Zuletzt aktualisiert: 17.07.2017, 16:53 Uhr

Dossier: Fünfte IV-Revision (2004-2009) Als PDF speichern

IV-Zusatzfinanzierung (BRG 05.053)

Ende Juni verabschiedete der Bundesrat seine Botschaft zur 5. IV-Revision und zur Zusatzfinanzierung der stark defizitären IV. Er beschloss dabei, die Massnahmen zur frühzeitigen Wiedereingliederung in den Erwerbsprozess weiter zu intensivieren. Komplementär zu diesem Ausbau des Hilfsangebots der IV, und um die Wirksamkeit dieser präventiven Instrumente zu optimieren, soll der Zugang zur IV-Rente an strengere Bedingungen geknüpft werden. Statt der in der Vernehmlassungsvorlage angestrebten Reduktion der jährlichen Neurenten um 10% visiert der Bundesrat nun eine Verringerung um 20% an. Nach seiner Auffassung ist für eine rasche Sanierung der IV eine Zusatzfinanzierung unabdingbar, wofür er die MWSt um 0,8 Prozentpunkte anzuheben gedenkt; in der Vernehmlassung war der Erhöhung der MWSt klar der Vorzug gegenüber einer Erhöhung der Lohnbeiträge gegeben worden; allerdings hatten etliche Stellungnahmen insbesondere aus Wirtschaftskreisen und von den bürgerlichen Parteien betont, dass über die Zusatzfinanzierung nur in Kenntnis der effektiv zu erwartenden Entlastungswirkung der 5. IV-Revision befunden werden soll.

Gegenüber der Referenzbasis 2003 (Beginn des IV-Monitorings) gingen die Neurenten bis Ende 2005 um rund 18% zurück; für die Finanzen der IV wird sich das allerdings erst mittelfristig auswirken. Diskussionslos nahm auch der Nationalrat eine Motion (04.3201) des Ständerats an, welche eine frühzeitige Invaliditätsvorbeugung verlangt.

Auch wenn die bei der 5. IV-Revision beschlossenen Massnahmen ausgabenseitig zu einer finanziellen Entlastung der Gesamtrechnung führen werden, genügen sie doch nicht, das seit Jahren anhaltende Defizit auszugleichen und die beim AHV-Fonds aufgelaufenen Schulden zu tilgen. Aus diesem Grund hatte der Bundesrat dem Parlament eine Paketlösung vorgeschlagen. Diese sah erstens eine materielle Revision des IV-Gesetzes (IVG) vor, die 2006 von den Räten verabschiedet, und vom Volk nach einem Referendum 2007 gutgeheissen worden war. Zweitens hatte die Regierung eine Erhöhung der Lohnprozente um 0,1 Prozentpunkte auf 1,5% beantragt. Zur längerfristigen Sanierung der IV-Rechnung schlug der Bundesrat zudem in einer Zusatzbotschaft vor, den Mehrwertsteuersatz (MWSt) um linear 0,8 Prozentpunkte anzuheben. Gegen den Widerstand des links-grünen Lagers hatten die Räte im Vorjahr das Paket aufgebrochen und beschlossen, sämtliche Finanzierungsbeschlüsse separat zu behandeln.

In der Frühjahrssession scheiterte die Zusatzfinanzierung vorerst im Nationalrat, der in der Gesamtabstimmung die beiden Vorlagen mit 100 zu 77 resp. mit 93 zu 85 Stimmen ablehnte. Dieser Absturz war das Ergebnis taktischer Überlegungen, bei denen die SVP die Hauptrolle spielte. Sie opponierte von Anbeginn weg jeder Zusatzfinanzierung und erreichte mit gezielten Stimmenthaltungen, dass das von der Kommission in Abweichung zum Bundesrat ausgearbeitete Finanzierungskonzept am Ende derart widersprüchlich war, dass es auch von der FDP und der CVP abgelehnt wurde. Die Kommission hatte vorgeschlagen, die Erhöhung der MWSt auf sieben Jahre zu befristen und von der Bedingung abhängig zu machen, dass die materielle 5. IV-Revision in der Volksabstimmung angenommen werde, ein Junktim, welches die Linke erfolglos als „erpresserisch“ anprangerte. Nicht durchsetzen konnte sich das linke Lager auch mit der Forderung, lediglich die Lohnprozente, nicht aber die MWSt anzuheben, um die unteren Einkommen tendenziell zu entlasten und eine obligatorische Volksabstimmung über die Veränderung des Mehrwertsteuersatzes mit ungewissem Ausgang zu vermeiden. Die bürgerliche Mehrheit hielt dem entgegen, eine damit herbeigeführte Verteuerung der Arbeitskosten könnte das Wirtschaftswachstum und die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz gefährden. Ganz knapp unterlag die SP ebenfalls mit ihrem Antrag, dass der Bund ab 2008 im Rahmen einer Sonderfinanzierung nicht nur die Zinsen der aufgelaufenen IV-Schulden von knapp CHF 10 Mrd. übernehmen, wie dies die Ratsmehrheit wollte, sondern die Schulden selber abtragen soll.

