Wahlkampfthemen -Eidgenössische Wahlen 1999

Die CVP versuchte mit dem Schlagwort Sicherheit die Emotionen zu wecken. Intern umstritten war eine Plakatserie der Partei, die zu Themen wie Asylpolitik linke und rechte Extremaussagen gegenüberstellte. Ziel der Aktion war es, der Bevölkerung die Position der Mitte näherzubringen. Die FDP nahm sich ebenfalls der Sicherheits-Thematik an und lancierte eine Kampagne unter dem Motto "Sicherheit durch Erneuerung". Beide bürgerlichen Parteien wollten sich mit Begriffen, wie "Vernunft" und "Erneuerung" gegen rechts abgrenzen. Die SP stellte soziale Grundwerte ins Zentrum. Die SVP führte keine nationale sondern kantonale Kampagnen. Dabei stand meist die Neutralitätsfrage und die Asylpolitik im Vordergrund.

Laut einer SRG-Umfrage von Mitte Juni stand die Flüchtlingsproblematik – verstärkt durch den Krieg im Kosovo und den Abstimmungskampf um zwei Asylvorlagen – im Zentrum des Interesses der Wahlberechtigten. Die SVP machte sich diese Situation zu nutze und wetterte mit Schlagworten wie "Schlaraffenland für Asylmissbrauch" gegen die Asylpolitik des Bundes. Die Freisinnigen und Christlichdemokraten zogen nach und nahmen sich der Thematik ebenfalls an, nicht aber die SP. In der Westschweiz und im Tessin stand im Gegensatz zur Deutschschweiz das Thema der Arbeitslosigkeit und weniger die Asylproblematik an oberster Stelle.

In der Phase der anziehenden Konjunktur verstummten viele Grundsatzdebatten zwischen Linken und Bürgerlichen. Dagegen rückte ein Konflikt zwischen SVP und FDP in den Vordergrund. Die SVP hat mit Blick auf mögliche Wechselwähler die FDP in ihrer Steuerpolitik angegriffen. Während die FDP einen Steuerstopp und moderate Einsparungen im Sozialbereich vorschlug, forderte die SVP eine generelle Steuersenkung um 10 Prozent.

Ende August wurden in den Medien Stimmen laut, die bemängelten, dass Themen wie Europapolitik, Sicherung der Sozialwerke und ökologische Steuerreform bisher im Wahlkampf kaum in Erscheinung getreten waren.

Eidgenössischer Wahlkampf 1999

Die Demoskopie hatte auch in diesem Wahljahr Hochkonjunktur. In sechs Wellen liess die SRG das Auf und Ab in den Wählerpräferenzen laufend untersuchen. Aber auch die Sonntagspresse und weitere Medien versuchten über den Sommer hinweg mehrmals den Wählerwillen festzustellen. Bei aller Ungenauigkeit derartiger Momentaufnahmen wurden die deutlichen Gewinne der SVP richtig vorausgesagt.

Die Parteien liessen sich gemäss einer Schätzung den Wahlkampf rund 17,5 Mio Franken kosten. Die Kosten für Plakate, Wahlprospekte und übriges Werbematerial wurden dabei nicht erhoben. Mit 4,7 Mio griff die SVP am tiefsten in die Kasse, gefolgt von der FDP mit 4,4 Mio. Unter den zehn Kandidierenden mit den grössten persönlichen Wahlkampfauslagen schafften nur vier den Sprung ins Parlament.

Im Wahljahr 99 warteten die Parteien mit einer ganzen Reihe von Volksinitiativen auf. Mit einer Volksinitiative können Parteien gezielt ein agenda setting betreiben, überdies haben Kandidatinnen und Kandidaten die Gelegenheit, beim Unterschriftensammeln direkt mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten. Die SP hat noch vor dem Sommer die Unterschriften für ihre Volksinitiative "Gesundheit muss bezahlbar bleiben" zusammengebracht. Die FDP lancierte eine Steuerstopp-Initiative, die Sozialdemokraten warteten mit Vorschlägen zur 35-Stunden-Woche und zu einer Kapitalgewinnsteuer auf. Die SVP startete mit der Unterschriftensammlung für eine Verschärfung des Asylrechts und für den Übertrag überflüssiger Goldreserven der Nationalbank in den AHV-Ausgleichsfonds.

