Krankenkasse Visana zieht sich in acht Kantonen aus der Grundversicherung zurück

Dossier: Krankenkassenreserven

Nachdem sie lange Zeit ihre finanzielle Stabilität betont hatte, gab die Visana-Krankenkasse im August bekannt, dass sie sich auf Ende Jahr aus der Grundversicherung in acht Kantonen (Genf, Jura, Neuenburg, Glarus, Graubünden, Thurgau und beide Appenzell) zurückziehen werde. 103'000 Versicherte wurden so zum Wechsel in eine andere Kasse gezwungen. Der damit verbundene Prestigeverlust und zum Teil massive Prämienerhöhungen in den restlichen Kantonen sowie in den Zusatzversicherungen führten zu einem massiven Exodus der Versicherten. Bis Ende Jahr verlor die Visana gesamthaft einen Drittel ihres Bestandes in der Grundversicherung; bei den Zusatzversicherten betrug der Mitgliederschwund 15%. Mit immer noch 900'000 Kunden in der Grund- und Zusatzversicherung bleibt die Visana die drittgrösste Krankenkasse der Schweiz nach der Helsana und der CSS.

Das EDI war nicht bereit, das Vorgehen der Visana stillschweigend zu akzeptieren. Es genehmigte zwar den Rückzug, koppelte ihn aber an klare Auflagen. Unter anderem darf die Visana in den betroffenen acht Kantonen in den nächsten zehn Jahren nicht mehr als Grundversicherer auftreten und soll 25 Mio. Fr. aus ihren Reserven an jene Kassen abtreten, welche die abgeschobenen Versicherten übernehmen. Für Bundesrätin Dreifuss zeigte der Fall Visana aber auch die Stärke des neuen KVG. Dank dem Obligatorium in der Grundversicherung konnten alle von der Visana abgehalfterten Mitglieder ohne grössere Probleme in eine andere Kasse wechseln; unter dem alten Regime wären die Versicherten (mit Ausnahme der ”guten Risiken”) bei Bankrott, Teilauflösung oder Fusion einer Kasse unweigerlich auf der Strecke geblieben. Die Visana akzeptierte – wenn auch zähneknirschend – den zehnjährigen Ausschluss aus der Grundversicherung in den Rückzugskantonen, wehrte sich aber mit Zähnen und Klauen gegen die Herausgabe der Reserven und legte Rekurs beim Eidg. Versicherungsgericht ein.

Parlamentarischen Initiative "Eine einzige Krankenkasse für alle" (Pa.Iv. 98.442)

Dossier: Vorstösse zur Ermöglichung von Einheitskrankenkassen (seit 1998)

Die Turbulenzen um die Visana veranlassten CNG-Präsident Fasel (csp, FR), einen bereits mehrfach in die Diskussion gebrachten Vorschlag wieder aufleben zu lassen und mit einer parlamentarischen Initiative die Einführung einer Einheitskasse für die Grundversicherung zu verlangen. Die Gewerkschaft hatte bereits vor zwei Jahren eine Volksinitiative für eine einzige ”Gesundheitskasse” erwogen, sie aber dann zugunsten der mit dem SGB vereinbarten Initiative für eine obligatorische Taggeldversicherung zurückgestellt. Falls Fasel mit seinem Vorstoss im Parlament keinen Erfolg hat, will der CNG das Projekt mit einem Volksbegehren lancieren.

Mit einer parlamentarischen Initiative verlangte Nationalrat Fasel (csp, FR), das KVG sei so zu ändern, dass die Durchführung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung einem einzigen gesamtschweizerischen Versicherer mit streng definiertem Leistungsauftrag übergeben wird. Als Hauptargument für seinen Vorstoss führte Fasel den fehlenden Wettbewerb unter den Anbietern der Grundversicherung ins Feld; zudem hätte eine Einheitskasse eine stärkere Position in den Tarifverhandlungen mit den Leistungserbringern. Der Rat lehnte die Initiative mit 91 zu 64 Stimmen ab. Die Mehrheit begründete dies damit, dass dieser Vorschlag den regionalen Unterschieden bei den Gesundheitskosten nur schwierig Rechnung tragen könnte; zudem würde der mangelnde Konkurrenzdruck unter den Kassen letztlich zu einer Verstaatlichung der medizinischen Versorgung führen. Eine SP-Minderheit argumentierte vergebens, eine Einheitskasse würde mehr Transparenz für die Versicherten bringen und das Problem des Risikoausgleichs gänzlich lösen. Mit einem Postulat (99.3009) seiner SGK bat der Nationalrat die Landesregierung aber dennoch, einen vergleichenden Bericht über die Durchführung der Krankenversicherung durch einen oder mehrere Versicherungsträger in der EU sowie in Kanada und Neuseeland vorzulegen.

