starken Ausdehnung von kleinstädtischen Pendlerregionen rund um die Grossstädte

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Ein Jahr nach der Volkszählung präsentierte das Bundesamt für Statistik (BfS) die ersten provisorischen Resultate. Am Stichtag, dem 4. Dezember 1990, betrug die Wohnbevölkerung der Schweiz 6 873 687 Personen, 8% mehr als 1980. Damit ist die Einwohnerzahl der Schweiz in diesem Zeitraum deutlich stärker angestiegen als jene der anderen europäischen Länder. Im Dezennium 1970-1980 hatte die Zunahme lediglich 1,5 % betragen. Entgegen früheren Erhebungen geht der Bevölkerungszuwachs nur zu einem Drittel auf den Geburtenüberschuss zurück, zu zwei Dritteln wurde er durch Zuwanderung aus dem Ausland verursacht.

Zwischen den Kantonen zeigten sich deutliche Unterschiede. Während beispielsweise Aargau, Freiburg, Waadt, Wallis und Zug über 10% Zunahme verzeichneten, konnten Uri, Bern, Zürich und Jura nur geringfügig zulegen. Aufgrund der Bevölkerungsverschiebungen verlieren Bern und Zürich je einen Sitz im Nationalrat zugunsten der Kantone Aargau und Zug. Diese Änderungen gelten, unter Vorbehalt der definitiven Resultate, jedoch erst für die Nationalratswahlen von 1995.

Der Bevölkerungszuwachs der letzten zehn Jahre führte zu einer starken Ausdehnung von kleinstädtischen Pendlerregionen rund um die Grossstädte, weshalb die Verantwortlichen des BfS denn auch von einer "Verkleinstädterung" der Schweiz sprachen: Gab es 1980 noch 94 Städte mit über 10 000 Einwohnern, kamen bis 1990 gleich 14 neue dazu. Verluste hinnehmen mussten vor allem Klein- und Kleinstgemeinden mit weniger als 500 Einwohnern sowie grosse und mittlere Städte. Das BfS machte Massenmotorisierung, hohe Bodenpreise und fehlende Familienwohnungen in den Städten für diese deutlichen Veränderungen in der Siedlungsstruktur verantwortlich. Aber auch die gesellschaftlichen Umwälzungen hinterliessen ihre Spuren: Noch stärker als die Bevölkerung erhöhte sich die Zahl der Privathaushalte, nämlich um 17% auf 2,87 Mio Einheiten; die durchschnittliche Haushaltgrösse reduzierte sich von 2,6 auf 2,4 Personen.

Im Vorjahr hatten erste Ergebnisse der Volkszählung von 1990 gezeigt, dass die Wohnbevölkerung der Schweiz zwischen 1980 und 1990 unerwartet stark um 8% auf nahezu 6,9 Mio Personen zugenommen hat. Neu am Bevölkerungswachstum der 80er Jahre war, dass es zu zwei Dritteln durch den Wanderungssaldo und nur zu einem Drittel durch den Geburtenüberschuss entstand. Seit dem Beginn der Wachstumsphase in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte immer der Geburtenüberschuss den Hauptteil der Bevölkerungszunahme ausgemacht. Um diese Tendenzen auch im Hinblick auf die Alterung der Bevölkerung zu analysieren, gab der Bundesrat einer interdepartementalen Arbeitsgruppe unter der Leitung des Bundesamtes für Statistik (BFS) den Auftrag, Szenarien für die künftige Bevölkerungsentwicklung der Schweiz auszuarbeiten.

Im Vordergrund des Interesses standen dabei die Auswirkungen eines Beitritts zum EWR (Variante "Integration"). Weitere Hauptszenarien gingen von einem Alleingang unter Beibehaltung der bisherigen Ausländer- und Asylpolitik ("Kontinuität") bzw. von einem Nullwachstum der Bevölkerung ("Stabilisierung") oder einer Schliessung der Grenzen für neue Zuwanderer (" Abgrenzung") aus. In Alternativmodellen wurden ferner der Einfluss einer zunehmenden Geburtenhäufigkeit und einer geringer wachsenden Lebenserwartung untersucht.

