Parteiausschluss der SVP-Graubünden aus der Mutterpartei

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Anfang Dezember kam es in der SVP zu einem innerparteilichen Konflikt, als die Fraktion den links von der Parteilinie politisierenden Bündner Nationalratsmitgliedern Gadient und Hassler deren Sitze in wichtigen Kommissionen entzog. Die Bündner Kantonalpartei protestierte gegen dieses Vorgehen und verlangte eine Aussprache. Hassler erhielt schliesslich einen Sitz in der Wirtschaftspolitischen Kommission.

Dossier: Fondation et développement du PBD

Nach der Abwahl ihres Bundesrats Christoph Blocher beschloss die SVP den Gang in die Opposition. Die SVP-Bundesräte Samuel Schmid und Eveline Widmer-Schlumpf wurden aus der Bundeshausfraktion ausgeschlossen und die SVP betrachtete sich als nicht mehr in der Regierung vertreten. Ihre Rolle als Oppositionspartei musste die SVP allerdings erst finden. Es kam zu Spannungen innerhalb der Fraktion, da sich einige Parlamentarier, vor allem Vertreter der Berner und der Bündner SVP, gegen den Oppositionskurs wehrten. Die SVP gab an, keinen Systemwechsel vom Konkordanz- zu einem Konkurrenzsystem anzustreben. Auch an der Parlamentsarbeit wollte sie sich weiterhin beteiligen. Als Sofortmassnahme nahm die SVP nicht an den traditionellen Von-Wattenwyl-Gesprächen zwischen den Regierungsparteien teil und prüfte die Lancierung einer Initiative für die Volkswahl des Bundesrates. Zudem kündigte sie an, in Zukunft vermehrt auf die direktdemokratischen Instrumente Initiative und Referendum zu setzen. In der Presse überwog die Einschätzung, dass der Gang in die Opposition in erster Linie eine weitere Verschärfung des Tons bedeuten werde.

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Im März wurde im Schweizer Fernsehen ein Dokumentarfilm gezeigt, der die Möglichkeit in den Raum stellte, Bundesrätin Widmer-Schlumpf habe ihre Wahl mit Vertretern von SP und CVP abgesprochen. In der SVP führte dies zur Auffassung, Widmer-Schlumpf habe die SVP angelogen und die Abwahl Blochers mitinitiiert. Parteipräsident Brunner sprach sich für einen Parteiausschluss Widmer-Schlumpfs aus. Die Bundesrätin bestritt, Vertretern von CVP und SP die Annahme einer allfälligen Wahl im Voraus zugesichert zu haben. Sie habe sich die Arbeit als Bundesrätin ohne Fraktion ursprünglich nicht vorstellen können und habe erst nach der – für sie überraschend erfolgten – Wahl ihre Meinung geändert, als ihr klar geworden sei, dass auch Bundesrat Schmid aus der Fraktion ausgeschlossen wurde und dass Blochers Wiederwahl auch dann nicht gelingen würde, wenn sie verzichten würde.

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Da die SVP Schweiz Einzelmitglieder nicht auf direktem Weg ausschliessen kann, forderte die Parteileitung Anfang April Widmer-Schlumpf zum Parteiaustritt bis zum 11. April auf. Die Parteileitung begründete dies damit, dass Widmer-Schlumpf die SVP hinters Licht geführt habe, indem sie wahrheitswidrig über das Zustandekommen ihrer Kandidatur informiert habe. Sie habe dadurch die Partei geschädigt. Die SVP forderte Widmer-Schlumpf auch auf, aus dem Bundesrat zurückzutreten. Falls Widmer-Schlumpf nicht freiwillig ihre Parteimitgliedschaft niederlege, solle die Bündner Kantonalpartei sie bis zum 30.April ausschliessen. Sollte dies verweigert werden, werde die ganze SVP Graubünden aus der SVP Schweiz ausgeschlossen. Der SVP-Zentralvorstand stellte sich am 4. April mit 67 zu 5 Stimmen bei 7 Enthaltungen hinter dieses Ultimatum. Widmer-Schlumpf lehnte die Forderungen ab und wies die Vorwürfe der SVP Schweiz zurück. Die Bündner SVP lehnte das Ultimatum der SVP Schweiz ebenfalls ab. Es gebe keine sachlichen Gründe, Widmer-Schlumpf auszuschliessen.