Durchsetzen konnte sich das links-grüne Lager aber in einem anderen zentralen Punkt. Unter Mithilfe der rein taktisch agierenden SVP gelang es ihm, die Befristung zu streichen und aus der siebenjährigen MWSt-Erhöhung eine dauerhafte zu machen. Dieser Entscheid liess die Wogen hoch gehen. Die FDP und die CVP warnten vergebens davor, dass die Finanzierung nun nicht mehr mehrheitsfähig und die Volksabstimmung kaum zu gewinnen sei. FDP-Parteipräsident Pelli (TI) ging insbesondere mit der SVP hart ins Gericht. Er beschuldigte sie, die Vorlage zu pervertieren und gleich wie die SP primär Wahlkampf zu betreiben. Die SVP nahm die Vorwürfe gelassen und erklärte, sie werde so oder so jede Zusatzfinanzierung ablehnen; notwendig seien vielmehr weitere ausgabenseitige Massnahmen. In der Gesamtabstimmung votierten schliesslich nur noch die Grünen und die SP für diese unbefristete Zusatzfinanzierung. FDP und CVP liessen sie ohne Bedenken abstürzen, in der Hoffnung, dass der Ständerat das Projekt in ihrem Sinn wieder aufgleisen werde.

Dies tat die zuständige Kommission des Ständerates denn auch im Lauf des Sommers. Sie begnügte sich nicht damit, einfach die gescheiterte MWSt-Erhöhung wieder aufs Tapet zu bringen, sondern strebte nach einem nachhaltigen Sanierungsmodell für die angeschlagene IV. Ihre Ausgangslage war insofern etwas günstiger, als zwischenzeitlich die materiellen Revisionspunkte der 5. IV-Revision in der Volksabstimmung recht deutlich angenommen worden waren. Ihr Lösungsvorschlag wurde sowohl im Plenum als auch von Bundesrat Couchepin mit viel Lob bedacht und von allen politischen Parteien oppositionslos übernommen. Das Modell sieht vor, die MWSt für die Dauer von sieben Jahren zu erhöhen: Den Normalsatz um 0,5 Prozentpunkte auf 8,1%, den reduzierten Satz und den Hotellerie-Satz um je 0,2 Prozentpunkte auf 2,6 bzw. 3,8%. Mit diesen neuen Einnahmen soll das jährliche Defizit von CHF 1,5 bis 1,8 Mrd. gedeckt werden, das die IV voraussichtlich auch nach Inkrafttreten der 5. IV-Revision schreiben wird. Die Steuererhöhung, die Volk und Ständen vorgelegt werden muss und schätzungsweise 2010 wirksam werden könnte, soll mit einer Verselbständigung des IV-Fonds verknüpft werden. Heute werden die Schulden der IV über den gemeinsamen Ausgleichsfonds von AHV, IV und EO finanziert. Der neu zu schaffende IV-Ausgleichsfonds soll von der AHV eine Starthilfe von CHF 5 Mrd. erhalten. Entgegen früheren Plänen werden die IV-Schulden nicht abgeschrieben, obgleich niemand realistischerweise mit einer Rückzahlung rechnet, sondern bleiben bestehen und müssen zu Gunsten der AHV verzinst werden; zwei Drittel der Zinszahlungen übernimmt der Bund, ein Drittel die IV. In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat beide Vorlagen einstimmig an.

Der Nationalrat startete die Diskussion um den Entscheid des Ständerates vom Vorjahr über die Schaffung eines unabhängigen IV-Fonds mit der Ablehnung eines Minderheitsantrages Maurer (svp, ZH), der die Vorlage an den Bundesrat zurückweisen wollte, mit dem Auftrag, einen Entwurf auszuarbeiten, welcher einen selbständigen IV-Fonds und EO-Fonds errichtet, hierfür aber keine Mittel aus dem AHV-Fonds verwendet und keine Anpassung der Mehrwertsteuersätze vorsieht. Ebenfalls abgelehnt wurde ein Minderheitsantrag Rechsteiner (sp, SG), der verlangte, dass der Bund einen Sonderbeitrag von CHF 5 Mrd. an die Entschuldung der IV leisten soll. Zwei Minderheitsanträge waren in Bezug auf Artikel 2 zu klären. Eine Minderheit Bortoluzzi (svp, ZH) forderte, dass der Bund dem Ausgleichsfonds der IV CHF 5 Mrd. als ordentliche Ausgabe aus dem Staatshaushalt überweise. Die Kommission des Nationalrates schlug vor, die Version des Ständerates zu übernehmen, mit der Ausnahme, dass die 5 Mrd. aus dem AHV-Fonds als verzinsliches Darlehen an den IV-Ausgleichsfonds überwiesen werden sollen. Der Nationalrat folgte in dieser Frage seiner Kommission. In Bezug auf die Übernahme des Zinsaufwandes folgte der Nationalrat ebenfalls seiner Kommission und beschloss, dass der Bund nicht wie vom Ständerat beschlossen vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2016 nur zwei Drittel des jährlichen Zinsaufwandes auf dem IV-Verlustvortrag übernimmt, sondern für den gesamten Zinsaufwand aufkommt. Gegen den Willen des links-grünen Lagers präzisierte der Nationalrat, dass die 6. IV-Revision neben anderen Vorschlägen auch eine ausgabenseitige Sanierung der IV beinhalten müsse. In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat die Vorlage mit 123 zu 54 Stimmen an. Die Opposition kam von Seiten der SVP.

