Ein besonderes Problem bildeten die Flüchtlinge vor dem Terror in Algerien. Da die Gewalt nicht primär von der Regierung ausgeht und auch keine bürgerkriegsähnlichen Zustände herrschen, wird auf die Asylgesuche von algerischen Staatsangehörigen nur vereinzelt eingetreten und bleiben die Rückschaffungen möglich. Das führte verschiedentlich zu dramatischen Ereignissen im Ausschaffungsgefängnis Kloten; um sich der Rückschaffung zu entziehen, verletzten sich mehrere Algerier schwer. Diese Vorkommnisse wiesen auch auf eine unklare Kompetenzordnung bei den Ausschaffungen hin. Im Sommer appellierte die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) an den Bundesrat, keine Rückschaffungen nach Algerien mehr vorzunehmen, da dort bestimmte Kategorien der Bevölkerung gezielt einer besonderen Gefährdung ausgesetzt seien, und Menschenrechtsverletzungen verschiedenster Art von allen in den Konflikt involvierten Kreisen – also auch vom Staat – begangen würden. Im Herbst schlossen sich die Landeskirchen diesem Appell an. Der Bundesrat zeigte sich daraufhin bereit, seine Politik gegenüber den Terrorflüchtlingen aus Algerien neu zu überdenken. Insbesondere erklärte er sich bereit, die potentiellen Opfer der islamistischen Bewegung, welche aus der besonders gefährdeten Gegend von Alger stammen, besser zu schützen. Als erster Kanton beschloss Zug, keine Wegweisungen von Algeriern mehr zu vollziehen. Seit 1992 zählt Algerien in den Augen des Bundesrates nicht mehr zu den «safe countries», weshalb die Gesuche der Algerier im normalen Individualverfahren geprüft werden. Von den 304 Personen, deren Asylgesuch bis Mitte September behandelt wurde, wurden lediglich sechs als Flüchtlinge anerkannt und 27 vorläufig angenommen. Paradoxerweise führte die Handhabung des Flüchtlingsbegriffs durch die Schweizer Behörden dazu, dass – wenn überhaupt – eher Anhänger der Islamischen Heilsfront FIS als Flüchtlinge anerkannt wurden, weil sie aufgrund ihrer Aktivitäten von den staatlichen Gewalten verfolgt werden.
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- Datum
- 29. Dezember 1997
- Prozesstyp
- Verwaltungsakt
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- Quellen
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- AB NR, 1997 S. 2339 f.
- AB NR, 1997, S. 2932 f.
- TA, 19.4., 7.6. und 6.10.97; NZZ, 4.8. und 17.9.97; WoZ, 15.8.97; Presse vom 3.9., 4.9. und 25.9.97; 24 Heures, 8.9. und 26.9.97; NQ, 2.10.97; NLZ, 17.10.97; Lib., 29.12.97.
von Marianne Benteli
Aktualisiert am 07.02.2025
Aktualisiert am 07.02.2025