Année politique Suisse 2003 : Eléments du système politique
Institutions et droits populaires
L’UDC s’est emparé, avec Christoph Blocher, d’un second siège au Conseil fédéral et a ainsi évincé la représentante du PDC Ruth Metzler. Pour le parti radical, Hans-Rudolf Merz a remplacé le démissionnaire Kaspar Villiger. – Le Conseil des Etats a traité la réforme du gouvernement. Il a décidé d’augmenter le nombre des conseillers fédéraux ainsi que de prolonger le mandat présidentiel à deux ans. – Le Conseil fédéral a proposé l’adoption d’une loi fédérale sur la transparence dans l’administration. – Le Conseil national a refusé la levée automatique de l’immunité parlementaire en cas de poursuite pénale en lien avec la loi anti-racisme. – Le Conseil des Etats a poursuivi son examen de la réforme de la justice. – Les cantons ont, pour la première fois, fait usage de leur droit de référendum. – Le corps électoral a accepté l’introduction de l’initiative populaire générale ainsi que l’élargissement du référendum facultatif dans le domaine des traités internationaux.
Regierung
Am 16. September gab Bundesrat
Villiger (fdp) seinen Rücktritt nach fast fünfzehn Jahren Amtszeit, davon die letzten neun als Vorsteher des Finanzdepartements, auf Ende Jahr bekannt. In den Medien wurde er als nüchterner, effizienter, liberaler und auf Ausgleich bedachter Magistrat gewürdigt
[1]. Da Villiger seine Rücktrittsabsichten vorher angekündigt hatte, war in der Öffentlichkeit intensiv über allfällige Nachfolger spekuliert worden, wobei als Favoriten die Berner Ständerätin Christine Beerli und der Urner Nationalrat Franz Steinegger gehandelt wurden. Gewisse Wahlchancen wurden auch Christine Egerszegi (AG), Felix Gutzwiller (ZH), Hans-Rudolf Merz (AR) und Christian Wanner (SO) zugesprochen. Von ihren Kantonalsektionen nominiert wurden schliesslich Beerli, Egerszegi, der Tessiner Fulvio Pelli, Steinegger und Merz. Die Fraktion beschloss, ein Zweierticket mit Beerli und Merz zu präsentieren
[2].
Das herausragende Ereignis des Jahres in diesem Bereich war aber nicht die Neubesetzung des freisinnigen Bundesratssitzes, sondern das Aufbrechen der seit 1959 praktizierten Formel für die parteipolitische Zusammensetzung der Landesregierung, die sogenannte
Zauberformel. Bereits im Vorfeld der Nationalratswahlen wurde darüber spekuliert, ob bei einem weiteren Vormarsch der SVP auf Kosten der FDP und der CVP ein zweiter Sitz für die SVP noch zu vermeiden wäre. Allerdings wurde die Abwahl eines der beiden wiederkandidierenden Regierungsmitglieder der CVP noch als wenig wahrscheinlicher Tabubruch bezeichnet
[3]. Aus den Parlamentswahlen vom 19. Oktober ging die SVP mit einem Wähleranteil von 26,7% (+4,2%) als eindeutige Siegerin hervor. Indem sie in den französischsprachigen Kantonen Genf, Neuenburg und Waadt zur stärksten bürgerlichen Partei wurde, konnte sie auch ihr bisheriges Manko, fast ausschliesslich eine Deutschschweizer Partei zu sein, abstreifen. Verloren hatten die CVP, welche noch auf 14,4% (-1,5%) kam, und die FDP mit 17,3% (-2,6%); die SP vermochte hingegen ihren Wähleranteil um 0,8% auf 23,3% zu steigern
[4].
Am Abend des Wahlsonntags überraschte der Präsident der
SVP, Ueli Maurer, die Präsidenten der anderen Parteien vor laufender Fernsehkamera mit der
ultimativ vorgetragenen Forderung, dass bei der Gesamterneuerungswahl vom Dezember Christoph Blocher anstelle einer der bisherigen CVP-Vertreter in den Bundesrat zu wählen sei, ansonsten die SVP aus der Regierung austreten werde. Wie sich in letzterem Fall der amtierende Bundesrat der SVP, Samuel Schmid, verhalten würde, blieb offen. Die SVP-Fraktionsführung und später auch die Fraktion und eine Delegiertenversammlung sanktionierten dieses in kleinem Kreis vorbereitete Vorgehen Maurers erst im Nachhinein, aber ohne wesentliche Opposition. Die rasch verstummende parteiinterne Kritik monierte, dass die üblichen Prozeduren bei der Kandidatennomination missachtet würden, und dass ein so wichtiger Entscheid wie ein Regierungsaustritt nur von einer Delegiertenversammlung oder einer Urabstimmung gefällt werden könne
[5].
Die beiden anderen bürgerlichen Regierungsparteien reagierten unterschiedlich. Die
FDP kritisierte zwar das aggressive Vorgehen der SVP, sah aber keinen Grund, deren Anspruch auf einen der beiden CVP-Sitze und die Kandidatur Blocher zu bekämpfen
[6]. Die von der SVP anvisierte
CVP erklärte hingegen, dass ihre Vertreter nicht zurücktreten würden und die Partei sie dabei voll unterstützen werde. Auch ihre Bundesräte Deiss und Metzler liessen nie Zweifel daran aufkommen, dass sie wieder kandidieren würden. Obwohl es an der kompromisslosen Haltung der CVP auch parteiinterne Kritik gab, welche befürchtete, dass nach dem neuerlichen Wahlsieg der SVP ein Beharren auf den zwei Bundesratssitzen für die CVP kontraproduktiv wäre, hielt die CVP-Spitze bis zur Bundesratswahl vom 10. Dezember an dieser Linie fest. In der Vorbereitung des Terrains für die Bundesratswahl machte sich die CVP die Idee der SP zu Eigen, dass die SVP, zumindest vorläufig, den durch die Demission Villigers freiwerdenden FDP-Sitz erhalten solle. Dabei griff sie die FDP auch inhaltlich an: Mit ihrer Unterstützung der Kandidatur Blocher sei diese zum Anhängsel der SVP geworden und nicht mehr repräsentativ für ihre gemässigt bürgerliche Wählerschaft. Diese werde einzig noch durch die CVP vertreten, weshalb deren Anspruch auf zwei Sitze gerechtfertigt sei. Eine Woche vor der Wahl beschloss die Fraktion, an der Wiederkandidatur sowohl von Deiss als auch von Metzler festzuhalten. Zudem entschied sie, dass die zuerst antretende Metzler bei einer Nichtwahl nicht gegen den nach ihr zu wählenden Deiss antreten dürfe
[7].