Die Massnahmen der 5. IV-Revision, welche letztes Jahr nach einem Referendum vom Volk gutgeheissen worden waren, reichen nicht aus, um die IV und deren finanzielle Defizite zu sanieren. Da weitere Spar- und Entlastungsmassnahmen politisch nicht realisierbar und sozial nicht vertretbar waren, erachtete es der Bundesrat als unerlässlich, zusätzliche Einnahmequellen für die IV zu erschliessen. Er schlug daher eine Erhöhung der Lohnprozente um 0,1 Prozentpunkte auf 1,5% vor und zur längerfristigen Sanierung der IV die Anhebung des Mehrwertsteuersatzes um linear 0,8%. Gegen den Widerstand des links-grünen Lagers hatten die Räte 2006 beschlossen, das Paket aufzubrechen und die Finanzierungsbeschlüsse separat von der 5. IV-Revision zu behandeln.

Nachdem der Bundesbeschluss über die Zusatzfinanzierung durch Anhebung des Mehrwertsteuersatzes im März 2007 vom Nationalrat abgelehnt worden war, fand im Berichtsjahr erneut eine Eintretensdebatte in Bezug auf den Vorschlag des Ständerates und dessen Kommission statt. Eine Minderheit Borer (svp, SO) wollte nicht auf den Beschluss eintreten mit der Begründung, dass der Druck auf die Verwaltung aufrechterhalten werden müsse, damit die bereits vorgesehenen Massnahmen effizient umgesetzt werden. Die Mehrheit des Nationalrates war aber der Meinung, dass eine Zusatzfinanzierung notwendig sei und beschloss schliesslich mit 122 zu 64 Stimmen bei 3 Enthaltungen und der Unterstützung aller Fraktionen ausser der SVP das Eintreten. Bei Artikel 196 über die befristete proportionale Mehrwertsteuererhöhung schuf der Nationalrat eine wesentliche Differenz zum Ständerat. Eine Minderheit Schenker (sp, BS) sprach sich für eine befristete proportionale Mehrwertsteuererhöhung aus, sah jedoch eine Anhebung des Normalsatzes um 0,7% statt der vom Ständerat angenommenen 0,5% vor. Diesen Antrag lehnte der Nationalrat mit 59 zu 123 Stimmen ab. Ein weiterer Minderheitsantrag Triponez (fdp, BE) sprach sich in Bezug auf die Höhe des Normalsatzes für 0,4% aus. Diesen von der SVP, der FDP und einer Minderheit der CVP-Fraktion unterstützten Antrag nahm die grosse Kammer mit 95 zu 86 Stimmen an. Die Vorlage passierte die Gesamtabstimmung mit 108 zu 45 Stimmen.

Der Ständerat hielt bei Artikel 196 an einer proportionalen Erhöhung der MWSt fest, allerdings wollte er sie nicht ganz so stark anheben, wie er noch im Dezember 2007 beschlossen hatte. Er folgte dem Antrag seiner Kommission, den Normalsatz um 0,4 auf 8%, den reduzierten Satz um 0,1 auf 2,5% und den Sondersatz für Beherbergungsleistungen um 0,2 auf 3,8% zu erhöhen. Die Minderheitsanträge Fetz (sp, BS), welcher am früheren Beschluss des Ständerates festhalten wollte und Hess (fdp, OW), welcher dem Beschluss der linearen Erhöhung des Nationalrates folgen wollte, lehnte der Ständerat beide ab. Ausserdem formulierte er den Absatz 3 von Artikel 196 neu, um die Vorlage mit der Schaffung eines IV-Fonds zu verknüpfen. Nach der neuen Formulierung kommt die befristete Mehrwertsteuererhöhung nur dann zur Anwendung, wenn ein selbständiger IV-Fonds geschaffen wird, also wenn das Bundesgesetz zur Sanierung der IV in Kraft tritt. Der Nationalrat folgte daraufhin diskussionslos den Beschlüssen des Ständerates. In der Schlussabstimmung nahm der Ständerat die Vorlage mit 39 zu 2 Stimmen und der Nationalrat mit 126 zu 58 Stimmen an.

