Année politique Suisse 1999 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport
Gesundheitspolitik
Die Schweiz soll ein
Gesundheitsobservatorium erhalten. Den Grundstein dazu legten Bundespräsidentin Dreifuss und die kantonalen Sanitätsdirektoren an einer Arbeitstagung im Mai. Hauptaufgabe der neuen Institution wird es sein, möglichst komplette Daten über die Gesundheit der Bevölkerung, deren Verhalten bei diesbezüglichen sowie über die Angebote der Leistungserbringer und deren Nutzung zu sammeln. Auf dieser Grundlage soll die Gesundheitspolitik von Bund und Kantonen künftig besser gesteuert werden können
[1].
Nach 23 Jahren Abwesenheit fand die Schweiz wieder Eingang in den Exekutivrat der
Weltgesundheitsorganisation (WHO). Das Mandat, welches vorläufig bis Mai 2002 dauert, übernahm der Direktor des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), Thomas Zeltner
[2]. Sein Wunsch, die Schweiz durch die Übernahme des Postens des Regionaldirektors für Europa noch enger in die WHO einzubinden, ging allerdings nicht in Erfüllung. Obgleich ihm auf Grund seiner gesundheitspolitischen Kompetenzen und seiner Doppelausbildung als Arzt und Jurist hohe Chancen eingeräumt wurden, ging der Posten schliesslich an eine Persönlichkeit aus dem EU-Raum
[3].
Die 1997 eingesetzte Arbeitsgruppe ”Sterbehilfe” des EJPD unter alt Ständerätin Josi Meier (cvp, LU) lieferte im April ihren Bericht ab, welcher abklären sollte, inwieweit eine
direkte
aktive
Sterbehilfe mit dem bestehenden Verbot der Fremdtötung einerseits und dem Respekt des Selbstbestimmungsrechts Todkranker andererseits vereinbar ist. Nach der Mehrheit der Kommission soll neu ein Richter die Kompetenz erhalten, in bestimmten Fällen der aktiven Sterbehilfe von einer Strafverfolgung abzusehen. Gemäss diesem nach dem
Opportunitätsprinzip gestalteten Vorschlag soll das Tötungsverbot vom juristischen Standpunkt aus zwar bestehen bleiben; direkte aktive Sterbehilfe an einer unheilbar kranken, vor dem Tod stehenden Person, um sie von unerträglichen Leiden zu erlösen, müsste strafrechtlich aber nur mehr verfolgt werden, wenn selbstsüchtige Beweggründe vorliegen. Die
passive Sterbehilfe (Verzicht auf lebenserhaltende Massnahmen) und die
indirekte
aktive
Sterbehilfe (Verabreichung von Mitteln, deren Nebenwirkungen das Leben verkürzen können), die heute allgemein als zulässig erachtet werden, sollten neu
gesetzlich geregelt werden
[4].
Gegen den Willen des Bundesrates, der auf kantonale Prärogativen in diesem Bereich verwies und deshalb Umwandlung in ein Postulat beantragte, nahm der Nationalrat eine Motion Jaquet (sp, VD) an, welche verlangt, dass die
Patientenrechte eidgenössisch vereinheitlicht werden sollen
[5].
Im Sommer stellte die
SP ein
neues Finanzierungsmodell für medizinische Behandlungen vor. Bei der Präsentation betonte Parteipräsidentin Koch, die SP strebe kein rein staatliches Gesundheitswesen an, sondern stehe für eine „Kombination der interessantesten Ansätze“ ein. Das neue Konzept geht allerdings über die im Krankenversicherungsgesetz (KVG) vorgesehene
staatliche Planung (Möglichkeit zur Globalbudgetierung) im stationären Spital- und Pflegebereich hinaus und erfasst unter anderem Tageskliniken, Arztkonsultationen und Spitex-Leistungen. Nach dem neuen Modell würden Ärzte, Spitäler und andere Anbieter ihre Leistungen nach jenen Preisen abrechnen, welche sie mit den Krankenkassen vereinbart haben. Vom Rechnungsbetrag der KVG-pflichtigen Leistungen müsste die öffentliche Hand 22% und der Krankenversicherer 78% übernehmen, unabhängig davon, ob die Leistung ambulant, teilstationär oder stationär erbracht wird und ob der Patient sich in einem öffentlichen, einem öffentlich-subventionierten oder in einem Privatspital behandeln lässt. Gemäss SP sollte diese neue Art der Lastenverteilung mit einheitlichen Anteilen bei den Krankenkassen und der öffentlichen Hand einen Anreiz zu effektiver Kosteneinsparung bilden, da damit nicht einfach nur Aufwendungen verlagert würden
[6].
Im Gegensatz zur SP, welche der Ansicht ist, die Grundversicherung sei so auszugestalten, dass niemand für seine optimale Gesundheitsversorgung zusätzliche Leistungen braucht, verlangte die
FDP in einem
Positionspapier, es sei in erster Linie der Grundsatz der
Eigenverantwortung im Gesundheitswesen zu stärken. Der nach wie vor über Kopfprämien zu finanzierende Leistungskatalog der Grundversicherung – heute eine „Luxuslösung“, wie Nationalrätin Heberlein (ZH) meinte – habe nur das Notwendigste zu decken; alles, was zum „Wunschbedarf“ gehört (beispielsweise die Komplementärmedizin), sei zusätzlich privat zu versichern; ein gezielter Verzicht auf staatliche Eingriffe, Preiskontrollen und Tarife soll dazu beitragen, das Übermass an Leistungen (insbesondere auch im Spitex-Bereich) zu Lasten der Krankenversicherung einzudämmen. Gemäss FDP sollen die Spitalsubventionen abgeschafft und die freiwerdenden Gelder zur Prämienverbilligung oder zur direkten Beteiligung an den Behandlungskosten der Grundversicherung verwendet werden. Der Vertragszwang zwischen Versicherern und Leistungserbringern wäre aufzulösen
[7].
Die Erwägung der Basler Sanitätsdirektion und der Ärzteschaft des Kantonsspitals, einem über 80jährigen Patienten ein extrem teures, aber möglicherweise lebensrettendes Medikament angesichts seines Alters allenfalls zu verweigern, sorgte für Aufruhr und entfachte vor allem in den Medien die Debatte um die
Rationierung in der Medizin. Nationalrat Jost Gross (sp, TG), Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Gesundheitspolitik (SGGP), schlug die Schaffung einer nationalen Ethikkommission vor, welche das Tabu-Thema umfassend ausleuchten soll. Aber auch die Ärzteschaft verlangte eine offene Auseinandersetzung mit der brisanten Frage, da die Rationierung in vielen Fällen notgedrungenerweise bereits stattfinde (beispielsweise bei überlasteten Intensivpflegestationen). Heute müsse die Entscheidung von den Ärzten am Krankenbett in Alleinverantwortung gefällt werden, was vor allem für die Spitalärzte zu einer unerträglichen menschlichen Belastung führe. Sie forderte deshalb die Erarbeitung klarer Kriterien, wann welche Behandlung sinnvoll und finanzierbar ist; diese sollen breit diskutiert und politisch abgestützt werden
[8].
Im Spätherbst flackerte die Debatte erneut auf, als der Inhalt eines Grundlagenpapiers des Uni-Spitals Zürich zur Rationierung der allgemeinen Pflegeleistungen an die Öffentlichkeit drang. Erwogen wurde darin eine „Reduktion der Zuwendung aufs Nötigste“ sowie der Einsatz von Angehörigen zur Unterstützung der Pflege. Weiter wurde eine
Kategorisierung der Patienten und Patientinnen ins Auge gefasst: Weniger gut gepflegt würden demnach Alkoholiker, Drogensüchtige und chronisch Kranke. Ausgenommen von der Rationierung blieben hingegen alle Privatpatienten
[9].
