Année politique Suisse 2012 : Politique sociale
Assurances sociales
Le Gouvernement a annoncé une réforme globale du 1er et du 2e pilier. – Le premier volet de la 6e révision de l’AI est entré en vigueur. – La grande partie du 2e volet de la 6e révision de l’AI a été démantelée lors des débats parlementaires. – Les Chambres ont entériné uniquement la nouvelle réglementation concernant la prise en charge des traitements stationnaires hospitaliers pour les rentiers AI. –L’initiative « pour une caisse publique d’assurance-maladie » a abouti; le Conseil fédéral s’est attelé à l’élaboration d’un contre-projet indirect. – Le peuple a clairement refusé la révision de la loi sur l’assurance-maladie (Managed Care).
Allgemeine Fragen
Im Berichtsjahr wurde die Initiative „Für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ lanciert. Der sehr kurze Initiativtext verlangt ein bedingungsloses Grundeinkommen für die ganze Bevölkerung, das einen Teil der Sozialleistungen überflüssig machen soll. Die Festlegung von Höhe und Finanzierung des Grundeinkommens wird dem Gesetzgeber überlassen, Vertreter des Initiativkomitees schlagen aber einen Betrag von CHF 2 500 vor. Sie erklärten, das Anliegen der Initiative sei zwar derzeit kaum mehrheitsfähig, wichtig sei jedoch eine breit geführte Diskussion.
Der Nationalrat überwies diskussionslos ein Postulat Humbel (cvp, AG), welches den Bundesrat beauftragt, einen umfassenden Bericht über die
Perspektiven der Sozialversicherungen sowohl auf der Leistungs- als auch auf der Finanzierungsebene vorzulegen. Hierbei sollen die Auswirkungen der Veränderungen in den einzelnen Sozialwerken auf das Gesamtsystem der Sozialversicherungen aufgezeigt werden
[1].
Diskussionslos nahm die grosse Kammer eine Motion Lustenberger (cvp, LU) an, in welcher der Bundesrat aufgefordert wird, dem Parlament eine Revision des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsgesetzes vorzulegen, um
strafrechtlich verurteilten Empfängern bei Flucht ins Ausland die Sozialleistungen zu verwehren. Anstoss dazu war ein Urteil des Bundesgerichts aus demselben Jahr, wonach die Sozialversicherungsleistungen zwar eingestellt werden können, wenn sich der Empfänger im Massnahmenvollzug befindet, nicht aber wenn er sich dem Vollzug durch eine Flucht ins Ausland entzieht
[2].
Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV)
Anfang des Jahres publizierte das Bundesamt für Sozialversicherungen die
Anlageergebnisse des Ausgleichsfonds der AHV, IV und EO für das Jahr 2011. Trotz der schwierigen Marktbedingungen mit historisch tiefem Zinsniveau und teils heftigen Turbulenzen konnte eine kleine Rendite erzielt werden. Das BSV stufte das Resultat als „erfreulich“ ein
[3].
Nach dem Scheitern der
11. AHV-Revision im Jahr 2010 und einigen eher technischen Anpassungen im Folgejahr ging das Dossier per Jahresbeginn 2012 an den neu gewählten Bundesrat Alain Berset über. Der Sozialdemokrat kündigte an, die Probleme der 1. und 2. Säule gemeinsam in einer umfassenden Strategie behandeln zu wollen. Grosse Beachtung in der Öffentlichkeit fanden die Forderung Bersets nach einem gleichen Rentenalter von 65 Jahren für Männer und Frauen. Kontrovers diskutiert wurde zudem auch der Vorschlag einer bürgerlichen Allianz, rasch eine Schuldenbremse für die AHV einzuführen
[4].
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund SGB konkretisierte sein Projekt
„AHV plus“ und beschloss in diesem Rahmen die Lancierung einer Volksinitiative. Gefordert werden höhere AHV-Renten für alle Bezügerinnen und Bezüger, welche durch höhere Lohnabzüge auf Seiten der Arbeitgeber und -nehmer finanziert werden sollen. Damit soll dem verfassungsmässigen Ziel der AHV, zusammen mit der beruflichen Vorsorge eine angemessene Fortsetzung des gewohnten Lebensstandards zu garantieren, wieder stärker Rechnung getragen werden
[5].
Die CVP reichte im November ihre Initiative „Für Ehe und Familie – Gegen die Heiratsstrafe!“ ein. Die Initiative verlangt, die Benachteiligung der Ehe gegenüber anderen Lebensformen insbesondere bei den Steuern und Sozialversicherungen aufzuheben. Siehe dazu Teil I, Kapitel 5 (direkte Steuern).
Der Nationalrat überwies ohne Debatte eine Motion Müller (fdp, SG) zur Beratung an den Ständerat, welche den Bundesrat beauftragt, mit Liechtenstein ein umfassendes
Doppelbesteuerungsabkommen auszuhandeln. Damit soll die Situation der in der Schweiz lebenden AHV-Bezüger verbessert werden, welche ihre Rente aus dem Fürstentum erhalten. Seit Beginn des Berichtsjahres sind diese Renten in Liechtenstein der Quellensteuer unterstellt. Gleichzeitig müssen sie in der Schweiz weiterhin als Einkommen versteuert werden, was zur Doppelbelastung der betroffenen Rentnerinnen und Rentner führt
[6].
Invalidenversicherung
Im Frühjahr des Berichtsjahres wurde bekannt, dass die IV im Vorjahr zum ersten Mal seit Jahren wieder
schwarze Zahlen geschrieben hatte. Hautsächlich dafür verantwortlich waren die Beiträge aus der befristeten Erhöhung der Mehrwertsteuer, welche per 1.1.2011 für die Dauer von acht Jahren eingeführt worden war. Kurz vor der Beratung der Revision 6b durch den Nationalrat in der Wintersession (siehe unten) hat das BSV eine erste Zwischenbilanz zur 5. IV-Revision präsentiert, welche mehrheitlich positiv ausfiel. So sei die Umstellung auf den Grundsatz „Eingliederung vor Rente“ gelungen und die Anzahl erfolgreich beruflich eingegliederter Personen konnte gegenüber dem Jahr 2007 verdoppelt werden. Handelsbedarf stellt der Bericht bei der Ausdehnung der Früherfassung und bei der Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern fest
[7].