Die Haltung der
SP war nicht eindeutig und zudem stark von taktischen Interessen geprägt. Im Sommer hatte Parteipräsidentin Brunner eine gewisse Bereitschaft erkennen lassen, der SVP einen zweiten Regierungssitz zulasten der CVP einzuräumen. Sie begründete diese von einem Teil der Linken als Tabubruch empfundene Unterstützung der SVP nicht mit deren Wählerstärke, sondern mit dem Verhalten der CVP, welche zu weit nach rechts gerückt sei. Indirekt gab sie damit der CVP zu verstehen, dass eine SP-Unterstützung für die Verteidigung ihrer beiden Regierungssitze nicht gratis zu haben sei. In der Phase der Wahlvorbereitungen konkretisierte die SP-Spitze diesen Preis und verlangte von der CVP Zusicherungen, in konkreten sozial-, wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen die SP-Positionen mitzutragen. Derartige Vorstösse wurden auch von den Grünen gemacht, welche aber rasch zur Erkenntnis kamen, dass die Positionen der CVP und der GP zu weit voneinander entfernt sind, um eine tragfähige Mitte-Links-Regierung zu bilden
[8]. Obwohl die CVP der SP keine inhaltlichen Zugeständnisse machte, beschloss die SP-Fraktion eine Woche vor der Wahl, die beiden Kandidierenden der CVP zu unterstützen. Nach den Nationalratswahlen war von Brunner auch die von der CVP dankbar aufgenommene Idee ins Spiel gebracht worden, dass die SVP, zumindest vorläufig, den durch die Demission Villigers freiwerdenden FDP-Sitz erhalten könnte
[9].
In der von der Öffentlichkeit mit grosser Spannung erwarteten
Wahl vom 10. Dezember setzte sich die SVP gegen die von der SP und der GP unterstützte CVP durch. Nachdem die amtsältesten Leuenberger und Couchepin mit guten Resultaten wiedergewählt worden waren, musste Ruth Metzler gegen
Christoph Blocher antreten
[10]. Nach einem Patt (116:116) im ersten Wahlgang und einem leichten Vorsprung für Blocher im zweiten (119:117), setzte sich dieser im dritten Wahlgang mit 121:116 bei einem absoluten Mehr von 119 Stimmen (vier waren ungültig, fünf leer) durch. Bei der anschliessenden Wahl von Deiss, welcher von CVP-Fraktionschef Cina (VS) noch einmal ausdrücklich als einziger CVP-Kandidat für diesen Wahlgang empfohlen wurde, stimmten die SVP und eine Mehrheit der FDP für Metzler, welche 96 Stimmen erhielt. Deiss schaffte aber mit 138 Stimmen das absolute Mehr von 121 Stimmen im ersten Wahlgang problemlos. Nachdem anschliessend Schmid und Calmy-Rey im ersten Wahlgang wiedergewählt worden waren, schritt der Rat zur Neubesetzung des Sitzes von Villiger. Bereits im ersten Wahlgang lag Merz mit 115 Stimmen klar vor Beerli (83). Im zweiten Wahlgang wurde er mit 127 bei einem absoluten Mehr von 120 gewählt; Beerli war auf 96 Stimmen gekommen. Der 61jährige
Hans-Rudolf Merz vertrat seit 1997 den Kanton Appenzell Ausserrhoden im Ständerat. Politisch gilt der Volkswirtschafter als Rechtsfreisinniger mit starkem Engagement für Fragen der Finanzpolitik und der Finanzmärkte
[11].
Während sich die Wirtschaft über das Wahlergebnis freute,
reagierte die Linke, und dabei insbesondere ihre weiblichen Vertreterinnen mit Empörung. Nicht nur zog der von ihnen kategorisch als nicht wählbar erklärte Blocher in die Landesregierung ein, sondern durch den Sieg von Merz über die von der Linken unterstützte Beerli wurde die Vertretung der wirtschaftsnahen Rechten im Bundesrat noch zusätzlich verstärkt. Dazu kam, dass mit der Nichtwiederwahl Metzlers und der Niederlage von Beerli die Frauenvertretung in der Regierung auf Calmy-Rey zusammenschrumpfte. Daran waren allerdings die SP-Parlamentarierinnen nicht ganz unschuldig, hatten sie doch nach eigener Aussage bei der Besetzung des CVP-Sitzes für den ihnen politisch näher stehenden Deiss und nicht für Metzler gestimmt. Unzufrieden mit dem Wahlausgang waren aber auch die Frauen der CVP und der FDP. Am Abend nach der Wahl fand in Bern eine erste Protestdemonstration statt, welche am folgenden Samstag in grösserem Rahmen mit rund 12 000 Teilnehmenden wiederholt wurde
[12].
Bei der
Departementsverteilung kam es zu keiner Rochade. Alle Bisherigen behielten ihre Departemente und die Neuen übernahmen die frei werdenden Ressorts: Blocher das EJPD und Merz das Finanzdepartement
[13].
