Neues Präsidium und mögliche Neuausrichtung der Grünen

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Nach den Erfolgen der Grünliberalen wurden innerhalb der GP Stimmen laut, die eine Abkehr vom linken Stil forderten. Man müsse wegkommen von dogmatischer Politik und sich in Richtung Mitte bewegen. Kritik wurde auch an Präsident Ueli Leuenberger geübt. Obschon Umweltthemen im Trend seien, würde die Partei nicht genügend davon profitieren. So habe etwa die GP noch keine griffige Initiative mit einem ökologischen Thema in Vorbereitung, während die GLP ihr geplantes Begehren zur Energiesteuer bereits öffentlich gemacht habe und die SP das Thema mit ihrer bereits lancierten Cleantech-Initiative besetze. Trotz Kritik wurde Leuenberger an der Delegiertenversammlung Anfang Mai in Freiburg einstimmig bestätigt. Zudem wurde ein Aktionsprogramm zur Energiepolitik verabschiedet, in welchem bekannte Anliegen wie die Förderung alternativer Energien und von Energieeffizienz, die Beschränkung der AKW-Laufzeiten und das Verbot von Endlagern (falls nicht gleichzeitig alle AKWs abgeschaltet werden) festgehalten wurden. Man sei sich jedoch bewusst, so Vizepräsidentin Franziska Teuscher, dass die Menschen heute wahrscheinlich nicht mehr so kritisch gegen Atomstrom eingestellt seien wie noch vor 20 Jahren. Sie forderte eine neue Atomdebatte, welche die Grünen anführen müssten.

Dossier: Les présidents des verts depuis 2000

Die Niederlage bei den nationalen Wahlen führte zu parteiinternen Diskussionen über eine mögliche Neuausrichtung der Partei. Man könne sich freuen, dass langjährige grüne Forderungen mehrheitsfähig geworden seien, was ja eigentlich das Ziel der GP sei, die nicht einfach zum Selbstzweck bestehe. Die Meinungen über das künftige Parteiprogramm, die anvisierten Wählersegmente und die personelle Zusammensetzung einer zukunftsfähigen Parteiführung gingen auseinander. Auf der einen Seite wurde davor gewarnt, von den bewährten Positionen abzurücken. Vielmehr müssten neue Wählersegmente, insbesondere junge Frauen, angesprochen werden. Auf der anderen Seite wurde eine Neuausrichtung Richtung Mitte, eine Profilierung in Nicht-Umweltschutzthemen und sogar eine Annäherung an die GLP verlangt. Gefordert wurde auch eine neue Generation an der Spitze der Partei. Der per April 2012 zurücktretende Präsident Leuenberger solle durch eine junge Frau aus der Deutschschweiz ersetzt werden.

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Am 21. April besetzten die Grünen in Carouge ihr Präsidium neu. Ueli Leuenberger (GE) – seit 2008 im Amt – hatte bereits früher seinen Rücktritt angekündigt. Nach den nationalen Wahlen 2011, die für die GP mit fünf Sitzverlusten zu einem eigentlichen Debakel geworden waren, wurde eine Neuausrichtung gefordert, die auch dank einer Verjüngung des Präsidiums und mit einer Frau an der Spitze erfolgen und zu alter Stärke zurückführen sollte. Verschiedene Szenarien wurden in Erwägung gezogen: ein Einerpräsidium mit einem mehrköpfigen Vizepräsidium oder ein Co-Präsidium aus einer Frau und einem Mann bzw. mit je einer Person aus der französisch- und deutschsprachigen Schweiz. Mit einer Statutenänderung wurde zudem die Möglichkeit geschaffen, mehr als zwei Vizepräsidien zu schaffen. Ende Januar hatten nicht weniger als 10 Personen ihre Ambitionen angemeldet: Als mögliche Nachfolgerinnen Leuenbergers wurden früh die Nationalrätinnen Adèle Thorens (VD) und Regula Rytz (BE) gehandelt. Vizepräsidentin Franziska Teuscher (BE), welche mit einem Sitz in der Berner Stadtregierung liebäugelte, sagte hingegen früh ab. Ihr Interesse an einer Mitarbeit im Präsidium kündigten hingegen die Nationalräte Bastien Girod (ZH) und Geri Müller (AG) an. Auch die frühere Baselbieter Landrätin Esther Maag reichte ihre Bewerbung für das Präsidium ein. Ausschliesslich für ein Vizepräsidium kandidierten Markus Kunz (ZH), ehemaliger Kantonalpräsident der Grünen des Kantons Zürich, Ständerat Robert Cramer (GE), der ehemalige Nationalrat Jo Lang (ZG) sowie Claudio Zanini (TI). Auch Aline Trede (BE) anerbot sich, im Präsidium mitzuhelfen, allerdings nur, wenn sie in den Nationalrat nachrutsche, also bei einer allfälligen Wahl Franziska Teuschers in die Berner Stadtregierung. Der scheidende Präsident Leuenberger warnte an der Delegiertenversammlung im Januar in Kriens vor einer Annäherung an die Mitte und einem Co-Präsidium. Die in den Medien dem rechten grünen Flügel zugeordneten Girod und Thorens würden den Richtungsstreit innerhalb der Partei nicht beenden und ein Co-Präsidium – Leuenberger hatte sich bei seiner Wahl dezidiert gegen ein solches zusammen mit Franziska Teuscher ausgesprochen – würde verhindern, dass die Partei mit einer Stimme spreche. Die Ende April in Carouge anwesenden Delegierten waren jedoch anderer Meinung und wählten mit Adèle Thorens und Regula Rytz zwei Frauen in ein Co-Präsidium. Bereits im ersten Wahlgang setzten sich die beiden mit 183 (Thorens) bzw. 127 Stimmen (Rytz) durch. Der drittplatzierte Girod erhielt 68 Stimmen. Mit Thorens und Rytz seien sowohl der junge, pragmatische wie auch der linke, etatistische Flügel der Partei abgedeckt, so die Einschätzung der Presse. Das Vizepräsidium wurde – um die Sprachregionen und die Geschlechter adäquat zu vertreten – neu mit Bastien Girod (ZH), Jo Lang (ZG), Robert Cramer (GE) und der Jungen Grünen Irène Kälin (AG) besetzt. Die Delegierten hatten zuvor entschieden, dass die Jungpartei ebenfalls im Vizepräsidium vertreten sein soll und wählten Kälin in stiller Wahl.

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