Der Ständerat überwies eine im Vorjahr vom Nationalrat angenommene Motion Graf-Litscher (sp, TG) zur
Wiedereinführung der Vergütung der ärztlichen Komplementärmedizin durch die IV. Der Bundesrat hatte bereits 2011 angekündigt, das Kreisschreiben über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung entsprechend anpassen zu wollen. Damit werden seit dem 1. März 2012 Therapien der wichtigsten Methoden der Komplementärmedizin wieder von der Invalidenversicherung übernommen, dies analog zur nach der Annahme des Verfassungsartikels im Jahr 2009 wieder eingeführten Übernahme durch die obligatorische Krankenversicherung
[8].
Ein Postulat Jans (sp, BS), das den Bundesrat beauftragt, einen Bericht über die
Schlechterstellung teilerwerbstätiger gegenüber vollerwerbstätigen Personen bei der Invaliditätsbemessung zu erstellen, wurde von der grossen Kammer ohne Diskussion überwiesen. Dem vorangegangen war ein Grundsatzurteil des Bundesgerichts, welchem ein klarer Auftrag an den Gesetzgeber zur Neuregelung der von vielen Seiten als stossend empfundenen aktuellen Rechtslage zu entnehmen war
[9].
Im Berichtsjahr trat das im Vorjahr beschlossene
erste Massnahmenpaket (
Revision 6a) in Kraft. Das Presseecho blieb relativ gering. Als bedeutende Veränderung positiv hervorgehoben wurden einzig die neu beschlossenen Assistenzbeiträge. Diese erlauben es Bezügern einer Hilflosenentschädigung, welche zu Hause und nicht im Heim leben, eine Assistenzperson zur Unterstützung bei ihren täglichen Verrichtungen einzustellen. Im Februar lancierte die IV zudem eine Kampagne zur Information der Firmen über die vorhandenen Instrumente für die Integration Behinderter
[10].
Im Vorjahr war die Behandlung des
zweiten Massnahmenpakets, der
Revision 6b, vom Ständerat als Erstrat in zwei Teile zerlegt worden: Während Entwurf 2 die Kostenvergütung für stationäre Massnahmen bei IV-Bezügern behandelt, enthält Entwurf 1 die restlichen Bestimmungen. Im Berichtsjahr trennte der Nationalrat vom Entwurf 1 noch einen dritten Teil ab, welcher an die SGK-N zurückgewiesen und noch nicht beraten wurde (siehe unten)
[11].
In der Sommersession behandelte der Nationalrat
Entwurf 2. Hier war eine gewisse Dringlichkeit gegeben, da es an einer gesetzlichen Grundlage für die Kostenvergütung bei stationären Spitalaufenthalten von IV-Beziehenden fehlte. Bei der Beratung des Entwurfs hatte der Ständerat 2011 vor dem Hintergrund der neuen Spitalfinanzierung einen Antrag Kuprecht (svp, SZ) gutgeheissen, wonach diese Kosten weiterhin zu 20% von den Kantonen und zu 80% vom Bund, d.h. von der IV, zu tragen sind. Die grosse Kammer beschloss, auf die Vorlage einzutreten und folgte damit der Mehrheit ihrer Kommission gegen eine Minderheit Cassis (fdp, TI). Umstritten war ein Minderheitsantrag Gilli (gp, SG), welcher eine Rückweisung an den Bundesrat mit dem Auftrag forderte, in einer zweijährigen Übergangsregelung an der bisherigen Verteilung der Finanzierung zwischen Kantonen und IV festzuhalten. Die definitive Finanzierung sollte nach einer Vernehmlassung bei den betroffenen Kreisen, insbesondere den Kantonen, in Form einer regulären Gesetzesvorlage vorgelegt werden. Die Gegner des Antrags befürchteten, dass dies längerfristig möglicherweise eine vollumfängliche Übernahme durch die IV zur Folge hätte, da die Gesundheitsdirektorenkonferenz bereits 2008 angekündigt hatte, den Kantonsanteil schrittweise von 20% auf 10% und schliesslich auf Null senken zu wollen. Die Befürworter des Antrages wurden schliesslich von der SVP, der SP und der Hälfte der CVP überstimmt. In der Detailberatung wurde letztlich einzig eine Präzisierung bezüglich der Frage, welche Spitäler von der Regelung betroffen seien, angebracht. In allen anderen Punkten folgte der Nationalrat dem Ständerat. In der Gesamtabstimmung nahm die grosse Kammer den Entwurf mit 135 zu 36 Stimmen an. Einzig die FDP-Liberale und die grünliberale Fraktion legten geschlossen ein Nein ein. Der Ständerat schloss sich darauf der Änderung des Nationalrats diskussionslos an. In der Schlussabstimmung nahm die grosse Kammer den Entwurf mit 153 zu 36 Stimmen an, die kleine Kammer mit 38 zu 1 Stimme bei 2 Enthaltungen
[12].
