Motionen zur Verpflichtung zur Gewährung des Teuerungsausgleichs auf allen Renten (Mo. 90.710 und Mo. 90.725)

Gemäss Antrag des Bundesrates nahm der Nationalrat eine Motion Dünki (evp, ZH) für einen vollen Teuerungsausgleich auf den laufenden Altersrenten der beruflichen Vorsorge nur als Postulat an. Hauptargument der Regierung war, dass die Finanzierung dieses an sich berechtigten Anliegens noch sehr sorgfältig geprüft werden müsse. Allenspach (fdp, ZH), der eine Teuerungsanpassung ohne Beitragserhöhung für unrealisierbar hielt, wollte selbst das Postulat nicht überwiesen wissen, konnte sich jedoch nicht durchsetzen.

Sicherung der Ansprüche in der beruflichen Vorsorge (Mo. 92.3198)

Bei Firmenzusammenbrüchen zeigte sich in letzter Zeit, dass die Guthaben von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei Personalvorsorgeeinrichtungen im vor- und überobligatorischen Bereich teilweise ungenügend gesichert sind, insbesondere dann, wenn das Kassenvermögen für Anlagen in der Stifterfirma verwendet wurde. Mit einer Motion wollte Nationalrat Rechsteiner (sp, SG) den Bundesrat verpflichten, die BVG-Bestimmungen hier schärfer zu formulieren. Weil der Bundesrat darauf hinwies, dass dieser Punkt im Rahmen der ersten BVG-Revision ohnehin aufgegriffen werde, wurde der Vorstoss auf seinen Antrag hin nur als Postulat überwiesen.

Individuelle Äquivalenz im BVG (Po. 94.3154)

Die grosse Kammer verabschiedete - ohne es zu diskutieren - ein Postulat Deiss (cvp, FR), welches den Bundesrat bittet, in der anstehenden BVG-Revision die Frage zu prüfen, ob man für die Pensionskassen nicht zur reinen individuellen Äquivalenz (Beitragsprimat) wechseln und die Solidaritätskomponente (Leistungsprimat) allein der AHV zuordnen sollte.

Witwerrente für alle Pensionskassen (Mo. 95.3051)

Diskussionslos genehmigte der Ständerat eine von 30 Abgeordneten aus allen Parteien mitunterzeichnete Motion Frick (cvp, SZ), welche den Bundesrat auffordert, dem Parlament eine Änderung des BVG vorzulegen, wonach unabhängig von der anstehenden Revision des BVG neben der Witwenrente auch der Anspruch auf die Witwerrente gesetzlich verankert wird. Obgleich sie eine Überweisung des Vorstosses in Postulatsform vorgezogen hätte, anerkannte Bundesrätin Dreifuss die grundsätzliche Berechtigung dieses Anliegens.

Einstimmig genehmigte der Nationalrat eine 1995 vom Ständerat gutgeheissene Motion Frick (cvp, SZ) zur Einführung der Witwerrente im BVG. Der Rat nahm zudem ein Postulat Seiler (svp, BE) an (Po. 95.3413), welches den Bundesrat einlädt zu prüfen, welche Anpassungen und Entscheide zu treffen sind, damit diese Witwerrente schnellstmöglich eingeführt wird.

Zuschüsse des BVG-Sicherheitsfonds bei exorbitanten Risikoprämien (Mo. 97.3336)

Der Nationalrat befasste sich mit einer Motion Rechsteiner (sp, BS), welche verlangte, dass der Sicherheitsfonds die Mehrkosten tragen soll, die Vorsorgeeinrichtungen durch eine ungünstige Risikozusammensetzung bei der gesetzlichen Minimalversicherung der Risiken Tod und Invalidität erwachsen, damit inskünftig die Risikoprämie für den teuersten Betrieb nicht mehr als 50% über der durchschnittlichen Prämie liegt. Nachdem der Bundesrat erklärt hatte, er werde das Anliegen im Rahmen der anstehenden BVG-Revision prüfen, wurde der Vorstoss als Postulat überwiesen.

1. BVG-Revision (BRG 00.027)

Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Parallel zur Vernehmlassung über die 11. AHV-Revision eröffnete der Bundesrat auch jene über die 1. BVG-Revision. Bei den Beratungen zum BVG (1976 bis 1982) war sich der Gesetzgeber bewusst gewesen, dass das Ziel der 2. Säule (Fortführung der gewohnten Lebenshaltung im Alter) nur in Etappen zu erreichen ist, weshalb das Gesetz selber den Auftrag zur periodischen Revision enthält. Die erste Überarbeitung hätte eigentlich 1995 durchgeführt werden sollen (zehn Jahre nach Inkrafttreten), verzögerte sich aber vor allem wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage. Partiell wurde das Gesetz aber schon für die Lösung drängender Probleme (Freizügigkeit, Wohneigentumsförderung, Ausweitung der Insolvenzdeckung) abgeändert. Die nun vorgelegten Revisionsvorschläge betreffen die Koordination mit der AHV insbesondere in den Bereichen Rentenalter und flexible Pensionierung, die Konsolidierung des Obligatoriums der 2. Säule und die Weiterentwicklung des Systems, wobei der Bundesrat den beiden ersten Punkten Priorität einräumt. Für sie präsentierte er konkrete Lösungsvorschläge. Neben technischen Änderungen betrifft dies vor allem das gleiche Rentenalter für Mann und Frau, die Flexibilisierung des Rentenalters, das BVG-Obligatorium ab dem 22. Lebensjahr sowie die Einführung einer Witwerrente. Als grundsätzlich wünschenswert erachtet der Bundesrat den gezielten Leistungsausbau für kleine und mittlere Einkommen (inklusive den zwingenden Teuerungsausgleich auf den Altersrenten) sowie die bessere Berücksichtigung der Anliegen der Teilzeitarbeitenden (Abschaffung oder Proportionalisierung des Koordinationsabzuges), doch soll die Vernehmlassung hier erst zeigen, ob und inwieweit ein Konsens über diese Weiterentwicklung besteht. Die diesbezüglichen Modelle sind nur materiell umschrieben; für sie liegt noch kein Gesetzestext vor.