Als Erstrat befasste sich der Ständerat mit der vom Bundesrat vorgeschlagenen Regierungsreform. Man war sich zwar über den Reformbedarf einig, mehrheitsfähig erschien in der Debatte aber nur eine moderate Stärkung der Funktion des Bundespräsidenten. Zur Organisation der Regierung kamen aus der SPK vier Variantenvorschläge: Die Mehrheit wünschte einen vom Parlament bestätigten Stellvertreter für jeden Bundesrat, welcher diesen im Parlament und dessen Kommissionen, im Bundesrat oder im Ausland vertreten könnte, und dem von seinem Chef auch politische Aufgaben in seinem Departement zugeteilt werden. Eine Minderheit der SPK bevorzugte die Aufstockung der Regierung auf neun Mitglieder, eine weitere Minderheit verteidigte das vom Bundesrat vorgeschlagene zweistufige Modell der „Delegierten Minister“ (Stellvertreter mit Einsitz in die Regierung, aber ohne Stimmrecht) und eine dritte Kommissionsminderheit setzte sich für ein reduziertes Stellvertretermodell ein, bei dem jeder Bundesrat einen seiner Kaderleute zu seinem nebenamtlichen Stellvertreter ernennt.
Nachdem Eintreten unbestritten war, unterlagen die Varianten „Delegierte Minister“ und „Stellvertreter mit Minimalfunktionen“ in Eventualabstimmungen. Im definitiven Entscheid setzte sich die
Erhöhung der Zahl der Regierungsmitglieder auf neun mit 26 zu 8 Stimmen gegen das „Stellvertretermodell“ durch. Die Rolle des Bundespräsidenten wurde in dem Sinne gestärkt, dass seine bereits im Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz festgehaltene Führungsrolle nun auch auf Verfassungsstufe formuliert wurde. Konkret hat der Bundespräsident insbesondere dafür zu sorgen, dass der Bundesrat Prioritäten setzt, seine Aufsichts- und Informationspflicht erfüllt und die Termine einhält. Als Neuerung beschloss der Ständerat eine
Verlängerung der Amtszeit des Bundespräsidenten von einem auf zwei Jahre und seine Ausstattung mit einem kleinen Stab (Präsidialdienst). Die von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagene Möglichkeit, einen Bundespräsidenten auch für eine zweite anschliessende Amtsperiode zu wählen, fand keine Mehrheit. Der Bundesrat selbst hatte sich aus Sorge um das Funktionieren des Kollegialitätsprinzips gegen jegliche Verlängerung der Amtsdauer ausgesprochen
[14].
Die Durchführung von
Vernehmlassungen ist in der Verfassung vorgesehen und bietet dem Bundesrat die Möglichkeit, Widerstände gegen seine Vorlagen frühzeitig zu erkennen und unter Umständen zu berücksichtigen. Die gegenüber früher stark angewachsene Zahl der Vernehmlassungen führte jedoch zu Klagen der Berücksichtigten, sie seien überfordert. Der Bundesrat gab zu Jahresbeginn einen Entwurf für eine Gesetzesvorlage in die Vernehmlassung, welche die Durchführung dieses Konsultationsverfahrens vereinheitlichen und straffen soll. Vorgesehen ist, dass Vernehmlassungen nur noch zu Vorhaben von „grosser politischer, finanzieller, wirtschaftlicher oder kultureller Bedeutung“ durchgeführt werden. Der Kreis der Beteiligten soll dabei gross bleiben, explizit zur Teilnahme eingeladen würden aber nur noch die Kantone, die im Parlament vertretenen Parteien, die Dachverbände der Interessenorganisationen und speziell interessierte Kreise. Das Echo, namentlich der vier Bundesratsparteien, fiel positiv aus. Der Gewerbeverband hingegen plädierte dafür, dass auch in Zukunft zu Vorlagen mit weitgehend technischem Gehalt (in der Regel Verordnungen) Konsultationsverfahren durchgeführt werden. Gegen Jahresende beauftragte der Bundesrat die Bundeskanzlei mit der Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzesentwurfs
[15].
Verwaltung
Der Bundesrat legte seine Botschaft für die Einführung des
Öffentlichkeitsprinzips in der Bundesverwaltung vor. Damit soll der bisher geltende Grundsatz aufgehoben werden, dass amtliche Dokumente geheim sind, und nur unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. Akteneinsichtsrecht im Verwaltungsverfahren) oder nach dem freien Ermessen der Behörden für Dritte zugänglich sind. Neu wird ein durchsetzbares Recht auf den Zugang zu amtlichen Akten postuliert. Dieses kann allerdings zum Schutz von überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen eingeschränkt werden, wobei diese Ausnahmen im Gesetz abschliessend aufgezählt werden. Dazu gehört etwa der Fall, dass durch eine Veröffentlichung die freie Meinungs- und Willensbildung einer Behörde beeinträchtigt würde, oder dadurch die innere oder äussere Sicherheit des Schweiz gefährdet wäre. Überwiegende private Interessen, welche einen Zugang zu Akten verhindern, liegen vor, wenn die Privatsphäre erheblich beeinträchtigt oder ein Berufs-, Geschäfts- oder Fabrikationsgeheimnis verraten würde. Der Geltungsbereich wurde im Vergleich zur Vernehmlassungsversion eingeschränkt. Nicht zur zentralen Bundesverwaltung gehörende Organisationen, welche öffentliche Funktionen erfüllen, sind nur dann betroffen, wenn sie die Kompetenz haben, Verfügungen zu erlassen (z.B. Nationalfonds, Pro Helvetia, SBB, Post), wobei sich das Öffentlichkeitsprinzip auf Akten im Zusammenhang mit dieser speziellen Kompetenz beschränkt. Der Gesetzesentwurf sieht für den Zugang zu amtlichen Dokumenten ein einfaches und rasches Verfahren vor. In Streitfällen soll zuerst eine Schlichtungsstelle angerufen werden können und, beim Scheitern dieser Schlichtung, ein ordentliches Verfahren mit einem gerichtlich anfechtbaren Beschluss der Amtsstelle zur Verfügung stehen
[16].
Der
Ständerat befasste sich in der Wintersession mit diesem Vorschlag. Nachdem Eintreten unbestritten war, wobei es in der Diskussion auch Kritik am grossen Umfang der Ausnahmen vom Öffentlichkeitsprinzip gab, nahm der Rat einige Detailänderungen vor. Mit relativ knapper Mehrheit (23:13) lehnte er einen Antrag der Kommissionsminderheit ab, dass die Bestimmungen nicht nur für Dokumente gelten sollen, welche nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes von den Behörden verfasst oder empfangen worden sind, sondern auch für früher erstellte, soweit sie nicht bereits archiviert worden sind. Da der Rat vermutete, dass nach der Einführung des Öffentlichkeitsprinzips das Interesse an den geheim bleibenden Dokumenten anwachsen würde, stimmte er einem Postulat seiner SPK zu, welches den Bundesrat auffordert, die Verschärfung der Strafbestimmungen wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses zu überprüfen
[17].
