1967 erschien die erste „systematische Übersicht über das schweizerische politische Geschehen des zurückliegenden Jahres“ als Sonderdruck des Jahrbuchs 1966 der Schweizerischen Vereinigung für politische Wissenschaft und bildete den Startschuss für die Erfolgsgeschichte eines einzigartigen Projektes: Année Politique Suisse.
Erich Gruner (1915-2001), der damalige Direktor des «Forschungszentrums für Geschichte und Soziologie schweizerischer Politik», beabsichtigte ein eigentliches Monitoring der Schweizer Politik. Zusammen mit Peter Gilg (1922-2006) schuf er deshalb eine kontinuierliche, umfassende und detaillierte Darstellung des politischen Geschehens in der Schweiz in Form eines Jahrbuchs für Schweizerische Politik. Vorbild war das zwischen 1886 und 1909 erschienene «Politische Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft» von Carl Hilty (1833-1909), das neben politischen Stellungnahmen Hiltys jeweils auch eine Beschreibung der wichtigsten Ereignisse der Schweizer Politik enthielt.
Mit einem über Hilty hinausgehenden, wissenschaftlichen Anspruch sollten die Darstellungen im neuen Jahrbuch neutral sein, die Positionen unterschiedlicher Interessengruppen mit einbeziehen und sich auf amtliche Quellen und auf eine ebenfalls am Forschungszentrum entstehende, umfassende Zeitungsausschnittsdokumentation stützen.
Zu Beginn wurden Jahrbuch und Dokumentation mit Hilfe eines Forschungsbeitrags des Nationalfonds finanziert, den Gruner ad personam erhielt. Weil auch der Bund von den Dienstleistungen des Forschungszentrums profitierte, leistete die Bundeskanzlei ab 1979 einen jährlichen Beitrag von CHF 100'000. An diesen Beitrag gekoppelt war allerdings die Forderung, dass der Kanton Bern nach der Emeritierung von Gruner ein Ordinariat einzurichten hatte – eine Forderung, die 1986 mit der Wahl von Wolf Linder und der Umbenennung des Forschungszentrums in «Institut für Politikwissenschaft» erfüllt wurde. Die Leitung des Jahrbuchs übernahm ab 1987 Hans Hirter, langjähriger Assistent von Gruner.
Der Ausbau des Lehrbetriebs aufgrund der wachsenden Studierendenzahlen liess es bald nicht mehr zu, dass Lehrassistierende die Jahrbucharbeiten übernahmen. Weil es für den Bund und den Kanton Bern ausser Frage stand, die Chronik einzustellen, wurden die Mittel noch einmal aufgestockt. Der Bund knüpfte dies aber erneut an die Bedingung, dass der Kanton Bern den Ausbau des Instituts für Politikwissenschaft sicherstellt.
Seit 2005 werden die Mittel in Form von gebundenen Bundesbeiträgen im Rahmen einer Leistungsvereinbarung mit dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation gesprochen. Verantwortlich für den Einsatz der Mittel und die Sicherung der Qualität ist seither die Schweizerische Akademie für Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW). Die Universität Bern beteiligt sich an den Kosten mit der Finanzierung der Direktionsstelle, auf die 2011 Marc Bühlmann gewählt wurde. APS ist mittlerweile das mit Abstand grösste Drittmittelprojekt des Instituts für Politikwissenschaft.
Die Köpfe hinter Année Politique Suisse
ERICH GRUNER (Gründer und Leiter von Année Politique Suisse von 1965 bis 1984)
Erich Gruner wurde 1915 in Bern geboren. Er studierte in Bern und Wien Geschichte und promovierte 1942. Bevor er 1961 eine ordentliche Professur für Sozialgeschichte und Soziologie der schweizerischen Politik an der Universität Bern erhielt, wirkte er als Gymnasiallehrer in Basel. 1965 gründete Erich Gruner das Forschungszentrum für schweizerische Politik – den Vorläufer des heutigen Instituts für Politikwissenschaft, das er bis 1985 leitete. Seine Forschungsschwerpunkte waren die politischen Institutionen der Schweiz und die darin handelnden Parteien und Verbände. Gruner selber bezeichnete sein Schaffen als «soziologisch angereicherte Zeitgeschichte». Ein wichtiges Anliegen war es ihm, seine Erkenntnisse auch weiteren als nur den wissenschaftlichen Kreisen zugänglich zu machen. In seinem Nachruf wird er deshalb auch als «unbequemer Mahner» bezeichnet. Erich Gruner ist ein Pionier der schweizerischen Politikwissenschaft. Er gründete 1965 nicht nur das Jahrbuch für schweizerische Politik, sondern initiierte 1977 auch die VOX-Meinungsumfragen und trieb die Entwicklung sozialwissenschaftlicher Methoden entscheidend voran. Erich Gruner starb 2001 in Bern (Quellen: HLS, Nachruf in Berner Zeitschrift für Geschichte).
PETER GILG (Gründer und Leiter von Année Politique Suisse von 1965 bis 1984)
Peter Gilg wurde 1922 in Bern geboren. Er studierte Geschichte, Germanistik und Geographie an den Universitäten Bern und Zürich. 1950 promovierte er an der Universität Bern in Geschichte. Er arbeitete zunächst als Gymnasiallehrer und Bibliothekar. Von 1955 bis 1965 schrieb er als Auslandredaktor für Der Bund. 1965 wurde Peter Gilg ans Forschungszentrum für schweizerische Politik berufen und war dort treibende Kraft für den Aufbau der Zeitungsdokumentation, die eine wichtige Grundlage für das Jahrbuch für Schweizerische Politik bildete, das er zusammen mit Erich Gruner begründete und für dessen Leitung er verantwortlich war. Peter Gilg lehrte an der philosophisch-historischen Fakultät, wo seine Vorlesungen zu zeitgenössischer Politik viel Anklang fanden. Von 1974 bis 1987 hatte er eine Honorarprofessur für Neueste Geschichte inne. Peter Gilg galt als kritischer und gewissenhafter Forscher – im Bund wurde er aus Anlass seines siebzigsten Geburtstags als «kritischer Seismograph des Zeitgeschehens» charakterisiert. So war er einer der ersten, der die 68-er Jugendbewegung zum Forschungsgegenstand machten. Peter Gilg verstarb im November 2006 (Quellen: HLS; Der Bund).