Die Vernehmlassung zur 1. BVG-Revision zeigte mehrheitlich Zustimmung zum Revisionsvorhaben an sich, doch wurden die konkreten Vorschläge des Bundesrates sehr kontrovers beurteilt. Die Landesregierung beschloss deshalb, die Vorlage aus Kostengründen auf die Koordination mit der AHV sowie auf Konsolidierungselemente zu beschränken. Die von ihm ursprünglich noch als wünschenswert bezeichneten sozialpolitischen Anliegen, die er nicht näher ausgeführt hatte, die aber insbesondere die Stellung der Teilzeitarbeitenden und der Personen mit niedrigem Einkommen (in beiden Fällen vor allem Frauen) hätten verbessern sollen, waren damit in der Vorlage nicht mehr enthalten.

Am 1. März verabschiedete der Bundesrat die seit langem erwartete Revision des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (1. BVG-Revision) zuhanden des Parlaments. Die Revision dient der finanziellen Konsolidierung und einer optimalen Durchführung. Ferner stellt sie die Koordination mit den Massnahmen der 11. AHV-Revision her. Hauptpunkte der bundesrätlichen Botschaft sind die Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre, die Einführung eines flexiblen Rentenalters (mit versicherungstechnischer Kürzung ohne soziale Abfederung), die Senkung des Umwandlungssatzes zur Sicherstellung der Renten bei verlängerter Lebenserwartung unter gleichzeitiger Erhöhung der Altersgutschriften, die Begrenzung des überobligatorisch versicherbaren Lohnes auf das Fünffache des oberen Grenzbetrags des Obligatoriums, die Einführung einer Witwerrente sowie eine Verbesserung der paritätischen Mitbestimmung der Arbeitnehmenden. Die Teuerungsanpassung der laufenden Renten soll nicht zwingend vorgeschrieben, die Entscheide jedoch transparenter ausgestaltet werden. Die vom Bundesrat anfänglich noch als wünschenswert bezeichneten sozialpolitischen Anliegen (Besserstellung von Teilzeitarbeitenden und von Personen mit niedrigem Einkommen) waren aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse nicht mehr in der Vorlage enthalten.

Fachleute bemängelten, auch mit dieser Revision werde die Transparenz für die Versicherten noch zu wenig ausgebaut. Der Pensionskassenverband kritisierte die Begrenzung des versicherbaren Einkommens. Auf den überobligatorischen Bereich der Pensionskassen entfallen über CHF 30 Mrd., CHF 5 Mrd. mehr als die ganze AHV beansprucht. Dies veranlasste Nationalrat und CNG-Präsident Fasel (csp, FR) zu verlangen, der überobligatorische Teil der 2. Säule („Goldgrube für Gutverdienende“ und „Tummelplatz für Steueroptimierer“) müsse redimensioniert werden und die freiwerdenden Gelder über die Mehrwertsteuer zugunsten der AHV abgeschöpft werden. Mit einem Abbau des überobligatorischen Teils um 10% könnte die Ruhestandsrente 62 in der AHV problemlos finanziert werden.

Die SGK des Nationalrates nahm Ende Januar die Beratung der 1. BVG-Revision in Angriff. Sie beschloss, eine Subkommission mit dem Auftrag einzusetzen, zusätzlich zu den Vorschlägen des Bundesrates Lösungen für ein Obligatorium für Teilzeitarbeitende und Arbeitnehmende mit tiefem Einkommen sowie für eine bessere Transparenz bei den Vorsorgeeinrichtungen zu erarbeiten. Diese Zielsetzungen entsprachen mehreren vom Plenum bereits verabschiedeten Vorstössen, insbesondere einer parlamentarischen Initiative Zapfl (cvp, ZH) von 1998. Die Subkommission schlug vor, die Eintrittsschwelle für die obligatorische Unterstellung unter das BVG von heute CHF 24'720 zu halbieren; damit würden 35,2% der erwerbstätigen Männer und 49,7% der Frauen zusätzlich in der beruflichen Vorsorge versichert.