Ferner beantragte der Bundesrat dem Parlament eine Revision des
Publikationsgesetzes. Dieses regelt die amtlichen Veröffentlichungen und Sammlungen des Bundes (Bundesblatt, Amtliche und Systematische Sammlung). Einerseits geht es bei der Revision darum, die von der neuen Verfassung geforderte Publikation von Erlassen auf Gesetzesstufe festzuschreiben. Andererseits werden damit auch die rechtlichen Grundlagen für die elektronische Veröffentlichung dieser Texte geschaffen
[18].
Die SPK des Nationalrats unternahm einen neuen Anlauf zur Schaffung einer eidgenössischen
Ombudsstelle. Im Anschluss an den Amoklauf im Zuger Parlament im Jahre 2001 hatte sie beschlossen, auch auf Bundesebene eine Stelle zu schaffen, welche in Konflikten zwischen Individuen und Behörden vermitteln und schlichten kann. Der Bundesrat, der sich selbst skeptisch bis ablehnend äusserte, gab den von der SPK ausgearbeiteten Vorentwurf für ein entsprechendes Gesetz im Sommer in die Vernehmlassung. Abgesehen von einigen Kantonen unterstützten nur die SP und der Gewerkschaftsbund das Projekt. Die drei bürgerlichen Regierungsparteien lehnten es als unnötige und teure Aufblähung der Verwaltung ab
[19].
Im Februar nahm das sogenannte „
Guichet virtuel“ des Bundes mit dem Namen
www.ch.ch den Testbetrieb auf. Es handelt sich dabei um ein Internetportal, das die verschiedenen staatlichen Dienste auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene nach Sachthemen ordnet und leichter zugänglich macht. Die Benutzer finden darin sowohl Informationen über Dienstleistungen und Vorschriften als auch die Adressen der zuständigen Amtsstellen und – soweit vorhanden – die erforderlichen Formulare und Ähnliches in elektronischer Form
[20].
Der Ständerat schloss sich den Entscheiden des Nationalrats zur Schaffung von mehr Transparenz über die
Löhne und Entschädigungen für Spitzenmanager der bundesnahen Unternehmen weitgehend an. Er beschloss allerdings, bundesnahe Unternehmen (Post, Swisscom, SUVA, SBB etc.) von der Verpflichtung zur Transparenz über die individuellen Managerlöhne auszunehmen resp. eine solche nur für die Vorsitzenden der Geschäftsleitung (CEO) und des Verwaltungsrates zu verlangen. Für die übrigen Spitzenmanager und Verwaltungsratsangehörigen soll nur die gesamte Lohnsumme ausgewiesen werden müssen. In der Debatte wurde gegen eine völlige Transparenz der einzelnen Managerlöhne auch ins Feld geführt, dass diese damit gemäss ausländischen Erfahrungen in die Höhe getrieben würden. Die kleine Kammer beschloss zudem, die börsenkotierten bundesnahen Unternehmen (zur Zeit nur die Swisscom) von den vom Bundesrat festzulegenden Grundsätzen über die Lohnpolitik zu dispensieren. Gegen den Widerstand der SP, der GP und etwa der Hälfte der SVP-Fraktion schloss sich der Nationalrat in der Differenzbereinigung der ersten Abschwächung an; lehnte hingegen die auch von einer klaren Mehrheit der SVP bekämpfte Ausnahmeregelung für die Swisscom ab. Die kleine Kammer beharrte aber bis zum Ende der Differenzbereinigung erfolgreich darauf, dass die lohnpolitischen Grundsätze des Bundsrates für diese börsenkotierte Unternehmung nicht gelten sollen
[21].
Der Nationalrat überwies ein auch vom Bundesrat nicht bekämpftes Postulat Vaudroz (fdp, VD) für die Zusammenlegung aller Dienststellen, welche sich mit der inneren Sicherheit befassen sowie der Zollbehörden und des Grenzwachtkorps im VBS. Mit dieser Schaffung eines „
Sicherheitsdepartementes“ sollen die staatlichen Abwehrmassnahmen gegen das internationale Verbrechen und gegen den Terrorismus verbessert werden
[22].
Parlament
Am 1. Dezember eröffneten Alterspräsident Blocher (svp, ZH) im Nationalrat und Vizepräsident Schiesser (fdp, GL) im Ständerat die 47. Legislatur des eidgenössischen Parlaments
[23].
Der Ständerat beauftragte mit einer einstimmig überwiesenen Empfehlung Brändli (svp, GR) sein Büro, die Vorabklärungen für die
Durchführung einer Session in der romanischen Schweiz (d.h. im Engadin) zu treffen. Vorgesehen dafür ist die Sommersession 2006, da zu dieser Zeit im Bundeshaus grössere Umbauarbeiten geplant sind
[24]. Grosse Beachtung, viel Beifall und einen überraschend grossen Publikumserfolg erhielt ein
Dokumentarfilm mit dem Titel „Mais im Bundeshuus“. Dem Westschweizer Regisseur Jean-Stéphane Bron, der ein Jahr lang die Arbeit einer Nationalratskommission verfolgt hatte, gelang es darin, auf eine spannende Weise ein anschauliches Bild der parlamentarischen Arbeit zu vermitteln
[25].
Nachdem die Bundesversammlung im Vorjahr ein neues Parlamentsgesetz beschlossen hatte, passten die beiden Ratskammern im Berichtsjahr ihre zugehörigen
Ratsreglemente sowie die Verordnung über die Parlamentsverwaltung an die neuen Bestimmungen an. Der Nationalrat entschied dabei mit deutlichem Mehr und gegen die finanzpolitisch motivierten Argumente seiner Kommission, dass in Zukunft sämtliche Voten simultan auch in die italienische Sprache übersetzt werden sollen (und italienische Voten ins Deutsche und Französische)
[26]. Von beiden Kammern verabschiedet wurde auch eine Verordnung über die Delegation des Parlaments in internationale parlamentarische Versammlungen und über die Pflege der Beziehungen zu den Parlamenten anderer Staaten
[27].