Der Bundesrat war bereit, eine Motion Gross (sp, TG), die ihn verpflichten wollte, die Finanzierung der stationären und der ambulanten Pflege (
Pflegeheime und
Spitex) grundsätzlich vollkostendeckend sicherstellen, als Postulat entgegen zu nehmen. Der Vorstoss wurde aber von Bortoluzzi (svp, ZH) bekämpft und deshalb vorderhand der Diskussion entzogen
[10].
Mit finanziellem Engagement durch das BAG schuf die Schweizerische Patientenorganisation einen
Röntgenpass, der dazu beitragen soll, übermässiges Röntgen zu vermeiden. Das BAG erfüllte mit seiner Unterstützung den Auftrag der Strahlenschutzverordnung, die Bevölkerung vor vermeidbarer Strahlenexposition zu schützen. Auf dem Pass können Patientinnen und Patienten Röntgenaufnahmen, die zu medizinischen und zahnmedizinischen Zwecken, bei Durchleuchtung, Computertomographie usw. gemacht werden, eintragen lassen. Unnötige Wiederholungen könne so vermieden und die Strahlenbestrahlung gering gehalten werden
[11].
Eine Motion Vollmer (sp, BE), welche die nötigen gesetzlichen Grundlagen für den Schutz der Bevölkerung vor Lederwaren mit hochgefährlichen
chemischen Rückständen verlangte, wurde auf Antrag des Bundesrates, welcher auf entsprechende Regelungen auf Verordnungsebene verwies, lediglich als Postulat überwiesen
[12].
Ebenfalls in der Postulatsform wurde eine Motion Eymann (lp, BS) angenommen, welche den BR aufforderte, die gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen, um den Schutz von Personen, welche
Pilze für den Eigengebrauch gesammelt haben, durch staatliche Kontrolle zu gewährleisten
[13].
In der Frühjahrssession lehnte der Ständerat einstimmig eine
Standesinitiative des Kantons Solothurn ab, welche verlangte, die direkte
Spitalsubventionierung der Kantone sei
abzuschaffen und durch eine volle Kostendeckung über die Versicherungspauschale zu ersetzen. Die kleine Kammer begründete ihre Ablehnung der Initiative, deren Stossrichtung durchaus als bedenkenswert erachtet wurde, mit der anlaufenden 2. Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes (siehe unten), bei welcher die Spitalfinanzierung ohnehin zur Diskussion steht. Sie überwies aber ein Postulat ihrer Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK), welches den Bundesrat bittet, die Auswirkungen einer Aufhebung der kantonalen Spitalsubventionierung zu prüfen
[14]. Der Nationalrat lehnte die Standesinitiative ebenfalls ab, nahm aber seinerseits ein analoges Postulat seiner SGK an
[15].
Die Vorschläge zur Spitalfinanzierung, welche der Bundesrat anfangs März im Rahmen der
zweiten Etappe der 1. Teilrevision des KVG in die
Vernehmlassung gab, zeigten, dass seine Vorstellungen zumindest für den Moment nicht in Richtung Abschaffung der kantonalen Beteiligung an den Gesundheitskosten zielen, sondern vielmehr eine
stärkere Einbindung der Kantone anpeilen. In konsequenter Weiterführung eines Urteils des Eidgenössischen Versicherungsgerichts von 1997 schlug er vor, dass die
Kantone inskünftig auch innerkantonal
mindestens die Hälfte der Hospitalisierungskosten in der Grundversicherung übernehmen müssen, selbst wenn der Patient oder die Patientin über eine Zusatzversicherung verfügt. Bisher schrieben die Kantone ihre diesbezüglich ausgerichteten Beiträge nur der allgemeinen Abteilung gut. Die neue Regelung gilt auch für die Behandlung in Privatkliniken, die auf der kantonalen Spitalliste aufgeführt sind. Damit werden die oft teuer produzierenden staatlichen Spitäler dem Konkurrenzdruck der privaten Anbieter ausgesetzt. Subventionsberechtigt sollen neu auch
teilstationäre Aufenthalte (zwischen 2 und 24 Stunden) sein. Damit würden inskünftig nicht mehr die Institutionen (Spital bzw. Klinik) an sich finanziert, sondern die
tatsächlich erbrachten Leistungen abgegolten, was zu mehr Kostentransparenz beitragen soll. Für die Kantone wird dies gemäss BSV zu einem Mehrbelastung zwischen jährlich 640 Mio und 1 Mia Franken führen. Den Krankenversicherern, die sich künftig an den Investitionskosten der Spitäler beteiligen müssten, stünden jährliche Mehraufwendungen zwischen 120 und 220 Mio Fr. ins Haus. Die Krankenkassenprämien in der Grundversicherung dürften sich dadurch um rund 2% erhöhen, wogegen bei den Zusatzversicherungen eine leichte Entspannung eintreten sollte
[16].
Eine im Vorjahr vom Nationalrat überwiesene Motion Gysin (sp, BS), welche vom Bundesrat verlangte, die kantonalen und regionalen
Spitalplanungen in einen gesamtschweizerischen Zusammenhang zu stellen und für die Spitzen- und Zentrumsmedizin einen eidgenössischen Zielkatalog zu erstellen, wurde von der kleinen Kammer, welche föderalistische Bedenken höher einstufte als mögliche Kostendämpfungsmassnahmen, lediglich als Postulat überwiesen
[17].
Erstmals wurden in der Schweiz
mehrere Spitäler wegen Überkapazitäten geschlossen. Den Anfang machte der Kanton
Zürich, welcher Spitäler mit nur geringem Einzugsgebiet ganz abschaffte und die Akutabteilungen von sechs Regionalspitälern aufhob. Der Bundesrat hiess diese Konzentration gut, da mit der Schliessung ganzer Spitäler mehr Kosten gespart werden könnten als mit einem linearen Bettenabbau
[18]. Zu Ende des Frühjahrs gab auch der Kanton
Bern bekannt, mehrere Regionalspitäler schliessen zu wollen
[19]. Einen ganz anderen Weg beschritt der Kanton Thurgau: ab 1.1.2000 sind die vier kantonalen Spitäler nicht mehr dem Gesundheitsdepartement unterstellt, sondern einer privatrechtlichen Aktiengesellschaft; von dieser grösseren Autonomie und unternehmerischen Freiheit erhofft man sich eine kostenbewusstere Führung der Spitäler
[20].
Als Richtungskampf innerhalb des Bundesrates wurde der
Beschwerdeentscheid des EJPD interpretiert, der Privatspitälern in den Kantonen St. Gallen und Basel-Stadt ohne Bedarfsnachweis für Halbprivat- und Privatbetten Anrecht auf Spitallistenplätze und somit auf einen Sockelbeitrag aus der sozialen Krankenversicherung zugestand. Dieser Entscheid löste bei Fachleuten Kopfschütteln aus. Sie meinten, eine sinnvolle und kostendämpfende Spitalplanung sei unter Ausschluss der Halbprivat- und Privatabteilungen nicht machbar. Bei den Kantonen zeigte man sich insbesondere verärgert darüber, dass der gleiche Bundesrat, der jetzt mit der Rechtsprechung des EJPD die
Planung der Kantone durchlöchere, im laufenden Projekt des EDI zur Revision des KVG eine umfassende Planung für alle Spitäler und Abteilungen verlange und vorsehe, dass die Kantone künftig öffentlichen und privaten Spitälern für alle Abteilungen gleiche Subventionen zu leisten haben. Informierte Quellen erklärten, es gebe im Bundesrat zwei widersprüchliche Tendenzen. Innenministerin Dreifuss verlange eine Gesamtplanung aller Spitäler, da nur so die Kosten in der sozialen Krankenversicherung kontrollierbar seien; demgegenüber wolle Bundesrätin Metzler – wie schon ihr Vorgänger Koller – mit der Beschwerdepraxis ihres Departements einen planungsfreien Privatspitalbereich schaffen
[21].