Die ständerätliche Beratung von
Entwurf 1 hatte im Vorjahr zu diversen Abweichungen von der Bundesratsbotschaft geführt. In der Wintersession des Berichtsjahres behandelte der Nationalrat das Thema und nahm weitere Änderungen vor. Die Debatte wurde auch hier intensiv und teilweise emotional geführt. Sie war geprägt vom Gegensatz zwischen zwei Allianzen: Die Ratslinke und der soziale Flügel der CVP auf der einen Seite setzten sich gegen zu starke Belastungen für die Versicherungsnehmer ein und machten geltend, der IV gehe es finanziell bereits deutlich besser, womit sich weitere Reformen im Moment erübrigten. Auf der anderen Seite positionierten sich der bürgerliche Teil der CVP und die übrigen Parteien, welche zugunsten einer konsequenten Sanierung auch bereit waren, stärkere Leistungskürzungen vorzunehmen. In der Eintretensdebatte wurden zwei linke Minderheitsanträge auf Nichteintreten und auf Rückweisung an den Bundesrat klar abgelehnt. Ein Antrag der Minderheit Ingold (evp, ZH), welcher vom Bundesrat unterstützt wurde, wurde dagegen knapp angenommen. Er verlangte eine Aufsplittung der Vorlage und die Rückweisung bestimmter Artikel als Entwurf 3 an die Kommission. Letztere sollte die betreffenden Bestimmungen erst beraten, wenn aussagekräftige Ergebnisse der Evaluation der Revisionen 5 und 6a vorliegen. Es handelt sich dabei insbesondere um die besonders umstrittenen Änderungen bei den Kinderrenten und der Übernahme von Reisekosten. Die Mehrheit des Rates teilte die Ansicht der Kommissionsminderheit, wonach eine verspätete Einführung dieser Bestimmungen angesichts der leicht verbesserten finanziellen Lage der IV und der neusten wirtschaftlichen und demographischen Prognosen für die Sanierung der IV verkraftbar sei. Der restliche Teil von Entwurf 1, der strukturelle Verbesserungen anstrebt (Änderung des Rentensystems von einer abgestuften hin zu einer stufenlosen Berechnung, verstärkte Eingliederung, Betrugsbekämpfung, Entschuldung, Einführung eines Interventionsmechanismus) sollte dagegen sofort beraten werden. Mit der Aufsplittung wollte die Minderheit das Risiko eines Scheiterns des als wichtig betrachteten neuen, stufenlosen Rentensystems durch eine allfällige Ablehnung der gesamten Vorlage vermeiden. Die Presse sprach von einem taktischen Entscheid im Hinblick auf das angedrohte Referendum der Behindertenorganisationen. In der Detailberatung wurde ein Minderheitenantrag Ingold (cvp, ZH), welcher die Dauer von Integrationsmassnahmen auf ein Maximum von zwei Jahren beschränken wollte, mit 101 zu 82 Stimmen abgelehnt. Die Frage nach der Höhe der Grundentschädigung spaltete den Rat: Die Kommissionsmehrheit beantragte, vom Entwurf des Bundesrates abzuweichen und die Höhe der Grundentschädigung während der Durchführung von Eingliederungsmassnahmen auf 70% anstelle von 80% des zuletzt erzielten Erwerbseinkommens ohne gesundheitliche Beeinträchtigung zu senken. Der Ständerat war als Erstrat noch dem Bundesrat gefolgt. Eine Minderheit Lohr (cvp, TG) wollte bei 80% bleiben, da das zuletzt erzielte Erwerbseinkommen aufgrund eines sich meist schleichend verschlechternden Gesundheitszustandes in der Regel schon sehr tief sei. Die Ratslinke und die CVP folgten dem Minderheitsantrag, während die restlichen bürgerlichen Parteien mit der Kommissionsmehrheit stimmten. Erst mit Stichentscheid der Ratspräsidentin Maya Graf (gps, BL) wurde schliesslich der Minderheitsantrag angenommen. Besonders umstritten und auch von den Medien stark beachtet war die Frage, ab welchem Invaliditätsgrad in Zukunft eine Vollrente ausgesprochen werden sollte. Nach gültigem Recht beträgt dieser 70%, die Bundesratsvorlage wollte die Schwelle jedoch auf 80% anheben. Während die Kommissionsmehrheit damit einverstanden war, wehrte sich eine Minderheit Lohr (cvp, TG) mit dem Argument, die Kürzung würde Schwerbehinderte treffen, für welche es faktisch unmöglich sei, den Ausfall mit einer Teilerwerbstätigkeit auszugleichen. Der Rat folgte dieser Minderheit mit 95 zu 87 Stimmen und nahm damit zwar das neue, stufenlose Rentensystem an, beliess aber den minimalen Invaliditätsgrad für eine Vollrente bei 70%. Im Gegensatz zum Ständerat und in Einklang mit seiner Kommissionsmehrheit beschloss der Nationalrat, auch laufende Renten dem neuen System zu unterstellen. Ausgenommen werden sollen einzig die Renten der über 55-jährigen Bezüger. Eine weitere Differenz zum Ständerat ergab sich in der Frage der Bemessung der Kinderrenten für im Ausland lebende Kinder. Dieser Punkt war im Gegensatz zu den allgemeinen Kinderrenten im Entwurf 1 verblieben. Die grosse Kammer folgte ihrer Kommissionsmehrheit und beschloss, die Renten der im Ausland herrschenden tieferen Kaufkraft anzupassen. Zuletzt behandelte die grosse Kammer die neue Schuldenbremse für die IV, den so genannten Interventionsmechanismus. Dieser soll bei einem Absinken der flüssigen Mittel der IV unter 40% einer Jahresausgabe wirksam werden, damit die IV finanziell stabil gehalten werden kann. Im Gegensatz zum Ständerat lehnte es der Nationalrat gänzlich ab, im Gesetz konkrete Massnahmen zu statuieren, welche bei drohenden Finanzierungsproblemen automatisch greifen sollten. Er strich auch einen Artikel, wonach die Schuldenbremse erst dann wieder ausser Kraft gesetzt worden wäre, wenn die flüssigen Mittel erneut 50% einer Jahresausgabe erreicht hätten. Ein Antrag Weibel (glp, ZH) schliesslich, der erneut die Idee verbindlicher Quoten für Unternehmen zur Eingliederung von Invaliden aufgriff, wurde mit 70 zu 108 Stimmen abgelehnt. In der Gesamtabstimmung sprachen sich 93 Nationalratsmitglieder für eine Annahme der Vorlage aus, 80 dagegen. Die Gegenstimmen kamen primär aus der SVP- und der FDP-Liberalen Fraktion, welche die Vorlage aufgrund der beschlossenen Änderungen als nicht mehr wirksam ansahen und sich geschlossen gegen sie stellten. SP, Grüne und Grünliberale stellten sich geschlossen, die CVP-EVP-Fraktion grossmehrheitlich hinter die Vorlage. Die BDP-Fraktion war gespalten. Die Differenzbereinigung durch den Ständerat wird im Folgejahr erwartet
[13].
Ergänzungsleistungen
Eine im Vorjahr vom Nationalrat angenommene Motion seiner Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit zur Anpassung der
anrechenbaren Mietzinsmaxima bei Ergänzungsleistungen zu AHV und IV an die seit der letzten Anpassung gestiegenen Mietpreise wurde vom Ständerat ohne Debatte überwiesen.
[14]
Die grosse Kammer überwies diskussionslos ein Postulat Humbel (cvp, AG) zur
Reform der Ergänzungsleistungen zu AHV und IV. Der Bundesrat wird beauftragt, diesen Bereich zu prüfen und über die Gründe für den Anstieg der Anzahl von EL-Bezügern, mögliche Massnahmen zur Behebung von Fehlanreizen und die Kostenentwicklung in diesem Sozialwerk Bericht zu erstatten
[15].
Der Ständerat überwies ein Postulat Kuprecht (svp, SZ), das vom Bundesrat im Rahmen des nächsten Wirksamkeitsberichtes zum Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen einen Bericht über die
sozial- und finanzpolitische Entwicklung der Ergänzungsleistungen und deren Perspektiven bis 2020 fordert. In den letzten Jahren waren die Kosten für die Ergänzungsleistungen massiv angestiegen. Der Bundesrat kündigte an, diesen Bericht schon früher, nämlich in Beantwortung des obigen Postulats Humbel (cvp, AG), vorzulegen. Vom Nationalrat wurde ein in eine sehr ähnliche Richtung weisendes Postulat der FDP-Liberalen Fraktion überwiesen
[16].