Die meisten Parteien und auch viele Kandidierende waren mit einer Homepage im Internet vertreten. Das Interesse am neuen Wahlkampfmedium schien aber in der Bevölkerung noch nicht grosse Kreise zu betreffen. Beobachter konstatierten im Wahlkampf einen Trend in Richtung Personalisierung und Entideologisierung. Auffällig war auch das Bestreben der Parteien, ihre Delegiertenversammlungen zu den Wahlplattformen als sogenannte Events mit telegenen Elementen zu gestalten.

Das neue Parlament- Eidgenössische Wahlen 1999

Das Durchschnittsalter in der grossen Kammer blieb mit 50,7 Jahren gegenüber 1995 praktisch stabil. Mit 47,6 Jahren ist die SP-Fraktion im Schnitt die jüngste, die FDP mit 53,2 Jahren die älteste im Rat. Die Sozialdemokraten verfügen mit der neugewählten Ökonomin Ursula Wyss (BE, Jahrgang 1973) über die jüngste Frau. Jüngster Parlamentarier blieb aber der St. Galler Landwirt Toni Brunner (svp, Jahrgang 1974). Alterspräsident wurde der 68jährige Schriftsteller Jacques Neirynck (cvp, VD).

Die Erneuerungsrate der beiden Kammern zusammen betrug mit 98 Neugewählten (unter Einbezug der sieben Übertritte aus dem National- in den Ständerat) 39,8%. In der Bundesversammlung blieb die FDP mit insgesamt 61 Mandaten stärkste Partei, gefolgt von der SP (57), der SVP (51) und der CVP mit 50 Sitzen. Den grössten Sitzgewinn in beiden Räten verzeichnete die SVP mit insgesamt 17 zusätzlichen Mandaten. Zusammen stellen die Bundesratsparteien in der neuen Bundesversammlung 219 der 246 Mitglieder (89,0%). Drei EVP-Parlamentarier, ein LdU- und ein SD-Vertreter, ein EDU- und ein CSP-Nationalrat sowie die zwei PdA-Abgeordneten, der Vertreter der Solidarité und die zwei Lega-Abgeordneten sind in Parteien organisiert, die keine Fraktionsstärke – also fünf Mandate – erreicht haben. Mitte November organisierten sich die EVP, der LdU und die EDU in einer gemeinsamen Fraktion. Der CSP-Vertreter blieb wie bisher bei den Grünen, die beiden Genfer PdA- resp. Solidarité-Abgeordneten bei der SP-Fraktion. Der Waadtländer Kommunist Zisyadis blieb hingegen fraktionslos.

Im Nationalrat sind in der neuen Legislatur wiederum die Juristen am stärksten vertreten. Die grosse Kammer zählt neu 42 Juristen, Notare und Anwälte gegenüber 46 nach den letzten Wahlen. Diesem geringen Rückgang steht ein grosser Zuwachs von 24 auf 35 Sitze bei den Unternehmerinnen und Gewerbetreibenden gegenüber. Die Landwirte bauten ihre Vertretung von 21 auf 25 Personen aus. Stark gesunken von 34 auf 21 ist dagegen die Zahl der Lehrpersonen und Wissenschaftlern. Ausserdem beherbergt der Nationalrat 17 Ökonominnen und Unternehmensberater, 15 Gewerkschafts-, Parteien- und Verbandsfunktionäre, 10 Beamte, je 8 Ärztinnen und Journalisten sowie drei amtierende Regierungsräte. Die Juristen sind am stärksten innerhalb der SP- und der CVP-Fraktion vertreten; bei der SVP übersteigt die Zahl der Landwirte knapp diejenige der Unternehmerinnen. Letztere wiederum bilden innerhalb der FDP-Fraktion die Mehrheit vor den Juristen. Mit dem Direktor des Gewerbeverbandes Triponez (fdp, BE) konnte ein gewichtiger Exponent des Gewerbes in den Rat Einsitz nehmen. Auf der anderen Seite schaffte die Berner Konsumentenschützerin Sommaruga (sp) mit einem Spitzenresultat den Sprung in die grosse Kammer.

