stelle sich die Frage der Abgrenzung, was denn Luxusgüter überhaupt seien [43]. Ebenfalls keine Chance hatte eine Motion der Grünen Fraktion, welche eine Erhöhung des Anteils am Mehrwertsteuerertrag, der zugunsten unterer Einkommensschichten verwendet werden muss (z.B. Krankenkassenprämienverbilligung) von 5% auf 10% verlangt hatte [44].
 
[35] AB SR, 2006, S. 3 ff., 639 f., 741 f. und 923; AB NR, 2006, S. 1028 ff., 1257 ff. und 1603; BBl, 2006, S. 8403 ff.; Presse vom 7.3. und 22.6.06; vgl. SPJ 2005, S. 121.
[36] AB NR, 2006, S. 100 ff.
[37] BBl, 2006, S. 2449 ff. (BR); AB NR, 2006, S. 92 ff., 1399 und 2043; AB SR, 2006, S. 530 ff., 1105 ff., 1161 und 1263; BBl, 2007, S. 1; WoZ, 9.3.06; vgl. SPJ 2005, S. 121. Zur Verwendung von China-Granit im schweizerischen Strassenbau siehe die Antwort des BR auf eine Frage Schelbert (gp, LU) in AB NR, 2006, S. 1740 f.
[38] AB NR, 2006, S. 107 ff.
[39] AB NR, 2006, S. 1070 f. Fattebert (svp, VD) zog seine Motion betreffend die Verwendung von Heizöl für Traktoren zurück, da der Bundesrat im Rahmen des EP 04 vorgeschlagen hatte, die Mineralölsteuerrückerstattungen für Treibstoffe, die für die Land- und Forstwirtschaft sowie für die Berufsfischerei verwendet wurden, aufzuheben (AB NR, 2006, S. 598 und Beilagen II, S. 30 f.).
[40] AB NR, 2006, S. 86 ff. (WAK-SR), 98 ff. (Triponez), 118 ff. (Schlüer), 488 (CVP), 610 ff. (SVP) und 2027 (Müller) sowie Beilagen I, S. 513 und 516 (CVP) und Beilagen V, S. 185 ff. (Müller); AB SR, 2006, S. 534 f. (Frick); Presse vom 9.3.06; vgl. SPJ 2005, S. 122. Ebenfalls überwiesen wurde ein Postulat Gutzwiller (fdp, ZH) zur Mehrwertsteuerproblematik bei Subventionen (AB NR, 2006, S. 2029 und Beilagen V, S. 207 f.).
[41] Presse vom 17.5.06; Bund und SGT, 31.10.06. Zur Auswirkung der Mehrwertsteuerreform auf die Hilfswerke und zur steuerlichen Gleichbehandlung von Ton- und Tonbildträgern mit Druckerzeugnissen siehe die Antworten des BR auf eine Frage Heim (sp, SO) resp. eine Interpellation Häberli (cvp, TG) in AB NR, 2006, S. 1405 resp. Beilagen III, S. 635 f.
[42] AB NR, 2006, S. 1113 und Beilagen III, S. 695 f.; zur Besteuerung von Unternehmen aus der EU siehe auch die Antwort des BR auf eine Interpellation Barthassat (cvp, GE) in AB NR, 2006, Beilagen III, S. 678 ff.
[43] AB NR, 2006, S. 596 ff.
[44] AB NR, 2006, S. 115 f.