Kategorisch und ohne direkten oder indirekten Gegenvorschlag lehnte der Bundesrat die Denner-
Initiative „für tiefere Spitalkosten“ ab, welche die obligatorische Krankenversicherung auf Spitalaufenthalte beschränken möchte, für welche die Krankenversicherungen – unabhängig von den tatsächlichen Kosten – 250 Fr. pro Tag zu bezahlen hätten. Wer sich weiterhin für die ambulante oder teilstationäre Behandlung versichern möchte, müsste dafür eine freiwillige Zusatzversicherung abschliessen. Gemäss dem Bundesrat würde das Volksbegehren das soziale System der Krankenversicherung untergraben, ohne die Gesundheitskosten zu senken. Es fände eine Entsolidarisierung mit jenen (oft betagten) chronisch Kranken statt, die ständige ärztliche ambulante Betreuung brauchen. Zudem würden sich die Patientinnen und Patienten vermehrt im Spital behandeln lassen, was die Gesundheitskosten ungerechtfertigt anheben würde. Der
Nationalrat folgte in der Wintersession mit seltener Einmütigkeit dem Bundesrat und
verwarf die Initiative mit 154 zu 7 Stimmen
deutlich [22].
Ebenfalls ohne Wenn und Aber beantragte der Bundesrat dem Parlament, die
Volksinitiative „für eine freie Arzt- und Spitalwahl“ Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen, da damit ein wichtiges Steuerungsinstrument zur Dämpfung der Gesundheitskosten und Prämien wegfallen würde. Auch hier schloss sich der Nationalrat mit 151 zu 14 Stimmen ganz klar dem Bundesrat an. Die freie Wahl des Arztes sei zwar im Krankenversicherungsgesetz verankert und ein zutiefst liberales Anliegen, betonten vor allem freisinnige Parlamentarier. Auch die freie Spitalwahl über die Kantonsgrenzen hinweg sei wünschenswert, doch sei eine uneingeschränkte Zulassung von Leistungserbringern nicht bezahlbar, da im Gesundheitswesen der Wettbewerb nur bedingt spiele: nicht der Patient als Nachfrager, sondern der Arzt als Anbieter entscheide darüber, wie viele Leistungen erbracht werden. Der Mitbegründer der Initiative und frischgebackene Aargauer CVP-Nationalrat Zäch, Chef des Paraplegikerzentrums Nottwil (LU), wollte dem Rat zumindest einen indirekten Gegenvorschlag in Form einer gesamtschweizerischen Spitalplanung beliebt machen. Obgleich dieses Ansinnen in den Räten bereits mehrfach zur Diskussion gestanden hatte und durchaus auf Interesse gestossen war, wurde sein Antrag vom
Nationalrat mit 95 gegen 72 Stimmen
abgelehnt [23].
Gemäss neuem KVG hätte die
Gesamtrevision des Arzttarifs (GRAT), welche eine gesamtschweizerisch einheitliche Tarifstruktur (
TarMed) bezweckt und die
Kerntätigkeit der Ärzte (Diagnose, Therapieberatung etc.) gegenüber den technischen Leistungen
aufwerten will, bereits 1998 in Kraft treten sollen. Von der neuen Berechnungsgrundlage versprechen sich alle Beteiligten eine bessere Kostentransparenz und eine vertiefte Kontrolle der ärztlichen Leistungen. Da eine kostenneutrale Reform angestrebt wurde, verliefen die Verhandlungen zwischen der Ärzteschaft, den Spitälern und den Krankenversicherern besonders zäh. Im Januar lag ein erstes Resultat vor, welches Bundespräsidentin Dreifuss unterbreitet wurde
[24].
Nun regte sich aber zunehmender
Widerstand in der Ärzteschaft, vor allem von seiten der invasis und operativ tätigen Spezialärzte verschiedener Fachgebiete, welche sich 1998 zu einer eigenen Vereinigung (Foederatio Medicorum Scrutantium, FMS) innerhalb der FMH zusammengeschlossen hatten. Die Delegierten der FMH stimmten der neuen Tarifstruktur zwar grundsätzlich zu, vertagten anfangs April jedoch den definitiven Entscheid. Hinter den Kulissen tobte der Kampf weiter. Schliesslich beschloss die FMH, die Spezialistenleistungen doch wieder um 20% höher zu bewerten, was ihr geharnischte Reaktionen seitens der Allgemeinpraktiker eintrug, die sogar von „Verrat“ sprachen. Eine Spaltung der FMH wurde nicht mehr ausgeschlossen
[25].
Aber auch das
EDI zeigte sich keineswegs erfreut über den ersten Vorschlag, vor allem nachdem der Preisüberwacher vorgerechnet hatte, dass die Lösung keinesfalls kostenneutral sei, sondern zu einem Schub bei den Arzthonoraren von mindestens 30% führen würde. Angesichts der hoffnungslos eingefrorenen Positionen – ein neues Konzept des BSV zur Kostenneutralität war von der FMH als „verkapptes Globalbudget“ in Bausch und Bogen verworfen worden – drohte Bundespräsidentin Dreifuss damit, den neuen Arzttarif
allenfalls über den Kopf der Verhandlungspartner hinweg zu verordnen [26].
Im Februar legten die kantonalen Sanitätsdirektoren eine Neuregelung der
Einkommen der Spezialärzte in öffentlichen und subventionierten Spitälern vor, welche bei den Betroffenen ebenfalls auf wenig Gegenliebe stiess. Demzufolge sollten die betreffenden Mediziner keine teuren Privatbehandlungen mehr durchführen, sondern neben einer Grundbesoldung nur mehr limitierte Zuschläge beziehen dürfen. Der Verein der leitenden Spitalärzte der Schweiz wehrte sich umgehend gegen den Vorschlag, der ohne ihre Mitarbeit entstanden sei
[27].
Bei der Beratung der
1. Teilrevision des KVG (siehe auch unten, Teil I, 7c, Krankenversicherung) nahm der
Nationalrat mit 151 zu 4 Stimmen einen Antrag Raggenbass (cvp, TG) an, der die Versicherer vom sogenannten
Kontrahierungszwang befreien wollte. Heute sind die Krankenkassen verpflichtet, mit sämtlichen Leistungserbringern Verträge abzuschliessen. Mit der neuen Bestimmung könnten die Versicherer ihre Vereinbarungen an Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien der Leistungserbringer koppeln. Dies würde beispielsweise auch erlauben, älteren Ärzten – zum Beispiel den über 70-Jährigen – das Recht auf Krankenkassengelder abzusprechen und für Jungärzte mit wenig Erfahrung einen tieferen Tarif festzulegen. Bundespräsidentin Dreifuss zeigte sich wenig erfreut über dieses Vorpreschen der grossen Kammer. Sie meinte, man müsste zuerst prüfen, wie ein solcher Kriterienkatalog aussehen könnte, bevor man ihn grundsätzlich beschliesse
[28]. Dieser Meinung war auch der
Ständerat, weshalb er den Vorschlag mit 17 zu 14 Stimmen
ablehnte. Genau so wenig Gnade fand vor seinen Augen ein Antrag seiner vorberatenden Kommission, welche – gerade auch im Hinblick auf die mit der Annahme der bilateralen Verträge mit der EU befürchtete „Überschwemmung“ mit ausländischen Ärzten – vorgeschlagen hatte, dem Bundesrat die Kompetenz zu erteilen, die
Zulassung von Ärzten zur Grundversicherung für eine befristete Zeit einem Bedürfnisnachweis zu unterstellen. Damit könnte die Praxiseröffnung sowohl durch ausländische Ärzte als auch durch einheimische Jungärzte eingedämmt werden. Diesen Vorschlag lehnte das Plenum ebenfalls mit 21 zu 14 Stimmen ab
[29].