Nach intensiven und sorgfältigen Vorarbeiten, welche die zuständige Kommission (SGK) und vor allem deren Subkommission unter der Führung von Nationalrätin Egerszegi (fdp, AG) in Zusammenarbeit mit der Verwaltung geleistet hatte, befasste sich der Nationalrat in der Sondersession im April an zwei Sitzungstagen mit der 1. BVG-Revision. Während sich der Bundesrat aufgrund der Resultate der Vernehmlassung im wesentlichen auf eine Systemkonsolidierung und die Anpassung an die veränderten demografischen Gegebenheiten beschränkt hatte, fügte der Nationalrat wesentliche weitergehende Elemente ein. Ausgehend von der Feststellung, dass heute Eintrittsschwelle und Koordinationsabzug (beide CHF 24'720) rund ein Drittel aller Erwerbstätigen (Personen mit geringen Einkommen, Teilzeitarbeitende) von der obligatorischen beruflichen Vorsorge ausschliesst, schlug die Kommission eine Absenkung der Eintrittsschwelle auf CHF 12'360 vor, verbunden mit einem lohnprozentualen Koordinationsabzug. Egerszegi argumentierte, man könne nicht einerseits in der AHV die Witwenrenten kürzen, ohne den arbeitenden Frauen im Gegenzug die Möglichkeit zu geben, sich eine zweite Säule aufzubauen. Sie verwies auch auf einen Bericht der OECD, der das Schweizer Drei-Säulen-Modell zwar gelobt, aber auch feststellt hatte, dass im Bereich der kleinen und mittleren Einkommen und bei den Teilzeitarbeitenden – zumeist Frauen – ein Engpass besteht. Eine von Gewerbeverbandsdirektor Triponez (fdp, BE) angeführte Minderheit, die vor allem die Unterstützung der SVP fand, wollte überhaupt keine Öffnung, da diese die Wirtschaft, insbesondere die KMU, in unzulässigem Ausmass belaste, scheiterte aber deutlich, ebenso wie eine Minderheit aus der SP-Fraktion, die eine Senkung der Eintrittsschwelle auf CHF 6180 verlangte. Gegen die Kommissionsmehrheit setzte sich schliesslich mit 90 zu 81 Stimmen ein Antrag Suter (fdp, BE) durch, die Eintrittsschwelle auf CHF 18'540 zu senken, ebenfalls kombiniert mit einem lohnprozentualen Koordinationsabzug sowie mit dem Einbezug der bei mehreren Arbeitgebern erzielten Einkommen. Suter begründete seinen Antrag damit, Personen mit Einkommen von wenig mehr als CHF 1000 pro Monat hätten während ihrer Erwerbstätigkeit kein Interesse an Pensionskassenabzügen; zudem würde ihr Einbezug dazu führen, dass ihr Ersatzeinkommen zusammen mit der AHV höher ausfallen könnte als ihr letztes versichertes Gehalt. Mit der Lösung Suter würden Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit zusätzlichen CHF 600 Mio. belastet; der Antrag der Mehrheit hätte sie CHF 865 Mio. gekostet.

Infolge dieser Beschlüsse waren die Differenzen über die Höhe des Umwandlungssatzes, einer der ursprünglichen Hauptstreitpunkte, praktisch ausgeräumt. Weil der Koordinationsabzug generell gesenkt und flexibel ausgestaltet werden soll, müssen die Renten aufgrund der höheren Lebenserwartung weniger stark gesenkt werden. Der Rat beschloss einen Umwandlungssatz von heute 7,2 auf 6,8%. Widrig (cvp, SG) beantragte vorerst, dem ursprünglichen Vorschlag des Bundesrates zu folgen und den Satz auf 6,65% zu senken, zog seinen Antrag aber im Lauf der Diskussionen zurück. Durchsetzen konnte sich hingegen ein vom rechtsbürgerlichen Lager unterstützter Minderheitsantrag Meyer (cvp, FR), die Absenkung innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes vorzunehmen. Die Kommission hatte sich für 15 Jahre ausgesprochen, Rechsteiner (sp, BS) sogar für 20 Jahre plädiert, da seiner Auffassung nach die Längerlebigkeitsreserven der Pensionskassen und Sammelstiftungen zu einem für die Übergangsgeneration sozialverträglicheren Tempo reichen würden. Im Namen des Bundesrates setzte sich Bundesrätin Dreifuss ebenfalls für zehn Jahre ein, damit möglichst rasch wieder für alle Versicherten der gleiche Umwandlungssatz gilt. Durch die Senkung des Koordinationsabzugs konnte auf höhere Altersgutschriften als Ausgleich für die Rentenkürzungen verzichtet werden, womit eine Verteuerung der Arbeit der älteren Erwerbstätigen abgewendet wurde.

Viel zu reden gab die mangelnde Transparenz, die vor allem bei den Gewinnen herrscht, welche die Sammelstiftungen (Banken und Versicherungen), bei denen rund die Hälfte aller Erwerbstätigen versichert sind, in den Jahren des Börsenbooms erzielt haben. Egerszegi (fdp, AG) wies darauf hin, dass die Kommission auf Fragen nach den Verwaltungskosten, nach der Berechnung von Überschussbeteiligungen und der Rendite der angelegten Gelder keine befriedigende Auskunft erhalten habe, auch nicht vom Bundesamt für Privatversicherungen, welches seine Pflichten in diesem Bereich vernachlässigt habe. Aus diesen Gründen fügte der Nationalrat Bestimmungen in die Vorlage ein, welche die Sammelstiftungen in Zukunft zu mehr Trasparenz verpflichten. Auch gegen Missbräuche bei den Einkäufen in Pensionskassen ging der Rat vor. Um zu verhindern, dass Topmanager steuerprivilegierte Pensionszahlungen in Millionenhöhe erhalten, wurde die Obergrenze für BVG-versicherbare Einkommen auf CHF 741'600 festgelegt. Der Bundesrat hatte eine Obergrenze von CHF 370'000 vorgeschlagen, fand damit aber nur die Unterstützung der SP und der Grünen. Die 1. BVG-Revision wurde in der Gesamtabstimmung mit 129 zu 11 Stimmen gutgeheissen. Die Nein-Stimmen kamen alle von der SVP.