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Die Reaktionen auf das Vorgehen der nationalen SVP gegen Widmer-Schlumpf und die SVP Graubünden fielen unterschiedlich aus. Der Vorstand der Berner SVP richtete sich gegen einen Ausschluss der Bündner SVP. Ein Ausschluss verletze Gesetz und Parteistatuten. Die Delegierten der Berner SVP unterstützten mit 256 zu 222 Stimmen diesen Positionsbezug. Die Parteiversammlung der SVP Waadt stimmte dem Ausschluss von Widmer-Schlumpf deutlich zu, dem Ausschluss der SVP Graubünden jedoch nur mit 78 zu 70 Stimmen. Die Glarner SVP-Delegierten sprachen sich für einen Verbleib der Bündner SVP in der SVP Schweiz aus. Die SVP Thurgau befürwortete Ende Mai mit 139 zu 105 Stimmen den Ausschluss der Bündner SVP. Klar für das Vorgehen der Parteileitung sprachen sich die SVP-Sektionen in den Kantonen Zürich, Appenzell Ausserrhoden, Freiburg, Neuenburg, Genf, Tessin, St. Gallen, Aargau, Luzern, Schwyz, Obwalden, Wallis und Baselland aus.

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Nach dem Verstreichen des Ultimatums an Widmer-Schlumpf und ihre Kantonalsektion beschloss der SVP-Zentralvorstand am 18. Mai mit 84 zu 13 Stimmen, das Ausschlussverfahren gegen die Bündner SVP einzuleiten. Am 1. Juni fiel der materielle Entscheid für den Ausschluss, bei dem die Vertreter der Bündner SVP in den Ausstand treten mussten, mit 81 zu 5 Stimmen. Die notwendige Zweidrittelmehrheit wurde damit problemlos erreicht. Die ausgeschlossene SVP Graubünden kündigte die Gründung einer neuen Partei für den 16. Juni an. Zur neuen Partei gehören würden die beiden bisherigen SVP-Regierungsräte Barbara Janom und Hansjörg Trachsler, sowie die Nationalräte Gadient und Hassler, ebenso die meisten SVP-Grossräte im Bündner Parlament. Auch im Kanton Bern trat eine Gruppe von 35 Dissidenten um den Nationalrat Hans Grunder am 2. Juni an die Öffentlichkeit. Dazu gehörten auch SVP-Regierungsrat Urs Gasche und Ständerat Werner Luginbühl. Bereits seit April hatte es Berichte über die so genannte „Gruppe Bubenberg“ gegeben. Diese Gruppe verfolgte nun die Alternativen Austritt der ganzen Berner SVP aus der SVP Schweiz und Gründung einer neuen Partei. Eine Resolution mit der Austrittsforderung wurde an den Vorstand der Berner SVP gerichtet. Ein Austritt der ganzen Berner SVP hätte allerdings eine Zweidrittelmehrheit an der Delegiertenversammlung erfordert. Hans Grunder und Ursula Haller kündigten an, eine neue Partei zu gründen, falls dies nicht erreicht werde. Bundesrat Samuel Schmid sprach sich für einen Austritt der Berner SVP aus der nationalen Partei aus und machte bekannt, dass er einer allfälligen neuen Partei beitreten würde. Der ehemalige Vizepräsident der SVP Glarus, Martin Landolt, kündigte die Gründung einer neuen Partei im Kanton Glarus an. Die nationale SVP-Spitze reagierte gelassen auf die Abspaltungsgefahr. Es handle sich nur um eine Flurbereinigung.

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