Auf Antrag seiner SPK beschloss der Nationalrat mit knappem Mehr (91:84), einer parlamentarischen Initiative der SVP-Fraktion Folge zu geben, welche die Kompetenz der Finanzdelegation des Parlaments zur Bewilligung von
ausserordentlichen und dringlichen Ausgabenentscheiden des Bundesrats begrenzt. Der im Nachgang zum Entscheid der Regierung zur Unterstützung der Swissair im Herbst 2001 eingereichte Vorstoss verlangt, dass der Bundesrat nur noch dringliche Ausgabenbeschlüsse bis zu maximal 100 Mio Fr. verabschieden darf. Bei höheren Summen soll nicht mehr wie bisher eine Zustimmung der Finanzdelegation ausreichen, sondern auf jeden Fall ein Parlamentsentscheid notwendig sein. Die Finanzkommission des Nationalrats hatte diesen Vorstoss vergeblich mit dem Argument bekämpft, dass sich die bisherige Ordnung bewährt habe, und die vorgeschlagene Regelung für wirklich dringliche Entscheide zu schwerfällig sei
[28].
Der Nationalrat gab einer im Vorjahr eingereichten parlamentarischen Initiative Aeppli (sp, ZH) keine Folge, welche bei Strafuntersuchungen wegen Verstosses gegen das
Antirassismusgesetz die parlamentarische Immunität grundsätzlich aufheben wollte. Ihre Argumentation, dass es sich dabei um besonders verwerfliche Taten handle und die Politiker gerade in diesem heiklen Bereich ein Vorbild für die Bevölkerung sein müssten, vermochte die bürgerliche Ratsmehrheit nicht zu überzeugen. Die Mehrheit der vorberatenden Rechtskommission hielt daran fest, dass auch bei diesen Delikten weiterhin das Parlament die Erlaubnis zu einer strafrechtlichen Verfolgung eines seiner Mitglieder geben muss. Ihrer Ansicht nach gehe es nicht an, bei einem bestimmten Straftatbestand von diesem Prinzip abzuweichen und ihn damit strenger zu bewerten als andere. Zudem befürchtete sie auch, dass dadurch die freie Meinungsäusserungsfreiheit in der politischen Auseinandersetzung beeinträchtigt würde
[29].
Gerichte
Der
Ständerat setzte in der Herbstsession seine Beratungen zur Justizreform fort. Nachdem das Parlament im Vorjahr die Schaffung eines Bundesverwaltungs- und eines Bundsstrafgerichts beschlossen und deren Standorte und die Wahlprozeduren festgelegt hatte, war nun noch über die
Totalrevision der Bestimmungen über die Organisation und Verfahren der Bundesgerichte zu entscheiden. Beim neuen Gesetz über das Bundesverwaltungsgerichts nahm die kleine Kammer einige auch vom Bundesrat nicht bestrittene Änderungen vor
[30]. Bei der Revision des
Bundesgesetzes über das Bundesgericht waren die Auseinandersetzungen heftiger. Sie betrafen namentlich die von der Kommission vorgeschlagenen Entlastungsmassnahmen. Diese sahen einerseits für privatrechtliche Klagen eine
Streitwertgrenze von 40 000 Fr. vor. Zum anderen sollten bestimmte, in einem Katalog aufgeführte öffentlich-rechtliche Urteile sowie strafrechtliche Fälle bis zu einer bestimmten Bussenhöhe nicht mehr vor Bundesgericht weitergezogen werden können. Ausgenommen von diesen Einschränkungen sind Klagen, welche Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung betreffen oder bei denen keine einheitliche Rechtssprechung vorliegt. Das Plenum folgte seiner Kommission und dem Bundesrat bei der neuen Streitwertgrenze von 40 000 Fr. Ein Antrag Studer (sp, NE), diese in miet- und arbeitsrechtlichen Fällen auf 20 000 Fr. zu senken, unterlag mit 24 zu 9 Stimmen. Auch die Entlastungsmassnahmen für den öffentlich-rechtlichen und den strafrechtlichen Bereich wurden akzeptiert. Allerdings erweiterte der Rat die Bestimmung, dass Urteile von grundsätzlicher Bedeutung an das Bundesgericht weitergezogen werden dürfen, um die Regel, dass dies auch für Beschwerden gelten soll, bei denen die Verletzung eines verfassungsmässigen Rechts gerügt wird. Bei der
Zahl der ordentlichen Bundesrichter war der Ständerat etwas grosszügiger als der Bundesrat, indem er sie auf 40-50 festlegte (der Bundesrat hatte 35-45 beantragt, zur Zeit sind es 41). Die administrative Integration des Luzerner Versicherungsgerichts in das Lausanner Bundesgericht fand relativ knapp Zustimmung
[31].
Volksrechte
Im Berichtsjahr kam es zu drei mit einem fakultativen Referendum verlangten Volksabstimmungen (Finanzierung der Spitalkosten, Militärgesetz, Zivilschutzgesetz). Das Volk bestätigte in allen drei Fällen den Parlamentsentscheid. Eingereicht wurde zudem das Referendum gegen das neue Mietrecht, worüber allerdings erst im Februar 2004 abgestimmt werden wird.
Im Jahr 2003 wurden drei neue Volksinitiativen eingereicht (Tierschutz, Gentechnik, Kinderzulagen). Dem Volk zum Entscheid vorgelegt wurden sieben Volksbegehren. Keinem einzigen wurde zugestimmt; die Nein-Stimmen-Anteile betrugen zwischen 58% und 73%. Damit sank Ende 2003 der Bestand der eingereichten, aber dem Volk noch nicht zum Entscheid vorgelegten Initiativen auf sieben (2002: elf). Neu lanciert wurden acht Volksinitiativen.