Krankenkassen sollen nur dort Zusatzversicherungen anbieten können, wo sie auch Grundversicherung anbieten (Pa.Iv. 98.434)

Weitergehende Massnahmen, wie etwa der generelle Ausschluss der Visana aus der Grundversicherung, erwiesen sich als nicht durchführbar, weil das KVG keine Kasse verpflichtet, ihre Angebote flächendeckend anzubieten. Dem möchte Nationalrat Cavalli (sp, TI) in gewisser Weise abhelfen. In der Herbstsession reichte er eine parlamentarischen Initiative mit dem Ziel ein, dass Krankenkassen nur dort im (lukrativen) Zusatzversicherungsgeschäft tätig sein dürfen, wo sie auch die Grundversicherung anbieten. Bereits einen Monat später beschloss die zuständige Kommission des Nationalrates mit 10 zu 5 Stimmen, dem Plenum zu beantragen, der Initiative Folge zu geben.

Im Nachgang an das „Visana-Debakel“ vom Vorjahr wollte Nationalrat Cavalli (sp, TI) mit einer parlamentarischen Initiative erreichen, dass der Bund einem Krankenversicherer die Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung gesamtschweizerisch entziehen kann, wenn er diese nicht in allen Kantonen anbietet. Zudem sollte ein Versicherer nur in jenen Kantonen im Zusatzversicherungsgeschäft tätig sein dürfen, in welchem er dies auch in der Grundversicherung ist. Der Initiant begründete sein Ansinnen damit, eine „Rosinenpickerei“ à la Visana bedeute eine Unterhöhlung des Solidaritätsprinzips und könne im Extremfall dazu führen, dass die obligatorische Grundversicherung in einigen Kantonen von keinem Versicherer mehr getragen wird. Die vorberatende Kommission wollte der Initiative mehrheitlich Folge geben. Das Plenum übernahm aber die Ansicht der bürgerlichen Kommissionsminderheit, wonach derartige Bestimmungen die Vertragsfreiheit tangieren und letztlich eine Vermengung von Grund- und Zusatzversicherung bedeuten würden, was vom Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des KVG klar abgelehnt worden sei. Mit 71 zu 69 Stimmen wurde die Initiative knapp verworfen.

Reservenbewirtschaftung der Krankenkassen effizienter zu kontrollieren (Mo. 98.3487)

In der Herbstsession reichte die Genfer Freisinnige Saudan eine Motion ein mit der Forderung, die Reservenbewirtschaftung der Krankenkassen effizienter zu kontrollieren. Angesichts der Aktualität der Problematik behandelte der Ständerat diesen Vorstoss bereits in der Wintersession. Der Bundesrat bekräftigte noch einmal, dass das Visana-Debakel ein einmaliger Ausrutscher in einem System sei, das ansonsten gut funktioniere; zudem verwies er auf die mit der 1. Teilrevision des KVG beabsichtigte Stärkung der Aufsichtskompetenz des BSV. Auf seinen Antrag wurde die Motion als Postulat überwiesen. Der Nationalrat nahm eine analoge Motion Tschopp (fdp, GE) ebenfalls nur als Postulat an (Mo. 98.3433).

Verschiedene Standesinitiativen verlangen eine Weitergabe von Rückstellungen bei einem Kassenwechsel der Versicherten (Kt.Iv. 99.306, Kt.Iv. 99.310, Kt.Iv. 00.300, Kt.Iv. 00.304)

Dossier: Krankenkassenreserven

Im Nachgang an den Rückzug der Krankenkasse Visana aus der Grundversicherung in acht Kantonen hatten fünf Ostschweizer Kantone (Thurgau, beide Appenzell, Glarus und Graubünden (Kt. Iv. 99.306, 99.310, 00.300, 00.304) bei den eidgenössischen Räten je eine gleichlautende Standesinitiative eingereicht. Danach sollte der Versicherer bei einem Kassenwechsel eines Versicherten die anteiligen Reserven und die durch die abwandernden Personen nicht beanspruchten anteiligen Rückstellungen dem neuen Versicherer weitergeben – und zwar rückwirkend ab dem 1. Juli 1998. Das Konkordat der Krankenversicherer (KSK) sprach sich gegen die Initiativen aus, da sie zu enormen Zusatzkosten führen und kleinere Versicherungen benachteiligen würden. Der Ständerat folgte einstimmig dieser Einschätzung, verwies auf die im Rahmen der 1. Teilrevision des KVG bereits gefassten Beschlüsse und gab den Standesinitiativen keine Folge.