Auf Antrag der SGK des Nationalrates, welche dem Anliegen mit 15 zu 2 Stimmen deutlich zugestimmt hatte, wurde eine parlamentarische Initiative Suter (fdp, BE), welche menschenwürdige Arbeitsbedingungen für Assistenzärzte forderte, diskussionslos angenommen. Suter verlangte insbesondere, dass
Assistenzärzte und -ärztinnen dem Arbeitsgesetz unterstellt werden, um so in den Genuss der gesetzlich vorgesehenen Arbeits- und Ruhezeitvorschriften zu gelangen
[30]. Der im letzten Jahr voll ausgebrochene Streit zwischen der Zürcher Assistenzärztinnen und -ärzten und der kantonalen Gesundheitsdirektion fand ein Ende durch die Einführung des
ersten schweizerischen Gesamtarbeitsvertrags in diesem Bereich, welcher den Jungärzten und -ärztinnen eine maximale wöchentliche Arbeitszeit von 55 Stunden zugesteht. Der Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärzte erachtete das Übereinkommen zwar als ersten wichtigen Schritt, wich aber nicht von seiner Forderung ab, gesamtschweizerisch ihre Arbeitszeit auf maximal 50 Stunden zu reduzieren
[31].
Anfangs März leitete der Bundesrat dem Parlament seine Botschaft zum neuen Heilmittelgesetz zu. Die Kontrolle von Arzneimitteln und Medizinprodukten soll künftig umfassend durch den Bund geregelt werden. Die Interkantonale Kontrollstelle für Heilmittel (IKS), bisher für die Zulassung und Überwachung der meisten Arzneien zuständig, wird in ein bundeseigenes Heilmittelinstitut überführt. Bundespräsidentin Dreifuss betonte bei der Präsentation, der Gesetzesentwurf sei eurokompatibel ausgestaltet worden, weshalb der Standort Schweiz in diesem wirtschaftlich bedeutenden Bereich inskünftig über gleich lange Spiesse wie die ausländische Konkurrenz verfügen werde.
Ein Hauptanliegen des Bundesrates ist die Verbesserung des Wettbewerbs. So genannte Parallelimporte sollen erlaubt werden; selbst schweizerische Produkte, welche im Ausland meistens billiger verkauft werden als in der Schweiz, könnten so reimportiert und unter dem offiziellen Preis angeboten werden. Bis anhin untersagte die IKS diese Praxis, welche auch in den meisten anderen Staaten (mit Ausnahme der EU-internen Verkaufsströme) verboten ist. Der Bundesrat will Parallelimporte aber nur dann erlauben, wenn das Medikament sowohl in der Schweiz als auch im betreffenden Ausland zugelassen ist. Darin unterscheidet sich sein Gesetzesvorschlag von der Denner-Initiative (siehe unten), welche verlangt, dass alle Produkte, welche in einem Nachbarland anerkannt sind, automatisch auch in der Schweiz verkauft werden dürfen.
Keine grossen Änderungen sieht der Entwurf beim Versandhandel vor. Grundsätzlich soll er nach wie vor verboten bleiben, insbesondere um den unkontrollierten Vertrieb von Medikamenten per Internet zu verhindern. Der Bundesrat ist aber bereit, Ausnahmen zu bewilligen, wenn strenge Sicherheitsvorschriften eingehalten werden und die ärztliche Überwachung gewährleistet ist. Der Medikamentenversand durch Krankenkassen dürfte deshalb auch in Zukunft gestattet sein.
Der Gesetzesvorschlag enthält Bestimmungen, welche die missbräuchliche Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln generell einschränken soll. Darunter fallen auch Medikamente, die als
Doping eingesetzt werden können. Spezifische Normen zur Dopingbekämpfung im Sport werden allerdings nicht in diesem Gesetz, sondern im Bundesgesetz über die Förderung von Turnen und Sport verankert (siehe unten, Sport)
[32].
Im Gegenzug beantragte der Bundesrat dem Parlament, die vom Detailhandelgrossisten Denner lancierte
Volksinitiative „für tiefere Arzneimittelpreise“ Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen, da sie zu radikal sei und zu einer Gefährdung der Volksgesundheit führen könnte. Die vorberatende Kommission des Nationalrates befand aber, ohne eine wirklich griffige Alternative könnte die Initiative durchaus Chancen in einer Volksabstimmung haben. Deshalb beschloss sie äusserst knapp (mit 9 zu 8 Stimmen bei einer Enthaltung) einen
direkten Gegenvorschlag, der die Frage der Parallelimporte im Sinn des Bundesrates, aber auf Verfassungsstufe regelt. Damit soll der Druck aufrecht erhalten bleiben, bis das Heilmittelgesetz vom Parlament verabschiedet ist
[33].
Einen vorläufigen Rückschlag mussten die Verfechter von Parallelimporten kurz vor Jahresende vom Bundesgericht hinnehmen. Dieses entschied, der 15 Jahre dauernde
Patentschutz erlaube es, für diese Produkte Parallelimporte zu verbieten. Die Lausanner Richter liessen aber ein Fenster offen. Sie hielten nämlich fest, sie hätten nur eine Gesetzeslücke im bestehenden Patentrecht geschlossen. Wenn das Parlament die Sache anders regeln wolle, so sei ihm dies unbenommen. Preisüberwacher und Nationalrat Marty (sp, GL) sowie die beiden Abgeordneten David (cvp, SG) und Strahm (sp, BE) erklärten deshalb, sie würden zum neuen Heilmittelgesetz einen Anhang beantragen, welcher das Patentgesetz in den entsprechenden Dispositionen ändert, bzw. andere Möglichkeiten finden, um die Parallelimporte dennoch zu ermöglichen
[34].
Mit der ersten Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) soll den kostengünstigeren
Generika zum Durchbruch verholfen werden. Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, den Apothekern die Möglichkeit zu geben, ein Originalprodukt durch ein billigeres, aber gleichwertiges Produkt zu ersetzen, wenn der Arzt nicht ausdrücklich mit seinem Rezept die Abgabe des Originals verlangt. Weil dieser Vorschlag ihrer Ansicht nach nur bedingt zum Umsteigen auf Generika führen würde, beschloss die vorberatende Kommission des Ständerates, analog zum Arzttarif eine Leistungsentschädigung für die Apotheker einzuführen, denn nur wenn ihr Einkommen nicht mehr von der Höhe der Medikamentenpreise abhänge, hätten die Apotheker ein Interesse am Generikaverkauf. Zudem sollen sie den Arzt erst nach der Abgabe des Medikaments über die Substitution informieren müssen
[35].
Die
Volksinitiative der Apotheker
„für eine sichere und gesundheitsfördernde Arzneimittelversorgung“, welche im Vorjahr in Rekordgeschwindigkeit zustande gekommen war, wurde im April mit 265 804 gültigen Unterschriften eingereicht. Das Volksbegehren, welches verlangt, dass Medikamente nur unter Mitwirkung von Gesundheitsfachleuten abgegeben werden dürfen, richtet sich vordergründig
gegen die neuen Vertriebsformen in Warenhäusern sowie im Versand- und Internethandel. Dahinter stehen aber die Ängste eines ganzen Berufsstandes, der durch die Liberalisierung der Medikamentenabgabe um seine Pfründen bangt. Den Apothekern ist vor allem die Selbstdispensation der Ärzteschaft ein Dorn im Auge, welche mit dem lukrativen Medikamentenverkauf – für den sie nicht selten von den Pharmafirmen bis zu 50% Rabatt erhalten – ihre Umsätze in den letzten Jahren stark steigern konnten
[36].
Die Eidg. Arzneimittelkommission empfahl, das Potenzmittel
Viagra und die Antifett-Pille
Xenical für kassenpflichtig zu erklären. Dagegen protestierten umgehend mehrere Patienten-, Konsumenten- und Arbeitnehmerorganisationen, die im Einklang mit dem Konkordat der Krankenkassen diese beiden Medikamente als unnötige Lifestylemittel einstuften. Diese Meinung vertrat auch das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) zumindest teilweise und folgte damit erstmals nicht den Empfehlungen der Arzneimittelkommission: Viagra wurde wegen der enormen Missbrauchsgefahr nicht in die Liste der kassenpflichtigen Medikamente aufgenommen, Xenical nur für extrem Übergewichtige
[37].