Berufliche Vorsorge
Eine 2010 vom Nationalrat angenommene parlamentarische Initiative Hutter (fdp, ZH), die für Selbständigerwerbende die Möglichkeit forderte, sich nach der Erwerbsaufgabe mit realisierten Liquidationsgewinnen in eine
freiwillige Versicherung der beruflichen Vorsorge einzukaufen, wurde im Berichtsjahr abgeschrieben
[17].
Eine 2011 vom Nationalrat angenommene Motion Grin (svp, VD), welche
einheitliche BVG-Beitragssätze für Arbeitnehmende aller Altersstufen verlangt hätte, wurde im Berichtsjahr vom Ständerat abgelehnt. Dieser stellte sich damit hinter den Bundesrat, der argumentierte, dass eine Staffelung der BVG-Altersgutschriften die Stellung älterer Arbeitnehmender auf dem Arbeitsmarkt nicht wesentlich verbessern würde, was das eigentliche Ziel der Motion war. Dagegen würde eine solche Regelung die Situation jüngerer Arbeitnehmender unnötig verschlechtern. Darüber hinaus würde eine rasche Umstellung des Systems hin zu gleichen Beiträgen unumgänglich zu Rentenkürzungen bei den älteren Versicherten führen, während eine längere Übergangsfrist mit zwei parallelen Systemen wegen des zusätzlichen administrativen Aufwands während 20 Jahren jährliche Kosten von 1 Mia. Franken verursachen würde
[18].
Der Nationalrat überwies diskussionslos ein Postulat Vitali (fdp, LU) zu den
alters- und geschlechtsabhängigen BVG-Sparbeiträgen. Die Regierung wird damit beauftragt zu prüfen, wie sich deren Bemessung an die veränderten gesellschaftlichen Begebenheiten anpassen liesse, insbesondere um eine Benachteiligung älterer Beitragszahlender in Zukunft zu vermeiden
[19].
Diskussionslos überwies die grosse Kammer ein Postulat der BDP-Fraktion, das darauf abzielt, die
Altersgrenze zum Beginn der Einzahlung in die Pensionskasse von aktuell 25 auf 18 Jahre oder auf den Abschluss der Erstausbildung vorzuverlegen. Damit solle, insbesondere vor dem Hintergrund der tiefen Zinsen und der Bevölkerungsalterung, ein Beitrag zur Sicherung der zweiten Säule geleistet werden
[20].
Der Ständerat überwies ein Postulat Fetz (sp, BS), welches den Bundesrat beauftragt zu prüfen, wie die
berufliche Vorsorge von Arbeitnehmenden in Berufen mit typischerweise mehreren Arbeitgebern verbessert werden kann. Angesichts von Veränderungen in der Arbeitswelt gebe es immer mehr Berufsgruppen, deren Angehörige üblicherweise in mehreren gleichwertigen Anstellungsverhältnissen stehen. Für diese Versicherten erweise sich die Unterscheidung zwischen Haupterwerb und nicht versichertem Nebenerwerb im BVG als nicht zweckmässig, was zu einer Unterversicherung führen könne
[21].
Im Berichtsjahr ging die öffentliche Diskussion um die
Zukunft der beruflichen Vorsorge weiter. Der Bundesrat kündigte an, die anstehenden Probleme zusammen mit jenen der AHV in einer grossen Revision anzugehen (siehe oben), wobei man angesichts der demografischen Entwicklung und des tieferen Zinsniveaus um eine Senkung des Mindestumwandlungssatzes von 6.8% auf 6.4% nicht herumkommen werde. Die Gewerkschaften gaben bekannt, eine erneute Reform bekämpfen zu wollen und warfen der Regierung Schwarzmalerei vor, während der Schweizerische Arbeitgeberverband nebst einer raschen Senkung des Umwandlungssatzes auch ein Rentenalter 67 forderte
[22].
Krankenversicherung
Der Bundesrat unterbreitete dem Parlament einen Entwurf zu einem Bundesgesetz betreffend die
Aufsicht über die soziale Krankenversicherung. Damit soll in Zukunft die Kontrolle verstärkt und den heutigen Gegebenheiten angepasst werden. Zudem soll die Transparenz bei den Krankenkassen erhöht werden. Die ursprünglich enthaltene Forderung, die Aufsicht an eine unabhängige Behörde nach Vorbild der FINMA auszulagern, hatte die Regierung nach negativen Reaktionen in der Vernehmlassung aus dem Entwurf entfernt. Die Botschaft wurde im Berichtsjahr noch nicht von den Räten behandelt
[23].
Der Bundesrat empfahl dem Parlament, die im Vorjahr zustande gekommene Volksinitiative „
Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache - Entlastung der Krankenversicherung durch Streichung der Kosten des Schwangerschaftsabbruchs aus der obligatorischen Grundversicherung“ abzulehnen. Er verzichtete auf einen Gegenvorschlag. Die Vorlage wurde im Berichtsjahr von den Räten noch nicht behandelt
[24].
Der Nationalrat überwies einen Teil eines Postulats Nordmann (sp, VD), welcher vom Bundesrat einen Bericht über die Probleme der
Koordination zwischen den Taggeldversicherungen und den Regelungen für Invalidität der ersten und zweiten Säule fordert. Er folgte jedoch dem Bundesrat dahingehend, dass er den grösseren Teil des Postulats, welcher zu seiner Beantwortung eine umfassende Datenerhebung zur Krankentaggeldversicherung erfordert hätte, aus personaltechnischen und finanziellen Gründen strich
[25].