Für die nächsten Jahrzehnte wurde nach den als besonders realistisch eingestuften Szenarien "Integration" und "Kontinuität" mit einem weiteren Bevölkerungswachstum gerechnet. Die Einwanderung, aber auch der durch die grossen Jahrgänge der 50er und 60er Jahre verursachte höhere Geburtenüberschuss bilden die Hauptursachen dafür. Dem Integrationsszenario zufolge dürfte die Bevölkerung bis ins Jahr 2020 auf etwa 7,5 Mio ansteigen, nach dem Kontinuitätsmodell auf 7,7 Mio. Dieser Unterschied ergab sich daraus, dass bei einem Beitritt zum EWR mit einem mehr produktivitätsorientierten Wirtschaftswachstum gerechnet wurde, beim Alleingang mit einem eher extensiven. Nach beiden Szenarien wird sich der künftige Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung auf rund 22% erhöhen und – bei der Variante Integration etwas weniger deutlich als bei jener der Kontinuität – vornehmlich aus einer Zunahme bei den Nicht-EWR-Bürgern resultieren.

Alle Szenarien sagten für die nächsten dreissig Jahre einen grundlegenden Wandel in der Altersstruktur voraus. Die Zahl der 15- bis 40jährigen nimmt künftig kontinuierlich ab, wobei der stärkste Rückgang bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen erwartet wird. Das Bevölkerungswachstum in den kommenden Jahrzehnten erfolgt so fast ausschliesslich bei den über 50- und vor allem bei den über 64jährigen. Es wurde geschätzt, dass nach dem Jahr 2010 rund die Hälfte der Stimm- und Wahlberechtigten über 50jährig sein dürften. Ebenso wird sich das zahlenmässige Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Rentnern spürbar verschlechtern. Heute kommen auf 100 Personen im erwerbstätigen Alter 24 Rentnerinnen und Rentner; im Jahre 2020 werden es bereits 34 und im Jahre 2040 deren 44 sein. Erst nach 2035 zeichnet sich ein Rückgang der Alterung der Bevölkerung und eine anschliessende Stabilisierung auf hohem Niveau ab.


Die definitiven Ergebnisse der Volkszählung von 1990 zeigten das Bild einer Schweiz in raschem gesellschaftlichem und kulturellem Wandel. In den 80er Jahren wurden 530 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Die Zahl der Erwerbstätigen stieg damit um 17,1%. Diejenige der erwerbstätigen Frauen nahm um 192 000 zu. 44,7% aller Frauen arbeiteten teilzeitlich, während es bei den Männern nur 5,2% waren. Fast vier von fünf Frauen waren im Dienstleistungssektor tätig, der kontinuierlich expandierte und zum Zeitpunkt der Volkszählung 63,9% der Arbeitskräfte beschäftigte. Gegenüber 1980 schrumpfte der industrielle Sektor von 39,4% auf 31,8% der Erwerbstätigen.

Die Verstädterung der Schweiz ging rasant weiter. Hatten 1980 noch 61,6% der Einwohner in städtischem Umfeld gewohnt, waren es 1990 bereits 68,9%. Sie lebten verteilt auf 48 Agglomerationen und neun isolierte Städte. In den 80er Jahren entstanden 15 neue Agglomerationen vor allem um die rasch wachsenden Kleinzentren des Wallis, des Berner Oberlandes und des St.Galler Rheintals sowie in den Kantonen Aargau und Thurgau. Besonders stark wuchsen die Grossagglomerationen Genf und Lausanne.

Der Trend zu mehr und kleineren Haushalten setzte sich ungebrochen fort. Die Zahl der Haushalte wuchs um 392 000 oder 16,0%. 1990 lebte fast in jedem dritten Haushalt eine Person allein, mehrheitlich waren es Frauen. Die steigende Zahl von Rentnern und das Hinausschieben der Familiengründung haben den Anteil der Paarhaushalte ohne Kinder von 22,8 auf 26,6% ansteigen lassen. Mehr als verdoppelt hat sich die Zahl der Konkubinatspaare. Der Anteil der Haushalte von Eltern mit Kindern ging weiter zurück und machte noch 37,5% aus. Die Kinderzahl blieb jedoch mit 1,83 fast konstant. Der Anteil der geschiedenen Personen erhöhte sich dagegen um ein Drittel von 3,2 auf 4,3% der Bevölkerung.

Die stärkere Präsenz von Ausländern hat eine neue Vielfalt von Sprachen und Religionen gebracht. Erstmals waren die Nicht-Landessprachen mit 8,9% stärker vertreten als das Italienische, allen voran die slawischen Sprachen — primär Serbokroatisch —, gefolgt von Spanisch, Portugiesisch, Türkisch und Englisch. Bei den Konfessionsgruppen fällt der starke Zuwachs der Mohammedaner auf 150 000 und der ostkirchlichen Religionsgemeinschaften auf 72 000 Angehörige auf.