In der Differenzbereinigung ging es vor allem darum, ob der Beitrag von CHF 5 Mrd. gemäss der Variante des Nationalrates als verzinsliches Darlehen oder wie vom Ständerat gefordert als einmalige à-fonds-perdu Zahlung erfolgen sollte. Der Ständerat sprach sich dafür aus, dass im Gegenzug zu der einmaligen Zahlung Artikel 2 so zu ändern sei, dass zwecks Abbaus der IV-Schuld der Betrag, der über das Startkapital von CHF 5 Mrd. hinausgeht, während des Zeitraums der befristeten Mehrwertsteuererhöhung jährlich an den AHV-Ausgleichsfonds überwiesen wird. Da sich die beiden Kammern nicht einigen konnten, wurde eine Einigungskonferenz einberufen, welche das Modell des Ständerates befürwortete. Sowohl der Ständerat als auch der Nationalrat folgten anschliessend den Anträgen der Einigungskonferenz. Der Nationalrat nahm das Bundesgesetz zur Sanierung der IV mit 133 zu 57 Stimmen an und der Ständerat tat dies einstimmig.

Die auf Mai angesetzte Volksabstimmung zur IV, bei der es darum ging, dass zur Sanierung der IV Geld aus dem Topf der Mehrwertsteuer hätte bezogen werden sollen, wurde aus konjunkturpolitischen Gründen vom Bundesrat verschoben. Der Bundesrat hatte befürchtet, dass das Volk die Mehrwertsteuererhöhung für die IV wegen der schlechten Wirtschaftslage ablehnen würde und gab daher dem Parlament die Möglichkeit, den verabschiedeten Bundesbeschluss abzuändern. Parteien und Verbände reagierten mehrheitlich mit Verständnis auf die Verschiebung der Abstimmung, kritisierten aber, dass der Bundesrat keinen konkreten Änderungsvorschlag gemacht hatte. Dieses Vorgehen des Bundesrates war ungewöhnlich und kam in der Vergangenheit höchst selten vor. Der Bundesrat begründete seinen Entscheid damit, dass die Unterstützung von Wirtschaft und Parteien für die Vorlage am Schwinden war.

Zwar stimmte eine klare Mehrheit von 54,5% für die Vorlage. Das erforderliche Ständemehr wurde jedoch nur mit dem knappest möglichen Ergebnis (12 zu 11 Stände) erreicht. Dabei zeigte sich ein aus sozialpolitischen Abstimmungen bekannter Graben: Die Westschweiz und die urbanen Kantone der Deutschschweiz stimmten für den Bundesbeschluss, die ländlichen Kantone der Ostschweiz und der Innerschweiz hingegen verwarfen die Vorlage überwiegend. Am klarsten abgelehnt wurde die Zusatzfinanzierung der IV in Appenzell Innerrhoden, Thurgau und Schwyz. Die meisten Befürworter fanden sich in den Kantonen Genf, Jura und Neuenburg mit jeweils mehr als 60% Ja-Stimmen. Die VOX-Analyse ergab, dass das Stimmverhalten insgesamt stark von politischen Variablen geprägt war. Gesellschaftliche Gruppenmerkmale spielten hingegen keine grosse Rolle. Entscheidend war insbesondere die Einordnung in das politische Spektrum. Wer sich Links oder in der Mitte einstufte nahm die Vorlage meist an, wer sich Rechtsaussen einstufte, lehnte die Vorlage mit grosser Wahrscheinlichkeit ab. Eindrucksvoll war die Parolenkonformität im Stimmverhalten der Parteianhänger.


Abstimmung vom 27. September 2009

Beteiligung: 40,8%
Ja: 1 112 818 (54,6%) / Stände: 11 2/2
Nein: 926 730 (45,4%) / Stände: 9 4/2

Parolen:
– Ja: FDP, CVP, SP, EVP, CSP, GP, GLP, BDP; eco, SGV, SBV, SGB, TravS.
– Nein: SVP, SD, EDU, FP, Lega.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Das Volk stimmte mit einer Mehrheit von 54,5% für die Annahme des Bundesbeschlusses über eine befristete Zusatzfinanzierung der IV durch Anhebung der Mehrwertsteuersätze. Unterstützung fand die Vorlage bei der Linken, bei den meisten bürgerlichen Parteien und auch bei den grossen Wirtschaftsverbänden. Für die Befürworter stand vor allem die Sanierung der IV im Zentrum. Viele von ihnen hielten die Zusatzfinanzierung für unvermeidbar und gaben als Hauptmotiv an, dass man, wolle man die IV sanieren, letztlich keine andere Wahl hätte als die Zusatzfinanzierung anzunehmen. Zu den Gegnern der Vorlage gehörten die SVP und die kleineren Rechtsparteien. Sie waren der Meinung, dass man einzig mit einer resoluten Missbrauchsbekämpfung den Schuldenberg der IV abtragen könne. Ausserdem bezweifelten viele, dass es bei einer befristeten Erhöhung der Mehrwertsteuer bleiben würde und befürchteten, dass diese einen permanenten Charakter erhalten könnte.

Das Volk bestätigt die 5. IV-Revision an der Urne (BRG 05.052)

Der Nationalrat behandelte als Erstrat die neue IV-Revision in seiner Frühjahrssession. Angesichts des von allen Rednern und Rednerinnen anerkannten Revisionsbedarfs bei der IV fand der Antrag Huguenin (pda, VD), nicht auf die Vorlage einzutreten oder sie an den Bundesrat zurückzuweisen, kein grosses Echo; mit 167 zu 3 Stimmen wurde Eintreten beschlossen. Während der Rat sich über die Reform im Grundsatz einig war, gingen die Meinungen in Bezug auf die Mittel beträchtlich auseinander. In den meisten Fällen nahm der Nationalrat an der Vorlage des Bundesrates aber nur geringfügige Änderungen vor.

