Der Ausgleich der kalten Progression beschäftigte das Parlament auch im Berichtsjahr. Nach der Überweisung von mehreren Motionen im Jahr 2008 (siehe hier und hier) legte der Bundesrat nun eine Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer vor, die einen rascheren Ausgleich der Folgen der kalten Progression vorschlägt. Der Vorschlag des Bundesrates sah vor, dass die Folgen der kalten Progression künftig bei einer seit dem letzten Ausgleich kumulierten Teuerung von mindestens 3% auszugleichen sei. Erstmals soll dies für das Steuerjahr 2010 erfolgen, sofern das Gesetz spätestens in der Sommersession 2009 verabschiedet und die Referendumsfrist ungenützt ablaufen würde.
Der Nationalrat beschloss Eintreten ohne Gegenantrag. Die Voten der Fraktionssprecher machten klar, dass alle sich darüber einig waren, die Folgen der kalten Progression besser auszugleichen. Umstritten war allerdings, wie diese Verbesserung zu erzielen sei. Dabei stellte sich eine Minderheit aus FDP und SVP auf den Standpunkt, dass die kalte Progression jährlich ausgeglichen werden sollte und nicht erst, wenn sich die Teuerung auf 3% kumuliert hätte. Weiter verlangte die Minderheit auch, dass ein Passus aufgenommen werde, nachdem bei negativem Teuerungsverlauf eine Anpassung der Steuertarife ausgeschlossen sei. Eine grüne Minderheit wollte einen Ausgleich erst nach 4% Teuerung vornehmen. Die SP- und CVP/EVP/glp-Fraktion standen dem Minderheitsantrag von SVP und FDP kritisch gegenüber, weil mit dem jährlichen Ausgleich auch ein erhöhter administrativer Aufwand insbesondere bei den Kantonen verbunden sei. Bei den kantonalen Finanzdirektoren war dieser Vorschlag auch mehrheitlich auf Ablehnung gestossen. Die bürgerliche Minderheit und damit die jährliche Anpassung setzte sich in der Abstimmung mit 96 zu 77 durch.
Eine weitere umstrittene Frage war die des Inkrafttretens der Änderung. Die Kommissionsmehrheit bevorzugte den 1. November 2009, dies im Gegensatz zum Bundesrat, der das Gesetz nach dem Ablauf der Referendumsfrist oder mit seiner Annahme in der Volksabstimmung in Kraft setzen wollte. In der Abstimmung setzte sich die Kommissionsmehrheit durch. In der abschliessenden Gesamtabstimmung, in der das Gesetz mit 112 zu 48 Stimmen angenommen wurde, sprachen sich die bürgerlichen Fraktionen praktisch geschlossen für die Vorlage aus während die Ratslinke sie ablehnte.
In der Detailberatung des Ständerates schlug die Kommissionsmehrheit vor, sich dem Beschluss des Nationalrates anzuschliessen und die Folgen der kalten Progression jährlich auszugleichen. Der Rat folgte seiner Kommission mit 28 gegen 11 Stimmen. In der Frage der Inkraftsetzung schlug die Kommissionsmehrheit den 1. Januar 2010 vor. Eine Kommissionsminderheit hingegen plädierte für den 1. Januar 2011. Insbesondere für die Anpassung der Prozedur bei der Erhebung der Quellensteuer sei dieses Datum besser geeignet. Diese Sicht setzte sich im Rat durch, der Minderheitsantrag wurde mit 26 zu 10 Stimmen angenommen. Somit verblieb in der Frage der Inkraftsetzung eine Differenz mit dem Nationalrat. Diese wurde erst in der Einigungskonferenz zugunsten des Vorschlags des Ständerates aufgehoben. Das Gesetz wurde in der Schlussabstimmung in beiden Kammern einstimmig angenommen.