Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier (BRG 13.050)

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Ende Mai 2013 hatte der Bundesrat dem Parlament seine Botschaft und den Entwurf zum Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier (EPDG) unterbreitet. Das neue Gesetz soll die Voraussetzungen für die Bearbeitung der Daten des elektronischen Patientendossiers regeln. Dies gilt als Meilenstein bezüglich der Umsetzung der „Strategie eHealth Schweiz“ und bedeute eine wichtige Massnahme für die Weiterentwicklung des Schweizer Gesundheitssystems, so die Landesregierung. Im Gesetz werden die Rahmenbedingungen für die Bearbeitung von Patientendaten gesetzt. Elektronische Patientendossiers sollen die Qualität der Behandlungsprozesse verbessern, die Patientensicherheit erhöhen und die Effizienz des Gesundheitssystems steigern. Die Dossiers dienen Gesundheitsfachpersonen für einen einfachen Datenaustausch, sie können aber auch den Patienten selbst zur Einsicht ihrer Einträge bereitgestellt werden. Wichtig ist, dass das Führen eines elektronischen Patientendossiers für die Patientinnen und Patienten freiwillig ist. Dieser Grundsatz gilt auch für die Gesundheitsfachpersonen und ihre Einrichtungen. Einzig Leistungserbringer nach KVG, die ihre Leistungen zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung abrechnen, sind verpflichtet, elektronische Dossiers zu führen. Als Starthilfe wird der Bund die für die Kommunikation notwendigen zentralen technischen Komponenten betreiben und die Einführung und Verbreitung des elektronischen Patientendossiers informierend und koordinierend unterstützen. Zudem will der Bund den Aufbau und die Zertifizierung von Gemeinschaften und Stammgemeinschaften während drei Jahren durch Finanzhilfen unterstützen. Als Gemeinschaft ist in diesem Zusammenhang der organisierte Zusammenschluss von Gesundheitsfachpersonen und deren Einrichtungen umschrieben. Dazu beantragt der Bundesrat mit der Botschaft einen Verpflichtungskredit von CHF 30 Mio. Nicht gedeckt werden jedoch jene Kosten, die den Gesundheitsfachpersonen und ihren Einrichtungen durch die Anpassung ihrer Praxis- und Klinikinformationssysteme entstehen. Mit einer Anpassung der Tarife der ambulant tätigen Gesundheitsfachpersonen erhofft sich der Bundesrat, dass sich möglichst viele Arztpraxen, Apotheken, Spitexorganisationen usw. einer Gemeinschaft oder einer Stammgemeinschaft anschliessen.
Mitte 2014 wurde die Vorlage im Parlament beraten, als Erstrat äusserte sich der Ständerat dazu. Die vorberatende SGK beantragte nicht nur einstimmig auf die Vorlage einzutreten, sondern empfahl sie dem Rat ebenso deutlich zur Annahme. Sowohl Christine Egerszegi (fdp, AG) als auch Urs Schwaller (cvp, FR), beide Mitglieder der SGK, betonten in ihren Wortmeldungen, dass das Rahmengesetz längst überfällig sei – man vollziehe lediglich, was seit geraumer Zeit Realität im Gesundheitswesen sei. Zwar sei eine auf doppelte Freiwilligkeit fussende Einführung nicht als Königsweg zu sehen, deswegen müsse man aber nicht das gesamte Gesetz in Frage stellen. Kritik wurde an der Kostenbeteiligung des Bundes angebracht, welche an die gleiche Leistung der Kantone gebunden ist. Bedenken hinsichtlich Datenschutz und -sicherheit wurden ebenfalls geäussert, nicht genug jedoch, um nicht auf das Geschäft einzutreten: Einstimmig wurde die Detailberatung im Ständerat aufgenommen. Die Kommission hatte einige Änderungsanträge formuliert, die im Wesentlichen den Wortlaut des Gesetzes anpassten und inhaltlich keine substanziellen Änderungen bedeuteten. Diese wurden alle vom Ratsplenum gutgeheissen. Wichtig war vor allem eine genaue Eingrenzung der Anwendbarkeit und des Umgangs mit den Patientendaten – wo immer möglich wurde präzisiert, dass diese nur im Gesundheitsbereich verwendet werden dürfen. Mit 37 Stimmen verabschiedete die kleine Kammer das Gesetz einstimmig und überliess es damit der Behandlung durch den Nationalrat, der erst 2015 dazu tagen wird. Der dazugehörige Bundesbeschluss über Finanzhilfen nach dem Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier wurde ebenfalls einstimmig angenommen. Beide Vorlagen nahmen auch die Hürde für die Ausgabenbremse.