Gleich zu Beginn der Detailberatung wurde auf Antrag der Kommission diskussionslos beschlossen, die Vorlage über die Zusatzfinanzierung abzuspalten und zu einem späteren Zeitpunkt zu behandeln. Bei den Bestimmungen über die Früherfassung einigte sich der Rat auf das Prinzip, die verschiedenen Akteure nicht zur Meldung zu verpflichten. Wie von der Kommissionsmehrheit empfohlen, strich der Rat mit 102 zu 76 Stimmen den Vorschlag des Bundesrates, wonach ein Arzt der IV beim behandelnden Arzt die notwendigen Auskünfte der versicherten Person ohne deren Einwilligung einholen kann.

Immer nach dem Prinzip, dass Eingliederung vor Rente kommen muss, distanzierte sich die grosse Kammer auf Antrag ihrer Kommission vom Entwurf des Bundesrates, wonach die medizinischen Massnahmen im Rahmen der beruflichen Eingliederung aus dem IV-Gesetz auszulagern seien. Mit dem Argument, das Fundament für eine erfolgreiche Integration ins Erwerbsleben werde schon im Kindes- und Jugendalter gelegt, votierte sie mit 106 zu 71 Stimmen, dass die IV weiterhin bis zum 20. Altersjahr des Versicherten dafür aufkommen muss. Bei der FDP-Fraktion war man sich in dieser Frage nicht einig, immerhin die Hälfte unterstützte den Vorschlag des Bundesrates.

Als vorrangiges Ziel für bereits im Arbeitsprozess stehende Personen wurde deren Verbleib im Betrieb postuliert. Intensive Debatten wurden dabei zur Frage der Verpflichtung der Arbeitgeber geführt. Ein Antrag aus der SP, wonach ein Unternehmen alles daran setzen muss, um den Arbeitsplatz neben dem Gesundheitszustand auch dem Alter oder den persönlichen Verhältnissen der versicherten Person anzupassen, wurde nach regen Diskussionen mit 110 zu 62 Stimmen abgelehnt. Generell gab der Rat bei der Förderung der Eingliederung finanziellen Anreizen den Vorzug gegenüber Zwangsmassnahmen. So führte er auf Antrag der Kommission eine Gewährung von Einarbeitungszuschüssen während 180 Tagen ein, bei welchen die IV zur Lohnergänzung weiterhin ihre Taggelder entrichtet und die Arbeitnehmerbeiträge an die Sozialversicherungen übernimmt; ein Antrag Robbiani (cvp, TI), der mit Unterstützung aus der SP und der GP verlangte, diese Einarbeitungshilfen seien auf ein Jahr auszudehnen, wurde mit 93 zu 71 Stimmen verworfen. Mit dem Argument, Quotenarbeitsplätze könnten kontraproduktive Auswirkungen haben, lehnte der Rat mit 109 zu 63 Stimmen auch einen Antrag aus dem links-grünen Lager ab, die privaten und öffentlichen Arbeitgeber mit mehr als 100 Mitarbeitenden zu verpflichten, in ihren Betrieben einen bestimmten Anteil behinderter Personen (mindestens 1%) zu beschäftigen; ebenso verwarf er jegliche Quotenverpflichtung (mindestens 4%) für den Bund als Arbeitgeber sowie für Unternehmen mit öffentlichem Auftrag. Eine Mehrheit der Kommission wollte in den Übergangsbestimmungen gleichwohl eine zwingende Bestimmung einführen für den Fall, dass vier Jahre nach Annahme der Revision die Invalidenquote immer noch über 4,5% liegen sollte, doch lehnte der Rat auch diesen Antrag mit 92 zu 78 Stimmen ab.

Lange wurde über die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug einer IV-Rente diskutiert. Der Bundesrat beantragte, dass der Anspruch erst entsteht, wenn sämtliche Eingliederungsmassnahmen und medizinischen Behandlungen sich als erfolglos erwiesen haben. Das links-grüne Lager bezeichnete die Bestimmung als eigentlichen Stolperstein des gesamten Entwurfs und kritisierte, damit würden Versicherte mit schwankenden Krankheitsverläufen wie etwa psychische Erkrankungen oder schubartig auftretenden wie etwa Multiple Sklerose in einem Schwebezustand gehalten und in andere Sozialversicherungsgefässe abgeschoben. Wenn aus medizinischen Gründen keine Eingliederungsmassnahmen möglich seien, würden die Betroffenen zwischen Stuhl und Bank fallen, da dann keine Taggelder der IV flössen und die meisten Arbeitnehmer nur über zeitlich beschränkte Lohnfortzahlungen und ein Teil auch über keine Taggeldversicherung verfügten. Die Mehrheit machte geltend, die Kommission habe bereits den rechtlich unklaren Begriff der „vermeintlichen“ Verbesserung der zukünftigen Erwerbsfähigkeit ausgemerzt. Es gehe hier aber um einen Paradigmenwechsel, im Vordergrund stehe nicht mehr der Nachweis von Defiziten, damit daraus eine Rente resultiert, sondern von Restmöglichkeiten, damit die Eingliederung möglichst optimal ist. Gegen die geschlossene Opposition von SP und GP sprach sich der Rat mit 110 zu 62 Stimmen für die Version der Kommission aus.