Die im Vorjahr lancierte
Volksinitiative „Für eine öffentliche Krankenkasse“ ist im Frühling des Berichtsjahrs zustande gekommen und provozierte ein breites Medienecho. Unter anderem wurde der Vorwurf laut, die frühe Einreichung der Unterschriften sei ein Mittel im Abstimmungskampf gegen die Managed-Care-Vorlage (siehe unten), der die Mehrheit des Initiativkomitees kritisch gegenüberstand. Auf die politische Agenda gelangte das Thema auch nach der Ablehnung von Managed Care am 17. Juni, als eine Debatte zu möglichen Alternativen in Gang kam. Alain Berset, der sich bei der Frage nach einer Einheitskrankenkasse in seiner Rolle als Gesundheitsminister gegen die eigene Partei stellen musste, regte einen indirekten Gegenvorschlag an und schlug einen verbesserten Risikoausgleich, eine stärkere Trennung von Grund- und Zusatzversicherung sowie die Einrichtung eines Ausgleichsfonds für chronisch Kranke und andere besonders kostenintensive Patienten vor. Letzteres war bereits im Vorjahr aufgrund zweier Postulate im Nationalrat diskutiert worden. Insgesamt sollte aus den drei Vorschlägen eine Reduktion der Prämienunterschiede resultieren. Die bürgerlichen Parteien sprachen sich bereits gegen Initiative und Gegenvorschlag aus, dem Initiativkomitee und der SP erschien der Gegenvorschlag als zu wenig stichhaltig. Die Krankenkassenverbände zeigten sich gegenüber einem verfeinerten Risikoausgleich offen, äusserten sich aber kritisch gegenüber den beiden anderen Punkten. Der Gegenvorschlag wird voraussichtlich 2013 in die Vernehmlassung gehen. In der Wintersession reichte ein in beiden Räten breit abgestütztes bürgerliches Komitee eine Motion Schwaller (cvp, FR) ein, welche eine rasche Volksabstimmung über die Initiative ohne Gegenvorschlag fordert. Die Motion wurde im Berichtsjahr von den Räten noch nicht behandelt
[26].
Der Nationalrat überwies ohne Diskussion ein Postulat Hardegger (sp, ZH) zur Qualität im Gesundheitswesen. Das Postulat fordert den Bundesrat auf, in einem Bericht darzulegen, wie in verschiedenen leistungserbringenden Institutionen den Grundsätzen des hippokratischen Eides Rechnung getragen und die Qualitätssicherung in der Grundversorgung sichergestellt wird. Anstoss für das Postulat war die Befürchtung, dass aufgrund nicht öffentlicher Verträge zwischen Versicherern und Leistungserbringern, in welchen letztere an Gewinnen durch selbst realisierte Kosteneinsparungen beteiligt werden, Anreize entstehen, die Patientinnen und Patienten nicht mehr ihren Bedürfnissen entsprechend zu behandeln. Eine allgemeine Prüfung der
Rechtmässigkeit einer Kostenmitverantwortung der Leistungserbringer wird zusätzlich gefordert, insbesondere da solche Vereinbarungen oft in Verträgen zur integrierten Versorgung enthalten sind
[27].
Eine Motion Darbellay (cvp, VS) gegen ein Überstrapazieren des Solidaritätsprinzips in der obligatorischen Krankenversicherung überwies der Nationalrat diskussionslos. Konkret fordert die Motion,
ausländische Forschende und Dozierende, welche in der Schweiz arbeiten, in Zukunft ohne Ausnahmen der Versicherungspflicht gemäss KVG zu unterstellen. Nach aktueller Rechtslage müssen solche Personen zwar eine Versicherung mit einem gleichwertigen Versicherungsschutz vorweisen, können diese aber bei einer spezialisierten, nicht offiziellen Kasse abschliessen, welche aufgrund der Risikoselektion tiefere Prämien anbieten kann
[28].
Im Berichtsjahr wurde die eidgenössische Volksinitiative
„Für eine vernünftige Finanzierung der Gesundheitskosten“ lanciert. Die Initiative fordert eine Finanzierung der Kranken- und Unfallversicherung durch Lenkungsabgaben auf nicht erneuerbare Energien, Alkohol, Tabak, Spielbanken, Betäubungsmittel, sowie Zucker und Fett. Die Sammelfrist läuft bis zum 28. Februar 2014
[29].
Im Sommer kündigte der Branchenverband der Krankenversicherer, Santésuisse, für das Jahr 2013 ein moderates
Prämienwachstum von zwei bis drei Prozent an. Im Herbst gab das BAG einen Anstieg von gar nur 1,5% bekannt. Ab 2014 drohten jedoch unter anderem aufgrund der Unsicherheit bei der neuen Spitalfinanzierung wieder grössere Aufschläge
[30].
Die grosse Kammer überwies ohne Debatte eine Motion Humbel (cvp, AG), welche im Falle einer Ablehnung der Revision des KVG (Managed Care) in der Volksabstimmung vom 17. Juni 2012 die
Wiedereinführung einer Zulassungssteuerung für Spezialärzte durch die Kantone fordert. Ein solcher Zulassungsstopp war per Ende 2011 aufgehoben worden, worauf in den ersten Monaten des Berichtsjahres eine starke Zunahme von Praxiseröffnungen durch Ärzte aus dem EU-Raum zu verzeichnen war. Durch Wiedereinführung der Kontrollinstrumente soll eine weitere Zunahme mit entsprechenden Konsequenzen für die Gesundheitskosten verhindert werden
[31].
Im Herbst waren
Spannungen zwischen dem BAG und dem Internetvergleichsdienst Comparis Gegenstand intensiver Medienberichterstattung. Bundesrat Berset drückte seine Unzufriedenheit darüber aus, dass private Vergleichsdienste wie Comparis für ihre Dienstleistungen Kommissionen von den Versicherern kassieren, was sich schlussendlich auf die Prämien niederschlage. Im Vorjahr hatte das BAG aus diesem Grund einen eigenen, kostenlosen Prämienrechner namens Priminfo lanciert, über den ebenfalls direkt Offerten der Versicherer angefordert werden konnten. Nach einer Klage von Comparis beim Innendepartement wurde dieser Teil des Services im Juni des Berichtsjahres im Rahmen einer gütlichen Einigung aber wieder entfernt. Im Herbst gab Bundesrat Berset bekannt, eine Wiedereinführung anzustreben, wogegen sich Comparis wehrte. Eine Motion Rossini (sp, VS) setzte sich in der Folge für die Schaffung einer Rechtsgrundlage für einen bundeseigenen Prämienvergleichsdienst ein, wurde im Nationalrat aber bekämpft und die Beratung schliesslich verschoben. Für zusätzlichen Zündstoff sorgte die Ankündigung einer Strafklage durch das BAG gegen Comparis aufgrund eines im Vorjahr publik gewordenen Hackerangriffes eines Comparis-Mitarbeiters auf den Prämienrechner des BAG
[32].