Arzneimittelverpackungen müssen ab dem 1.1.2000 auf
gentechnisch veränderte Organismen (GVO) hinweisen. Diese neue Richtlinie wurde von der IKS verabschiedet. Gemäss dieser Kontrollstelle ist momentan kein Medikament mit GVO auf dem Markt, weshalb die Massnahme rein vorsorglich ist. Hingegen gibt es bereits rund 40 gentechnisch produzierte Medikamente, darunter Insulin und Interferon
[38].
Am 7. Februar fand die eidgenössische Abstimmung über den Verfassungsartikel zur Transplantationsmedizin statt, welcher erste nationale Leitplanken für dieses ethisch sensible Spezialgebiet der Medizinaltechnik setzt. Die mit fast 88% Ja-Stimmen überdeutlich angenommene neue Verfassungsbestimmung gibt dem Bund die gesetzgeberische Kompetenz, den Umgang mit Organen, Geweben und Zellen gegenüber den kantonalen Lösungen einheitlich zu reglementieren und dabei den Schutz der Menschenwürde sowie der Persönlichkeit und der Gesundheit zu gewährleisten; zudem erhält er die Aufgabe, Kriterien für eine gerechte Zuteilung der zur Verfügung stehenden Organe festzulegen. Als wichtige Schranke gegen einen allfälligen Missbrauch gilt die Unentgeltlichkeit der Spende sowie das Verbot des Handels mit menschlichen Bestandteilen. Konkrete Abgrenzungsfragen (Zustimmung des Spenders, Definition des Todeszeitpunkts und Xenotransplantation) sollen im Rahmen eines spezifischen Transplantationsgesetzes angegangen werden, für welches Bundespräsidentin Dreifuss eine Botschaft im Jahr 2000 in Aussicht stellte.
Die parlamentarische Debatte zu diesem Verfassungsartikel hatte bereits gezeigt, dass dieser nur
vereinzelt bei den Grünen und den ihnen nahestehenden Kreisen auf
Ablehnung stossen würde. Besonders die beiden Nationalrätinnen Gonseth (gp, BL) und von Felten (sp, BS) sowie gentechnologiekritische und tierschützerische Gruppierungen bekämpften präventiv die neuen Kompetenzen des Bundes im Bereich der Xenotransplantation, welche sie generell nicht zulassen oder zumindest einem längeren Moratorium unterstellen möchten. Die GP zeigte sich in der Frage übrigens gespalten: Während die Deutschschweizer Sektionen die Nein-Parole ausgaben, votierten die Sektionen in der Waadt und im Kanton Genf für ein Ja
[39].
Die Zustimmung erfolgte am deutlichsten in Genf und den übrigen lateinischen Kantonen mit Ja-Stimmenanteilen nahe bei oder über 90%. Die geringste Unterstützung fand der Verfassungsartikel in Uri und den beiden Appenzell, wo er aber immer noch über 80% der Stimmen auf sich vereinigen konnte
[40].
Verfassungsartikel über die Transplantationsmedizin (Art. 24decies)
Abstimmung vom 7. Februar 1999
Beteiligung: 38,0%
Ja: 1 501 925 (87,8%) / 20 6/2 Stände
Nein: 209 263 (12,2%) / 0 Stände
Parolen:
– Ja: CVP, FDP, SP, SVP (1*), LPS, LdU, EVP, FP, SD (1*), PdA; Evang. Kirchenbund; Swisstransplant.
– Nein: Grüne (4*); Schweiz. Arbeitsgruppe Gentechnologie
Stimmfreigabe: SGV
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Angesichts der hohen Zustimmung war es für die Autoren der
Vox-Analyse zu diesem Urnengang schwierig, ein Profil jener zu erstellen, welche Nein gestimmt hatten. Tendenziell liess sich aber feststellen, dass es vor allem Personen waren, die neben der obligatorischen Schule keinen weiteren Abschluss gemacht haben. Jüngere und lateinischsprachige Stimmbürgerinnen stimmten der Vorlage deutlicher zu als ältere Personen und solche aus der Deutschschweiz
[41] .
Um die besonders heikle Frage der
Xenotransplantation (Übertragung tierischer Organe, Gewebe und Zellen auf den Menschen) vorläufig zu regeln, hatte der Bundesrat bereits im Vorjahr dem Parlament im Rahmen des Bundesbeschlusses über die Kontrolle von Blut, Blutprodukten und Transplantaten ein bis zum Vorliegen des eigentlichen Transplantationsgesetzes
befristetes Verbot mit eng begrenzten Ausnahmemöglichkeiten beantragt. Nach dem bundesrätlichen Konzept sollten gezielte klinische Versuche bei konkreten Heilungschancen zulässig sein, nicht aber grössere wissenschaftliche Experimente. Eine weiter gehende medizinische Behandlung mittels Transplantaten von tierischen Zellen und Geweben (nicht aber von ganzen Organen) sollte nur erlaubt sein, wenn ein Infektionsrisiko für die Bevölkerung ausgeschlossen und der therapeutische Nutzen nachgewiesen werden kann. In beiden Fällen bedürfte der Eingriff einer Bewilligung des BAG
[42].
Als Sprecherin der Kommissionsmehrheit begründete Dormann (cvp, LU) im Nationalrat das vorsichtige Vorgehen des Bundesrates mit dem Risiko, dass bei einer Xenotransplantation bisher unbekannte, dem Aids- und dem Ebola-Virus sowie der Creutzfeld-Jakob-Krankheit verwandte Erreger auf den Menschen überspringen und sich dann unkontrolliert verbreiten könnten. Zudem verwies sie auf den ethischen Einwand, wonach der Mensch die anderen Lebewesen nicht einfach zu Ersatzteillagern degradieren dürfe. Minderheitsvertreter Deiss (cvp, FR) meinte demgegenüber, ein Verbot mit Ausnahmen setze falsche Signale, es werde damit ein eigentliches Moratorium eingeführt, und dieses gefährde den Forschungsplatz Schweiz. Er beantragte, das relativierte Verbot durch eine Bewilligungspflicht zu ersetzen und fand dabei die Unterstützung von Egerszegi (fdp, AG), Hochreutener (cvp, BE) und Bortoluzzi (svp, ZH) als Sprecher ihrer Fraktionen.
Die Grüne Gonseth (BL) warf der Minderheit vor, mit ihrem Antrag gebe sie lediglich dem Druck der Pharmalobby nach. Noch härter ging Bundespräsidentin Dreifuss mit ihrem künftigen Amtskollegen Deiss ins Gericht. Sie befand, er habe am Rande der Fairness argumentiert, da der Bundesrat kein eigentliches Moratorium vorgeschlagen habe. Sein Antrag sei wohl entstanden, weil der Pharmaindustrie das Wort ”Verbot” im bundesrätlichen Konzept nicht gefalle; es sei eines Parlaments aber ”unwürdig”, sich durch die ”Arroganz eine Branche” die Wortwahl diktieren zu lassen. Die Transplantation von Tierorganen werde in der vorgesehen Übergangsfrist medizintechnisch gar nicht möglich sein; sie zu propagieren wecke falsche Hoffnungen bei schwer kranken Personen.
Ihr Appell zeigte Wirkung. Neben den geschlossenen Fraktionen von SP, GP, LdU/EVP und SD stimmten auch 10 CVP-, 5 FDP- und 2 SVP-Abgeordnete gegen die Parole ihrer Fraktionen.
Dem Bundesrat wurde mit 88 zu 75 Stimmen Folge geleistet. Kaum Unterstützung fanden hingegen weitergehende Anträge aus der SP: Für einen Antrag Goll (ZH), klinische Versuche mit Tierorganen vorläufig ausnahmslos zu verbieten, sprachen sich nur gerade 49 von 157 anwesenden Abgeordneten aus. Ein Antrag von Felten (BS), die Xenotransplantation generell zu verbieten, scheiterte mit 118 zu 38 Stimmen
[43].