Volk und Stände stimmten einer von Regierung und Parlament vorgeschlagenen Verfassungsänderung zu (Ausbau der Volksrechte). Insgesamt kam es somit zu elf Volksabstimmungen (sieben Volksinitiativen, ein Verfassungsreferendum und drei fakultative Referenden). Bei all diesen Entscheiden folgten die Stimmberechtigten dem Antrag von Regierung und Parlament.
Der Entscheid des Bundesrates, am Abstimmungssonntag des 18. Mai den Bürgerinnen und Bürgern
nicht weniger als neun eidgenössische Vorlagen (zwei Referenden und sieben Volksinitiativen) zum Entscheid vorzulegen, führte zu einer heftigen Debatte über eine allfällige
Überforderung der Stimmenden. Eine wissenschaftliche Antwort auf diese Frage lässt sich nicht geben. Die klar über dem Mittel der letzten Jahre liegende Beteiligung von rund 49% spricht aber eher gegen die These von der Überforderung. Die aussergewöhnliche Häufung hatte sich ergeben, weil einerseits bei Volksinitiativen eindeutige Behandlungsfristen vorgegeben sind, und andererseits der übliche Septembertermin für Volksabstimmungen wegen der nationalen Wahlen vom Oktober ausfiel
[32].
Als Novum in der Geschichte des Bundesstaates machten zum ersten Mal Kantone Gebrauch von ihrem Recht, gegen einen Parlamentsbeschluss das Referendum einzureichen. Elf Kantone (notwendig für ein
Kantonsreferendum wären acht gewesen) beantragten eine Volksabstimmung über das Steuerentlastungsprogramm, welches ihrer Meinung nach für die Kantone nicht verkraftbare Steuerausfälle bringen würde
[33].
Die Linke unternahm einen weiteren Versuch, das bei Volksabstimmungen über Verfassungsfragen und den Beitritt zu internationalen Organisationen erforderliche
Ständemehr in Frage zu stellen. Nationalrat Fehr (sp, SH) verlangte mit einer parlamentarischen Initiative, dass bei diesen Entscheiden das Ständemehr nicht mehr erforderlich sein soll, wenn zuvor der Ständerat mit einem qualifizierten Mehr (z.B. zwei Drittel) zugestimmt hat. Die bürgerliche Mehrheit der SPK sah in den wenigen Fällen (8), bei denen Volks- und Ständemehr bisher auseinanderklafften, keinen Anlass zur Beunruhigung, da in diesen Entscheiden das Volksmehr jeweils sehr knapp ausgefallen sei (zwischen 50,2% und 55,4%). Das Ratsplenum folgte mit 97:69 Stimmen ihrem Antrag und gab der Initiative keine Folge
[34].
Die Volksabstimmung über die Verfassungsänderungen zur Einführung der „
allgemeinen Volksinitiative“ und zur
Ausweitung des fakultativen Staatsvertragsreferendums fand am 9. Februar statt. Die Kampagne vermochte keine hohen Wellen zu werfen. Von der SP und der GP wurde die Vorlage wie bereits im Parlament bekämpft, da sie die Ausgestaltung der allgemeinen Volksinitiative mit den verlangten 100 000 Unterschriften als zu wenig attraktiv betrachteten. Das bürgerliche Lager war gespalten: Die FDP und die CVP empfahlen zwar Zustimmung, Parlamentarier aus ihren Reihen wirkten aber auch beim Kontra-Komitee mit und einige Kantonalsektionen der FDP gaben die Nein-Parole aus. Die SVP und die Liberalen lehnten die Reform ab, wobei ihr Hauptargument die potentielle Umgehung des Ständemehrs bei der Umsetzung einer Initiative auf Gesetzesebene war
[35].
Bundesbeschluss über den Ausbau der Volksrechte
Abstimmung vom 9. Februar 2003
Beteiligung: 29%
Ja: 934 005 (70,4%) / 20 6/2 Stände
Nein: 393 638 (29,6%) / 0 Stände
Parolen:
— Ja: FDP (6*), CVP, SD, FP, EDU; SBV.
— Nein: SP (1*), SVP (4*), LP, GP, EVP; SGB.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Bei einer sehr niedrigen Stimmbeteiligung von 29% stimmte das Volk der Reform der Volksrechte mit einem
Ja-Stimmenanteil von 70% deutlich zu. In allen Kantonen wurde die Reform angenommen: am deutlichsten in Freiburg mit 77%, am schwächsten in Schaffhausen mit 56%. Die Vox-Analyse ergab, dass der Vorlage von den Stimmberechtigten keine grosse Bedeutung zugemessen worden war. Unterschiede im Stimmverhalten gab es kaum; insbesondere hatten die Linke und die SVP ihre eigene Anhängerschaft mit ihrer Nein-Parole nicht zu überzeugen vermocht
[36].
Der
Bundesrat und die Bundesverwaltung haben in den letzten Jahren bei einigen
Werbekampagnen zu Volksabstimmungen intensiver mitgewirkt als dies früher üblich war. So waren etwa bei der UNO-Abstimmung und beim Entscheid über die Armeereform mit erheblichen finanziellen Mitteln Informations- und Werbebroschüren herausgegeben worden. Eine parlamentarische Initiative von Hans Fehr (svp, ZH) verlangte nun, dass sich die Regierung und die Verwaltung auf sachliche Information zu beschränken hätten und es ihnen insbesondere untersagt werde, eigentliche Werbekampagnen zu führen oder solche finanziell zu unterstützen. Die SPK des Nationalrats beantragte, diesem Vorstoss keine Folge zu geben und setzte sich damit im Plenum gegen die SVP-Fraktion durch. Da allerdings auch die SPK gewisse Regeln für die staatliche Öffentlichkeitsarbeit in Abstimmungskämpfen aufstellen möchte, unterbreitete sie dem Rat eine entsprechende Motion. Obwohl die Regierung die Umwandlung in ein Postulat beantragt hatte, überwies der Nationalrat das Anliegen einstimmig in Motionsform
[37].