Der Krankenversichererverband Santésuisse legte eine Studie vor, wonach die
Margen auf Medikamente, welche die abgebenden Ärzte, Apotheken und Spitäler für ihren Aufwand beim Medikamentenverkauf entschädigen, in der Schweiz deutlich über dem Niveau vergleichbarer europäischer Länder liegen. Dies mache zwei Prozent der Krankenkassenprämien aus. Insbesondere die Ärzte würden an der Abgabe von Medikamenten doppelt verdienen. Der Verband forderte eine Angleichung, welche er in Zusammenarbeit mit Ärzten und Apothekern erreichen wollte. Dafür wäre jedoch eine Anpassung der entsprechenden Verordnung nötig, da derzeit das BAG für die Festsetzung der Medikamentenpreise und der Margen zuständig ist. Die Reaktionen auf die Forderung waren heftig. Die Ärztevereinigung FMH etwa warf der Santésuisse vor, bewusst falsche Aussagen zu machen und auf dem Rücken der Haus- und Kinderärzte sparen zu wollen
[33].
Bereits im Vorjahr war von einigen Kantonen die Forderung laut geworden,
schwarze Listen für säumige Prämienzahler zu schaffen und die betreffenden Personen nur noch in medizinischen Notfällen behandeln zu lassen. Der Kanton Aargau hatte eine Standesinitiative lanciert, welche durch eine Änderung des KVG die Erfüllung der Versicherungspflicht nicht nur an den Abschluss eines Versicherungsvertrages, sondern auch an die Bezahlung der Versicherungsprämien knüpfen will. Da zu Beginn des Berichtsjahres jene umstrittene Änderung des KVG in Kraft trat, die bei nicht bezahlten Prämien eine Kostenübernahme von 85% durch die Kantone beinhaltet und die auch Bestimmungen enthält, welche entsprechende schwarze Listen für den Gebrauch von Leistungserbringern sowie Kantonen und Gemeinden erlauben, war das Anliegen des Kantons Aargau nach Ansicht der Räte erfüllt. Der Standesinitiative wurde entsprechend nicht Folge gegeben
[34].
Nach langjährigen Verhandlungen war im Vorjahr die Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes (Managed Care) von beiden Räten mit deutlicher Mehrheit angenommen worden. Eine Gruppierung von Spezialärzten, unterstützt vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund, hatte bereits vor dem Ratsbeschluss ein
Referendum angekündigt. Das eigentliche Referendumskomitee bildete schliesslich eine Vereinigung von Praktikern aus dem Gesundheitswesen, unterstützt von einem Fachärzteverband und einem Verband medizinischen Personals. Am Tag des Ablaufs der Referendumsfrist, dem 19. Januar 2012, wurde das Referendum mit über 130 000 gültigen Unterschriften eingereicht
[35].
Die Abstimmung über das
fakultative Referendum gegen die Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes (Managed Care) wurde auf den 17. Juni angesetzt. Im Vorfeld der Abstimmung wurde die Vorlage heiss diskutiert. Die SP stellte sich mehrheitlich gegen ihren Bundesrat Berset, der bekannt gab, Managed Care auch aus persönlicher Überzeugung zu unterstützen. Die Gewerkschaften folgten der SP. Auch die SVP und die BDP beschlossen die Nein-Parole, obwohl sich beide Parteien im Parlament noch für die Revision ausgesprochen hatten. Das Nein-Komitee argumentierte primär, die Vorlage schränke die freie Arztwahl ein. Dazu fördere sie eine Zweiklassenmedizin, bringe Qualitätseinbussen mit sich und führe, entgegen den Versprechen, nicht zu Kosteneinsparungen. Das Ja-Komitee setzte sich aus Vertretern der CVP, der FDP-Liberalen, der Grünliberalen, der EVP sowie des Konsumentenschutzes zusammen. Die Befürworter versprachen sich von Managed Care eine kostengünstigere und besser koordinierte Gesundheitsversorgung. Die Grünen beschlossen Stimmfreigabe. Die Ärzteschaft zeigte sich gespalten: Während die FMH in einer durch die Spezialärzte dominierten Urabstimmung beschloss, das Referendum zu unterstützen, sprach sich der Verband Hausärzte Schweiz für die Vorlage aus. Annahme empfahl auch die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren. Ebenso uneinig waren sich die verschiedenen Patientenschutzorganisationen. Die Fronten im Abstimmungskampf waren denn auch unübersichtlich. Viele Kantonalparteien wichen von den Positionen ihrer eidgenössischen Mutterparteien ab und verschiedene Akteure wechselten während des Kampagnenverlaufs gar die Seite. Im Verlaufe der Abstimmungskampagne wurde immer deutlicher, dass die Unterstützung für Managed Care schwand. Nachdem auch ein Teil der bürgerlichen Parteien, welche die Revision im Parlament noch begrüsst hatten, sich nun dagegen aussprachen, zeichnete sich in diversen Umfragen ein deutliches Nein ab
[36].
Die 38.7% der Stimmbürgerinnen und -bürger, die von ihrem Stimmrecht Gebrauch machten, lehnten die Vorlage dann am 17. Juni tatsächlich wuchtig mit einer Mehrheit von 76% ab; kein einziger Kanton sprach sich dafür aus. Die VOX-Analyse ergab wenig überraschend, dass sich die Stimmenden bei dieser Abstimmung kaum an Parteiparolen orientiert hatten. Allgemein wurde die Vorlage als äusserst komplex empfunden. SVP- und SP-Sympathisanten folgten ihren Parteien mehrheitlich und legten ein Nein ein, Sympathisanten der befürwortenden Mitteparteien dagegen stellten sich gegen ihre Parteien und lehnten die Vorlage nicht weniger wuchtig ab. Frauen lehnten die Vorlage deutlich stärker ab als Männer, Angehörige eines Ärztenetzwerks weniger stark als Personen, welche keinem Ärztenetzwerk angehören, obwohl auch bei diesen die Ablehnung noch deutlich ausfiel. Als wichtigstes Argument für ein Nein wurde von den befragten Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern die Angst vor dem Verlust der freien Arztwahl genannt
[37].
Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes (Managed Care)
Abstimmung vom 17. Juni 2012
Beteiligung: 38,7%
Ja: 466 993 (24,0%) / Stände: 0
Nein: 1 482 536 (76,0%) / Stände: 20 6/2
Parolen:
– Ja: FDP (3*), CVP (8*), EVP, GLP; eco.
– Nein: SP, SVP (3*), CSP, BDP (2*); SGB, TravS.