Im Ständerat setzten sich die bürgerlichen Vertreter gegen Bundes- und Nationalrat durch. Die Mehrheit des Rates sah den (durchaus nicht geleugneten) Risiken mit einer streng kontrollierten Bewilligungspflicht genügend Rechnung getragen und brachte vor, die Forschung würde durch ein Verbot zu sehr behindert und abgeschreckt. Es sei besser, die Forschungsaktivität unter selber definierten Bedingungen steuern zu können und im eigenen Lande zu behalten, als mit rigorosen Vorschriften eine Auslagerung zu provozieren, sagte etwa Schiesser (fdp, GL). Für Simmen (cvp, SO) machte es zudem keinen Sinn, zwischen Organen einerseits und Zellen und Geweben andererseits Hierarchien zu schaffen, da in allen Fällen ein Abstossungs- und Infektionsrikio bestehe.
Den freisinnigen Argumenten widersprach Bundespräsidentin Dreifuss: Die Schweiz sei das erste Land, welches eine Gesetzgebung für die Xenotransplantation einführe, weshalb sie Signalfunktion habe und ihre Verantwortung wahrnehmen müsse. Der Bundesrat bewege sich mit seiner Variante auf der gleichen Linie wie die WHO und die OECD. Zudem werde die Forschung keineswegs verhindert, da der bundes- und nationalrätliche Vorschlag klinische Versuche selbst mit Organen ja zulasse. Eine grundsätzliche Bewilligung sei aber angesichts der Gefahr der Übertragung von Krankheitserregern im jetzigen Zeitpunkt nicht
zu
verantworten. Diese Erklärung fand aber genau so wenig Gehör wie jene des Basler SP-Standesvertreters Plattner, der argumentierte, die Xenotransplantation sei noch weit davon entfernt, zum Routineeingriff zu werden. Zurzeit bestehe ein faktisches Moratorium, welches aus der Vernunft der Forscher und der Bevölkerung geboren sei. Deshalb verstehe er nicht, warum ein massvolles Verbot nicht vorläufig in den Beschluss aufgenommen werden könne. Zudem würde eine bedingte Zulassung den Empfehlungen des Europarates widersprechen.
Der Rat
beschloss mit 26 zu 7 Stimmen die von der Pharmaindustrie klar favorisierte „Ja, aber“-Version und sprach sich mit 27 zu 8 Stimmen auch für die Organübertragung als allgemeine therapeutische Massnahme aus. Nach dem Willen der kleinen Kammer sollen
alle Arten von Xenotransplantation grundsätzlich erlaubt sein, jedoch einer strengen Bewilligungspflicht unterstellt werden. Die Transplantation von tierischen Zellen, Geweben und ganzen Organen soll sowohl in klinischen Versuchen als auch als Standardbehandlung zugelassen werden. Für den klinischen Versuch besteht die Auflage, dass ein Infektionsrisiko für die Bevölkerung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eintreten kann. Für die Standardbehandlung muss dieses Risiko nach Stand von Wissenschaft und Technik ganz ausgeschlossen sein. Zudem muss ein therapeutischer Nutzen erwartet (klinische Versuche) oder nachgewiesen sein (Standardbehandlung)
[44].
Nach dem deutlichen Votum in der kleinen Kammer zeichnete sich im
Nationalrat ein
Stimmungswandel ab. Vergeblich wehrten sich die Zürcher SP-Nationalrätin Goll und die grüne Baselbieter Ärztin Gonseth für einen Vermittlungsvorschlag ihrer Luzerner CVP-Kollegin Dormann. Diese wollte am Verbotskonzept des Bundesrates festhalten, für Ausnahmebewilligungen aber die Kriterien des Ständerates übernehmen – allerdings mit der gewichtigen Einschränkung, dass routinemässig bloss tierische Zellen und Gewebe auf den Menschen übertragen werden dürfen; die Verpflanzung ganzer Tierorgane sollte im Rahmen von Standardbehandlungen nach wie vor ausnahmslos untersagt bleiben. Für diesen Kompromiss setzte sich auch Bundespräsidentin Dreifuss ein, vermochte aber gegen das Hauptargument der Bürgerlichen, ein Verbot würde den Forschungsstandort Schweiz in unzulässiger Weise beeinträchtigen, nichts mehr auszurichten. Neben der nach wie vor geschlossenen Opposition der Fraktionen der SP und der Grünen fand der Kompromissvorschlag nur noch die Unterstützung von 5 CVP-Vertretern, 5 LdU/EVP-Nationalräten und 2 Schweizer Demokraten. Mit
77 zu 72 Stimmen lehnte die grosse Kammer den Vermittlungsvorschlag Dormann ab und
folgte damit
auf der ganzen Linie den Beschlüssen des Ständerates [45].
Noch vor dem Abschluss dieser Beratungen gab der Bundesrat seinen Entwurf für ein eigentliches Transplantationsgesetz in die Vernehmlassung. Es betrifft Bereiche, die bisher von Kanton zu Kanton verschieden oder gar nicht geregelt waren. Bei der Xenotransplantation, der Erfordernis der Zustimmung einer Bundesstelle für die Transplantation embryonaler oder fötaler menschlicher Gewebe oder Zellen sowie die im Detail geregelte Frage der „gerechten“ Zuteilung der Organe betritt die Vorlage im internationalen Vergleich Neuland.
Für die Organspende von Verstorbenen stellte der Bundesrat drei Modelle der Zustimmung bzw. Verweigerung zur Diskussion: die enge oder erweiterte Zustimmungslösung, die enge oder erweiterte Widerspruchslösung sowie die Informationslösung. Beim ersten Modell dürfen einer verstorbenen Person Organe, Gewebe oder Zellen entnommen werden, wenn diese zu Lebzeiten eine entsprechende Erklärung abgegeben hat (enge Zustimmungslösung). Eine Organentnahme ist zudem zulässig, wenn die Angehörigen ihr zustimmen (erweiterte Zustimmungslösung). Sind keine Angehörigen vorhanden oder erreichbar, ist die Entnahme untersagt. Beim zweiten, bereits in der Mehrheit der Kantone geltenden Modell dürfen einem Verstorbenen Organe entnommen werden, wenn er einer Entnahme zu Lebzeiten nicht widersprochen hat (enge Widerspruchslösung) und wenn sie auch die Angehörigen nicht ablehnen (erweiterte Widerspruchslösung). Das Fehlen einer Erklärung zur Spende wird in diesem Modell als Zustimmung gewertet. Bei der Informationslösung würden, falls weder eine Zustimmung noch ein Widerspruch der verstorbenen Person vorliegt, die Angehörigen über die Möglichkeiten einer Organentnahme informiert; falls sie sich nicht innerhalb einer gewissen Frist dagegen verwahren, darf diese vorgenommen werden.
Zur Bestimmung des Todeszeitpunktes stellt der Entwurf auf das Kriterium des Hirntodes ab. Bei den Lebendspenden verlangt er keine besondere (familiäre) Beziehung zwischen spendender und empfangender Person, doch muss die Bewilligung durch ein unabhängiges Gremium erfolgen, um Missbräuche (beispielsweise finanzielle Anreize) zu verhindern. Bei urteilsunfähigen Personen soll eine Lebendspende grundsätzlich verboten sein. Bewilligungspflichtig ist zudem die Xenotransplantation gemäss den vom Parlament bereits beschlossenen Bedingungen (siehe oben).
Aufgrund des Organmangels kommt der Zuteilung der Transplantate besondere Bedeutung zu. Der Gesetzesentwurf versucht, diese Frage nach ethischen Prinzipien zu regeln. Nicht Herkunft, Geschlecht oder wirtschaftliche Verhältnisse dürfen massgebend sein, sondern allein die medizinische Dringlichkeit, die Gewebeverträglichkeit, die medizinische Prognose und die Wartezeit. Die Zuteilung soll nicht mehr durch die einzelnen Transplantationszentren, sondern immer zentral und patientenspezifisch durch die nationale Zuteilungsstelle erfolgen. Eine vom Bund einzusetzende Transplantationskommission soll die Einhaltung der Vorschriften über die Aufnahme in die Wartelisten und die Zuteilung von Organen kontrollieren.