Ebenfalls hatte das links-grüne Lager keine Chance mit seinen Anträgen, den Zugang zu einer IV-Rente wie bisher nach bereits einem Jahr der Beitragszahlung anstatt wie neu vorgeschlagen erst nach drei Jahren zu gewähren und den so genannten Karrierezuschlag beizubehalten. Im Namen dieser Minderheit machte Teuscher (gp, BE) geltend, die Verlängerung der Beitragszeit führe nur zu minimalen Einsparungen (rund CHF 1 Mio. pro Jahr), erhöhe aber den administrativen Aufwand um rund CHF 1,5 Mio. Im Namen einer Minderheit II schlug Schenker (sp, BS) vor, den Karrierezuschlag, der ja nur die Lohnentwicklung vollziehe, die ein nicht behinderter Mensch im Lauf seines Erwerbslebens in den meisten Fällen erreiche, zwar aus Gründen der Einsparung nicht wie bis anhin jährlich, sondern nur stufenweise zu gewähren, wie dies auch die Eidg. AHV/IV-Kommission suggeriert habe. Die Vertreter der bürgerlichen Parteien bekämpften beide Anträge mit dem Argument, heute sei eben nicht mehr finanzierbar, was allenfalls wünschbar wäre; die überschuldete IV müsse dringend Abstriche bei den Leistungen machen. Die Verlängerung der Beitragszeit wurde mit 105 zu 65 Stimmen angenommen, die Aufhebung des Karrierezuschlags mit 110 zu 64.

In der Folge der Diskussionen ging es dann um eher nebensächliche Fragen. Eine von Wehrli (cvp, SZ) angeführte Minderheit beantragte, Rentenauszahlungen an Personen im Ausland an die dortige Kaufkraft anzupassen. Entgegen dem Bundesrat und der Kommissionsmehrheit hiess der Nationalrat diese Bestimmung gut.

Im Ständerat anerkannten die Vertreterinnen und Vertreter aller Parteien den Revisionsbedarf bei der Invalidenverischerung, wenn auch ebenfalls mit gewissen Vorbehalten in Bezug auf die Mittel. Insbesondere Vertreter der SP bemängelten den ihrer Ansicht nach ungenügenden Einbezug der Arbeitgeber sowie den Aufschub der Zusatzfinanzierung. In dieser Frage zeigte sich die CVP gespalten. Stähelin (TG) erinnerte an das Scheitern der „Paketlösung" in der Volksabstimmung 2004, weshalb er die Aufteilung begrüsste; Schwaller (FR) bedauerte sie und verlangte, dass die Zusatzfinanzierung umgebend an die Hand genommen werde. Eintreten wurde ohne Gegenstimme beschlossen.

In den grundsätzlichen Punkten der Revision wich die kleine Kammer kaum vom Nationalrat ab. So sprach sie sich mit 23 zu 11 Stimmen wie der Nationalrat für den Verzicht auf die Zusatzrenten für heutige oder künftige Ehegatten von IV-Empfängern aus und strich den Karrierezuschlag mit 21 zu 7 Stimmen. Vergeblich mahnte Ory (NE) als Vertreterin der SP, diese Massnahmen würden zu einer Verschiebung in die EL und damit zu einer Verlagerung der Kosten vom Bund auf die Kantone führen.

Der Ständerat schuf allerdings einige Differenzen zum Erstrat. In einem von der Kommission beantragten neuen Artikel präzisiert er, dass der Arbeitgeber aktiv mit der IV-Stelle zusammenarbeiten und bei der Herbeiführung einer angemessenen Lösung mitwirken muss. Zudem stimmte er mit 20 zu 15 Stimmen einem Antrag von Vertretern und Vertreterinnen von SP und CVP zu, wonach die Versicherung dem Arbeitgeber, der einen in seiner Arbeitskraft eingeschränkten Arbeitnehmer weiterbeschäftigt, einen Beitrag leisten kann. Die Gegner dieser Bestimmung, darunter Bundesrat Couchepin, wiesen vergeblich auf die nachteiligen Folgen hin, die diese Regelung mit sich bringen könnte, nämlich hohe Kosten sowie die künstliche Erhaltung des Arbeitsplatzes anstatt die Integration mit entsprechenden Eingliederungsmassnahmen. Die Befürworter argumentierten demgegenüber, die Unterbringung von Invaliden in speziell dafür eingerichteten Werkstätten würde ebenfalls bedeutende Kosten verursachen und nur in den seltensten Fällen zu einer Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt führen. Die im Nationalrat ohne weitere Diskussion angenommene Kapitalhilfe wurde diskussionslos gestrichen, da es nicht Aufgabe der IV sein könne, Risikokapital für die Gründung einer neuen Firma bereit zu stellen. Die vom Nationalrat angenommene Bestimmung über die Kaufkraftbereinigung von im Ausland ausbezahlten Renten lehnte der Ständerat ab mit der Begründung, dass diese Regelung nicht durchführbar sei.