In der Wintersession verwarf der Ständerat im Eilzugstempo – die gesamte Beratung der sehr komplexen Vorlage dauerte nur gerade zwei Stunden – die Beschlüsse des Nationalrates grösstenteils. Bei der Eintrittsschwelle und dem versicherten Lohn entschied er mit 30 zu 8 Stimmen, beim geltenden Recht zu bleiben. Vergeblich appellierte Bundesrätin Dreifuss an die kleine Kammer, der Lösung des Nationalrates, die sie als „genial“ bezeichnete, zu folgen. Somit blieb die berufliche Vorsorge den kleinen Einkommen bis CHF 25'320 (Stand 2003) vorerst verschlossen. Hauptargument war, die Öffnung bringe den kleineren Einkommen kaum etwas, belaste die Wirtschaft aber schwer. Auch auf das Zusammenrechnen mehrerer Löhne aus verschiedenen parallelen Arbeitsverhältnissen wurde verzichtet. Mit der vom Nationalrat vorgenommenen Absenkung des Umwandlungssatzes auf 6,8% war der Ständerat einverstanden, doch folgte er bei der Staffelung der Altersgutschriften dem Bundesrat. Als Resultat des Wirbels um die Senkung des Mindestzinssatzes beschloss er, wesentlich detaillierter vorzuschreiben, wie der Bundesrat bei der Festlegung des Mindestzinssatzes vorzugehen hat. Zudem vertiefte und präzisierte er die Transparenzbestimmungen des Nationalrates.

Nicht nur beim AHV-Gesetz, sondern auch bei der BVG-Revision widersetzte sich der Nationalrat dem Ständerat und hielt an seinem Bestreben fest, die Situation der Personen mit niedrigem Einkommen zu verbessern. Er bekräftigte seinen Willen, tiefen Löhnen den Zugang zur 2. Säule zu erleichtern; davon betroffen sind v.a. Frauen und Teilzeitbeschäftigte. Die Kommission hatte grundsätzlich am Beschluss des Vorjahres festhalten wollen, die Eintrittsschwelle sofort auf CHF 18'990 zu senken, hatte aber, um die Erhöhung der Altersgutschriften für ältere Arbeitnehmer zu vermeiden, auf ihre ursprüngliche Idee eines flexiblen, lohnabhängigen Koordinationsabzuges verzichtet. Gegen diese Auffassung setzte sich mit 91 zu 71 Stimmen ein Antrag Rechsteiner (sp, BS) durch, der die Unterstützung der SVP fand, die sich von der Wirtschaftsverträglichkeit des neuen Modells überzeugen liess. Demnach sollte, unter Beibehaltung des flexiblen Koordinationsabzugs, die heutige Eintrittsschwelle von CHF 25'320 so lange eingefroren werden, bis der Indexstand (Lohnentwicklung und Teuerung) so weit angehoben ist, dass dieser Betrag real drei Viertel einer maximalen AHV-Rente (heute CHF 18'990) entspricht. So wären kleine Einkommen während einer Dauer von 10 bis 20 Jahren schrittweise ins BVG „hineingewachsen“. Als Hauptargumente für seine Lösung nannte Rechsteiner die vorderhand ausbleibende Belastung der Wirtschaft sowie einen höheren Nutzen für die Versicherten. Im Namen der FDP warnte Triponez (BE) dagegen vor weiteren Leistungsverbesserungen; sein Antrag, beim Status quo zu bleiben, wurde mit 92 zu 70 Stimmen abgelehnt.

Im Berichtsjahr wurden die Revisionen von AHV und BVG stets gleichzeitig behandelt; davon erhoffte man sich mehr politischen Handlungsspielraum. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit im EDI sprach sich Bundesrat Couchepin gegen eine Öffnung der 2. Säule für tiefere Einkommen aus. Er erklärte, er sei in diesem Bereich grundsätzlich nicht zu neuen Leistungen bereit, solange das ganze System nicht stabilisiert sei.

Entgegen seinen Beschlüssen des Vorjahres trat der Ständerat auf das Absenken der Eintrittsschwelle ein. Das Zeichen zum Rückzug gab Beerli (fdp, BE). Nachdem sie in der ersten Lesung noch vehement dagegen referiert hatte, befürwortete sie den Wechsel nun mit einer neuen Begründung: Das von beiden Räten bereits beschlossene Absenken des Umwandlungssatzes von 7,2 auf 6,8% bringe ohne flankierende Massnahmen eine Rentenkürzung von rund 6%; eine sofortige Senkung der Eintrittsschwelle führe faktisch zu einer Beitragserhöhung der bereits Versicherten, weshalb deren Renten gehalten werden könnten. Gegen eine Senkung sprachen sich die Vertreter der SVP sowie Forster (fdp, SG) aus. Ihr Antrag auf Beibehaltung geltenden Rechts wurde mit 25 zu 7 Stimmen abgelehnt. Das Modell Rechsteiner wurde als in späteren Jahren für die Wirtschaft zu belastend sowie durch die Beibehaltung des flexiblen Koordinationsabzugs als für die älteren Arbeitnehmer als zu ungünstig für deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt erachtet, weshalb der Ständerat dem im Nationalrat unterlegenen neuen Modell der Kommission (sofortige Senkung der Eintrittsschwelle auf CHF 18'990) zustimmte, worauf sich die grosse Kammer diesem Beschluss anschloss. Als auch noch eine geringfügige Differenz in der Einigungskonferenz ausgeräumt worden war, konnte die Vorlage in der Herbstsession definitiv verabschiedet werden. Im Nationalrat wurde die Revision mit 156 zu 30 Stimmen (vorwiegend aus der SVP), im Ständerat einstimmig gutgeheissen.