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Das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier fand im Nationalrat grundsätzlichen Anklang, sämtliche Fraktionen wollten auf den Entwurf eintreten. Die SGK empfand den Gesetzesentwurf jedoch als zu wenig griffig, respektive verpflichtend. Ihr Sprecher Frehner (svp, BS) legte dar, dass das elektronische Patientendossier nur dann eine Wirkung entfalte, wenn alle „Player” im Gesundheitswesen mitmachen. Deswegen wurde von der Kommission vorgeschlagen, alle Leistungserbringer zur Verwendung elektronischer Dossiers zu verpflichten und es nicht bei einer freiwilligen Anwendung zu belassen. Ausgenommen blieben jedoch die Patientinnen und Patienten, für sie bliebe die Freiwilligkeit aufrechterhalten.

In der Detailberatung gab es erste Anpassungsvorschläge bezüglich der Kompetenz zur Bearbeitung der elektronischen Dossiers. Während die Kommissionsmehrheit eine Ausweitung der Bearbeitungsberechtigten vorgesehen hatte – es sollen auch Personen auf die Dossiers zugreifen können, die für öffentlich-rechtliche Einrichtungen tätig sind oder öffentlich-rechtliche Aufgaben ausüben –, stellte sich eine Minderheit Cassis (fdp, TI) dagegen. Sie befürchtete, damit in den Kompetenzbereich der Kantone einzugreifen. Der Gegenantrag wurde jedoch abgelehnt. Ein zweiter Gegenantrag Gilli (gp, SG) wollte einen vom Ständerat gestrichenen Passus wieder im Gesetz verankert wissen: Ein Widerruf des Einverständnisses von Patienten, ein Dossier zu führen, solle ihm oder ihr keine Nachteile schaffen. So wollte es ursprünglich auch der Bundesrat. Gilli argumentierte mit der hohen Sensibilität medizinischer Daten. Es dürfe nicht sein, dass Patientinnen schlechter behandelt würden, wenn sie sich entschieden, dass für sie kein elektronisches Dossier mehr geführt werden solle. Auch dieser Antrag blieb erfolglos. Für die Kommission berichtigte Frehner, dass keineswegs eine Zweiklassenmedizin angestrebt werde und es noch weniger das Ziel sei, dass Personen ohne elektronisches Dossier absichtlich eine schlechtere medizinische Versorgung erhielten. Es liege aber quasi in der Natur der Sache, dass wenn ein Arzt beispielsweise nicht die gesamte Krankengeschichte kenne, dieser möglicherweise eine nicht optimale Therapie veranlasse. Gillis Antrag enthalte überdies eine gefährliche Formulierung, ergänzte Cassis, aus der vielleicht sogar eine Haftbarkeit abgeleitet werden könnte.

Kernpunkt der Debatte war dann die sogenannte „doppelte Freiwilligkeit”, also dass sowohl Ärztinnen und Ärzte als auch die Behandelten auf die Anwendung elektronischer Patientendossiers verzichten können. Die Kommissionsmehrheit wollte für die Leistungserbringer ein Obligatorium einführen und damit entgegen dem bundesrätlichen Vorschlag, der auch vom Ständerat gestützt wurde, die elektronischen Dossiers flächendeckend einführen. Den Patientinnen und Patienten bliebe jedoch frei, ob für sie persönlich ein Dossier angelegt würde. Eine Minderheit Pezzatti (fdp, ZG) wollte das nicht mittragen. Zwar seien die Antragsstellenden auch für eine rasche Einführung der Dossiers, jedoch sei eine Verpflichtung der Leistungserbringer der falsche Weg, es regten sich Widerstände dagegen. Der Kommissionsantrag ging in dieser Sache also weiter, als Regierung und Ständerat vorgesehen hatten. Für die CVP-Fraktion – sie stand mit dieser Meinung nicht alleine da –, war ein Obligatorium zumutbar. Mit der doppelten Freiwilligkeit werde die gewünschte Wirkung kaum erzielt, so ihre Sprecherin Humbel (cvp, AG). Die Generation älterer Ärztinnen und Ärzte, die sich gegebenenfalls gegen die Anwendung der Dossiers wehren würde, dürfte bis zum Inkrafttreten des Gesetzes nicht mehr praktizieren und den jüngeren Generationen sei es zuzumuten. Die SP schlug in die gleiche Kerbe: Nur wenn die Ärzteschaft die Rahmenbedingungen schaffte, hätten die Patienten überhaupt die Chance „mitzumachen” und so von den verhofften Qualitätsvorteilen zu profitieren. Unaufgeregt äusserte sich auch die SVP für die obligatorische Einführung. Bortoluzzi (svp, ZH) ging sogar soweit vorzuschlagen, das Obligatorium einzuführen, um es dann der Bevölkerung zu überlassen, ob sie dagegen ein Referendum ergreifen wolle. Die Grünen zeigten sich, wie die FDP-Liberale Fraktion, eher zurückhaltend bis skeptisch. Das Obligatorium gleiche einer Bevormundung der Ärzteschaft, meinte Yvonne Gilli (gp, SG), selber Ärztin, und e-Health würde nicht darob scheitern, wenn die Patientendossiers freiwillig blieben. 114 Nationalrätinnen sprachen sich dann für das Obligatorium aus, 62 dagegen (3 Enthaltungen), womit der Vorlage eine gewichtige Neuausrichtung gegeben wurde.
Mit 175 zu 4 Stimmen wurde das Gesamtpaket gutgeheissen und dem Ständerat zur Differenzbereinigung überwiesen.

