Die Gefahr durch russische Spionage und Desinformation beschäftigte in den vergangenen zwei Jahren die Schweizer Öffentlichkeit und Politik. So machte der NDB-Direktor Christian Dussey im Rahmen der Veröffentlichung des Sicherheitsberichts des NDBs Ende Juni 2023 publik, dass die allgemeine Sicherheitslage deutlich angespannter sei als in vorherigen Jahren. Unter anderem müsse mit rund 70 bis 80 aktiven Mitarbeitenden des russischen Geheimdienstes im Land gerechnet werden, wie die Medien berichteten. Bereits Anfang Juni wurde zudem bekannt, dass bei einem Hackerangriff auf das für den Bund arbeitende Unternehmen XPLAIN grosse Mengen an sensiblen Daten entwendet und im Darknet zum Verkauf angeboten worden waren. Die NZZ am Sonntag sprach Anfang August von der Schweiz als «Drehscheibe und Logistikbasis» russischer Geheimdienste in Europa. Die «Republik» stellte zudem fest, dass die Schweiz kaum Massnahmen gegen ausländische Nachrichtendienstmitarbeitende, die offiziell als Diplomatinnen und Diplomaten akkreditiert sind, ergreife.
In der Wahlkampfphase der nationalen Wahlen 2023 tauchte zudem ein manipuliertes Video eines dunkelhäutigen Mannes auf, der in Baden (AG) auf eine Strasse uriniert. Dieses sei laut dem Tagesanzeiger, mit Verweis auf den NDB, mutmasslich von russischen Konten veröffentlicht worden mit dem Ziel, den Wahlkampf zugunsten der SVP zu beeinflussen. Anschliessend beurteilte beispielsweise die NZZ die generelle Resilienz der Schweiz gegenüber (russischer) Desinformationskampagnen zwar aufgrund der Konsenskultur, der Mehrsprachigkeit und des Wahlsystems als relativ hoch, trotzdem fehle es an genügend Ressourcen, um die Gefahr von Desinformationskampagnen adäquat zu adressieren. Die gleiche Zeitung wusste zudem im Dezember 2023 von einer russischen Hackergruppe zu berichten, die in der Schweiz mit inszenierten Angriffen Unsicherheit schüren wolle.
Die Bundespolitik reagierte und die APK-NR reichte im September eine Motion ein, um russische und andere ausländische Spione konsequent auszuweisen. Der Vorstoss fand im Herbst 2023 und im Sommer 2024 jeweils eine Mehrheit in den beiden Kammern, wobei der Entscheid des Ständerats mitten in die Vorbereitungen rund um den Friedensgipfel für die Ukraine auf dem Bürgenstock fiel. Diverse Zeitungen berichteten in diesem Zusammenhang von den Vorbereitungen zur Abwehr von russischen Spionagetätigkeiten. So besuchte etwa die Aargauer Zeitung die Nationale Alarmzentrale (NAZ), die während der Konferenz in ausserordentlicher Bereitschaft stehe.
Ausserdem veröffentlichte der Bundesrat Mitte Juni einen Bericht zur Auslegeordnung zur Bedrohung der Schweiz durch Desinformationskampagnen, welcher der Schweiz grundsätzlich eine hohe Resilienz gegenüber Desinformation attestierte, aber gerade aufgrund der regelmässig stattfindenden Volksabstimmungen durchaus Potenzial für ausländische Einflussnahme feststellte. Vor, während und im Nachgang der Bürgenstockkonferenz kam es zudem auf dem russischen Propagandasender Russia Today zu diversen desinformativen Beiträgen über Schweizer Politikerinnen und Politiker, wobei Bundespräsidentin Viola Amherd mit Vorwürfen der Inkompetenz und Parteilichkeit überzogen wurde.
In die gleiche Zeitspanne fiel die Veröffentlichung des Falls eines mutmasslichen russischen Spions, der als Diplomat akkreditiert in Bern erfolgreich Waffen kaufen konnte, wie die Presse Mitte Juni berichtete. Auf Anfrage der Medien bestätigte die Bundesanwaltschaft, beim EDA eine Aufhebung des diplomatischen Immunitätsschutzes beantragt zu haben. Der mutmassliche Agent habe aber inzwischen ohne Ausweisung das Land verlassen. NDB-Vorsteher Dussey stellte in einem Interview gegenüber dem Tagesanzeiger fest, dass die Entscheidung, potenziell russische Spione mit Diplomatenstatus (nicht) auszuweisen, eine politische Entscheidung sei und nicht im Entscheidungsspielraum des Nachrichtendienstes liege. Auch die NZZ führte aus, der NDB habe «nicht einmal über eine genügende gesetzliche Grundlage, um Beeinflussungsversuche zu erfassen und abzuwehren». Die Debatte um weiterführende gesetzliche Grundlagen dürfte so schnell nicht abbrechen, zumal der neuste Bericht des Bundesrats zur Beurteilung der Bedrohungslage die Bedrohung durch Spionage nach wie vor als hoch einstufte.