Der Bundesrat entschied, die im Vorjahr verabschiedete 1. BVG-Revision in drei Schritten in Kraft zu setzen. Er folgte damit dem Willen des Parlaments, das eine rasche Umsetzung verlangt hatte, damit die Versicherten wieder Vertrauen in diesen arg gebeutelten Zweig des Sozialversicherungssystems fassen. Die Massnahmen bezüglich grösserer Transparenz traten bereits auf den 1. April in Kraft. Sie betreffen die Verstärkung der paritätischen Verwaltung bei den Sammelstiftungen, die Vereinheitlichung der Normen der Rechnungsführung, die Verpflichtung für die Versicherer, eine separate Rechnung für die von ihnen betriebenen Sammelstiftungen zu führen sowie eine Informationspflicht der Versicherer gegenüber den Sammelstiftungen. Für den Fall einer Auflösung von Versicherungsverträgen zwischen Versicherern und Vorsorgestiftungen gibt es neu Bestimmungen, die den Interessen der Versicherten und ihren Vorsorgeguthaben besser Rechnung tragen. Die Pensionskassen hatten bis Ende 2004 Zeit, ihre Reglemente und Infrastrukturen an die neuen gesetzlichen Anforderungen anzupassen.

Die zweite Etappe der Revision wurde auf den 1.1.2005 in Kraft gesetzt. Mit Ausnahme der Bestimmungen über den Begriff der beruflichen Vorsorge und den Einkauf wurden damit alle in der 1. BVG-Revision vorgenommenen Änderungen umgesetzt. In den entsprechenden Verordnungen legte der Bundesrat die Grundsätze fest, die eine Vorsorgeeinrichtung bei einer Liquidation zu berücksichtigen hat, insbesondere bezüglich der Verteilung der Reserven. Ferner wurden die Grundsätze präzisiert, welche die Verwalter der Vorsorgeeinrichtung bei der Vermögensanlage und -verwaltung zu beachten haben. Zentrale Elemente dieses zweiten Pakets sind die schrittweise Senkung des Umwandlungssatzes von 7,2 auf 6,8%, um der höheren Lebenserwartung der Versicherten Rechnung zu tragen, sowie das Absenken der Eintrittsschwelle und des Koordinationsabzugs; damit wird auch tieferen Einkommen der Eintritt in die berufliche Vorsorge ermöglicht.

Der Nationalrat überwies eine Motion (03.3438) des Ständerates, die verlangt, dass der Umwandlungssatz auf seine technischen Grundlagen überprüft und soweit erforderlich den realen Voraussetzungen angeglichen werden soll.

Schaffung einer Meldestelle für vergessene Konten (BRG 98.062)

1997 hatte ein Bericht der Gewerkschaft Bau und Industrie neben der AHV auch im Bereich der Pensionskassen rund 68'000 ”vergessene Konten” im Umfang von über 400 Mio. Fr. ausgemacht, auf welche vor allem ausländischen Arbeitskräfte Anspruch haben, die nicht bis zu ihrer Pensionierung in der Schweiz arbeiteten. Um dieses Problem zu lösen, beantragte der Bundesrat dem Parlament eine Änderung des Freizügigkeitsgesetzes in dem Sinn, dass eine zentrale Meldestelle geschaffen werden soll. Ihr werden die Vorsorgeeinrichtungen jene Personen melden, die sich im Rentenalter befinden und ihre Pensionskassenguthaben noch nicht abgerufen haben. Zusammen mit der Zentralen Ausgleichskasse der AHV wird die Meldestelle versuchen, die Adresse der Berechtigten zu eruieren. Sie wird zudem ein Register jener Versicherten führen, zu denen die Vorsorgeeinrichtungen keinen Kontakt mehr haben. Auf Anfrage kann sie so auch jüngeren Versicherten (ausländischen wie schweizerischen Abeitnehmern) mitteilen, welche Kasse möglicherweise für sie ein Konto unterhält. Beide Kammern nahmen die Vorlage praktisch diskussionslos an.

Keine Überweisung von Bagatell-Freizügigkeitsleistungen und kein Verzugszins bei vergessenen Guthaben (Mo. 98.3588 und Mo. 98.3597)

Mit einer Motion wollte Ständerätin Leumann (fdp, LU) den Bundesrat verpflichten, im Rahmen der anstehenden BVG-Revision das Freizügigkeitsgesetz so abzuändern, dass Bagatell-Freizügigkeitsleistungen nicht mehr an die Auffangeinrichtung überwiesen werden müssen und der Verzugszins bei „vergessenen“ Guthaben nicht geschuldet ist, wenn die erfüllungsbereite Vorsorgeeinrichtung nicht handeln konnte. Die Motion wurde auf Antrag des Bundesrates, der auf die anstehende BVG-Revision verwies, nur als Postulat angenommen. Eine identische Motion (98.3597) Bangerter (fdp, BE) im Nationalrat wurde von Thanei (sp, ZH) bekämpft, womit deren Beratung vorderhand ausgesetzt war.