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Obligatorium, ja oder nein? Diese Frage hatten sich die Standesvertreterinnen und Standesvertreter Anfang Juni zu stellen, als es um das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier ging. Entgegen bundesrätlicher Skizze und ständerätlichem Beschluss hatte der Nationalrat die Einführung der elektronischen Patientendossiers obligatorisch erklärt. Zwar nur für die Leistungserbringer und nicht für die Patientinnen, aber es schien in den Augen der Volksverteterinnen und Volksvertreter der einzige Weg zu sein, mit dieser Massnahme auch den gewünschten Effekt einer verbesserten und günstigeren Gesundheitsversorgung zu erzielen.

Bevor dies jedoch angesprochen werden konnte, galt es sich der ersten Differenz anzunehmen. Es ging darin um die Kompetenzen des Datenzugriffs und der Datenbearbeitung durch Personen im Dienst von Dritten mit einem Auftrag vom Gemeinwesen („im öffentlich-rechtlichen Bereich tätige Personen”). Umstritten war, ob dies in der Bundesgesetzgebung geregelt werden solle oder nicht doch auf kantonaler Ebene. Die SGK des Ständerats wollte mehrheitlich an der früheren Fassung festhalten und diesen Passus offen lassen. Dagegen gab es einen Antrag Eder (fdp, ZG), der die Variante des Nationalrats übernehmen wollte. Die Nicht-Regelung führe zu Rechtsunsicherheit: Wenn die Gesetzgebung den Kantonen übergeben würde – „man wisse das aus der Erfahrung” –, dann würden einige Kantone mangelhaft legiferieren, andere gar nicht und wenn, gäbe es bestimmt 26 unterschiedliche Gesetze. Unter anderem des Datenschutzes wegen sei die unkomplizierte Lösung des Nationalrates zu unterstützen. Das war der springende Punkt: So fragte Christine Egerszegi (fdp, AG), wer dann tatsächlich diesen Datenzugriff erhielte. Sie wolle als Patientin nicht, dass das (zu) viele Personen oder Stellen seien. Es entwickelte sich eine Art ad-hoc Diskussion zu diesem Punkt, da er in der SGK selbst nicht diskutiert worden war. So lautete die Kommissions-Mehrheitsmeinung auf Festhalten am eigenen, ursprünglichen Votum; die Anpassung sei also wegzulassen. In der Abstimmung dazu wurde keine Version bevorzugt: Mit 21 zu 21 Stimmen und 2 Enthaltungen war der Rat unentschieden. Ususgemäss entschied Ständeratspräsident Hêche (sp, JU) mit seinem Stichentscheid im Sinne der Kommission, die Präzisierung des Nationalrates wurde damit also wieder gestrichen.
Zur obligatorischen Umsetzung der elektronischen Dossiers gab es jedoch keine echte Debatte. Die Kommission beantragte, am früheren Beschluss – der doppelten Freiwilligkeit – festzuhalten. Hauptargument war, dass man das Gesetz schnell verabschieden wollte. Diese Korrektur des nationalrätlichen Entscheids war im Plenum unbestritten. Der Entwurf ging zurück in die grosse Kammer.