Der Nationalrat hielt an einigen Differenzen fest. Mit 121 zu 57 Stimmen sprach er sich erneut für die vom Ständerat gestrichene Kapitalhilfe aus und lehnte einen gegenteiligen Minderheitsantrag aus der SVP ab. Mit 96 zu 73 Stimmen gegen die Vertreter von SP und GP sowie von Teilen der CVP verwarf der Nationalrat die vom Ständerat eingeführte Bestimmung, wonach jenen Betrieben ein Beitrag entrichtet werden kann, die einen Angestellten weiterbeschäftigen, der seit mehreren Monaten in seiner Arbeitskraft eingeschränkt ist. Das links-grüne Lager wollte zum Schluss der Debatte mit einem Ordnungsantrag Fehr (sp, SH) auf die Finanzierungsfrage zurückkommen. Allerdings hatte das Ansinnen, die beiden Teile der Revision – Massnahmen zur Senkung der Anzahl der Neurenten und Sanierung durch eine Zusatzfinanzierung – gleichzeitig in Kraft zu setzen, keinen Erfolg: Der Rat lehnte es ab, die Abstimmung über den ersten Teil der Revision zu verschieben. Nach den Worten der Kommissionssprecher festigen die vorgeschlagenen Änderungen das Konzept der IV und richten deren Tätigkeit auf die Hauptziele aus. Es wäre deshalb unverantwortlich, auf die für die Früherfassung potenzieller Invaliditätsfälle und die berufliche Wiedereingliederung der Betroffenen äusserst wichtigen Massnahmen noch länger zu verzichten; die Revision müsse deshalb so rasch als möglich in Kraft gesetzt werden.

In der Folge schloss sich der Ständerat den meisten Beschlüssen des Nationalrats an, so nahm er die Kapitalhilfe wieder in die Vorlage auf. Bei der Bestimmung über die Beiträge an die Arbeitgeber näherte er sich dem Nationalrat an, indem er den Artikel in seinem Inhalt zwar wahrte, aber die Formulierung änderte und die Unterstützungsdauer befristete. Da die vorgesehene Hilfe nur im Rahmen von Wiedereingliederungsmassnahmen und auf diese Zeit befristet gewährt werden kann, erklärte der Bundesrat sich bereit, diese Massnahmen zu unterstützen. Dieser Variante stimmte auch der Nationalrat zu. Vor der Schlussabstimmung des Nationalrates sprach sich das links-grüne Lager erneut gegen einen Aufschub der Finanzierungsfrage aus; es bekräftigte seine ablehnende Haltung gegen ein Gesetz, das ein eigentliches Sozialabbauprogramm darstelle und verwarf die Vorlage einstimmig; die bürgerlichen Parteien stimmten ebenso geschlossen dafür. Die Revision passierte im Nationalrat mit 118 zu 63, im Ständerat mit 35 zu 7 Stimmen bei zwei Enthaltungen.

Wegen der Aufhebung der Zusatzrente für Ehepartner und des Karrierezuschlags ergriffen mehrere kleinere Behindertenorganisationen, allen voran die Behinderten-Selbsthilfeorganisation „Zentrum für Selbstbestimmtes Leben“, das Referendum gegen die Revision, die sie als Sozialabbau auf dem Buckel der Schwächsten bezeichneten. Ihnen schloss sich Agile, der Dachverband der Behinderten-Selbsthilfe an. Die grossen Organisationen, so etwa Pro Infirmis und die Dachorganisationenkonferenz der privaten Behindertenhilfe (DOK) werteten die Sanierung der Versicherung und die verstärkten Möglichkeiten zur beruflichen Eingliederung höher und sprachen sich gegen das Referendum aus. Relativ rasch sprang die Grüne Partei auf den Referendumszug auf. Die SP und die Gewerkschaften zeigten sich hingegen gespalten. Während sich der SGB trotz Kritik an der Revision ablehnend verhielt, unterstützten seine Dachorganisationen in den Kantonen Bern und Freiburg das Referendum. Gegen die SP Frauen und die Junge SP erklärte die SP-Parteileitung ihren Verzicht: Eine breit geführte Referendums- und Abstimmungskampagne würde nur die von der SVP lancierte Polemik über die „Scheininvaliden“ anheizen und der SP im Wahljahr eine sichere Abstimmungsniederlage bescheren. Die Parteileitung wurde jedoch von der Delegiertenversammlung überstimmt und musste das Referendum unterstützen.