Massnahmen zur Sanierung von Pensionskassen in Unterdeckung

Dossier: BVG-Mindestzinssatz

Mit der in Expertenkreisen nicht ganz unerwarteten, aber – da weder mit der Eidg. BVG-Kommission noch mit den Sozialpartnern abgesprochen – doch als überstürzt empfundenen Ankündigung, wegen der anhaltend schlechten Börsenlage den Mindestzinssatz auf den BVG-Guthaben noch im laufenden Jahr von 4% auf voraussichtlich 3% senken zu wollen, entfachte der Bundesrat am 3. Juli einen Sturm der Entrüstung. Die Empörung wurde noch heftiger als bekannt wurde, dass der Entscheid nach einer direkten Intervention der Rentenanstalt bei den Bundesräten Villiger und Metzler erfolgt war, während das für die autonomen Pensionskassen zuständige EDI dafür plädiert hatte, einen allfälligen Entscheid erst vorzunehmen, wenn die vom BSV in Erhebung begriffenen Zahlen und Daten über die Vermögens-, Ertrags- und Reservenlage aller Pensionskassen und Sammelstiftungen bekannt und die Experten der Eidg. BVG-Kommission konsultiert seien. Im Parlament verlangten die SGK beider Kammern und die WAK des Nationalrates vom Bundesrat die Bereitstellung der für einen Entscheid unerlässlichen Grundlagen sowie die Konsultation der BVG-Kommission und des Parlaments. Die Fraktionen der SP und der GP forderten die umgehende Einberufung einer Sondersession. Ende August fand auf dem Bundesplatz in Bern eine von den Gewerkschaften organisierte Kundgebung statt, an der über 12'000 Teilnehmende gegen den „Rentenklau“ protestierten. Der Vorwurf des Rentenraubs wurde dadurch bestärkt, dass sich die grossen Sammelstiftungen (insbesondere die Allfinanzfirmen) beharrlich weigerten offen zu legen, wohin die grossen Börsengewinne der späten 80er und der ersten Hälfte der 90-er Jahre geflossen sind oder die Informationen nur tröpfchenweise lieferten. Zudem wurde kritisiert, dass es der Bundesrat in all den Boomjahren nie für nötig erachtet habe, den Mindestzinssatz zu erhöhen, dass er nun aber, nach zwei mageren Börsenjahren schon bereit sei, rasch und massiv zugunsten der Privatversicherer einzugreifen.

Im Ständerat, der als erster im Rahmen der ordentlichen Herbstsession die verlangte BVG-Sondersession abhielt, erklärte SGK-Präsident Frick (cvp, SZ), es gehe nun darum, Klarheit zu schaffen und das erschütterte Vertrauen in die 2. Säule wieder herzustellen. Die Antworten des Bundesrates auf vier parlamentarische Vorstösse (darunter drei aus der SGK) wurden als teilweise befriedigend erachtet. Kritisiert wurde aber, dass der Bundesrat mit seinem Vorgehen eine tiefe Vertrauenskrise ausgelöst und seine Oberaufsicht zu wenig wahrgenommen habe. Mehrheitlich Einigkeit herrschte im Rat darüber, dass es keine Alternative zu der vom Bundesrat vorgeschlagenen Zinssatzsenkung gebe, da die Pensionskassen nicht längerfristig mehr Zinsen ausschütten könnten, als auf dem Markt zu erzielen seien. Einzig die beiden SP-Abgeordneten Brunner (GE) und Studer (NE) setzen sich für die Beibehaltung des bisherigen Mindestzinses ein. Die kleine Kammer überwies eine Empfehlung (02.3391) betreffend der Festlegung des Mindestzinses sowie ein Postulat zur Finanzmarktaufsicht.

Der Nationalrat, der die Sondersession ebenfalls in die reguläre Herbstsession einbaute, ging mit der Regierung strenger ins Gericht als die kleine Kammer. Während rund sechs Stunden wurde über das überstürzte Handeln des Bundesrates, die Grundlagen dafür und die daraus zu ziehenden Konsequenzen diskutiert. Kritisiert wurden insbesondere die diffusen Zuständigkeiten zwischen dem im EJPD angesiedelten Bundesamt für Privatversicherungen (BPV), das wegen seiner Aufsicht über die Lebensversicherer, welche im Bereich der beruflichen Vorsorge tätig sind, besonders in die Schusslinie geriet, und dem BSV im EDI, dem attestiert wurde, seine Aufsicht im Bereich der Sammelstiftungen insgesamt korrekt ausgeübt zu haben. Angesichts der andauernden Börsenbaisse wurde die Senkung des BVG-Mindestzinssatzes von der bürgerlichen Ratsmehrheit begrüsst. Die SP und die Grünen wollten sich einer Senkung zumindest so lange widersetzen, als nicht alle bei den Lebensversichern vorhandenen Vermögenswerte der Kollektivversicherten detailliert offen gelegt sind und klar ist, wohin die CHF 18 Mrd. Gewinne geflossen sind, welche die Privatversicherer nach eigenen Angaben in den 90-er Jahren ausgeschüttet haben. In den 40 Vorstössen, die der Rat behandelte, wurden ein geregeltes Verfahren für die Festlegung des Mindestzinssatzes, die Verselbständigung der Sammelstiftungen innerhalb der Versicherungsgesellschaften, Verbesserungen bei der Aufsicht und der Oberaufsicht und vor allem vorbehaltlose Transparenz über Reserven, Renditen und Verwaltungskosten der Lebensversicherer verlangt. Der Ständerat wurde aufgefordert, die vom Nationalrat im Rahmen der 1. BVG-Revision bereits beschlossenen neuen Transparenzbestimmungen aus der Vorlage zu lösen, damit sie vorzeitig in Kraft gesetzt werden können. Diesem Ansinnen widersetzte sich allerdings die Kommission des Ständerates, die lieber auf einen raschen Abschluss der 1. BVG-Revision setzen wollte. In der Wintersession nahm der Ständerat vier der in der Sondersession verabschiedete Motionen der SGK ebenfalls an und überwies zudem ein Postulat seiner SGK für die Gleichbehandlung von Teilliquidation und Freizügigkeit.