Schliesslich sieht der Gesetzesentwurf eine bundesrätliche
Bewilligung für den Betrieb von Transplantationszentren vor. In der Schweiz werden heute in Basel, Bern, Genf, Lausanne, St. Gallen und Zürich Organverpflanzungen durchgeführt. Gemäss dem erläuternden Bericht des Bundesrates wäre aus Kosten- und Qualitätsgründen eine Beschränkung auf ein bis drei Zentren von Vorteil. Auch die Konzentration von Herz-, Lungen- und Lebertransplantationen auf je einen Standort wäre denkbar
[46].
Der Bundesrat war bereit, ein Postulat Ostermann (gp, VD) entgegenzunehmen, welches ihn zu prüfen bat, ob im Sinn der
Förderung von Organspenden auf amtlichen Dokumenten wie Führerausweis, Pass oder Identitätskarte der Vermerk „Organspender“ angebracht werden könnte. Obgleich der Vorstoss von mehreren SP-Abgeordneten mitunterzeichnet worden war, wurde er vom Luzerner SP-Vertreter Widmer bekämpft und somit vorderhand der Diskussion entzogen
[47].
Mit Einverständnis des Bundesrates überwies der Ständerat in der Frühjahrssession eine Motion Plattner (sp, BS), welche die Landesregierung beauftragt, bis Ende 2001 ein eigentliches
Bundesgesetz über die medizinische Forschung am Menschen in die Vernehmlassung zu geben. In diesem Gesetz sollen die ethischen und rechtlichen Grundsätze und Schranken festgeschrieben werden, die in diesem Gebiet befolgt werden müssen, damit einerseits der Schutz der Menschenrechte in möglichst hohem Masse gewährleistet ist und andererseits eine sinnvolle medizinische Forschung am Menschen nicht verhindert wird
[48].
Der Bundesrat nahm Ende Jahr Kenntnis von den Ergebnissen der Vernehmlassung zu einem
Genomanalysengesetz. Allgemein bestand Einigkeit, dass es Arbeitgebern und Versicherern nicht gestattet sein soll, präsymptomatische Genanalysen zu verlangen, welche darüber Auskunft geben, ob eine Person in ihrem Leben allenfalls einmal an einer bestimmten Krankheit leiden wird. Kontrovers beurteilt wurde die Frage, ob Versicherer Anrecht auf Auskunft über bereits vorgenommene Genanalysen haben und ob Arbeitgeber diese zur Abklärung allfälliger Berufskrankheiten verlangen dürfen
[49].
Im Vorjahr war eine Motion von Felten (sp, BS), welche Gentests vor Abschluss eines Versicherungsvertrags praktisch ausschliessen wollte, von Hochreutener (cvp, BE) bekämpft worden. Nachdem dieser seinen Widerstand aufgegeben hatte, wurde der Vorstoss im Einvernehmen mit der Motionärin als Postulat überwiesen
[50].
[1]
NZZ, 17.5.99. Den Aufbau eines derartigen Observatoriums verlangte auch NR Borel (sp, NE) in einer als Postulat überwiesenen Motion (
Amtl Bull. NR, 1999, S. 476 f.).1
[2] Siehe
SPJ 1998, S. 235.2
[3]
Ww, 22.4.99;
TA, 25.5.99;
BZ, 7.6. und 15.9.99; Presse vom 16.9.99.3
[4]
Ww, 15.4.99; Presse vom 30.4.99. Damit gingen die Vorschläge der Kommission weniger weit als die Forderungen einer Motion Ruffy (sp, VD), welche die Legalisierung der aktiven Euthanasie unter bestimmten Bedingungen verlangt hatte (
SPJ 1996, S. 236). Die Querelen innerhalb der Sterbehilfe-Vereinigung ”Exit”, welche viel Beachtung in den Medien fanden, werden hier nicht behandelt, da es sich um einen privaten Verein ohne politisches Mandat handelt.4
[5]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1268 f.5
[6] Presse vom 24.8.99;
TA, 15.9.99. Heute übernimmt der Kanton die Hälfte der Kosten einer stationären Behandlung in einem öffentlichen Spital, wogegen er an die Kosten der teilstationären und ambulanten Leistung nichts beiträgt. Das führt dazu, dass die Krankenkassen kaum Interesse an diesen kostengünstigeren Behandlungsform haben. Zu einer ersten gesamtschweizerischen Erhebung über die Spitex-Leistungen siehe
CHSS, 1999, S. 149-150.6
[7] Presse vom 17.7.99;
SoZ, 18.7.99;
NZZ, 31.8.99. Zu den neuesten Zahlen (1997) über die Entwicklung der Gesundheitskosten in der Schweiz und den restlichen OECD-Ländern siehe
LT, 8.4.99.7
[8] Presse vom 13.1.99;
Bund, 14.1.99;
SGT, 19.1., 1.2. , 9.2., 1.3., 15.3., 6.4. und 27.4.99;
Ww, 21.1. und 4.2.99;
BZ, 1.2., 26.2. und 27.3.99;
WoZ, 4.2. und 25.3.99;
LT, 11.2. und 29.11.99;
NZZ, 6.3., 20.3. und 18.9.99;
NLZ, 27.3.99;
BaZ, 13.4.99;
TA, 30.8.99. Später wurde bekannt, dass es sich bei dem Patienten, der schliesslich auch ohne das Medikament überlebte, um alt Bundesrat Hans Peter Tschudi gehandelt hatte (Presse vom 18.1.99).8
[9] Presse vom 17.10.99. Zur Besorgnis des Pflegepersonals über sinkende Pflegestandards siehe
NZZ, 12.6.99; Presse vom 5.8.99.9
[10]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2670.10
[11]
CHSS, 1999, S. 227.11
[12]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2152 f. Zu gesundheitlichen Beinträchtigungen durch Mobilfunk-Antennen siehe oben, Teil I, 6d (Qualité de l’air).12
[13]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2150 f.13
[14]
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 174 ff. Der StR diskutierte zudem eine Interpellation Marty (fdp, TI) zu fehlenden Richtlinien über die Buchführung und die Statistiken der Spitäler sowie die Rolle des Preisüberwachers in diesem Zusammenhang (
ibid., S. 176 ff.).14
[15]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 807 f.15
[16]
BBl, 1999, S. 2477 (Einleitung des Vernehmlassungsverfahrens); Presse vom 9.3.99. Siehe
SPJ 1998, S. 236. Die Kantone protestierten umgehend gegen diese Pläne des BR (
LT, 11.3. und 3.4.99;
SHZ, 28.4.99). Die Resultate der Vernehmlassung fielen je nach Standpunkt sehr kontrovers aus. Der BR zeigte sich über die starke Opposition erstaunt, weil Krankenversicherer, Kantone, Ärzte und Spitäler in der vorbereitenden Arbeitsgruppe vertreten gewesen waren (Presse vom 5.5. und 15.6.99). Die Botschaft, die für den Herbst des Berichtsjahres angekündigt war, verzögerte sich deshalb über das Jahresende hinaus (
SHZ, 1.12.99).16
[17]
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 568 f. Siehe
SPJ 1998, S. 236.17
[21] Presse vom 3.7.99;
NZZ, 14.12.99; Klaus Müller, „Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesrates zur Spitalliste“, in
CHSS, 1999, S. 317-321. Besonders der Basler Regierungsrat kritisierte den Entscheid des EJPD in ungewöhnlich scharfer Weise und forderte den BR auf, darauf zurückzukommen (
BaZ, 9.9.99).21
[22]
BBl, 1999, S. 9679 ff.;
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2432 ff. und 2484 ff.22
[23]
BBl, 1999, S. 8809 ff.;
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2432 ff. und 2484 ff.23
[24]
TA, 7.1.99; Presse vom 29.1.99.24
[25]
Bund, 8.4. und 24.11.99; Presse vom 9.4. und 30.7.99;
NZZ, 10.4. und 3.12.99;
TA, 6.8. und 3.12.99;
TG, 30.11.99.25
[26]
TA, 16.4.99;
Bund, 24.4. und 24.11.99;
BZ, 21.7.99;
SHZ, 8.9.99;
NZZ, 17.12.99. Zur Kritik des Preisüberwachers siehe