– Stimmfreigabe: GPS
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Nach verschiedenen Verhandlungen mit Bundesrat Berset verzichteten die Ärzteverbände, der Spitalverband H+ sowie der Verband Patienten.ch auf das im Vorjahr angekündigte
Referendum gegen die Revision des KVG bezüglich der subsidiären Kompetenz des Bundesrates beim Tarmed und der Übermittlung von Patientendaten
[38].
Da die Tarifpartner sich nach dem Parlamentsbeschluss über die neue Spitalfinanzierung im Jahr 2007, welche per 1. Januar 2012 in Kraft trat, nicht auf eine neue Methode des
Datentransfers zwischen Spitälern und Versicherern hatten einigen können, erliess der Bundesrat im Sommer des Berichtsjahres subsidiär eine entsprechende Verordnung mit Inkrafttreten am 1. Januar 2013. Diese verpflichtet jeden Versicherer, bis Ende 2013 eine Datenannahmestelle einzurichten und sie gemäss Datenschutzgesetz zertifizieren zu lassen. Die Datenannahmestelle dient der Vorprüfung von Rechnungen und der Trennung von administrativen und medizinischen Daten zur Wahrung des Arztgeheimnisses. Im Herbst des Berichtsjahres überwies der Nationalrat ein Postulat seiner Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit, welches die Prüfung einer einzigen, neutralen Clearingstelle zum Datentransfer für alle Versicherer fordert
[39].
Die SGK der beiden Räte gaben einer parlamentarischen Initiative Maury Pasquier (sp, GE) Folge, welche eine
Gleichbehandlung der Versicherungsnehmerinnen bezüglich Kostenübernahme bei Mutterschaft fordert. Während nach bisheriger Rechtslage die Versicherten bei problemlosen Schwangerschaften und Geburten von einer Kostenbeteiligung befreit waren, galten Komplikationen als Krankheiten und wurden entsprechend verrechnet. Die Initiative fordert eine Ausdehnung der Kostenbefreiung auf alle mit einer Schwangerschaft und Geburt verbundenen Behandlungen. Zwar war eine diesbezügliche Änderung in der Managed Care-Vorlage enthalten gewesen, nach deren Ablehnung sollte aber eine eigenständige Lösung angestrebt werden
[40].
Der Ständerat überwies mit grosser Mehrheit eine Motion Meyer-Kaelin (cvp, FR), welche der Nationalrat bereits im Vorjahr angenommen hatte. Die Motion fordert vom Bundesrat,
Sehhilfen für Kinder bis zum 18. Lebensjahr wieder in die Mittel- und Gegenständeliste nach der Krankenpflege-Leistungsverordnung aufzunehmen, womit die Kosten wieder von der Grundversicherung getragen werden müssten
[41].
Der Nationalrat überwies diskussionslos eine Motion Fridez (sp, JU) zur Beratung an den Ständerat, welche eine Aufnahme der ärztlich verordneten
Leistungen von Podologinnen und Podologen für Diabeteskranke in den Leistungskatalog gemäss KGV fordert. Ziel der Motion ist eine verstärkte Prävention kostenintensiver Folgeerkrankungen aufgrund von Verletzungen der Füsse und deren verzögerter Heilung bei den betroffenen Patienten
[42].
Nach der Vernehmlassung im Vorjahr unterbreitete der Bundesrat dem Parlament einen Entwurf zur Änderung des Krankenversicherungsgesetzes zur
Korrektur der zwischen 1996 und 2011 bezahlten Prämien, der jedoch im Berichtsjahr noch nicht im Plenum debattiert wurde. Zudem kündigte Bundesrat Berset an, in Zukunft grosse Prämienunterschiede zwischen den Kantonen verhindern zu wollen. Im Zuge der Stärkung der Aufsicht über die obligatorische Krankenversicherung (siehe oben) soll das BAG die Möglichkeit erhalten, stark über den effektiven Kosten liegende Prämien nachträglich zu korrigieren.
[43]
Der Nationalrat hatte 2010 einer
Standesinitiative des Kantons Genf Folge gegeben, welche eine Änderung des Krankenversicherungsgesetzes verlangt, damit künftig die Reserven der Versicherer kantonal getrennt gebildet werden. Im Berichtsjahr beschloss der Ständerat eine Fristverlängerung bis zur Herbstsession 2014
[44].
Arbeitslosenversicherung
Vor dem Hintergrund der 2010 durch die Stimmbürgerschaft angenommenen 4. Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes und des immer noch hohen Defizits der Arbeitslosenversicherungskasse überwiesen die Räte im Berichtsjahr eine Motion der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) des Nationalrats, welche eine raschere Sanierung der Arbeitslosenversicherung durch
Ausdehnung des Solidaritätsprozents auch auf Jahreseinkommen über 315‘000 Franken anstrebt. Eine Minderheit Rime (svp, FR) hatte sich für eine Ablehnung der Motion eingesetzt, mit dem Argument, sie widerspreche dem in der Abstimmung ausgedrückten Volkswillen. Einer im Nationalrat parallel behandelten parlamentarischen Initiative Prelicz-Huber (gp, ZH), die eine Deplafonierung der Lohnbeiträge forderte, wurde dagegen keine Folge gegeben
[45].
Das im April des Vorjahres eingeführte
revidierte Arbeitslosenversicherungsgesetz zeigte im Berichtsjahr erstmals Wirkung. Gemäss Angaben des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco sparte der Bund in zwölf Monaten rund 350 Mio. Franken. Zudem blieb die Anzahl Arbeitsloser, die sich nach der Aussteuerung auf dem Sozialamt anmeldeten, geringer als erwartet
[46].
Weiterführende Literatur
Bollier, Gertrud, Leitfaden Schweizerische Sozialversicherung, Zürich 2012.
Bucher, Silvia, Eingliederungsrecht der Invalidenversicherung, Bern 2012.
Bundesamt für Sozialversicherungen, Taschenstatistik Sozialversicherungen der Schweiz, Bern 2012.
Cosandey, Jérôme / Bischofberger, Alois, Verjüngungskur für die Altersvorsorge: Vorschläge zur Reform der zweiten Säule, Zürich 2012.
Dumas, Brigitte, „Schweizerische Sozialversicherungen 2012: Neuerungen, Änderungen und laufende Reformen“, in Schweizerische Zeitschrift für Sozialversicherung und berufliche Vorsorge, 2012, S. 87-98.
ExpertInnengruppe der Schweizerischen Akademie für Geistes- und Sozialwissenschaften, Positionspapier zur zukünftigen Ausgestaltung der Sozialpolitik, Bern 2012.
