Année politique Suisse 1989 : Economie / Politique économique générale
Wettbewerbspolitik
Der Vorsteher des EVD fällte einen wichtigen Entscheid bezüglich der Auslegung des seit 1986 geltenden neuen Kartellrechts. Er schloss sich der Auffassung der Kartellkommission an, dass die
Kartellabsprachen der Sachversicherer schädliche Auswirkungen zeigten, die nur durch die vollständige Wiederherstellung eines wirksamen Wettbewerbs zu beheben seien. Gegen den Willen der Versicherer wandelte Bundespräsident Delamuraz deshalb die Kommissionsempfehlungen, zukünftig auf bindende Preisfixierungen zu verzichten, in verbindliche Verfügungen um
[14].
Die Kartellkommission ihrerseits hatte sich mit den Wettbewerbsverhältnissen auf dem schweizerischen
Finanzmarkt und dabei insbesondere mit den gesamtschweizerisch wirksamen Vereinbarungen im Bankgewerbe befasst. Sie beanstandete dabei die kartellistischen Praktiken und empfahl die Aufhebung einer Reihe von Konvenien. Wir berichten darüber in anderem Zusammenhang
[15].
Ende November veröffentlichte der Bundesrat seine Stellungnahme zur Volksinitiative "zur Überwachung der Preise und der Kreditzinsen" bei marktmächtigen Organisationen (sogenannte 2. Preisüberwachungsinitiative). Dieses Begehren war im September 1987 von den Konsumentinnenverbänden, die mit der legislatorischen Realisierung der 1. Initiative durch das Parlament nicht einverstanden waren, eingereicht worden. Der Bundesrat sprach sich gegen die Initiative aus, da seiner Ansicht nach derart detaillierte Bestimmungen nicht in die Verfassung gehören. Er hielt allerdings fest, dass die Anliegen der Initiantinnen in materieller Hinsicht weitgehend seinen eigenen, vom Parlament abgelehnten Vorschlägen im Entwurf zum Preisüberwachungsgesetz entsprächen.
Er beantragte deshalb, im Sinne eines
indirekten Gegenvorschlags, eine Revision des Preisüberwachungsgesetzes. Damit sollen praktisch alle Anliegen der Volksinitiative verwirklicht werden. Wichtigster Revisionspunkt ist die Ausdehnung der Preisüberwachung auf die Kredite. Im weitern ist vorgesehen, dass der Preisüberwacher bei sogenannt administrierten Preisen ein Empfehlungsrecht erhält und dass er seine Empfehlungen publizieren darf. In der anfangs Jahr durchgeführten Vernehmlassung hatten sich von den Regierungsparteien die FDP und die CVP gegen, die SP und die SVP für die Unterstellung der Zinsen unter die Preiskontrolle ausgesprochen. Von den massgeblichen Verbänden hatten sich der Vorort, der Gewerbeverband und die Bankiervereinigung gegen, die Gewerkschaften, die Mieter- und die Konsumentenverbände hinter den Revisionsentwurf gestellt
[16].
Der Nationalrat machte mit der im Vorjahr vom Ständerat beschlossenen Streichung der Bestimmungen über das
Kleinkreditwesen im Gesetz über den unlauteren Wettbewerb kurzen Prozess. Diskussionslos befolgte er die Empfehlung seiner vorberatenden Kommission und des Bundesrates, auf die von der kleinen Kammer beantragte Revision nicht einzutreten
[17].
Die zuständige Nationalratskommission schloss die Vorberatung der Teilrevision des Obligationenrechts, auf welche 1987 der Ständerat gar nicht erst eingetreten war, ab. Sie sprach sich für einen besseren Schutz der Konsumenten vor aggressiven Verkaufsmethoden aus. So sollen die Käufer bei Vertragsabschlüssen ausserhalb von Geschäftslokalitäten (sog. Haustürgeschäfte, Werbefahrten etc.) unter bestimmten Umständen ein
Widerrufsrecht erhalten; Ferner sollen Empfänger unbestellter Waren nicht mehr verpflichtet sein, diese zurückzuschicken oder aufzubewahren. Die von der Kommission vorgeschlagene Fassung entspricht weitgehend den EG-Richtlinien über den Verbraucherschutz
[18].
Der sozialdemokratische Nationalrat Neukomm (BE) unternahm einen neuen Anlauf für die Einführung einer verschuldensunabhängigen
Produktehaftpflicht. Nachdem eine 1986 von ihm eingereichte diesbezügliche Motion vom Parlament nicht fristgerecht behandelt worden war, deponierte er das Anliegen Ende 1989 in der Form einer parlamentarischen Initiative
[19].
[14] Presse vom 2.2.89; TA, 4.2.89. Siehe auch SPJ 1988, S. 94. Grundsätzlich zur Anwendung des neuen Kartellrechts siehe Lit. Homburger und Lauterburg sowie NZZ, 11.11.89.
[15] Siehe unten, Teil I, 4b (Banken).
[16] Botschaft: BBl, 1990, I, S. 97 ff.; Presse vom 28.11.89. Vernehmlassung: Presse vom 14.2.89; NZZ, 16.6.89; Vat., 31.7.89. Vgl. auch SPJ 1988, S. 94 f.
[17] Amtl. Bull. NR, 1989, S. 413 ff. Zum Beschluss des StR und zur Argumentation siehe SPJ 1988, S. 95.
[18] Bund, 24.2.89; NZZ, 2.3.89. Vgl. auch SPJ 1987, S. 99 und 1988, S. 95. Zum Konsumentenschutz in der EG siehe SHZ, 23.11.89. Das 25jährige Bestehen der Schweizerischen Stiftung für Konsumentenschutz bot Anlass zu grundsätzlichen Überlegungen zum Thema (vgl. Ww, 1.6.89; TA, 12.10.89; Bund, 21.10.89).
[19] Verhandl. B.vers., 1989, V, S. 31. Zur Motion siehe SPJ 1986, S. 72 (Fussnote 26) und Verhandl. B.vers., 1988, I, S. 83. Vgl. auch Lit. Holliger.
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