NZZ, 17.4.99. Bereits in der Frühjahrssession erklärte der BR in seiner Antwort auf eine als Postulat überwiesene Motion Berberat (sp, NE), falls keine Einigung unter den Tarifpartnern zustande komme, werde er allenfalls von seiner Kompetenz gemäss Art. 43 Abs. 5 KVG Gebrauch machen und selber einheitliche Tarife festlegen (
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 473). Zu Vorstössen bezüglich der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Ärzte siehe unten, Teil I, 8a (Hochschulen). Für die Mehrwertsteuerdiskussion im Medizinalbereich vgl. oben, Teil I, 5 (Indirekte Steuern).26
[27] Presse vom 23.2.99;
NZZ, 22.3.99. Zum Umstand, dass gewisse Ärzte von ihren Patienten Zusatzhonorare für Leistungen aus der Grundversicherung verlangen, siehe die Beurteilung des BR in Beantwortung einer Interpellation Hafner (sp, SH) in
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1337 f.27
[28]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 755 ff. Das Konkordat der Krankenkassen sprach sich ebenfalls für eine geringere Entlöhnung der frei praktizierenden Jungärzte aus (Presse vom 24.3.99).28
[29]
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 791 ff. Zur Zuwanderung von Ärzten aus dem EU-Raum, welche mit der in den bilateralen Verträgen stipulierten gegenseitigen Anerkennung der Diplome möglich wird, siehe auch eine Interpellation Eymann (lp, BS) (
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1371) sowie die Ausführungen der Kommissionssprecher bei der Beratung des bilateralen Abkommens über den freien Personenverkehr (
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 645 f.;
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1580 ff.). Die Zulassung von Ärzten aus dem EU-Raum wird auch zu Änderungen im Ausbildungscursus der Schweizer Mediziner führen; siehe unten, Teil I, 8a (Hochschulen).29
[30]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1981 ff. Siehe
SPJ 1998, S. 237 f.30
[31]
LT, 12.11.99; Presse vom 13.11., 24.11. und 26.11.99.31
[32]
BBl, 1999, S. 3453 ff. Die Helsana erreichte einen für ihren Medikamentenversandhandel bedeutenden Sieg vor Bundesgericht, welches den Kanton Waadt anwies, diese Form des Verkaufs zuzulassen (Presse vom 2.10.99. Vgl.
SPJ 1998, S. 239).32
[33]
BBl, 1999, S. 7541 ff.;
CHSS, 1999, S. 154 f.; Presse vom 14.5.99. Kommission:
NZZ, 30.11.99. Siehe
SPJ 1998, S. 238. Die Pharmaindustrie und die Medikamentenimporteure setzten sich vehement gegen die Parallelimporte zur Wehr (
NZZ, 20.2. und 3.3.99;
LT, 24.2.99;
BZ, 7.8.99), nicht aber die Apotheker (
NZZ, 6.4.99). Zur Haltung von Wettbewerbskommission und Preisüberwacher zu den Parallelimporten siehe
SHZ, 20.1. und 2.6.99.33
[34]
TA, 2.3. und 9.12.99. In seiner Antwort zu einem überwiesenen Postulat Grendelmeier (ldu, ZH) erklärte der BR, eine Verkürzung der Patentdauer für Medikamente könne nicht in Frage kommen, da die Schweiz beim Patentrecht an internationale Abkommen gebunden sei (
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 121 f.).34
[35] Presse vom 3.2.99;
BaZ, 26.4.99;
SHZ, 28.4.99. Gerade noch rechtzeitig auf Ende Jahr einigten sich die Apotheker und Krankenkassen auf einen neuen Vertrag, der die Apotheker verpflichtet, auf einen Teil ihrer Margen zu verzichten. Im Gegenzug wurde ein neues Abgeltungsmodell beschlossen, welches fachliche Beratungsleistungen der Apotheker in Rechnung stellt, damit diese nicht mehr den Anreiz haben, möglichst teure Medikamente abzugeben. (
LT, 30.11.99; Presse vom 22.12.99). Siehe
SPJ 1998, S. 238 f.35
[36]
BBl, 1999, S. 4355 ff.;
SHZ, 10.3.99. Das KVG bestimmt, dass Ärzte und Ärztinnen nur dort selbst dispensieren dürfen, wo für die Patientinnen und Patienten der Zugang zu einer Apotheke erschwert ist, beispielsweise also in sehr ländlichen Gebieten. Dies zu definieren, ist aber Sache der Kantone; im Kanton Zürich wurde – gegen den Geist des KVG – in den Städten Zürich und Winterthur die Selbstdispensation wieder zugelassen (
NZZ, 18.1.99).36
[37] Presse vom 19.3. und 23.6.99;
Bund, 24.3.99;
NZZ, 21.5.99;
TA, 30.6.99. Der Beschluss des BSV bezüglich der teilweisen Kassenzulassung von Xenical konnte nicht, wie gewünscht auf den 1.10.99 in Kraft treten. Einem Rekurs des Krankenkassenkonkordats wurde aufschiebende Wirkung zuerkannt (
NZZ, 2.7. und 9.10.99).37
[39] Presse vom 6.1. bis 6.2.99;
LT, 9.2.99 (Genf und Waadt). Siehe
SPJ 1998, S. 240 f.39
[40]
BBl, 1999, S. 2912 ff.40
[41] Bisang, Kurt,
Analyse der eidg. Abstimmungen vom 7. Februar 1999, Vox Nr. 66, Zürich 1999.41
[42]
SPJ 1998, S. 241. Zu den Risiken der Xenotransplantation siehe
Bund, 9.4.99.42
[43]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 123 ff.
Goll und von Felten beriefen sich auf eine Stellungnahme des Europarats, welche dem Ministerkomitee fast einmütig ein Moratorium für den klinischen Einsatz der Xenotransplantation empfohlen hat. Er stufte das Verfahren als gesundheitlich noch viel zu risikoreich und ethisch zu wenig ausdiskutiert ein (
TA, 30.1.99). Angesichts der Abstimmungsergebnisse zog Goll eine 1997 eingereichte Motion für ein Moratorium für Xenotransplantation zurück (
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 151).43
[44]
Amtl. Bull. StR, 1999
, S
. 514 ff.44
[45]
Bull. NR, 1999, S. 1714 ff. und 2310;
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 994. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des NR nahm die Frage auf, wer bei einer „Panne“ in der Anwendung der Xenotransplantation haftbar wäre. In einem überwiesenen Postulat bat sie den BR, mit einem Rechtsgutachten die verschiedenen Fragen der Verantwortlichkeit klären zu lassen (
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 142).45
[46] Presse vom 2.12.99. Dieses forsche gesetzgeberische Tempo war nicht nach dem Geschmack aller Transplantations-Fachleute. Das Gesetz tangiert nämlich ein Forschungsprogramm des Nationalfonds („Implantate und Transplantate“), das erst im Anlaufen ist, und in welchem ethische, rechtliche und soziale Fragen untersucht werden sollen, welche das Gesetz nun bereits beantworten will (
TA, 24.11.99).46
[47]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2196.47
[48]
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 181. Eine gleichzeitig behandelte Motion Plattner zu einer einheitlichen Organisation aller Schweizer Ethikkommission wurde auf Antrag des BR hingegen nur als Postulat überwiesen (
ibid. S. 181 ff.).48
[49]
TA, 21.4.99;
LT, 7.12.99. Zur genetischen Erfassung von Kriminellen und der Einführung einer diesbezüglichen Datenbank siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht).49
[50]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 119. Vgl.
SPJ 1998, S. 243.50
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