Wolfgang Haas alleiniger Leiter des zweitgrössten Schweizer Bistums

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Auf den Tag genau zwei Jahre nach der höchst umstrittenen Ernennung von Wolfgang Haas zum Weihbischof mit Nachfolgerecht nahm der Papst den Amtsverzicht des Churer Bischofs Johannes Vonderach an, wodurch Haas automatisch alleiniger Leiter des zweitgrössten Schweizer Bistums wurde, welches in den Kantonen Graubünden, Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden, Glarus, Zürich sowie im Fürstentum Liechtenstein rund 700 000 Katholiken umfasst. Die Stabsübergabe auf dem Churer Hof löste in weltlichen und kirchlichen Kreisen Ratlosigkeit, Enttäuschung, Konsternation und Angst vor innerkirchlicher Spaltung aus. Dies geschah nicht nur wegen der streng konservativen Ansichten Haas', sondern auch weil mit seiner Bestätigung fundamentale Fragen des Kirchen- und Völkerrechts wieder aufgerollt wurden. Zahlreiche Gutachten waren in den vergangenen zwei Jahren nämlich zur Ansicht gekommen, der Papst habe mit seiner eigenmächtigen Ernennung Haas' zum Koadjutor verbriefte Rechte der Schweizer Domkapitel verletzt.

In den folgenden Tagen und Wochen ertönte sowohl an der Basis als auch bei den betroffenen kantonalen und kirchlichen Instanzen immer lauter der Ruf nach einen Rücktritt jenes Mannes, an dessen Tragbarkeit sogar die Schweizer Bischofskonferenz offen zweifelte. Verschiedentlich wurde angedroht, die Bistumsbeiträge zu sistieren, was den Churer Hof in arge finanzielle Bedrängnis bringen dürfte. Da sich jeder Versuch eines konstruktiven Dialogs mit Haas zerschlug, sahen sich die Zürcher Katholiken veranlasst, ihre Abspaltung von Chur und die Schaffung eines eigenständigen Zürcher Bistums zu verlangen. Bevor dies geschehen könnte, müssten aber noch umfangreiche juristische Abklärungen getroffen werden. Art. 50 Abs. 4 BV besagt nämlich, dass die Errichtung neuer Bistümer der Genehmigung des Bundes unterliegt. Die katholische Kirche empfand diese Bestimmung stets als Erbe des Kulturkampfes und als Diskriminierung ihrer Konfession und hat schon verschiedentlich auf die Abschaffung dieses Artikels hingewirkt.

Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der öffentlich-rechtlichen Anerkennung der Zürcher Katholiken durch den Kanton wurde die Kirchenführung des Bistums Chur vom Zürcher Justizdirektor Martin Graf (ZH, gp) beanstandet. Graf bezeichnete den Churer Bischof wegen dem Festhalten am Zölibat, der Verweigerung der Priesterweihe für Frauen und der Wiederverheiratung von geschiedenen Personen sowie der Nichtanerkennung gleichgeschlechtlicher Paare als rückständig und dessen Positionen als den Grundrechten widersprechend. Im Sommer brachten die Zürcher Katholiken ein altes Begehren wieder auf den Tisch und forderten durch die erneute Einreichung eines Gesuchs bei der Schweizerischen Bischofskonferenz (SBK) die Ablösung von Chur und die Schaffung eines Bistums Zürich. Als Auslöser für die Wiederbelebung des zum letzten Mal in den späten 80er Jahren diskutierten Anliegens wurde unter anderem die aktuelle Kirchenführung durch Bischof Huonder genannt. Letzterer zeigte sich im Dezember grundsätzlich offen für die Gründung eines Zürcher Bistums. Im Frühjahr des kommenden Jahres will er in Gesprächen mit dem Apostolischen Nuntius und den Zuständigen in Rom die Lage abschliessend beurteilen.

Bereits im Januar diskutierte der Churer Bischof Vitus Huonder die Schaffung eines Bistums Zürich mit dem päpstlichen Nuntius, worauf dieser das Geschäft an die Römische Kurie weiterleitete. Ende Jahr besprach der Bischof von Chur die Angelegenheit bei seinem Besuch in Rom auch mit dem Papst, dessen Antwort zur Frage jedoch noch aussteht. Ein im Mai von der "NZZ am Sonntag" publik gemachtes, bisher unveröffentlichtes kirchenrechtliches Gutachten heizte die Debatte zusätzlich an: Huonder sei nur Bischof mit vollem Recht für die Kantone Graubünden und Schwyz; Obwalden, Nidwalden, Glarus und Teile des Kantons Uri seien lediglich Apostolische Administraturen des Bistums Chur. In diesen Gebieten könne der Churer Bischof nur auf Weisung des Papstes als dessen Stellvertreter wirken. Im Falle von Zürich ist die Angelegenheit besonders brisant: Nach Loslösung vom Bistum Konstanz wurde Zürich 1819 dem damaligen Churer Bischof "ad personam" unterstellt, womit die Unterstellung mit dem Wechsel des Bischofs ihre Rechtswirkung eigentlich verloren hätte.