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In der weiteren Differenzbereinigung zum Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier zeigte sich die SGK des Nationalrats geteilter Meinung. Betreffend Datenbearbeitung wollte sie eine Regelung fassen, die früher im Raum stand und im Ständerat nur knapp scheiterte. Das Plenum folgte dem Antrag mit 155 zu 27 Stimmen und hielt hierzu die Differenz zur Ständekammer aufrecht, den Datenzugriff im Bundesgesetz zu regulieren und nicht der kantonalen Gesetzgebung zu übertragen.
Betreffend einer obligatorischen Einführung der E-Dossiers ersuchte die SGK das Ratsplenum, einzulenken und auf ein Obligatorium zu verzichten (sprich dem Ständerat zu folgen). Gegen letztere Meinung regte sich aber Widerstand in Form zweier Minderheitsanträge. Ein Antrag de Courten (svp, BL) sah den Sinn und Zweck des Bundesgesetzes nur dann erfüllt, wenn die E-Dossiers mit einer Übergangsfrist von 10 Jahren flächendeckend eingeführt werden. Eine Minderheit II Steiert (sp, FR) wollte eine pragmatische Lösung eines Zwischenwegs vorschlagen. Demnach soll zwar ein Obligatorium statuiert werden, jedoch ohne Frist für Ärztinnen und Ärzte. Dieser Kompromiss fand jedoch keinen Zuspruch. In der zweiten Abstimmung, nun stand der Minderheitsantrag de Courten dem Mehrheitsantrag der SGK gegenüber, siegte das Obligatorium (de Courten) mit 115 zu 67 Stimmen recht deutlich. „Ganz oder gar nicht”, schien also die Devise im Nationalrat zu sein.

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Es schien, als bewährte sich die Hartnäckigkeit des Nationalrats. Im Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier machte die SGK-SR entscheidende Schritte auf die Volksvertreter zu. Ihr Vorschlag sah vor, dass nun ein Obligatorium unterstützt wird, jedoch mit recht engen Fristen. Für den stationären Bereich sollen E-Dossiers in Spitälern innert drei Jahren Usus werden, für andere Institutionen (Heime etc.) soll eine Umsetzung innert fünf Jahren gelten und für den ambulanten Bereich soll keine Frist gesetzt werden. Damit wurde der in der letzten Etappe im Nationalrat unterlegene Antrag Steierts (sp, FR) im Ständerat wieder ins Spiel gebracht.
Das Plenum folgte seiner einstimmigen Kommission. Sowohl Kommissionspräsidentin Maury Pasquier (sp, GE) als auch Bruderer Wyss (sp, AG) wollten mit diesem Vorschlag Türen öffnen für eine speditive Beschlussfassung, jedoch durchaus auch einigen Druck auf den Nationalrat ausüben: Wenn schon ein Obligatorium für stationäre Einrichtungen eingeführt werden soll, dann innert kurzer Fristen, damit ein wirklich griffiges Gesetz erlassen werden kann. Im Gegenzug wurde von der Volkskammer erwartet, dass sie das Obligatorium für den ambulanten Bereich fallen lasse. Im Ständerat war man der Ansicht, dass dieser Bereich ohnehin folgen werde und überdies eine Fristensetzung für die Ambulatorien die Umsetzung der neuen Norm gefährde.
Im Gegenzug lenkte der Ständerat in der Frage um die Kompetenzregelung zur Datenbearbeitung ein. Hier sollte die Gesetzgebung also den Kantonen überlassen werden.

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Es gab ein positives Ende für das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier, eine Einigungskonferenz konnte gerade noch abgewendet werden. Der Nationalrat zeigte sich mit der Lösung des Ständerates einverstanden. Auf Antrag seiner SGK wurde die Differenz ausgemerzt. Damit war das Geschäft bereit für die Schlussabstimmungen, die tags darauf stattfanden.
Mit 189 zu fünf Stimmen wurde das Gesetz im Nationalrat abgesegnet. Der Ständerat verabschiedete die Vorlage mit 45 Stimmen einstimmig. Der Weg für die Einführung elektronischer Patientendossiers wurde damit also vorgezeichnet. Spitäler müssen den Service innert drei Jahren anbieten, andere stationäre Pflegeeinrichtungen haben fünf Jahre Zeit. Ambulanten Einrichtungen, allen voran Arztpraxen, bleibt die Frist erlassen. In jedem Fall jedoch entscheidet der Patient oder die Patientin, ob zu seiner oder ihrer Person ein solches Dossier geführt werden soll.
Bis zum 8. Oktober 2015 konnte gegen das EPDG das Referendum ergriffen werden. Die Referendumsfrist verstrich ungenutzt.

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