Probleme des Umfangs und der Interpretation der Menschenrechte beschäftigten die Öffentlichkeit weiterhin. Zweierlei gab dazu Anlass. Einerseits fuhr der Bundesrat fort, im Zuge einer aktiveren Aussenpolitik europäische Konventionen zu unterzeichnen, deren Inhalt die Gültigkeit der schweizerischen Rechtstradition gelegentlich etwas in Frage zu stellen vermag. Anderseits verschärfte sich die Spannung zwischen progressiven Tendenzen und einer unter den Trägern der Staats- und Gesellschaftsordnung verbreiteten Abwehrhaltung, was die Grenze zwischen individuellem Freiheitsanspruch und öffentlichem Sicherheitsbedürfnis zum Streitpunkt werden liess.

Keine anderthalb Jahre nach der Ratifizierung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unterzeichnete der Chef des EPD, Bundesrat Graber, im Mai die Europäische Sozialcharta (ESC). Obwohl es bisher in der Schweiz nicht gelungen ist, Sozialrechte in der Bundesverfassung zu verankern, bekennt sich somit unsere Regierung auch zum sozialrechtlichen Grunddokument des Europarats (CoE), das sich allerdings in seinem Rechtscharakter von der Menschenrechtskonvention, seinem individualrechtlichen Gegenstück, unterscheidet. Während diese klagbare Rechte des einzelnen formuliert und Instanzen zu ihrer Wahrung einsetzt, enthält die Sozialcharta ein sozialpolitisches Programm, dessen allmähliche Verwirklichung für die Unterzeichnerstaaten zudem nur auswahlweise verpflichtend ist, wobei das Kontrollorgan, ein Expertenausschuss, bloss Empfehlungen aussprechen kann. Immerhin muss jeder Signatarstaat einen gewissen Minimalbestand an Sozialrechten als verbindlich anerkennen. Erforderlich ist vor allem die Anerkennung von fünf der folgenden sieben Sozialrechte: Recht auf Arbeit, auf Vereinigung, auf Kollektivverhandlungen, auf soziale Sicherheit, auf Fürsorge, auf Schutz der Familie sowie Recht der Wanderarbeitnehmer und ihrer Familien auf Schutz und Beistand. Der Bundesrat gab jedoch dem Parlament, das sich mit der Ratifizierungsfrage zu befassen hat, noch keine entsprechende Liste bekannt.