Noch bevor sich der Bundesrat zum Mindestzinssatz geäussert hatte, prellte die Winterthur-Versicherung, einer der grössten Versicherer im Bereich der Sammelstiftungen, im Juni mit einem vom BSV und dem Bundesamt für Privatversicherungen (BPV) bereits abgesegneten neuen Modell vor, das eine gewisse Teilautonomie der ihr angeschlossenen Pensionskassen vorsieht, bei dem die Risiken vermehrt auf die Kunden abgeschoben werden. Ab 2004 garantiert die Winterthur sowohl im obligatorischen wie im überobligatorischen Bereich nur noch einen Zins von 2% (Garantieprämie). Sind die Erträge höher, sollen sie an die Sammelstiftungen weitergegeben werden. Fallen sie jedoch tiefer aus, müssen die Vorsorgeeinrichtungen selber einspringen, beispielsweise durch eine Erhöhung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge. Im überobligatorischen Bereich wird der bis zum Inkrafttreten der 1. BVG-Revision geltende Umwandlungssatz (Prozentsatz, mit dem bei der Pensionierung das Vorsorgekapital in die jährliche Rente umgewandelt wird) von 7,2% auf 5,835% für Männer und 5,454% für Frauen gesenkt, also deutlich unter die vom Parlament zur Kompensation der Längerlebigkeit beschlossenen 6,8%. Zwei Tage später kündigte die Zürich sämtliche Ende Jahr auslaufenden BVG-Verträge; den Gekündigten bot sie neue Versicherungsverträge an, welche mit Ausnahme des Umwandlungssatzes im Überobligatorium, bei dem für Männer und Frauen 5,8% gelten, praktisch identisch waren mit dem Winterthur-Modell. Gleichzeitig beantragte sie beim BPV eine massive Anhebung der Prämien zur Absicherung des Invaliditätsrisikos sowie den Übergang zur Garantieprämie. Diese wurden der Rentenanstalt/Swiss Life vom BPV für den überobligatorischen Teil, nicht aber fürs Obligatorium bewilligt. Im Laufe des Juli reichten weitere Versicherungsgesellschaften (Genfer, Patria) ähnliche Genehmigungsgesuche ein, denen vom BPV teilweise stattgegeben wurde.

Die Gewerkschaften protestierten umgehend gegen das Winterthur-Modell. Damit trage die Versicherungsgesellschaft kein Risiko mehr, sondern schöpfe nur noch allfällige Gewinne ab. Sämtliche Kosten und das Risiko würden dagegen auf die Versicherten abgewälzt. Sie rechneten vor, dass die Senkung des Umwandlungssatzes im überobligatorischen Bereich für die Frauen zu lebenslänglichen Renteneinbussen von 24% und für die Männer von 19% führen würden. Arbeitgeberverband und Gewerbeverband signalisierten hingegen Sympathien für das neue Modell, welches den Realitäten Rechnung trage. Aber auch unter den bürgerlichen Parlamentarierinnen und Parlamentariern der für das BVG verantwortlichen Kommissionen (SGK) regte sich Unmut über das undurchsichtige Vorgehen der Versicherer, und es wurde die Vermutung geäussert, die Versicherungsgesellschaften wollten noch rasch vor Inkraftsetzung der 1. BVG-Revision deren Bestimmungen zu Transparenz und paritätischer Mitwirkung unterlaufen. Kritik wurde auch an der raschen Genehmigung durch BSV und BPV laut. Nachdem die SGK des Nationalrats an ihrer Juli-Sitzung die beiden involvierten Bundesämter mit einem umfassenden Fragenkatalog eingedeckt hatte, befasste sich die SGK des Ständerates in ihrer Augustsitzung mit dem Ansinnen der Versicherungsgesellschaften. Sie befand zwar, dass der in der 1. BVG-Revision festgeschriebene Umwandlungssatz von 6,8% zu hoch sei, wollte den „Schock in der Öffentlichkeit“, der die Gefahr einer Rezession erhöhe, indessen vermeiden, weshalb sie das Bundesamt für Justiz beauftragte, eine Sistierung der Genehmigung zu überprüfen; im September befand sie dann aber, die Genehmigung sei rechtens gewesen, und sie stellte ihre Opposition ein. Die SGK-NR reichte dagegen mit 15 gegen 9 Stimmen ein Postulat ein (Po. 03.3437), das den Bundesrat auffordert, auf die Genehmigung des Modells der Winterthur zurückzukommen.

Im September leitete der Bundesrat dem Parlament seine Botschaft über Massnahmen zur Behebung von Unterdeckungen in der beruflichen Vorsorge zu. Da sich zu diesem Zeitpunkt die finanzielle Lage vieler Pensionskassen bereits leicht entspannt hatte, beantragte er nicht mehr, wie ursprünglich vorgesehen, die Gesetzesänderungen im beschleunigten Verfahren zu behandeln. Um den Handlungsspielraum der Vorsorgeeinrichtungen mit Deckungslücken vor allem im obligatorischen Bereich zeitlich und materiell zu erweitern, soll vom gesetzlichen Erfordernis der jederzeitigen 100-prozentigen Deckung sämtlicher Verpflichtungen unter gewissen Bedingungen abgewichen werden können und der Katalog von Massnahmen, die zur Behebung einer Unterdeckung ergriffen werden können, erweitert werden. Die Einführung dieser zusätzlichen Massnahmen soll wie bisher im Entscheidungs- und Verantwortungsbereich der Vorsorgeeinrichtungen liegen und deren Kompetenz zur freien Gestaltung der Finanzierung ihrer Leistungen nicht einschränken. Der Massnahmenkatalog sieht insbesondere folgende Möglichkeiten vor, die alle auf den Zeitraum der Unterdeckung beschränkt sind: Erhebung zusätzlicher Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge, Verzinsung der Altersguthaben unter dem gesetzlichen Minimum und Erhebung eines Beitrags von den Rentnerinnen und Rentnern unter Verrechnung mit den laufenden Renten.