Lob mit Vorbehalten erhielt die 5. IV-Revision von der OECD. Mit der vorgesehenen Früherfassung und den niederschwelligen Integrationsmassnahmen könne die Schweiz Vorbildfunktion für andere Staaten übernehmen, sich so „vom Nachzügler zum Reformvorreiter“ entwickeln. Die Anreize insbesondere beim Krankheitsmanagement seien aber nicht ausreichend, um die Wiedereingliederung der IV-Bezüger tatsächlich zu verbessern. Die Krankentaggeldversicherer sollten zu einem Krankheitsmonitoring verpflichtet werden, um so die IV rechtzeitig über längere Absenzen zu informieren. Zudem sei die obligatorische Taggeldversicherung unbedingt auf alle Erwerbstätige auszudehnen; heute bleibt etwa ein Drittel davon ausgeschlossen. Die Arbeitgeber müssten ebenfalls zu einem strikten Absenzenmanagement und zur stärkeren Zusammenarbeit mit der IV verpflichtet werden; sie hätten „einen Teil der durch das Nichtangehen der Krankheitsproblematik verursachten Kosten“ zu tragen. Die berufliche Rehabilitation dürfe sich zudem nicht auf IV-Rentner beschränken, sondern müsse ausgeweitet werden, zum Beispiel auf Personen mit schlechter Gesundheit und niedrigem Einkommen. Insbesondere Frauen und Männer, deren Rentengesuch abgewiesen wird, immerhin 40%, seien auf dem Arbeitsmarkt stark gefährdet. Auch Personen mit psychischen Erkrankungen, die heute bei der beruflichen Rehabilitation benachteiligt sind, seien stärker zu fördern. Das wäre umso wichtiger, als psychisch Kranke 40% der Neurentner ausmachen – und oft jünger sind als 35 Jahre. Im Vergleich zu anderen Ländern ist nämlich die Zahl der jungen IV-Rentner in der Schweiz mit 12% ausserordentlich hoch. Abschliessend hielt der Bericht fest, ohne Zusatzfinanzierung könne die IV keinesfalls gesunden.

Am 7. Juni stimmte das Volk mit einer Mehrheit von 59,1% der 5. Revision des Invalidenversicherungsgesetzes zu. Die im Vorjahr vom Parlament beschlossene Revision beinhaltete einerseits einige Sparmassnahmen wie die vor allem angegriffene Abschaffung der Zusatzrente für Ehepartner und wollte andererseits die Integration von Behinderten in das Berufsleben verbessern. Eine Mehrzahl von Behindertenorganisationen, die SP, die GP und die Gewerkschaften bekämpften das Projekt. Ihr Hauptargument war, dass damit die Behinderten die alleinige Last der Sanierung der defizitären Invalidenversicherung tragen müssten. Die grösste Invalidenorganisation, die Pro Infirmis, hatte wegen der von ihr als positiv eingeschätzten Integrationsmassnahmen das Referendum nicht unterstützt und verzichtete auf die Abgabe einer Parole. Zu den Befürwortern der Revision zählten FDP, CVP, SVP, EVP, LP sowie die Unternehmerverbände. Dabei unterschieden sich allerdings ihre Argumentationen. Die FDP und die CVP betonten die Notwendigkeit von Sparmassnahmen mit dem Zweck des Abbaus des Defizits während die SVP – kurz vor den nationalen Wahlen – die Vorlage als ihr zu verdankende Massnahme zur Bekämpfung der betrügerischen Inanspruchnahme der IV durch so genannte Scheininvalide propagierte. Trotz einer zum Teil sehr emotional geführten Kampagne interessierten sich nur relativ wenige Stimmberechtigte für das Thema; die Stimmbeteiligung lag mit 36,2% weit unter dem Durchschnittswert.

Die Zustimmung fiel mit fast 60% klar aus und war in den ländlichen zentral- und ostschweizerischen Regionen am ausgeprägtesten. Eine ablehnende Mehrheit gab es nur in den Westschweizer Kantonen Neuenburg, Genf, Freiburg und Jura, wobei einzig im Jura (55% Nein) die Entscheidung deutlich war. Die Vox-Analyse ergab, dass insbesondere die Einstufung auf der Links-Rechts-Achse und eng verbunden damit die Parteisympathie den Ausschlag für den Entscheid gegeben hatten. Sich links einstufende Personen und Anhänger der SP stimmten im Verhältnis drei zu eins dagegen. Die Sympathisanten der CVP stimmten zu 67% mit Ja, diejenigen der FDP und der SVP zu 86% resp. 89%. Bei den Argumenten war zwischen den Befürwortern und Gegnern vor allem die Frage umstritten, ob es sich bei der Revision um einen Sozialabbau handle oder nicht. Einige Wirkung zeigte auch das SVP-Argument, dass die IV oft missbräuchlich bezogen und die Revision dies in Zukunft verhindern würde.


Abstimmung vom 17. Juni 2007

Beteiligung: 36,2%
Ja: 1'039'282 (59,1%)
Nein: 719'628 (40,9%)

Parolen:
– Ja: CVP, FDP, SVP, LP, EVP (1*), EDU, FPS, Lega; Economiesuisse, SGV, SBV.
– Nein: SP, GP, CSP, PdA, SD; SGB, Travail.Suisse.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen