Nicht weniger stürmisch als im Kanton Freiburg ging es im Kanton Graubünden zu und her, wo die Einführung des «Rumantsch Grischun» (RG), das gemäss einer SRG-Umfrage von 73.7 Prozent der Rätoromanen verstanden wird, immer mehr zu einer Art Glaubenskrieg eskalierte. Die Gegner der Kunstsprache lehnen das RG als plakative Schriftsprache nicht grundsätzlich ab, prophezeien aber, dass dessen zu extensiver Gebrauch – beispielsweise in einer Zeitung oder in Schulbüchern – für die historisch und harmonisch gewachsenen Idiome das Ende bedeuten werde. Während bisher die Diskussionen zwar emotional, aber durchwegs korrekt geführt worden waren, schlugen die Gegner nun plötzlich neue und schrille Töne an: Von Genozid war die Rede, von Sprachimperialismus und von Nazimethoden. In einer Resolution verlangten sie ein mehrjähriges Moratorium sowie eine genaue und verbindliche Definition für das RG in allen seinen Anwendungen. Diese Opposition veranlasste auch die Befürworter des RG zu gesteigerter Aktivität. Mehrere namhafte Rätoromanen publizierten ein «Romanisches Manifest», in welchem sie dafür plädierten, dem RG eine Chance einzuräumen. Das Manifest wurde innert weniger Wochen von mehr als 1'000 Personen mitunterzeichnet. Zur Förderung des RG wurde der Verein «Uniun rumantsch grischun» (URG) gegründet.

Schützenhilfe erhielt das RG aber auch weiterhin vom Bund: Anfangs Jahr wurden in Chur die erstmals auch in RG ausgestellten Schweizer Pässe vorgestellt, in welchen die allgemeinen Angaben in den vier Landessprachen und in Englisch figurieren und die persönlichen Eintragungen für Einwohner des Kantons Graubünden auf Wunsch in RG vorgenommen werden können. Derart unterstützt beschloss die Lia Rumantscha (LR), das kulturelle und sprachliche Dachorgan der Rätoromanen, den Versuch mit RG um weitere drei Jahre zu verlängern. Die prekäre Finazlage führte die LR aber auch dazu, die Vorarbeiten für die geplante Zeitung «Quotidiana» zurückzustellen.