Wahlkampf und Wahlresultate der SP (2003)

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Ende Oktober fassten die Sozialdemokraten die Nein-Parole zur Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes und zur Asylinitiative der SVP. Anschliessend verabschiedeten sie ihre Wahlplattform 2003 "Gleichheit, soziale Sicherheit und Lebensqualität für alle" und ein Migrationskonzept. Gegen den Willen der Geschäftsleitung, welche die Plattform im Juni unter dem Titel "Gerechtigkeit, Sicherheit und Lebensqualität für alle" der Öffentlichkeit präsentiert hatte, fanden mit Forderungen nach der 35-Stunden-Woche und einem Mindesteinkommen von 3000 Fr. radikalere Anträge Eingang; um das Thema öffentliche Sicherheit war im Sommer eine Polemik in der Boulevardpresse entstanden, so dass sich Parteileitung und Bundeshausfraktion zu einer Aussprache und zu anschliessenden Präzisierungen gezwungen sahen. Das Migrationskonzept hatte intern ebenfalls zu Diskussionen geführt: Abweichend von der bisherigen sozialdemokratischen Haltung, welche Personenfreizügigkeit für alle Migrantinnen und Migranten verlangt hatte, sah das Konzept neu eine Begrenzung der Einwanderung aus Ländern ausserhalb des EU-Raums vor. Unternehmen, die Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern anstellen wollten, sollten bestimmte gesetzliche Vorgaben, wie branchenübliche Löhne oder Sprachkurse während der Arbeitszeit, erfüllen. Schliesslich beschlossen die Delegierten, eine Volksinitiative für eine materielle Steuerharmonisierung zu lancieren.

Im Mai eröffneten die SP-Frauen mit einer Frauen-Konferenz in Bern ihren Wahlkampf; sie beabsichtigten, bei den Nationalratswahlen gleich viele Sitze zu gewinnen wie ihre männlichen Kollegen. Um dieses Ziel zu erreichen, forderten sie die Kantonalparteien dazu auf, ihre Listen paritätisch zu besetzen; die SP Schweiz solle Kandidatinnen ebenso oft an öffentliche Anlässe und zu Fernsehdiskussionen schicken wie Kandidaten.

Für ihr Wahlhappening in Bern übernahm die SP das Motto der deutschen Sozialdemokraten aus deren letztjährigem Wahlkampf: „Job und Kind – wir wollen beides“. In ihrer Rede verlangte Parteipräsidentin Christiane Brunner eine Mutterschaftsversicherung, mehr Krippen und Horte, Tagesschulen und Aufgabenhilfen, Steuergutschriften für Familien und höhere Kinderzulagen. Diese Forderungen seien zwar alt, aber immer noch nicht erfüllt. Im Gegensatz zur CVP bestehe eine Familie für die SP nicht zwingend nur aus Mutter, Vater und Kind, sondern umfasse jede Form des Zusammenlebens zwischen Erwachsenen und Kindern. Wichtig sei, dass Eltern wirklich wählen könnten, wie sie Erziehung und Berufsarbeit unter sich aufteilen wollten.

Mit dem Referendum gegen die 11. AHV-Revision starteten die Sozialdemokraten Anfang Oktober in die Schlussphase des Wahlkampfs. Erstmals in der Geschichte der AHV habe das Parlament eine reine „Abbauvorlage“ beschlossen, welche vor allem die Frauen, die Witwen sowie die unteren und mittleren Einkommen belaste. In einer Resolution zur Krankenversicherung forderten die SP-Delegierten, nicht ausgeschöpfte Beiträge zur Prämienverbilligung, vor allem der Kinderprämien, einzusetzen. Zudem sollte die Ärzteschaft vermehrt preisgünstige Arzneimittel resp. Generika verschreiben.

Bei den eidgenössischen Wahlen konnte die SP ihre Vertretung im Parlament um insgesamt 4 Sitze, 3 davon im Ständerat, erhöhen. Auf die Forderung von SVP-Parteipräsident Ueli Maurer, der SVP einen zweiten Bundesratssitz zuzugestehen, der mit Christoph Blocher (ZH) zu besetzen sei, reagierten die Sozialdemokraten mit Ablehnung. An einer Delegiertenversammlung Ende November bekräftigte die SP-Basis insbesondere angesichts der Drohung der SVP, auch den Sitz von SP-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey anzugreifen, die Linie der Parteileitung, alles zu unternehmen, um einen Bundesrat Blocher zu verhindern. Obschon die Sozialdemokraten mit ihrer Gesundheitsinitiative im Mai gescheitert waren, entschieden sie sich entgegen der ursprünglichen Absicht der Parteileitung, das Volksbegehren des „Mouvement populaire des familles“ für eine soziale Einheitskrankenkasse zu unterstützen und je nach Ausgang der Parlamentsberatungen das Referendum gegen die Revision des KVG zu ergreifen oder zu unterstützen. Nach der Wahl von Christoph Blocher (svp, ZH) und Hans-Rudolf Merz (fdp, AR) in den Bundesrat erklärte die SP, sie wolle auf diesen Rechtsrutsch mit verstärkter Opposition reagieren.