HANS HIRTER (Leiter von Année Politique Suisse von 1984 bis 2011)
Hans Hirter (Jahrgang 1948) studierte an der Universität Bern Volkswirtschaft, Soziologie, Staatsrecht und Betriebswirtschaft. Von 1976 bis 1983 war er Assistent am Forschungszentrum für schweizerische Politik und arbeitete als Redaktor für zahlreiche verschiedene Kapitel im Jahrbuch-Team mit. 1983 promovierte er zum Thema Arbeitskämpfe in der Schweiz. 1984 übernahm er die Leitung des Jahrbuchs, das er 1987 sanft reformierte; 2007 stellte er die erste digitale Gesamtausgabe ins Netz. Hans Hirter war Lehrbeauftragter für Methoden der Politikwissenschaft, Mitarbeiter an den VOX-Abstimmungsanalysen und regelmässiger Kommentator zu Ereignissen der Schweizer, der kantonalen und der Berner Politik in zahlreichen Medien. Er übernahm zudem Expertenmandate für eidgenössische, kantonale und kommunale Behörden zu verschiedenen Themen. Die Berner Zeitung bezeichnete Hans Hirter 2011 als «unaufgeregten, bodenständigen politischen Einordner der alten Schule mit immensem Erfahrungswissen» (Quellen: Berner Zeitung; IPW).
WOLF LINDER (Nachfolger von Gruner und Direktor am Institut für Politikwissenschaft von 1987 bis 2009)
Wolf Linder (Jahrgang 1944) studierte zuerst Jurisprudenz an der Universität Zürich und war zunächst als Gerichtsschreiber und juristischer Mitarbeiter in der kantonalen Verwaltung tätig, bevor er von 1969 bis 1973 an der Universität Konstanz ein Zweitstudium in Politikwissenschaft absolvierte und mit einer Dissertation abschloss. Von 1974 bis 1982 war Wolf Linder Mitglied des Grossen Rates des Kantons Thurgau (SP-Fraktion). 1982 übernahm er eine ordentliche Professur für Politik- und Verwaltungswissenschaften am IDHEAP in Lausanne bevor er 1987 den Ruf auf die ordentliche Professur für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Schweizerische Politik an die Universität Bern erhielt. Mit grossem Engagement und Geschick formte er das Forschungszentrum für schweizerische Politik in ein modernes Institut für Politikwissenschaft (IPW), wo Politikwissenschaft zunächst im Nebenfach und seit 1995 im Hauptfach angeboten wird. Neben Forschung und Lehre engagierte er sich als Experte für Bund und Kantone sowie in- und ausländische Entwicklungsorganisationen. Seit 2011 ist Linder Mitglied des Schweizerischen Wissenschafts- und Innovationsrats.
Mit seinem Antritt in Bern übernahm Wolf Linder auch die Verantwortung über Année Politique Suisse. Er konzentrierte die bisherigen Mittel im neuen IPW auf Forschung und Lehre, sicherte aber das Fortbestehen von APS mittels erfolgreichen Vereinbarungen mit Bund und Kanton Bern. Wolf Linder erreichte dabei, die substanzielle Aufstockung der Bundesmittel von der Zusicherung des Kantons Bern abhängig zu machen, den Ausbau des IPW zu gewährleisten. Wolf Linder war zudem mitverantwortlich für die Etablierung von APS als Unternehmen der SAGW ab 2005. So gelang es ihm, die finanzielle Unterstützung vom SBFI bzw. der SAGW und der Universität Bern zu sichern und damit das Bestehen des APS auf eine langfristige Basis zu stellen (Foto:
www.wolf-linder.ch).
CARLO MALAGUERRA (Erster Präsident der SAGW-APS-Kommission von 2005 bis 2015)
Carlo Malaguerra (Jahrgang 1939) studierte Wirtschaftswissenschaften in Fribourg, wo er 1970 promovierte. 1975 trat er in den Dienst des Bundesamtes für Statistik ein, bei dem er 1987 vom Bundesrat zum Direktor berufen wurde. In seiner 14-jährigen Amtszeit gelang es Malaguerra nicht nur, „Farbe in die graue Statistik zu bringen“, sondern er schaffte den „Anschluss des Statistik-Entwicklungslandes Schweiz an internationale Standards und war an oberster Stelle verantwortlich für die stark fortschreitende Modernisierung der amtlichen Statistik in der Schweiz (NZZ zum Rücktritt Malaguerras im Dezember 2001).
Mit der Konstituierung von APS als Unternehmen der SAGW wurde eine Kommission geschaffen, welche die wissenschaftliche Qualität von APS sicherstellt. Carlo Malaguerra übernahm die Präsidentschaft dieser Kommission. In seinem bis 2015 ausgeübten Präsidium zeichnete er sich als treibende Kraft für eine Modernisierung des Auftritts von APS aus und leitete so mit grossem Geschick und visionärem Blick die APS-Kommission (Quelle: SAGW).