Es fand ein weiterer Vormarsch der Frauen statt. Es wurden 47 Frauen in den Nationalrat und neun Frauen in den Ständerat gewählt, wobei Langenberger (fdp, VD) für beide Räte gewählt wurde und im Nationalrat ein Mann an ihre Stelle nachrückte. Der Frauenanteil im Parlament beläuft sich somit neu auf 22,4% gegenüber 20,7% vor vier Jahren. Im Nationalrat beträgt er 23,5% gegenüber 21,5% vor vier Jahren. Die grössten kantonalen Frauenabordnungen stellen Zürich mit 14 von 34 Nationalratssitzen und einer Ständerätin, sowie Bern mit 7 von 27 Nationalratssitzen und einer Ständerätin. Unter den Parteien stellt die SP die stärkste Frauenabordnung im Parlament. Unter ihren insgesamt 57 Abgeordneten befinden sich 20 Frauen. Prozentual ist der Frauenanteil der Grünen mit 66,7% der höchste.

Kandidaturen und Listen - Eidgenösissche Wahlen 1999

Für die Gesamterneuerungswahlen im Parlament stellten sich rund 3000 Kandidatinnen und Kandidaten zur Verfügung. Für die Nationalratswahlen der Proporzkantone wurden insgesamt 2845 (1995: 2834) Anwärterinnen und Anwärter portiert. Bei den Kandidatenzahlen verzeichnete Bern einen markanten Rückgang um 140 Personen; hingegen traten in Zürich 87 Kandidaten mehr an als noch vor vier Jahren. Rund ein Drittel der zur Wahl Stehenden rekrutierte sich aus den Kantonsparlamenten und Kantonsregierungen. Unter den Kandidierenden waren auch 20 Achtzehnjährige. Der älteste Kandidat zählte 90 Jahre und liess sich auf der Zürcher Seniorenliste aufstellen. Das Durchschnittsalter aller Kandidierenden lag bei rund 43 Jahren. Ebenfalls aufstellen liessen sich sechs Auslandschweizerinnen und -schweizer; 26 Personen traten in einem anderen als ihrem Wohnsitzkanton an; der bekannteste davon war der 65jährige Genfer SP-Nationalrat Ziegler, der für die Zürcher Jungsozialisten antrat.

Beinahe in allen Kantonen wurden in diesem Jahr weniger Listen eingereicht als vor vier Jahren. Der stärkste Rückgang vollzog sich im Kanton Bern (-7). Deutlich zugelegt hat dagegen die Listenzahl im Jura (+6); in den Kantonen Solothurn, Wallis und Thurgau wurden jeweils drei Listen mehr eingereicht als noch vor vier Jahren. Insgesamt sank die Listenzahl von 278 Listen im Jahr 1995 auf 268 Listen. Am meisten Listen aufgestellt hatten die SP (39) und die FDP (37). Beide Parteien traten in allen 21 Proporzkantonen an. Die SVP, die vor vier Jahren erst in 16 Kantonen mit Listen präsent war, weitete ihr Engagement auf 20 Kantone aus, allein in Neuenburg traten sie nicht zu den Wahlen an. Die CVP verzichtete auf Kandidaturen in Appenzell-Ausserrhoden, Neuenburg und Schaffhausen. Die Grünen gingen in 13 Kantonen an den Start. In Basel-Stadt, Graubünden und Freiburg waren sie ausserdem auf gemischten Listen anzutreffen. Die SD beschränkten sich auf elf, FP und EVP auf je acht Kantone. Mit der grösseren Listenvielfalt in verschiedenen Kantonen ist auch die Zunahme der Listenverbindungen auf 63 (1995: 56) einfache Verbindungen und 42 (1995: 40) Unterverbindungen zu erklären.