Informationsstelle AHV/IV, Leitfaden 1. Säule: AHV, IV, EO, EL, FZ = Manuel 1er pilier: AVS, AI, APG, PC, AF, Zug 2012.
Kieser, Ueli, Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, Zürich 2012.
Kieser, Ueli, Leistungen der Sozialversicherung. Begriffe, Voraussetzungen, Checklisten, Zürich 2012.
Möckli, Silvano, Den schweizerischen Sozialstaat verstehen: Sozialgeschichte, Sozialphilosophie, Sozialpolitik, Zürich 2012.
Riemer-Kafka, Gabriela, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bern 2012.
Roth, Maik / Roth, Sacha, Entwicklung der Ausgaben der obligatorischen Krankenpflegeversicherung von 1998 bis 2010, Neuenburg 2012.
Wanner, Philippe, La situation économique des rentiers AI, Berne 2012.
Zohlnhöfer, Reimut et al., „Parteien und die Generosität der Altersrenten in Zeiten permanenter Austerität“, in Swiss Political Science Review, 2012, S. 28-53.
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[1] Po. 12.3244:
AB NR, 2012, S. 1211.
[2] Mo. 12.3753:
AB NR, 2012, S. 2249; BGE 8C_289/2012.
[4]
NZZ, 25.6.12;
NLZ, 12.12.12; Presse vom 22.11.12; vgl.
SPJ 2011, S. 307.
[5]
NZZ, 12.5. und 10.9.12;
TA, 17.11.12; vgl.
SPJ 2011, S. 307.
[6] Mo. 12.3046:
AB NR, 2012, S. 1208.
[7]
NZZ, 30.3. und 8.12.2012; vgl.
SPJ 2009, S. 216.
[8] Mo. 11.3357:
AB SR, 2012, S. 12; vgl.
SPJ 2011, S. 308; Abstimmung zur Komplementärmedizin vgl.
SPJ 2009, S. 203 f.
[9] Po. 12.3960:
AB NR, 2012, S. 2253; BGE 9C_790/2010.
[10]
TA, 28.2.12, Presse vom Januar und Februar 2012.
[11] BRG 11.030:
AB NR, 2012, S. 2160 ff.; vgl.
SPJ 2011, S. 308 ff.
[12] BRG 11.030:
AB NR, 2012, S. 708ff. und S. 1240;
AB SR, 2012, S. 397 und S. 641; vgl.
SPJ 2011, S. 310.
[13] BRG 11.030:
AB NR, 2012, S. 2160 ff; Presse vom 13.12.12; vgl.
SPJ 2011, S. 308 ff.
[14] Mo. 11.4034:
AB NR, 2011, S. 2033 f.;
AB SR, 2012, S. 397 f.; vgl.
SPJ 2011, S. 307.
[15] Po. 12.3602:
AB NR, 2012, S. 1795.
[16] Po. 12.3673:
AB SR, 2012; S. 1018. Po. 12.3677:
AB NR, 2012, S. 2252;
NZZ, 4.12.12.
[17] Pa.Iv. 08.478:
AB NR, 2012, S. 2244; vgl.
SPJ 2010, S. 244 f.
[18] Mo. 11.3281:
AB SR, 2012, S. 11; vgl.
SPJ 2011, S. 310.
[19] Po. 12.3731:
AB NR, 2012, S. 2253.
[20] Po. 12.3811:
AB NR, 2012, S. 2253.
[21] Po. 12.3318:
AB SR, 2012, S. 398.
[22]
TA, 20.3.12;
BAZ, 3.4.12.
[23] BRG 12.027:
BBI, 2012, S. 1941 ff.; Presse vom 17.2.12.
[24] BRG 12.052:
BBI, 2012, S. 5409 ff.; vgl.
SPJ 2011, S. 311.
[25] Po. 12.3087:
AB NR, 2012, S. 1210.
[26]
BBI, 2012, S. 6631 f.;
NZZ, 23.5., 28.8. und 4.9.12;
TA, 28.8. und 15.12.12;
BAZ, 11.10.12; vgl.
SPJ 2011, S. 312; Mo. 12.4277:
AB SR, 2013, S. 218 ff.
[27] Po. 12.3363:
AB NR, 2012, S. 1794.
[28] Mo. 12.3609:
AB NR, 2012, S. 1792.
[29]
BBI, 2012, S. 7877 ff.
[30] Presse vom 28.7.12;
SGT, 28.9.12;
BAZ, 11.10.12.
[31] Mo. 12.3600:
AB NR, 2012, S. 1792.
[32]
NZZ, 22.6.12;
BAZ, 3.9.12;
LT, 25.9.12. Mo. 12.3839:
AB NR, 2012, S. 2250.
[33]
TA, 27.10.2012; SoZ, 28.10.2012.
[34] Kt.Iv. 11.309:
AB SR, 2012, S. 18f.;
AB NR, 2012, S. 2242; vgl.
SPJ 2011, S. 312.
[35] Medienmitteilung BK vom 16.2.12;
NZZ, 20.1.12; vgl.
SPJ 2011, S. 312 ff.
[36]
NZZ, 20.1., 31.3., 2.4. und 5.6.12;
24h, 23.3.12;
LT, 7.5.12;
TA, 8.5. und 18.6.2012;
AZ, 12.5.12;
NLZ, 24.5.12.
[37] Milic, Thomas / Vatter, Adrian,
Vox – Analyse der eidgenössischen Abstimmungen vom 17. Juni 2012, Bern 2012.
[38]
NZZ, 11.2.12; vgl.
SPJ 2011, S. 315.
[39]
AB NR, 2012, S. 1378 f.; SR 832.102.
[40] Pa.Iv. 11.494: Medienmitteilung SGK-S vom 16.11.12.
[41] Mo. 10.3953:
AB SR, 2012, S. 9 f.; vgl.
APS 2012, S. 316.
[42] Mo. 12.3111:
AB NR, 2012, S. 1791.
[43] BRG 12.026:
BBI, 2012, S. 1923; BAZ, 17.2.12; vgl. SPJ 2011, S. 317.
[44] Pa.Iv. 09.319:
AB SR, 2012, S. 905 f.; vgl.
SPJ 2010, S. 245 f.
[45] Mo. 11.3755:
AB NR, 2012, S. 390 ff.;
AB SR, 2012, S. 882 f.; vgl.
SPJ 2010, S. 251 ff. Pa. Iv. 10.491:
AB NR, 2012, S. 390 ff.
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