Wesentlich weiter als die parlamentarische Initiative Fehr will eine anfangs Jahr von einem Komitee lancierte
Volksinitiative „
Volkssouveränität statt Behördenpropaganda“ gehen. Sie will dem Bundesrat und den Spitzenkadern der Bundesverwaltung während Abstimmungskampagnen jegliche in Zusammenhang mit der Abstimmung stehende Medienauftritte verbieten. Zugelassen wäre nur noch eine einmalige kurze Information über den Abstimmungsgegenstand durch den Departementsvorsteher. Nicht erlaubt wäre auch die Finanzierung, Erarbeitung und Bereitstellung von Informations- und Propagandamaterial durch die Bundesverwaltung
[38].
Die im Vorjahr vom Nationalrat gewährte Verlängerung der Frist für die Ausarbeitung einer Lösung zur Umsetzung einer im Jahr 2000 gutgeheissenen parlamentarischen Initiative Gross (sp, ZH) für die
Meldepflicht und Publikation von grossen finanziellen Beiträgen an die Werbekampagnen für Volksabstimmungen brachte kein Ergebnis. Die Mehrheit der SPK beantragte dem Plenum, die Initiative abzuschreiben. Als wichtigsten Grund für ihren Antrag gab sie an, dass Deklarationsmodelle sehr detailliert abgefasst sein müssten, um Missbräuche zu verhindern. Zudem zeigten die Erfahrungen in den USA, dass eine Vielzahl von Umgehungsmöglichkeiten beständen, wie etwa die Ausrichtung von formal nicht zweckgebundenen Beiträgen an Parteien und Interessenorganisationen. Die vor allem von der Linken gebildete Kommissionsminderheit stimmte dieser kritischen Analyse weitgehend zu und schlug deshalb vor, mit einem Anreizmodell für vermehrte Transparenz zu sorgen. Gemäss ihrem Antrag sollen diejenigen, welche ihre Geldquellen deklarieren, vom Bund Beiträge für ihre Werbekampagnen erhalten
[39].
Die SVP-Fraktion im Nationalrat reichte zwei parlamentarische Initiativen zur Einführung des
Finanzreferendums ein. Darin verlangt sie, dass Verpflichtungs- oder Rahmenkredite ab einem im Initiativtext nicht festgelegten Betrag dem fakultativen Referendum unterstellt sein sollen. Kredite von einem niedriger liegenden Minimalumfang sollen zudem auf Verlangen von je einem Drittel der Mitglieder der beiden Ratskammern dem fakultativen Referendum unterstellt werden. Die SPK des Nationalrats beantragte, dem ersten Vorstoss Folge zu geben und den zweiten abzulehnen
[40].
In der kleinen Genfer Gemeinde Anières konnten die Stimmberechtigten im Januar bei einer kommunalen Abstimmung ihr Votum auch auf elektronischem Weg (via Internet) abgeben. Es handelte sich dabei um die weltweit erste Anwendung des sogenannten
E-Votings bei einer rechtlich verbindlichen Entscheidung; bisher hatte es diese neue Art der Stimmabgabe nur bei unverbindlichen Testabstimmungen oder parteiinternen Entscheidungen gegeben. Ende Jahr wurde das Experiment in Cologny (GE) wiederholt. Bei einer an sich hohen Beteiligung von knapp 60% benutzten hier rund 30% das Internet zur Stimmabgabe; etwa zwei Drittel hatten auf dem Korrespondenzweg abgestimmt und nur 4% begaben sich persönlich zu den Abstimmungslokalen
[41].
Weiterführende Literatur
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[1] Presse vom 17.9.03;
AB NR, 2003, S. 2143 ff.
[2] Nominationen:
Bund, 1.10.03 (Beerli);
AZ, 21.10.03 (Egerszegi);
CdT, 24.10.03 (Pelli); Presse vom 25.10.03 (Steinegger);
TA, 29.10.03 (Merz); Presse vom 27.11.03 (Fraktion).
[3] Korrekterweise müsste man nicht von einer Abwahl, sondern von einer Nichtwiederwahl sprechen, da die Amtszeit für alle bisherigen Bundesräte in der Dezembersession ablief (vgl. dazu
BaZ, 27.10.03). Eine Nichtwiederwahl hatte es seit 1848 erst zweimal (1854, Ochsenbein, und 1872, Chalet-Venel) gegeben. Beide wurden allerdings durch Herausforderer aus derselben Partei (FDP) verdrängt.
[4] Siehe dazu unten, Teil I, 1e (Eidgenössische Wahlen).
[5] Presse vom 20.10. und 21.10.03 (Ankündigung Maurers);
TA, 21.10.03 (Fraktionsführung); Presse vom 25.10.03 (Fraktion);
Bund, 22.10.03 und
TA, 23.10. und 24.11.03 (Kritik); Presse vom 1.12.03 (DV). Zur Vorbereitung der SVP-Ankündigung siehe
LT, 22.10.03 und
Blick, 24.10.03.
[6] Presse vom 21.10., 24.10. und 3.12.03.
[7]
Bund, 21.10.03;
TA, 23.10.03; Presse vom 3.12.03 (Fraktion). Zur CVP-internen Kritik siehe auch
NLZ, 6.11.03 (Gernet),
NZZ, 7.11.03 (Hartmann) und
AZ, 4.12.03 (Carlo Schmid). Zu den Hintergründen des Entscheids der CVP-Spitze siehe auch
SoZ, 28.12.03.
[8] Rechnerisch wäre eine derartige Koalition möglich gewesen, verfügte doch die Linke mit der CVP über eine knappe Mehrheit von 125:121 Stimmen in der Bundesversammlung.
[9]
SGT, 25.6. und 1.7.03;
Blick,
Bund und
TA, 31.10.03 (Forderungen an die CVP);
TA, 22.10.03 (FDP-Sitz);
Blick und
TA, 30.10.03 (CVP);
BZ, 8.11.03 (GP);
NZZ, 3.12.03 (SP-Fraktion).
[10] Da 1999 die Wahl von Metzler vor derjenigen von Deiss stattgefunden hatte, galt sie als Amtsältere und musste demnach zuerst antreten.
[11]
AB NR, 2003, S. 2146 ff.; Presse vom 11.12.03.