983 der Kandidierenden waren Frauen, was einem Anteil von 34,5% entsprach. 1995 erreichte der Frauenanteil 34,9% und war damit unwesentlich höher ausgefallen. Dem grossen Zuwachs an Frauenkandidaturen in den Kantonen Schwyz (+11%) und Baselland (+8%) standen markante Rückgänge in Graubünden (-15%), Luzern (-14%), Solothurn (-7%), Zug und Basel-Stadt (je -6%) gegenüber. Unter den Parteien wiesen die Grünen mit 50,0% die meisten Frauenkandidaturen auf, gefolgt von SP (46,7%), PdA (40,5%), EVP (36,8%), CVP (34,3%), FDP (31,1%), SVP (22,3%), LP (29,8%), SD (24,2%) und schliesslich der Freiheitspartei mit 19,8%. Nationalrätin Franziska Teuscher (gp, BE) hatte in der Frühjahrssession mit einer dringenden Anfrage an den Bundesrat auf die Problematik der Untervertretung von Frauen im Parlament aufmerksam gemacht. In der Wahlanleitung für Kandidierende wurden unter der Federführung des eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann Empfehlungen im Hinblick auf eine Förderung von Frauen bei den Wahlen abgegeben. Auch der "Leitfaden für kandidierende Gruppierungen" der Bundeskanzlei sowie das Kreisschreiben des Bundesrates an die Kantone enthielt solche Empfehlungen.

Wie bereits vor vier Jahren trat die linken und grünen Parteien bei den diesjährigen Wahlen geschlossener auf als die Bürgerlichen. Konsequent verbanden SP und Grüne ihre Listen; erweitert wurden die Listenverbindungen in beiden Basel, in Zürich und der lateinischen Schweiz mit PdA, Solidarités oder Alternative. In Zug vereinten sich SP und links-alternative Kräfte auf derselben Liste, während es in Freiburg zu einer Links-Mitte-Allianz zwischen SP, CSP, DSP und Indépendant-Solidarité kam. FDP, CVP und SVP verbanden ihre Listen in den Kantonen Aargau, Baselland und Graubünden, im Thurgau wurde die EVP und in der Waadt die LP zusätzlich in das Wahlbündnis aufgenommen. Zwischen FDP und SVP kam es ausserdem in den Kantonen Bern, Jura und Schaffhausen, zwischen FDP und CVP in den Kantonen Basel-Stadt, Freiburg, Genf und St. Gallen zu Allianzen. Wie bereits vor vier Jahren lehnte die FDP im Kanton Zürich eine Listenverbindung mit der SVP ab. In Bern, Luzern und Zürich schloss sich die CVP mit kleineren Mitte-Parteien (LdU, EVP und CSP) zusammen, hingegen gingen im Wallis Christlichdemokraten und Christlichsoziale, die beide zur CVP gehören, für einmal getrennte Wege. Im Tessin suchte die SVP die Nähe zur Lega, in Zug verband sie sich mit den Unabhängigen Senioren, in Zürich zusätzlich mit der Freiheitspartei. Zu LdU-EVP-Listenverbindungen kam es in Zürich und im Aargau, wo sie ausserdem mit CVP und Europa-Partei resp. mit der EDU zusammenspannten. Die EVP verband sich in Basel-Stadt mit der DSP. Bei den kleinen Rechtsaussenparteien ging die FP, sofern sie nicht mit der SVP verbunden war, mit den SD ein Wahlbündnis ein. Die EDU zog teils mit LdU und EVP (AG, ZH) teils mit kleineren Rechtsbewegungen in den Wahlkampf – so in Bern (mit der „Neuen Liste“), St. Gallen (mit FP und SD) und im Thurgau (mit FP, SD, KVP und KMU).