Die Affäre, welche zum Rücktritt von Elisabeth Kopp führte, begann Ende August 1988 mit den Vorwürfen gegen ihren Mann Hans Kopp. Dieser war früher selbst aktiv in der Politik in Erscheinung getreten, so unter anderem als Präsident der Expertenkommission für eine Mediengesamtkonzeption. In den achtziger Jahren war der Name des Zürcher Wirtschaftsanwalts mehrmals im Zusammenhang mit Finanzaffären aufgetaucht. Seit sechs Jahren untersucht die Zürcher Staatsanwaltschaft die spektakuläre Finanzpleite der Risikoinvestmentfirma Trans K-B, bei welcher Hans W. Kopp Verwaltungsratspräsident war. Bei diesem Strafverfahren dreht es sich vor allem um den Verdacht auf Bilanzfälschung. Nach massiven Beschuldigungen in der Zeitschrift «Beobachter» eröffneten 1988 die zürcherischen Behörden ein Verfahren gegen Kopp wegen Steuerhinterziehung. Die Aufdeckung der Libanon-Connection, der grössten in der Schweiz je aufgedeckten Geldwäschereiaffäre, warf erneut ein schiefes Licht auf seine Geschäftstätigkeit: Die nach Ermittlungen der Tessiner Polizei verhafteten Drogengrosshändler und Geldtransporteure standen offenbar in geschäftlichen Beziehungen mit der Shakarchi Trading AG in Zürich, deren Verwaltungsrats-Vizepräsident Hans W. Kopp war.

Dossier: Affaire Kopp

Hans W. Kopp war, eine Woche bevor der «Tages-Anzeiger» die Öffentlichkeit am 5. November über die Ermittlungen orientierte, von seinem Posten zurückgetreten. Dies veranlasste einige Medien zu Mutmassungen über allfällige Tips, welche er aus dem unter der Leitung seiner Gattin stehenden Justiz- und Polizeidepartement hätte erhalten haben können. Die Bundesrätin wies die Verdächtigungen zurück und betonte, dass sie zwischen Amt und Privatleben zu trennen wisse. Ihr Mann beantwortete die Frage, ob er von seiner Frau über die Ermittlungen gegen die Shakarchi AG informiert worden sei, mit einem klaren Nein.

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In diesem Klima der Verdächtigungen und Unschuldsbeteuerungen verliefen die Vorbereitungen für die turnusgemässe Wahl von Elisabeth Kopp zur Vizepräsidentin des Bundesrates. Obwohl auch ein Teil der freisinnigen Presse vor der Gefahr von Interessenkollisionen warnte, stellte die FDP-Fraktion ihre Bundesrätin einstimmig als Kandidatin auf. Die Fraktionen der beiden andern bürgerlichen Bundesratsparteien sicherten – allerdings nicht mit einstimmigen Voten – ihre Unterstützung zu, desgleichen die Liberalen und die LdU/EVP-Fraktion. Für die SP und die Grünen waren hingegen die Verdachtsmomente und Vorbehalte zu gross: sie beschlossen Stimmfreigabe. Trotz des allgemeinen Unbehagens (ein bürgerlicher Parlamentarier sprach von "einer Lawine am Hang", die jeden Moment losbrechen könne) verlief die Wahl am 7. Dezember wie üblich ohne vorgängige Wortmeldungen. Nachdem J.P. Delamuraz mit 201 Stimmen zum Präsidenten bestimmt worden war, wählte die Vereinigte Bundesversammlung E. Kopp mit 165 Stimmen bei 238 ausgeteilten Stimmzetteln zur Vizepräsidentin für 1989.

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Bloss zwei Tage später, am Freitag, dem 9. Dezember, behauptete die Lausanner Zeitung «Le Matin», über Informationen zu verfügen, wonach Hans W. Kopp vor seinem Rücktritt aus dem Shakarchi-Verwaltungsrat einen Tip aus dem EJPD erhalten habe. In einer Karikatur wies die Zeitung auf die Bundesrätin als mögliche Informantin hin. Noch am Abend desselben Tages gab Elisabeth Kopp – nach einer Sondersitzung des Bundesrates – in einer Medienerklärung zu, dass dieser Tip von ihr stammte. Sie habe ihren Mann unmittelbar vor dessen Ausscheiden aus dem Verwaltungsrat in einem kurzen Telefongespräch über die gegen die Shakarchi AG laufenden Ermittlungen informiert und ihm seinen Rücktritt nahegelegt. Mit dieser Aussage entlarvte sie die Unschuldsbeteuerungen, mit denen sie und ihr Mann sich vorher verteidigt hatten, als Lügengebäude. In der Presse vom Samstag wurde daraufhin mehr oder weniger offen der Rücktritt der Bundesrätin gefordert. Als Begründung stand im Vordergrund, dass sie als Justizministerin nicht mehr tragbar sei und dass sie als Bundesrätin nicht glaubhaft wirken könne. Nach Aussprachen mit Spitzenpolitikern ihrer Partei erklärte sie am folgenden Montag ihre Demission auf Ende Februar 1989. Dabei zeigte sie sich freilich weiterhin keiner moralischen oder juristischen Schuld bewusst: Die Warnung an ihren Mann sei nicht aufgrund von Aktenkenntnissen erfolgt, sondern hätte sich bloss auf Gerüchte gestützt, die sie von ihrer persönlichen Beraterin erfahren habe.
Während im Ausland vorzeitige Demissionen von Ministern nichts Aussergewöhnliches sind, kommt ihnen in der Schweiz Seltenheitswert zu. Zur Bedeutung des Ereignisses und zur Steigerung der Emotionen trug auch bei, dass es sich bei der Zurücktretenden um die erste und bisher einzige in den Bundesrat gewählte Frau handelte.

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