[12] Presse vom 11.12. und 15.12.03 (Reaktionen und Demonstrationen);
NZZ, 11.12.03 (CVP- und FDP-Frauen);
TA, 12.12.03 (Economiesuisse-Direktor Ramsauer).
[13] Presse vom 15.12.03. Zur Verabschiedung und Würdigung der nicht wiedergewählten Ruth Metzler siehe
BZ, 19.12.03;
BaZ, 29.12.03.
[14]
AB SR, 2003, S. 10 ff.; Presse vom 5.3.03. Nach diesen Entscheiden konnte der SR eine pa.Iv. Rhinow (fdp, BL) aus dem Jahre 1997 für eine Regierungsreform abschreiben (
AB SR, 2003, S. 46). Vgl.
SPJ 2002, S. 35 f.
[15]
BaZ, 24.1.03;
NZZ, 24.1., 16.4., 2.5. und 13.11.03;
LT, 2.5.03. Siehe auch
AB NR, 2003, S. 2120 und Beilage V, S. 3510 f. (Stellungnahme zu einer als Postulat überwiesenen Motion Keller, svp, ZH). Vgl. auch
Lit. Blaser.
[16]
BBl, 2003, S. 1963 ff.; Presse vom 13.2.03. Dieses Öffentlichkeitsprinzip wurde in der Schweiz zuerst vom Kanton Bern und später auch von Genf, Jura und Solothurn eingeführt (vgl. auch
SPJ 1993, S. 37), international ist es weit verbreitet (u.a. in Schweden, Frankreich, Grossbritannien, USA). Siehe auch
Lit. Häner. Zur Vernehmlassung siehe
SPJ 2001, S. 29.
[17]
AB SR, 2003, S. 1136 ff. sowie 1145 (Postulat).
[18]
BBl, 2003, S. 7711 ff.
[19]
TA, 5.7.03;
NZZ, 11.7.03;
AZ, 28.8.03;
Express, 10.12.03. Zu Zug siehe
SPJ 2001, S. 28.
[20]
NZZ, 11.2. und 31.10.03;
TA, 5.9.03. Vgl. dazu
SPJ 2000, S. 37. Siehe dazu auch eine Repräsentativbefragung der GfS in
NZZ, 16.8.03.
[21]
AB SR, 2003, S. 48 ff., 586 ff. und 719;
AB NR, 2003, S. 920 ff., 1159 f. und 1247;
BBl, 2003, S. 4566 ff. Der StR schrieb nach seinen Entscheiden eine pa.Iv. Brunner (sp, GE) ab (
AB SR, 2003, S. 60). Vgl.
SPJ 2002, S. 36 f.
[22]
AB NR, 2003, S. 1226.
[23]
AB NR, 2003, S. 1771 ff.;
AB SR, 2003, S. 1041; Presse vom 2.12.03. Als Ratsälterster gilt im NR neuerdings das amtsälteste Mitglied. Vgl. zum neuen Parlament unten, Teil I, 1e (Eidg. Wahlen).
[24]
AB SR, 2003, S. 987 f.;
BüZ, 12.6.03;
BaZ, 25.7.03.
[25]
NZZ,
TA und
24h vom 17.9.03.
[26]
BBl, 2003, S. 3468 ff. (NR), 3508 ff. (SR) und 5051 ff. (Verwaltung);
AB NR, 2003, S. 1140 ff., 1421 ff. und 1754;
AB SR, 2003, S. 643 ff., 650 f. , 720 und 1037. Vgl.
SPJ 2002, S. 37 ff.
[27]
BBl, 2003, S. 3943 ff.;
AB NR, 2003, S. 1428 ff. und 1753;
AB SR, 2003, S. 652 ff. und 1036.
[28]
AB NR, 2003, S. 166 ff. Vgl.
SPJ 2002, S. 40.
[29]
AB NR, 2003, S. 177 ff. Vgl.
SPJ 2002, S. 40.
[30]
AB SR, 2003, S. 857 ff. Vgl.
SPJ 2002, S. 40 f.
[31]
AB SR, 2003, S. 881 ff. Zu den Anträgen des BR siehe
SPJ 2001, S. 31 f.
[32] Presse vom 30.1. und 19.5.03;
Bund, 14.5.03. Siehe dazu auch Blaser, Cornelia e.a.,
Vox – Analyse der eidgenössischen Abstimmung vom 18. Mai 2003, Zürich 2003.
[33]
BBl, 2003, S. 7056 f. Zum Inhalt siehe unten, Teil I, 5 (Direkte Steuern).
[34]
AB NR, 2003, S. 1998 ff. Vgl.
SPJ 1995, S. 40.
[35] Presse vom 6.1. bis 8.2.03. Vgl. v.a.
NZZ, 6.1. und 15.1.03.
[36]
BBl, 2003, S. 3111 ff.; Presse vom 10.2.03; Engeli, Isabelle e.a.,
Vox – Analyse der eidgenössischen Abstimmung vom 9. Februar 2003, Genf 2003. Zur niedrigen Stimmbeteiligung (sie war bisher nur zweimal noch schlechter gewesen) hatte auch beigetragen, dass neben dieser Vorlage nur noch eine kaum bestrittene Revision des Krankenversicherungsgesetzes zur Abstimmung kam.
[37]
AB NR, 2003, S. 1433 ff. (pa.Iv.) und 1437 (Motion).
[38]
BBl, 2003, S. 731 ff.
[39]
BBl, 2003, S. 3916 ff. Vgl.
SPJ 2002, S. 44.
[40] Pa.Iv. 03.401 und 03.402. Der Freisinnige Müller (ZH) reichte eine vom BR zur Ablehnung empfohlene Motion für ein fakultatives Finanzreferendum ein (Mo 03.3019). Vgl.
TA, 5.3.03;
BZ, 17.6.03.
[41]
Bund, 18.1.03;
LT, 20.1. und 1.12.03. Vgl. auch
SPJ 2002, S. 44. Siehe dazu auch Oppliger, Rolf „Sicherheit im E-Voting“, in
NZZ, 4.2.03,
Lit. Linder sowie die Kritik an den Sicherheitsvorkehrungen der Genfer Testabstimmungen in
TG, 27.1.03.
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