Ende September nahm der Bundesrat Stellung. Er weigerte sich, die Genehmigung rückgängig zu machen. Die Entkoppelung von Vorsorge- und Versicherungsverhältnis respektiere die gesetzlichen Vorschriften, weshalb sie zu Recht vom BSV bewilligt worden sei. Auch die drastische Kürzung des Umwandlungssatzes im überobligatorischen Bereich habe vom BPV genehmigt werden müssen. Denn massgebend sei einzig, dass die Tarife weder die Solvenz der Versicherer gefährdeten, noch missbräuchlich seien. Hingegen sehe das Gesetz nicht vor, dass die „soziale Angemessenheit“ eines solchen Modells bewertet werde. Der Bundesrat habe ursprünglich eine derartige Überprüfung im BVG vorgeschlagen, sei aber im Parlament damit gescheitert.

Der Ständerat genehmigte in der Wintersession die vorgeschlagenen Sanierungsmassnahmen ohne grosse Diskussionen einstimmig. Er schränkte aber die Kompetenz zur Erhebung von Sanierungsbeiträgen bei den Rentnerinnen und Rentnern etwas ein. Seiner Auffassung nach dürfen sie nur auf jenem Teil der Renten erhoben werden, der in den letzten zehn Jahren durch Verbesserungen entstanden ist, die über die gesetzlichen und reglementarischen Bestimmungen hinausgehen; Leistungsverbesserungen, die mehr als zehn Jahre zurückliegen, sollen nicht zu Abzügen führen dürfen. Zwei Minderheitsanträge aus der SP (Brunner, GE und Studer, NE), gänzlich auf das „Rentneropfer“ zu verzichten, wurden mit 30 gegen 9 Stimmen klar verworfen. Gegen den Willen des Bundesrates, der Umwandlung in ein Postulat beantragte, überwies die kleine Kammer anschliessend eine Motion ihrer SGK (Mo. 03.3578), die vom Bundesrat einen Gesetzesentwurf zu Sanierungsmassnahmen auch bei den öffentlichen Kassen verlangt.

Bei den gesetzlichen Vorschlägen zur Sanierung von Pensionskassen in Unterdeckung schloss sich der Nationalrat in den wesentlichen Punkten dem Ständerat an. Er sprach sich aber mit 89 (SP, GP, Mehrheit der CVP und einzelne Mitglieder der FDP) zu 85 Stimmen knapp dagegen aus, dass die angeschlagenen Pensionskassen die obligatorisch versicherten Altersguthaben tiefer als zum jeweils geltenden Mindestzinssatz verzinsen dürfen; nicht bestritten war, dass die Pensionskassen im überobligatorischen Bereich diesbezüglich frei sind. Ein Antrag der CVP, den Rentnerinnen und Rentnern Einsitz im Stiftungsrat der Vorsorgeeinrichtung zu gewähren, damit sie sich auch an den Entscheiden über Sanierungsbeiträge beteiligen können, wurde mit 158 zu 15 Stimmen abgelehnt. Grundsätzlich wurde aber eine verstärkte Mitsprache der bereits Pensionierten mit 120 zu 5 Stimmen gutgeheissen.

Anschliessend an seine Beratungen überwies der Nationalrat mit grossem Mehr eine Motion des Ständerats, die den Bundesrat verpflichtet, einen Gesetzesentwurf zu Sanierungsmassnahmen auch bei den öffentlichen Kassen vorzulegen (Mo. 03.3578).

Der Ständerat blieb in der Differenzbereinigung im Grundsatz bei seinem Entscheid, milderte die Rentenkürzungen allerdings etwas ab und entschied mit 22 zu 19 Stimmen, dass Pensionskassen während höchstens fünf Jahren den jeweils geltenden Mindestzinssatz unterschreiten dürfen, wenn die anderen Sanierungsmassnahmen nicht genügen, um die Unterdeckung zu beheben. Von einem verstärkten Mitspracherecht der Rentnerinnen und Rentner wollte er erneut nichts wissen. Der Nationalrat liess sich nicht umstimmen und hielt mit 95 zu 87 resp. 97 zu 83 Stimmen in beiden Punkten an seiner Haltung fest. In der zweiten Runde der Differenzbereinigung schloss sich der Nationalrat beim Mitspracherecht der Pensionierten der kleinen Kammer an, beharrte aber mit 76 zu 74 Stimmen auf seinem Entscheid beim Mindestzinssatz. Die Einigungskonferenz schlug als Brücke eine zusätzliche Bestimmung vor, wonach die fünfjährige Unterschreitung maximal 0,5 Prozentpunkte betragen darf. Diesen Kompromiss hiessen beide Kammern diskussionslos gut. In der Schlussabstimmung wurden die Sanierungsmassnahmen sowohl im Stände- wie im Nationalrat einstimmig angenommen. Die neuen Gesetzesbestimmungen treten auf den 1.1.2005 in Kraft.